Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls zurückgewiesen
1. Die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls
Die Kammer hat mit Beschluss vom heutigen Tag auf Grundlage der Akten den Antrag des Verteidigers von Herrn Kachelmann auf Aufhebung des Haftbefehls und Freilassung seines Mandanten zurückgewiesen. Herr Kachelmann bleibt damit weiterhin in Untersuchungshaft.
Die Kammer hat im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingegangene Beschwerde ausgeführt, dass eine begründete Sachentscheidung bislang nicht ergangen und deshalb über den noch nicht beschiedenen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls zu entscheiden gewesen sei.
Der Erlass eines Haftbefehls wie auch die Entscheidung, den Haftbefehl aufrecht zu erhalten, setzen voraus, dass ein dringender Tatverdacht besteht, dass ein Haftgrund vorliegt und dass die Anordnung und der Vollzug der Untersuchungshaft verhältnismäßig sind (§ 112 StPO; s. unten).
Die Kammer führt zur Voraussetzung des dringenden Tatverdachts aus, dass die Aussage des mutmaßlichen Opfers zur Tat sowie zum Geschehen vor und nach der Tat nach Aktenlage glaubhaft sei. Demgegenüber wirke die Einlassung von Herrn Kachelmann zum Ablauf des Geschehens am mutmaßlichen Tatabend u.a. im Hinblick auf das sich aus den Akten ergebende Bild seiner Persönlichkeit und der Persönlichkeit des mutmaßlichen Opfers sowie der Eigenart ihrer Beziehung als wenig plausibel.
Die Kammer führt ferner aus, dass die Glaubhaftigkeit der Angaben des mutmaßlichen Opfers nach Aktenlage bei einer Gesamtbetrachtung auch unter Berücksichtigung der von der Verteidigung vorgetragenen Einwände nicht nur durch das Nachtatverhalten einschließlich des Ablaufs der Anzeigenerstattung und das Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchungen in Heidelberg, sondern u.a. auch durch die in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Ausführungen in dem aussagepsychologischen Gutachten gestützt werden.
In rechtlicher Hinsicht sei daher davon auszugehen, dass Herr Kachelmann nach Aktenlage dringend verdächtig sei, den Tatbestand der besonders schweren Vergewaltigung nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB (s. unten) sowie – wegen der Verwendung eines Messers – den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (s. unten) verwirklicht zu haben. Beide Tatbestände stünden in Tateinheit zueinander.
Anm.: Der Tatbestand der besonders schweren Vergewaltigung sieht eine Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren, der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung eine solche von 6 Monaten vor.
Zum Erfordernis des Haftgrundes führt die Kammer aus, dass nach Aktenlage derzeit keine Anhaltspunkte vorhanden seien, die die Annahme eines minder schweren Falles (§ 177 Abs. 5 StGB – Mindestfreiheitsstrafe 1 Jahr – s. unten) rechtfertigen könnten, so dass angesichts der Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren ein ganz erheblicher Fluchtanreiz bestehe, dem keine Fluchthemmnisse von ausreichendem Gewicht gegenüber stünden. Mildere Maßnahmen seien nicht ausreichend, um den Zweck der Untersuchungshaft sicherzustellen.
Angesichts der Schwere der Tat sei die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft auch verhältnismäßig.
2. Weiterer Fortgang des Verfahrens
a) Die Kammer hat im Hinblick auf die eingelegte Beschwerde die Übersendung der Akten an das Oberlandesgericht Karlsruhe veranlasst.
b) Die Kammer hat dem Verteidiger auf seine Bitte hin eine weitere Frist zur Stellungnahme bzgl. der Frage der Eröffnung des Hauptverfahrens gewährt. Die Frist beträgt eine Woche. Die Kammer wird erst nach Ablauf dieser Frist über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden (insoweit wird zum Prüfungsmaßstab der Kammer auf die Pressemitteilung vom 19.05.2010 verwiesen). Sie werden rechtzeitig über die Entscheidung durch eine schriftliche Pressemitteilung in Kenntnis gesetzt werden. Bitte sehen Sie daher von Anfragen hinsichtlich des konkreten Entscheidungstermins ab.
Ich darf in diesem Zusammenhang nochmals darauf hinweisen und um Verständnis bitten, dass aus Gleichbehandlungsgründen grundsätzlich keine telefonischen Auskünfte über den Fortgang des Verfahrens erteilt werden. Zur Aufnahme in den Presseverteiler wenden Sie sich bitte per E-Mail an mich unter der Adresse hirsch@lgmannheim.justiz.bwl.de.
Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass Akkreditierungsanträge durch die Pressestelle erst im Falle der Eröffnung des Hauptverfahrens entgegengenommen werden. Bisher eingegangene Anträge werden daher im Falle der Eröffnung nicht berücksichtigt.
Überdies bitte ich Sie, von Interviewanfragen abzusehen.
3. Anmerkung
Erlauben Sie mir abschließend noch ein persönliches Wort. Das Verfahren ist im Hinblick auf den Tatvorwurf und die bisherige Berichterstattung für Herrn Kachelmann wie auch für das mutmaßliche Opfer mit einer außerordentlich hohen Belastung verbunden. Ich darf Sie daher – auch im Sinne eines reibungslosen Verfahrensablaufs – bitten, die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen zu beachten und zu respektieren.
Richter Dr. Hirsch
(stellvertretender Pressereferent)
Vorschriften:
§ 112 StPO – Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe
(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
1. festgestellt wird, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2. bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3. das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a) Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b) auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c) andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).
(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.
§ 177 StGB – Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung
(1) Wer eine andere Person
1. mit Gewalt,
2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder
3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist,
nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen läßt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2. sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3. das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2. das Opfer
a) bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b) durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 3 und 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
§ 224 StGB – Gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung
1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Quelle: Pressestelle des Landgerichts Mannheim