Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie treffen viele Unternehmen unvorbereitet, beinahe täglich werden neue Gewinnwarnungen veröffentlicht. Es stellen sich teilweise noch nie dagewesene oder als relevant empfundene rechtliche Fragen, wenn Veranstaltungen von Vertragspartnern abgesagt, Zahlungen oder andere Leistungen nicht erhalten werden oder selbst nicht mehr erbracht werden können. Gegen Sie werden Ansprüche von Vertragspartnern wegen der Nichteinhaltung geschlossener Verträge aufgrund des Coronavirus geltend gemacht? Sie möchten selbst Ansprüche gegen Ihre Geschäftspartner prüfen oder sich allgemein beraten lassen, wie Sie in Ihrer derzeitigen Situation adäquat auf die Corona-Krise reagieren? Wir stehen Ihnen als kompetenter Partner mit langjähriger Erfahrung bei allen rechtlichen Herausforderungen zur Seite. In diesem Beitrag möchten wir Sie über den Wegfall und die Störung der Geschäftsgrundlage im Zusammenhang mit dem Virus aufklären.
Wenn Sie einen Vertrag geschlossen haben, dessen beiderseitige Erfüllung durch das Corona-Virus gefährdet oder ganz unmöglich geworden ist, stellen sich folgende Fragen:
– Bis wann ist ein Festhalten am ursprünglich geschlossenen Vertrag für beide Seiten noch zumutbar und ab wann muss der Vertrag ggf. angepasst werden?
– In welchen Fällen ist sogar eine Anpassung des Vertrages unzumutbar, sodass ein Rücktritt- oder Kündigungsrecht in Betracht kommt?
Störung der Geschäftsgrundlage
Bei dieser juristischen Konstruktion geht es im Kern darum, in Ausnahmesituationen Vertragsanpassungen oder gar -aufhebungen zu ermöglichen, um die Interessen der Vertragspartner bestmöglich zu wahren. Im Regelfall gilt im Vertragsrecht der Grundsatz pacta sunt servanda („Verträge sind einzuhalten“), sodass nur bei erheblichen Änderungen der vertragsbegleitenden Umstände eine Ausnahme in Betracht kommt und der in §313 BGB geregelte Wegfall der Geschäftsgrundlage von Gerichten nur sehr restriktiv angewandt wird. Zur Geschäftsgrundlage zählen sämtliche Umstände, die von den Vertragsparteien zur Grundlage des geschlossenen Vertrags gemacht wurden, d.h. insbesondere solche, unter denen nach den Intentionen beider Vertragspartner die vertragliche Regelung sinnvoll erscheint sowie die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen Umstände, die dem anderen Teil erkennbar waren und die nach dem eindeutigen Willen einer oder beider Parteien zur Grundlage des Vertrages gemacht wurden.
Grundlegende Änderungen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung können die Geschäftsgrundlage allerdings so elementar stören und beide Vertragsparteien gleichermaßen betreffen, dass das Festhalten am Vertrag in seiner ursprünglichen Form keinen Sinn mehr macht. Hat sich die Geschäftsgrundlage so geändert, dass der Vertrag zu den vereinbarten Bedingungen nur einer Partei nicht zugemutet werden kann, hat diese einen Anspruch gegen ihren Vertragspartner auf Anpassung. Erst wenn auch dies unmöglich oder einer Partei unzumutbar ist, kann die benachteiligte Partei vom Vertrag zurücktreten oder im Falle von Dauerschuldverhältnissen kündigen. Worin die Geschäftsgrundlage eines Vertrages besteht, ob diese womöglich gestört oder weggefallen ist und welche Handlungsoptionen sich daraus für die Vertragspartner ergeben, lässt sich nur in jedem Einzelfall durch Vertragsauslegung ermitteln.
Corona als Störung bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage?
Ob aufgrund des Coronavirus die Geschäftsgrundlage eines Vertrages gestört ist, muss stets einer Einzelfallprüfung unterzogen werden. Das Coronavirus wird in vielen nun angepassten oder beendeten Vertragsbeziehungen als „höhere Gewalt“ bezeichnet. Nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte handelt es sich bei höherer Gewalt grundsätzlich um ein Ereignis, das von außen kommt, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbar ist. Epidemien und Seuchen können prinzipiell als höhere Gewalt angesehen werden. Dies wurde von verschiedenen Gerichten beispielsweise anlässlich der SARS-Virus-Epidemie im Jahr 2003 (z.B. AG Augsburg, Urt. v. 9. November 2004 – 14 C 4608/03) oder eines Ausbruch von Cholera (AG Homburg, Urt. v. 2. September 1992 – 2 C 1451/92-18) bestätigt.
Die juristische Unterscheidung, ob es sich um eine unvorhersehbare Störung oder um einen Fall der Unmöglichkeit nach §275 BGB handelt, ist relevant. Während im Falle des Wegfallens der Geschäftsgrundlage, soweit keine zumutbare Vertragsanpassung möglich ist, die sanktionslose Vertragsbeendigung folgt, muss der Schuldner im Falle der Unmöglichkeit beweisen, dass er die Nichtleistung nicht selbst zu vertreten hat, da er sich ansonsten schadensersatzpflichtig macht. Dies wird insbesondere bei der Störung des Verwendungszweckes relevant, wenn zwar kein behördliches Verbot vorliegt, aber dennoch vorsorglich vertraglich zugesicherte Leistungen nicht erbracht werden. Dann ist genau zu prüfen, in wessen Verantwortungssphäre der zum Vertragsbruch führende Umstand fällt.
Die Geschäftsgrundlage kann etwa durch staatliche Eingriffe, wie virusbedingte Verbote von Events oder des Exports bestimmter Güter, geändert werden. Sind behördliche Anordnungen wegen des Coronavirus der Grund für Leistungshindernisse, ist dies in der rechtlichen Prüfung mit einzubeziehen. Es macht nicht selten einen Unterschied, aus welchem Grund eine Leistung nicht erbracht werden kann, darf oder vorsorglich nicht erbracht wird.
Fazit
Trotz des allgegenwärtigen Ausnahmezustandes und einer existenzbedrohenden Situation für viele Freiberufliche und Unternehmen sollten Sie nicht vorschnell handeln und bestehende Verträge mit Verweis auf nicht erfüllte Leistungspflichten Ihres Vertragspartners beenden. Gerade in dieser Zeit ist professioneller rechtlicher Rat und Beistand Gold wert, da die Folgen einer falschen Entscheidung schwer wiegen können: Wird eine rechtlich mögliche Vertragsanpassung von Ihnen versäumt, kann dies mit wirtschaftlich hohen Einbußen einhergehen. Umgekehrt kann eine unrechtmäßige Beendigung des Vertrags durch Sie einen Schadensersatzanspruch Ihres Vertragspartners nach sich ziehen. Womöglich ist eine Vertragsanpassung möglich oder es liegt Unmöglichkeit statt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor.
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