BGH-Urteil zum Ticket-Schwarzmarkt: Was erlaubt ist – und was nicht
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer wegweisenden Entscheidung (Az. I ZR 74/06) den rechtlichen Rahmen für den gewerblichen Weiterverkauf von Fußballtickets abgesteckt. Im Zentrum stand der Hamburger SV, der sich gegen den Handel nicht autorisierter Verkäufer mit Eintrittskarten für Heimspiele wehren wollte. Dabei wurden auch zentrale Fragen rund um den sogenannten Schwarzmarkt für Fußballtickets beleuchtet, der bei Großveranstaltungen wie dem DFB-Pokalfinale 2025 ein immer größeres Problem darstellt.
Warum gibt es überhaupt einen Schwarzmarkt für Fußballtickets?
Der Ticket-Schwarzmarkt entsteht, wenn die Nachfrage das Angebot bei Weitem übersteigt. Beim DFB-Pokalfinale 2025 etwa wurden für das Berliner Olympiastadion mit 74.000 Plätzen über 1,66 Millionen Ticketanfragen registriert – so viele wie nie zuvor. Diese extreme Nachfrage führt dazu, dass zahlreiche Fans bereit sind, überhöhte Preise zu zahlen. Genau das machen sich Schwarzhändler zunutze: Sie kaufen Tickets über Umwege und bieten sie auf Onlineplattformen wie Viagogo, Ebay oder Kleinanzeigen oft zum Vielfachen des Originalpreises an.
Was hat der BGH zum HSV-Fall entschieden?
Der HSV wollte gewerblichen Händlern grundsätzlich untersagen lassen, Eintrittskarten für seine Spiele weiterzuverkaufen. Der BGH gab dem Verein aber nur teilweise recht:
-
Zulässig ist ein Verbot, wenn Händler Karten direkt vom HSV erwerben und dabei ihre gewerbliche Wiederverkaufsabsicht verschweigen (sogenannter Schleichbezug). In diesem Fall greifen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des HSV, die eine gewerbliche Weitergabe ausdrücklich untersagen. Hier liegt ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vor.
-
Unzulässig ist ein Verbot, wenn Tickets auf dem privaten Zweitmarkt gekauft werden, etwa durch Anzeigen in Zeitungen oder Onlineportalen. Der BGH stellte klar: Wer Karten von Privatpersonen erwirbt, macht sich nicht automatisch wettbewerbswidriges Verhalten zu eigen. Auch ein potenzieller Vertragsbruch des privaten Erstkäufers kann dem gewerblichen Käufer nicht pauschal angelastet werden.
Warum sind Schwarzmarktpreise so hoch?
Die Preise für begehrte Fußballspiele schießen in die Höhe, weil das Angebot begrenzt ist. Die Stadionkapazität ist nicht erweiterbar, und ein Großteil der Tickets geht an Sponsoren, Partner und Verbände. Nur ein Teil gelangt in den freien Verkauf. So entstehen künstlich verknappte Märkte, die professionelle Händler strategisch ausnutzen – mit Margen von 300 % oder mehr. Laut Schätzungen der Kanzlei Lentze Stopper landen bei Highlight-Spielen bis zu 50 % der Karten auf dem Schwarzmarkt.
Was sind die Risiken beim Ticketkauf über den Zweitmarkt?
Auch wenn es grundsätzlich erlaubt ist, ein Ticket von einem Dritten zu kaufen, drohen erhebliche Risiken:
-
Fälschungen: Tickets können gefälscht oder mehrfach verkauft worden sein.
-
Sperrungen: Veranstalter wie der DFB oder die UEFA sperren Tickets, die über nicht autorisierte Plattformen verkauft werden, und verweigern den Einlass.
-
Überzahlung: Käufer zahlen oft ein Vielfaches des Originalpreises, ohne Garantie auf Einlass.
Beim Pokalfinale 2025 etwa wurden mehrere hundert Tickets gesperrt, die von Vereinen wie dem VfB Stuttgart ursprünglich ausgegeben wurden – Details über betroffene Händler oder Fans sind jedoch nicht öffentlich.
Wie gehen Veranstalter wie der DFB oder die UEFA vor?
-
Ticketüberwachung: Der DFB beobachtet aktiv Verkaufsplattformen und sperrt identifizierbare Tickets.
-
Abmahnungen und rechtliche Schritte: Es werden Kanzleien beauftragt, um Schwarzhändler abzumahnen und zivilrechtlich zu verfolgen.
-
Ausschluss vom Ticketkauf: Wer mehrfach auffällt, kann dauerhaft vom Ticketverkauf ausgeschlossen werden.
-
Digitale Maßnahmen: Die UEFA setzt auf digitale Tickets, die über eine App nur einmal weitergegeben werden können – so soll eine unkontrollierte Weitergabe erschwert werden.
Gibt es legale Möglichkeiten zum Ticketweiterverkauf?
Ja – viele Veranstalter erlauben eine private Weitergabe mit begrenztem Aufschlag. So gestatten es etwa die ATGB (Allgemeinen Ticketgeschäftsbedingungen) des DFB, Tickets mit einem maximalen Aufpreis von 10 % an Freunde oder Bekannte weiterzugeben. Plattformen wie Viagogo hingegen verstoßen häufig gegen diese Regelungen, weshalb viele Vereine deren Nutzung in ihren AGB explizit ausschließen.
Warum greift die Polizei oft nicht ein?
Ein Verstoß gegen Veranstalter-AGB ist kein Straftatbestand. Die Polizei kann erst tätig werden, wenn gewerbsmäßiger Betrug, Steuerhinterziehung oder offensichtliche Fälschungen vorliegen. Beim DFB-Pokalfinale und Champions-League-Finale 2025 blieb der Weiterverkauf vor dem Stadion daher in vielen Fällen straflos.
Gibt es politische Lösungen?
Eine gesetzliche Regelung zum Ticketzweitmarkt existiert bislang nicht. Die Bundesregierung prüft derzeit Maßnahmen wie:
-
Preisobergrenzen
-
Transparente Verkäuferkennzeichnung
-
Pflichten für Plattformen bei Betrugsfällen
Im Koalitionsvertrag ist das Thema auf Seite 63 angesprochen – rechtliche Fortschritte lassen allerdings noch auf sich warten.
Fazit: Schwarzmarkt bleibt Problem trotz AGB und Apps
Der Schwarzhandel mit Fußballtickets wird durch Knappheit, fehlende gesetzliche Regulierung und hohe Gewinnchancen befeuert. Der BGH hat mit seinem Urteil eine differenzierte Grenze gezogen: Direkter Schleichbezug ist unzulässig, aber der Kauf von Tickets über Privatpersonen bleibt wettbewerbsrechtlich zulässig, solange keine weiteren Umstände hinzutreten. Fans sollten sich beim Ticketkauf auf offizielle Verkaufsstellen oder zugelassene Zweitmärkte verlassen – alles andere ist ein Spiel mit dem Risiko.
Fußballvereine müssen ihre AGB klar und wirksam formulieren und ihre Vertriebswege schützen – ein absolutes Weiterverkaufsverbot können sie aber nicht durchsetzen.
Urteil vom 11. September 2008 – I ZR 74/06 – bundesligakarten.de
OLG Hamburg, Urt. v. 5.4.2006 – 5 U 89/05 (OLG-Rep 2007, 66) LG Hamburg, Urt. v. 12.5.2005 – 315 O 586/04
Karlsruhe, den 12. September 2008
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
