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Urteil in der Rechtssache T-332/10
Viaguara SA / HABM

Das Zeichen ,,VIAGUARA“ kann nicht als Gemeinschaftsmarke für Getränke  eingetragen werden

Die Benutzung dieses Zeichens birgt nämlich die Gefahr, dass die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke VIAGRA in unlauterer Weise ausgenutzt wird

Nach der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke1 kann die Eintragung einer Marke aus
bestimmten, ausdrücklich aufgeführten Gründen abgelehnt werden. Marken sind insbesondere
dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit einer älteren Marke identisch oder dieser
ähnlich sind oder ­ falls die ältere Marke in der Gemeinschaft bekannt ist ­ die Benutzung der
angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser älteren bekannten
Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

Im Oktober 2005 meldete das polnische Unternehmen Viaguara SA beim Harmonisierungsamt für
den Binnenmarkt (HABM) das Wortzeichen VIAGUARA als Gemeinschaftsmarke u. a. für
,,Energydrinks“ und alkoholische Getränke an.

Die amerikanische Gesellschaft Pfizer Inc. als Inhaberin der älteren Gemeinschaftswortmarke
VIAGRA (eingetragen u. a. für Arzneimittel zur Behandlung von Erektionsstörungen) erhob gegen
diese Anmeldung Widerspruch. Aufgrund dieses Widerspruchs lehnte das HABM es ab,
VIAGUARA als Gemeinschaftsmarke einzutragen.

Die Viaguara SA hat hiergegen Klage erhoben und beantragt, diese Entscheidung aufzuheben.

In seinem heutigen Urteil weist das Gericht diese Klage ab und bestätigt die Entscheidung
des HABM.

Zu der Voraussetzung, dass die ältere Marke in der Gemeinschaft bekannt sein muss, führt
das Gericht aus, das HABM habe zu Recht festgestellt, dass sich die Bekanntheit der Marke
VIAGRA nicht nur auf die Verbraucher der betreffenden Arzneimittel, sondern auch auf die
Gesamtbevölkerung erstrecke.

Das Gericht prüft sodann die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen. Es betont
in diesem Zusammenhang, dass der Verbraucher bei Wortmarken dem ersten Teil des Wortes im
Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit widmet. Daher schafft das Vorhandensein derselben Wurzel
,,Viag“ bei den einander gegenüberstehenden Zeichen eine starke schriftbildliche Ähnlichkeit, die
durch die den beiden Zeichen gemeinsame Endsilbe ,,ra“ noch verstärkt wird. Zudem weisen die
Zeichen in klanglicher Hinsicht eine erhebliche Ähnlichkeit auf, und es gibt kein Merkmal, anhand
dessen sie sich in begrifflicher Hinsicht unterscheiden lassen. Nach Auffassung des Gerichts
weisen die einander gegenüberstehenden Zeichen daher eine insgesamt starke Ähnlichkeit auf.

Auch wenn zwischen den von den Marken erfassten Waren, die einander nicht ähnlich sind, kein
unmittelbarer Zusammenhang feststellbar ist, erscheint es in Anbetracht der großen Ähnlichkeit
der Zeichen und des sehr hohen Bekanntheitsgrads der älteren Marke, der über die von den
betreffenden Arzneimitteln angesprochenen Verkehrskreise hinausgeht, gleichwohl möglich, dass
die angemeldete Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde. Selbst
wenn man annimmt, dass die von den Zeichen angesprochenen Verkehrskreise wegen der
Unterschiedlichkeit der jeweiligen Produkte nicht völlig deckungsgleich sind, ist davon
auszugehen, dass die beiden Marken miteinander in Zusammenhang gebracht würden.

Das Gericht hat schließlich die Voraussetzung erörtert, wonach die Gefahr bestehen muss, dass
die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke Viagra in unlauterer Weise
ausgenutzt wird. Dabei geht es um die Gefahr, dass das Image der bekannten Marke oder die
durch sie vermittelten Merkmale auf die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren
übertragen werden, so dass deren Vermarktung durch diese gedankliche Verbindung mit der
älteren bekannten Marke erleichtert wird. Auch wenn die betreffenden nichtalkoholischen Getränke
tatsächlich nicht die gleichen positiven Wirkungen wie die zur Behandlung von Erektionsstörungen
bestimmten Arzneimittel haben, kann der Verbraucher zu ihrem Kauf in dem Glauben neigen, in
ihnen ähnliche Eigenschaften, wie die Herbeiführung einer gesteigerten Libido, vorzufinden, weil er
die durch das Image der älteren Marke vermittelten positiven Assoziationen auf die Anmeldemarke
überträgt. Im Übrigen ist zu den von der Viaguara SA hergestellten alkoholischen Getränken, die
Guaraná enthalten, festzustellen, dass die Klägerin selbst angegeben hat, dass diese Getränke
weitere, Psyche und Körper stärkende und stimulierende Wirkungen sowie gesundheitsfördernde
Eigenschaften hätten, die denen eines Arzneimittels ähnelten.

Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Produkte der Marke Viagra zwar
Arzneimittel sind, die zur Behandlung von Erektionsstörungen verwendet und lediglich auf Rezept
abgegeben werden, dass sie aber dennoch nicht notwendig auf die Behandlung einer schweren
Krankheit hinweisen, sondern ein Bild von Lebenskraft und Potenz vermitteln, da sie es von
Erektionsstörungen betroffenen Personen ermöglichen, ihr Sexualleben und ihre Lebensqualität zu
verbessern, wobei die gedankliche Assoziierung eines solchen Images mit der Arzneimitteln
innewohnenden ,,Ernsthaftigkeit“ nicht unvereinbar ist. Da die betreffenden Arzneimittel in jüngeren
Altersgruppen der Bevölkerung auch zu ,,rekreativen Zwecken“ Verwendung finden, könnte dieses
Image auch auf andere Erzeugnisse als Arzneimittel und insbesondere auf die alkoholischen
Getränke der angemeldeten Marke übertragen werden, die zwar anderer Art sind, aber etwa beim
Ausgehen oder Feiern konsumiert werden.

Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass die Viaguara SA mit der Benutzung einer Marke, die
der älteren bekannten Marke ähnlich ist, den Versuch unternimmt, sich in den kommerziellen
Wirkungsradius dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem
Ansehen zu profitieren, und ohne finanzielle Gegenleistung die wirtschaftlichen Anstrengungen der
Inhaberin der älteren Marke zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke
ausnutzt, um ihre eigenen Erzeugnisse zu bewerben. Daher ist der sich aus dieser Benutzung
ergebende Vorteil als unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der
Wertschätzung der Marke Viagra anzusehen.

HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein
auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS: Die Gemeinschaftsmarke gilt in der gesamten Europäischen Union und besteht neben den
nationalen Marken. Gemeinschaftsmarken werden beim HABM angemeldet. Dessen Entscheidungen
können beim Gericht angefochten werden.

1
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in
geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die
Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]).

Quelle: PM des EuGhH

www.curia.europa.eu