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Im Bereich des Rechts der Berichterstattung unterscheidet man zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen. Während Meinungsäußerungen bis an die Grenze der Schmähkritik zulässig sind, sind unwahre Tatsachenbehauptungen nie vom Recht auf Meinungsäußerung gedeckt. Sofern Aussagen sowohl Meinungsäußerung als auch Tatsachenbehauptungen sein können, tendiert die Rechtsprechung dazu, die Aussagen als Meinungsäußerungen zu werten. Begriffe wie “shitstorm” sind üblicherweise von einem “Darfürhalten” oder “Meinen” geprägt, da jeder Betroffenen eine Welle negativer Kritik anders wahrnehmen kann. In einem aktuellen Fall ordnete das OLG Frankfurt die Aussage “Auch seine ehemalige Bandkollegin A (…) kommentiert, spricht von Demenz und) erntet einen riesigen Shitstorm” als unwahre Tatsachenbehauptung ein, nachdem die Vorinstanz die Aussage noch als Meinungsäußerung gewertet hat.  Die wurde damit begründet, dass sich die in dem Bericht “geschilderte Reaktion im Netz, die sich auf wenige Einzelstimmen erstreckt, nicht als Shitstorm oder gar „riesigen Shitstorm“ bezeichnen” lässt. Der durchschnittliche Leser verstehe unter einem Shitstorm eine Reaktion ganz anderen Ausmaßes, die einen Sturm der Entrüstung auslösen muss, nicht aber nur wenige kritische Einzelstimmen nach sich ziehe.

Rechtsanwalt Kai Jüdemann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht.

 

 

Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 11. Mai 2021 (16 W 8/21)

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Januar 2021 teilweise aufgehoben.

Der Antragsgegnerin wird es im Wege einer einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gerichts für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten, unter Bezugnahme auf A zu verbreiten:

„(Auch seine ehemalige Bandkollegin A (…) kommentiert, spricht von Demenz und) erntet einen riesigen Shitstorm“,

wenn dies geschieht wie in dem Artikel vom XX.XX.2020 mit der Überschrift „…“, abrufbar unter der URL www.(…).com/….

Im Übrigen werden der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens einschließlich dieses Beschwerdeverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

Der Beschwerdewert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Antragstellerin ist eine unter dem Namen A bekannte Sängerin, die im Jahre 200X Gründungsmitglied der Band X war. Die Antragsgegnerin ist verantwortlich für die Inhalte der Internetseite www.(…).com.

Auch der Schlagersänger B war früher Mitglied der Band X.

In einem Artikel vom XX.XX.2020 berichtete die Antragsgegnerin, dass Schlagerstar B in seiner Erinnerungskiste gekramt und alte X Videos gefunden habe. Das thematisierte er auf seinem Instagram-Account. Die Antragstellerin kommentierte ein auf Instagram gepostetes Video ihres ehemaligen Bandkollegen B mit den Worten

„Kennst du die Choreo noch ganz? Krieg die nicht mehr zusammen!!! Mann mann mann, Demenz“.

Die Antragsgegnerin veröffentlichte darauf in ihrem Artikel vom XX.XX.2020 (Anlage Ast.2, Blatt 9 d. A.): „Auch seine ehemalige Bandkollegin A (…) kommentiert, spricht von Demenz und erntet einen riesigen Shitstorm.“

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass es sich bei der Reaktion auf ihren Post nicht um einen riesigen Shitstorm handele, und hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, durch die der Antragsgegnerin diese Äußerung verboten werden sollte.

Daneben hat sie beantragt, ebenfalls die Äußerung zu verbieten „Über diesen Witz können Fans nicht lachen“.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 30. Dezember 2020 zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es an einem Verfügungsanspruch fehle.

Bei der Äußerung, wonach die Antragstellerin einen riesigen Shitstorm geerntet habe, handele es sich um eine zulässige Meinungsäußerung, die auf einer wahren Tatsachengrundlage beruhe. So lägen genügend, den Kommentar der Antragstellerin kritisierende Äußerungen vor, sodass die Antragsgegnerin diese Reaktionen als „riesigen Shitstorm“ bewerten durfte. Die daneben angegriffene Äußerung „Über diesen Witz können Fans nicht lachen“ stelle eine Meinungsäußerung dar, die auch keine unwahren Aussagen enthalte.

Gegen den ihr am 25. Januar 2021 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit einer am 3. Februar 2021 bei Gericht eingegangenen Schrift sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiterverfolgt.

Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, dass es sich bei der Äußerung über den Shitstorm um eine bewusst unwahre Tatsachenbehauptung handele. Auch die Äußerung „Über diesen Witz können Fans nicht lachen“ weise einen unwahren Tatsachenkern auf, da sie impliziere, dass mehr als eine Person negativ auf den Kommentar der Antragstellerin reagiert hätte.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat bezüglich der Äußerung zu 1) Erfolg, im Übrigen war sie zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Senats steht der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.

Denn in der Äußerung „Auch seine ehemalige Bandkollegin A (…) kommentiert, spricht von Demenz und erntet einen riesigen Shitstorm“ liegt nach Auffassung des Senats eine unwahre Tatsachenbehauptung.

Bei dem Begriff „Shitstorm“ handelt es sich nach Duden und dem Verständnis eines durchschnittlichen Lesers um einen Sturm der Entrüstung. Wenige negative Stellungnahmen reichen nicht aus, sie als „riesigen Shitstorm“ zusammenzufassen.

Unter „C“ hat sich zwar ein User kritisch geäußert, indem er geschrieben hat „Weißt du, was du da schreibst??? mein Vater ist an schwerer Demenz gestorben!!“ (vgl. Screenshot, Anlage AG 1, Bl. 40 d. A.)

Auch gibt es im Netz auch noch unter dem anderweitigen Portal www.(…).de einen Bericht, der die Überschrift trägt „…“ sowie die Unterzeile „Das ist nicht lustig“ (vgl. Anlage AG 3, Bl. 42 d. A.). Darüber hinaus findet sich dazu auch unter www.(…).de noch der Kommentar „Die Demenz ist eine schlimme Krankheit, die zum Tode führen kann und Angehörige schwer trifft. Darüber macht man sich nicht lustig!!!“ (Anlage AG 4, Bl. 47 d. A.).

Darin erschöpfen sich indes die negativen Reaktionen, sieht man einmal von einem weinendem und zwei erstaunten Smileys ab (vgl. Screenshot Anlage AG 5, Bl. 38 d. A.), deren Konnotation nicht zweifelsfrei zugeordnet werden kann und die deshalb nicht unter einen Shitstorm subsumiert werden können.

Auch wenn die Äußerung der Antragstellerin unüberlegt gewesen ist, weil sie mangelndes Erinnerungsvermögen über eine lange zurückliegende Choreografie mit Demenz gleichgesetzt hat, so lässt sich die geschilderte Reaktion im Netz, die sich auf wenige Einzelstimmen erstreckt, nicht als Shitstorm oder gar „riesigen Shitstorm“ bezeichnen. Der durchschnittliche Leser versteht unter einem Shitstorm eine Reaktion ganz anderen Ausmaßes, die einen Sturm der Entrüstung auslösen muss, nicht aber nur wenige kritische Einzelstimmen nach sich zieht.

Im Übrigen war jedoch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Die Äußerung „Über diesen Witz können Fans nicht lachen“, den das Landgericht zurückgewiesen hat, ist auch nach Auffassung des Senats eine Meinungsäußerung, die die Grenzen zur Schmähkritik nicht überschreitet.

Dass Fans über diesen Witz nicht lachen können, ist nicht so zu verstehen, dass alle Fans darüber nicht lachen können oder ein großer Teil der Fans, sondern metaphorisch dahingehend, dass überhaupt Fans sich kritisch zu dieser Äußerung verhalten, da sie möglicherweise der Auffassung sind, dass mit dem Begriff Demenz vorsichtig umzugehen sei.

Da es aber, wie bereits ausgeführt, entsprechende Reaktionen auf den Post der Antragstellerin tatsächlich gab, beruht die Meinungsäußerung auch auf einem zutreffenden Tatsachenkern und ist daher hinzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert war gemäß §§ 3 ZPO, 53 Abs. 1 Nr. 1 ZPO festzusetzen.  (Quelle: hessenrecht)

 

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