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Das OLG München hat bestätigt, dass bei Urheberrechtsverletzungen im Internet Ort der Verletzungshandlung nicht der Ort ist, an dem die Lizenz einzuholen ist, sondern der Ort, an dem das Angebot nicht nur bestimmungsgemäß abrufbar ist.  Zudem sei gut vertretbar, dass sich sich der Verstoss dort auch bestimmungsmäßig auszuwirken habe.   Das Oberlandesgericht lässt erkennen, dass es Tendenzen, die eine Ortsbezug zur Feststellung der örtlichen Zuständigkeit fordern,

Die Entscheidung des OLG

OLG München, Beschluss vom 07.05.2009 (31 AR 232/09)

G r ü n d e

I.

Die Klägerin, ein kartographischer Verlag mit Sitz im Bezirk des Amtsgerichts München, betreibt eine Internetseite, von der aus Stadtpläne u. ä. unentgeltlich aufgerufen werden können, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Nutzung solcher Kartographien nur gegen Entgelt gestattet ist. Sie begehrt von der Beklagten, die ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Hagen hat, nach § 97 UrhG Schadensersatz in Höhe von 1.050 € wegen Urheberrechtsverletzung infolge einer unberechtigten Verwendung einer Internet-Karthographie. Unstreitig hat die Beklagte eine Karte ohne Abschluss der entsprechenden Lizenzvereinbarung auf ihre eigene Internetseite eingestellt. Im Mahnbescheidsantrag hat die Klägerin bestimmt, dass der Rechtsstreit nach Widerspruch an das Amtsgericht München abzugeben sei. Dieses wies die Parteien zunächst darauf hin, dass es an ausreichendem Vortrag zur bestimmungsgemäßen Aufrufbarkeit der Internetseite der Beklagten fehle. Nachdem hierauf kein Vortrag erfolgte, die Klägerin vielmehr lediglich einen entsprechenden Verweisungsantrag stellte, verwies es den Rechtsstreit an das für den Sitz der Beklagten für Urheberrechtsverletzungen gem. § 2 NRWGeschmMRKonzVO örtlich zuständige Amtsgericht Bochum. Dieses lehnte die Übernahme ab, weil es das Amtsgericht München für zuständig und dessen Verweisungsbeschluss für nicht bindend hält. Die Internetseite der Klägerin sei im gesamten Bundesgebiet bestimmungsgemäß aufrufbar, sodass Tatort auch München sei, den Vortrag der Klägerin hierzu habe das Amtsgericht München nicht zur Kenntnis genommen und daher das rechtliche Gehör verletzt. Durch die im Mahnverfahren erfolgte Wahl des Gerichtsstands München habe die Klägerin zudem ihr nach § 35 ZPO bestehendes Wahlrecht unter verschiedenen Gerichtsständen bereits ausgeübt.

II.

Das Oberlandesgericht München ist zur Entscheidung de negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Amtsgericht München und dem Amtsgericht Bochum berufen, da das zuerst mit der Sache befasste Gericht in seinem Gerichtsbezirk liegt (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO).

Zuständig ist das Amtsgericht Bochum, da es an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München gebunden ist (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Die Bindungswirkung tritt ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist oder sich so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht hingenommen werden kann (BGHZ 102, 338/341; BayObLGZ 2003, 187/190; Zöller/Greger ZPO 27. Aufl. § 281 Rn. 17, 17a). Dies ist hier nicht der Fall.

Bei Urheberrechtsverletzungen ist Ort der Verletzungshandlung nicht der Ort, an dem die Lizenz einzuholen gewesen wäre, sondern der Ort, an dem die nur entgeltlich gestattete Handlung vorgenommen wird (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 32 Rn.  17). Das Amtsgericht München hat vor Verweisung durch rechtlichen Hinweis zu erkennen gegeben, dass es den Tatsachenvortrag zu den seine Zuständigkeit nach § 32 ZPO begründenden Umständen für nicht ausreichend hält, und dabei zutreffend nach der bestimmungsgemäßen Aufrufbarkeit der Internetseite der Beklagten gefragt. Auf die bestimmungsgemäße Aufrufbarkeit der Internetseite der Klägerin, zu der die Klägerin vorgetragen hatte, kommt es im hier erörterten Zusammenhang nicht an. Das Amtsgericht München hat das rechtliche Gehör der Parteien nicht verletzt.

Auch in der Sache ist die Auffassung des Amtsgerichts München, der — auch auf Nachfrage nicht ergänzte — Sachvortrag der Klägerin sei nicht ausreichend gewesen, um daraus eine Zuständigkeit in seinem Gerichtsbezirk herzuleiten, gut vertretbar. In der neueren Rechtsprechung ist ohnehin eine Tendenz zu beobachten, den „fliegenden Gerichtsstand der bestimmungsgemäßen Verbreitung“, der als zu ausufernd empfunden wird, einzuschränken und zusätzlich einen gewissen Ortsbezug bzw. die bestimmungsgemäße Auswirkung des Verstoßes im betreffenden Gerichtsbezirk zu fordern (vgl. für das Wettbewerbsrecht BGH GRUR 2006, 513; OLG Bremen EWiR 2000, 651; zum Urheberrecht KG Berlin GRUR-RR 2002, 343; Danckwerts GRUR 2007, 104; vgl. jetzt auch Zöller/Vollkommer 27. Aufl. § 32 Rn. 17, anders noch Vorauflage). Es wird die Meinung vertreten, auf den konkreten Internetauftritt des Urheberrechtsverletzers abzustellen und zu prüfen, ob sich daraus Umstände ergeben, die für einen lokal begrenzten Auswirkungskreis der Internetseite sprechen (vgl. Danckwerts a.a.O. S. 107 m.w.N.). Für all das gab der Sachvortrag der Klägerin nichts her; es wurde nicht einmal die bestimmungsgemäße Aufrufbarkeit der Internetseite der Beklagten im Bezirk des Amtsgerichts München vorgetragen. Bei dieser Sachlage konnte das Amtsgerichts München seine Zuständigkeit durchaus verneinen.

Hieran ändert auch der Umstand, dass die Klägerin im Mahnbescheid die Abgabe an das Amtsgericht München beantragt hat, nichts. Denn das sich aus § 35 ZPO ergebende Wahlrecht zwischen mehreren Gerichtsständen ist durch die Angabe eines unzuständigen Gerichts im Mahnbescheid nicht verbraucht. Wie ausgeführt, war es sehr wohl vertretbar, dass sich das Amtsgericht München für unzuständig gehalten hat. Von diesem Standpunkt aus war die Verweisung noch möglich und folgerichtig.