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Wer kennt das nicht? Man öffnet den sein E-Mail-Postfach und findet einen Haufen lästiger Werbemails vor. Bei manchen der E-Mails sind die Absender unbekannt und vielleicht wundert man sich, woher die eigene E-Mail-Adresse Dritten bekannt geworden ist. In den allermeisten Fällen hilft eine Verschiebung in den Papierkorb zumindest temporär ab und man widmet sich anderen Dinge. Ein Rechtsanwalt dachte sich jedoch nach Erhalt einer Werbemail von einem unbekannten Absender in seiner beruflichen E-Mail-Adresse wohl: „Nicht mit mir!“.

Er zog bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), welches in seinem Beschluss vom 14.01.2021, Az. 1 BvR 2853/19 nun entschied, dass das letztinstanzlich entscheidende Amtsgericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine entscheidungserhebliche Frage hinsichtlich der Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs gem. Art. 82 DSGVO hätte vorlegen müssen und durch das Absehen von der Vorlage das Recht des klagenden Anwalts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verletzt habe.

Amtsgericht lehnte Schadensersatzanspruch mangels Erheblichkeit ab

Der Anwalt mahnte zunächst den Absender der Werbemail ab und klagte sodann vor dem Amtsgericht Goslar (AG Goslar). In dem amtsgerichtlichen Verfahren klagte er auf Unterlassung der weiteren Kontaktaufnahme ohne Einwilligung, Auskunft über die ihn betreffenden gespeicherten Daten, Feststellung, dass die Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung stammen und auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 500,00 EUR nach Art. 82 DSGVO. Das angerufene Gericht gab der Klage mit Urteil vom 27.09.2019 (Az.: 28 C 7/19) statt, mit Ausnahme der geforderten Schmerzensgeldzahlung.

Nach Satz 3 des Erwägungsgrundes des 146 der DSGVO soll der „Begriff des Schadens […] im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht.“. Die dadurch gebotene weite Auslegung des Art. 82 DSGVO zur Ermöglichung der effektiven Durchsetzung des Unionsrechts spricht für die Möglichkeit des Schadensersatzes auch in Bagatellfällen. Im Kontrast dazu wird bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, eine Geldentschädigung nur bei schwerwiegenden Eingriffen gewährt.

Auch das Amtsgericht hielt es im Hinblick auf den maßgeblichen Erwägungsgrund der DSGVO zumindest für fraglich, ob die nach der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen hinsichtlich einer Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzung auf Schadenersatzansprüche nach der DSGVO übertragbar sind. Dennoch lehnte es einen Schadensersatzanspruch ab mit der Begründung, dass mangels Erheblichkeit der Beeinträchtigung jedenfalls kein Schaden entstanden sei, denn es habe sich nur um eine einzige Werbemail gehandelt, die nicht zur Unzeit versandt wurde und mit der man sich deswegen nicht länger hätte befassen müssen.

BVerfG: Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter

Der Kläger erhob zunächst eine Anhörungsrüge, weil das AG Goslar in letzter Instanz über sein Klagebegehren entschieden hatte, ohne dem EuGH die Frage vorzulegen wie die DSGVO im Hinblick auf die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches auszulegen sei. Diese wurde jedoch zurückgewiesen.

Sodann erhob er Verfassungsbeschwerde beim BVerfG und rügte die Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen der Nichtvorlage vor dem EuGH. Die Richter in Karlsruhe gaben dem Beschwerdeführer recht.

Nach der Rechtsprechung des EuGHs muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt. Ausgenommen davon sind lediglich Fällen, in denen

  • das Gericht festgestellt hat, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist,
  • die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war (acte éclairé) oder
  • die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair)

Angesichts dessen, dass die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches im Detail von dem EuGH noch nicht geklärt wurden und selbst in der Literatur die Voraussetzungen und Umfang des Schadenersatzanspruches höchst umstritten sind, verneinte das BVerfG eine Ausnahme von der Vorlagepflicht im o.g. Sinne.

Somit verletzte das AG Goslar seine Vorlagepflicht und damit das Recht des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht hob deswegen das Urteil des AG Goslar auf, wodurch dieses nun neu entscheiden muss und die entscheidungserhebliche Rechtsfrage vermutlich dem EuGH vorlegen wird.

Angesichts der unklaren Rechtslage und überfüllter Spamordner wäre es wünschenswert, wenn der EuGH dem Schadensersatzanspruch nach der DSGVO in näherer Zukunft durch die Entscheidung in dieser Sache mehr Konturenschärfe geben würde. Es bleibt spannend.

Volltext der Entscheidung zu finden unter der URL: https://openjur.de/u/2320170.html

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Text verfasst und Titelbild bearbeitet durch: Marc Faßbender

Bearbeitetes Titelbild basiert auf gemeinfreiem Werk (public domain) von: “Gregor Ter Heide” (Wikipedia)