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Zur Unterscheidungskraft juristisch oder wirtschaftlich vorgeprägter Begriffe – Anmerkung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

(BPatG vom 2. April 2025 – 29 W (pat) 37/22

Mit der Entscheidung, die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zuzulassen, öffnet der Senat ein bislang kaum betretenes Terrain im Bereich der markenrechtlichen Unterscheidungskraft. Zur Diskussion steht die Frage, ob ein Begriff allein deshalb keine Unterscheidungskraft aufweist, weil er im fachsprachlichen Kontext – etwa im juristischen oder wirtschaftlichen Bereich – eine feste Bedeutung hat, auch wenn er keine beschreibenden Angaben zu den beanspruchten Dienstleistungen enthält und sich nicht in einer werblichen Anpreisung erschöpft.

Die Entscheidung wirft eine grundlegende Frage auf, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt wurde und weit über den konkreten Einzelfall hinausreicht.

Fachlich vorgeprägte Begriffe – ein unterschätzter Grenzbereich

Das Markenrecht verlangt bekanntlich, dass ein Zeichen geeignet ist, als betrieblicher Herkunftshinweis zu fungieren (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die Rechtsprechung hat diesen Begriff zunehmend konkretisiert und differenziert, insbesondere in Bezug auf beschreibende Angaben und bloße Werbeaussagen. Ungeklärt ist hingegen, wie mit Begriffen umzugehen ist, die zwar nicht beschreibend sind, aber im jeweiligen Fachgebiet eine feste, quasi normierte Bedeutung besitzen.

Gerade im juristischen und ökonomischen Bereich finden sich viele Begriffe, die zwar nicht unmittelbar auf bestimmte Dienstleistungen hinweisen, aber durch ihren begrifflichen Gehalt so stark vorgeprägt sind, dass sie vom angesprochenen Fachpublikum eben nicht als Marke verstanden werden – sondern lediglich als Teil einer bekannten Terminologie.

Die dogmatische Leerstelle

An dieser Stelle setzt die nun zugelassene Rechtsbeschwerde an: Genügt die terminologische Vorprägung eines Begriffs im jeweiligen Fachgebiet, um ihm die Unterscheidungskraft abzusprechen? Oder ist zusätzlich ein beschreibender Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen erforderlich?

Die Vorinstanz scheint Letzteres zu verneinen. Sie geht davon aus, dass allein die Art der Wahrnehmung im Verkehr – nämlich als rein fachsprachlicher Begriff – zur Ablehnung der Eintragung führen kann. Die Wortmarke werde nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden, sondern ausschließlich als juristischer Fachterminus.

Ein weitergehender Maßstab?

Sollte sich diese Sichtweise durchsetzen, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die markenrechtliche Beurteilungspraxis. Die Schwelle zur Unterscheidungskraft würde faktisch abgesenkt, und es entstünde ein zusätzlicher Ausschlussgrund, der in dieser Form bislang keine Entsprechung in § 8 Abs. 2 MarkenG findet. Die Feststellung einer „reinen Fachterminologie“ könnte dann selbst bei fantasievollen oder neutralen Begriffen zur Verneinung der Schutzfähigkeit führen – sofern sich diese Begriffe im einschlägigen Fachumfeld fest etabliert haben.

Dies wirft auch praktische Fragen auf: Wie ist die Abgrenzung zu ziehen? Reicht es, dass ein Begriff in Fachpublikationen verwendet wird? Muss eine Definition in Kommentaren oder Lehrbüchern vorliegen? Oder genügt ein „allgemeines fachliches Verständnis“?

Notwendigkeit höchstrichterlicher Klärung

Vor diesem Hintergrund ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde ausdrücklich zu begrüßen. Sie bietet die Chance, eine präzise Linie zu entwickeln, wie juristisch oder wirtschaftlich geprägte Begriffe im Rahmen der markenrechtlichen Prüfung zu behandeln sind – ohne die Grenzen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch richterliche Konstruktionen unnötig zu erweitern.

Die Leitfrage sollte dabei lauten: Kann ein Begriff, der in einem bestimmten Fachgebiet eine bestimmte Bedeutung hat, dennoch geeignet sein, Herkunft anzuzeigen – zumindest dann, wenn ihm kein unmittelbarer beschreibender Charakter zukommt?

Die Beantwortung dieser Frage wird nicht nur für die Praxis der Markenämter und die Beratung von Anmeldern bedeutsam sein, sondern auch für das Gleichgewicht zwischen Markenschutz und Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit von Fachbegriffen.

Fazit

Die Entscheidung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zeigt, dass das Kriterium der Unterscheidungskraft noch immer Raum für Konturierung bietet – insbesondere dort, wo fachlich geprägte Begriffe zwischen Herkunftshinweis und terminologischer Allgemeingutverwendung oszillieren. Die rechtliche Bewertung solcher Begriffe darf nicht allein auf ihre fachsprachliche Bedeutung gestützt werden, sondern muss stets kontextbezogen und differenziert erfolgen. Der Senat hat mit der Zulassung den richtigen Weg eingeschlagen – nun bleibt zu hoffen, dass die nächste Instanz den Mut hat,