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BGH zum Abmahnmissbrauch

Abmahnung sollen dazu dienen die Rechte der Betroffenen zu schützen. So etwa Urheber-, Marken- oder Persönlichkeitsrechte. Nicht immer ist dies aber der Fall. In manchen Fällen geht es dem originären Rechteinhaber oder ggf. Kanzleien, denen die Ansprüche abgetreten wurden, vornehmlich darum, Abmahnkosten geltend zu machen und diese in die Höhe zu treiben.

Der BGH urteilte in seinem Urteil vom 28. Mai 2020, Az. I ZR 129/19 nun, dass ein solches Vorgehen rechtsmissbräuchlich gem. § 242 sei. Dies gelte, auch wenn daneben schutzwürdige Interessen verfolgt werden, insofern sachfremde Ziele überwiegen. Dadurch sind die Ansprüche letztendlich nicht durchsetzbar.

In dem Verfahren ging es um Ansprüche wegen einer Doppel-CD mit Live-Aufnahmen des amerikanischen Gitarristen Al Di Meola. Sie war in Deutschland und anderen Ländern ohne die notwendige Lizenz auf den Markt gebracht worden.

Die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit erfordert nach dem Urteil als Ausnahme eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände:

 

„Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt. Ebenso stellt es ein Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen dar, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse dient, die Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten zu belasten. Das ist etwa der Fall, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Abmahngeschäft „in eigener Regie“ betreibt, allein um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zu erzielen“ – (Hervorhebungen durch den Verfasser)

 

Hier lag der Fall so, dass die klagende Kanzlei sich die streitgegenständlichen Ansprüche ihres Mandanten hatte abtreten lassen und in „eigener Regie“ vorging und am selben Tag eine größere Zahl gleichlautender Abmahnungen sowohl gegen Hersteller, Zwischenhändler als auch gegen diverse Einzelhändler wie die Beklagte verschickte. Der BGH stellte bezüglich letzterem jedoch klar, dass diese Form des Vorgehens gegen unterschiedliche Adressaten grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich sei. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit könne es jedoch im Einzelfall ein Indiz für eine Rechtsmissbräuchlichkeit sein, wenn schonendere Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung nicht genutzt worden seien. Dies erfordere nicht, dass bereits ein Titel gegen Hersteller oder Zwischenhändler vorliege. Ausreichend sei bereits, wenn die Abmahnung von zahlreichen Händlern sich wegen des damit verbundenen Kostenrisikos unter Berücksichtigung der objektiven Interessenlage als nicht interessengerecht erweise. Im hiesigen Fall ließ der BGH eine solche Beurteilung indes offen und stütze die Begründung des rechtsmissbräuchlichen Vorgehens stattdessen auf die folgenden Aspekte.

Neben der Geltendmachung auf eigenes Risiko sprach hier für eine Rechtsmissbräuchlichkeit bzw. gegen ein diese ausschließendes überwiegendes Interesse an der Verteidigung gegen Rechtsverletzungen nach dem Urheberrecht, dass in anderen Ländern nicht wie in Deutschland gegen die Rechtsverletzungen vorgegangen wurde.

Des Weiten war auch bekannt, dass die Klägerin schon in anderen Fällen ähnlich vorgegangen war und die Partner der Kanzlei zugleich Mitgesellschafter und Geschäftsführer einer weiteren GmbH waren, welche für die Ermittlungen von Rechtsverletzungen wie der hiesigen zusätzlich Gebühren i.H.v. 100 Euro pro erfolgreicher Ermittlung kassiert. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte in diesem Zusammenhang vor dem Landgericht Hamburg eingeräumt, dass die GmbH auf Grundlage eines Gesamtauftrages automatisch nach Rechtsverletzungen im Inland sucht, die Klägerin das wirtschaftliche Risiko der Prozessführung trage und sie mit Aufträgen des abtretenden Rechteinhabers im Ergebnis Gebühren erwirtschaften könne. Hier ließ sich eine klar überwiegende Motivation der Klägerin an der Generierung von Gebühren im Verhältnis zur Verfolgung der Rechtsverletzungen erkennen.