In einem von Jüdemann Rechtsanwälten erfolgreich geführten Rechtsstreit vor dem Landgericht Potsdam auf Feststellung, dass der Gegenseite kein Urheberrecht an Maschinen unserer Mandantin zusteht, hatte die Gegenseite Widerklage erhoben und 76.022,40 EUR als Ersatz für Kontruktionskosten geltend gemacht. Die Gegenseite nahm schließlich die Widerklage zurück und erkannte die Klage an. Trotz des Grundsatzes der Addition der Werte von Klage und Gegenklage setzte das Landgericht Potsdam den Streitwert auf 25.000,00 EUR, dem Wert unserer ursprünglichen Klage. Nachdem wir gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt hatten und auf § 45 GKG hingewiesen haben, setzte das Landgericht den Streitwert auf 76.222,40 EUR fest, den Wert der Widerklage. Es ist nicht bekannt, ob dies geschah, um uns zu ärgern. Die Beschwerde wurde dann dem Brandenburgischen Oberlandesgericht vorgelegt, das fast sechs Monate nach dem Urteil unserer Ansicht folgte und die Streitwerte addierte.
6 W 2/23
2 O 96/21 LG Potsdam
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In dem Verfahren der Wertfestsetzung
betreffend den Rechtsstreit
hat das Brandenburgische Oberlandesgericht – 6. Zivilsenat
…
am 17.01.2023
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird die landgerichtliche
Streitwertfestsetzung im Urteil vom 13.07.2022 in der Fassung des Beschlusses vom
27.12.2022 abgeändert und wie folgt neu gefasst: Der Streitwert für die Gerichtsgebühren
wird auf 101.220,40 € festgesetzt.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die gegen die landgerichtliche Festsetzung des Gebührenstreitwerts mit dem Ziel der
Heraufsetzung des festgesetzten Wertes eingelegte Beschwerde ist als aus eigenem Recht der
Prozessbevollmächtigten der Klägerin erhobenes Rechtsmittel gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG
i.V.m. §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes
übersteigt 200 €, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Partei selbst wird indes durch die Festsetzung
eines zu niedrigen Streitwerts regelmäßig nicht beschwert (vgl. BGH, Beschluss vom 20.
Dezember 2011 – VIII ZB 59/11 juris Rn 6; Beschluss vom 29. Oktober 2009 – III ZB 40/09, juris
Rn 3).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, denn dem Landgericht ist nicht darin zu folgen,
dass Klage und Widerklage denselben Gegenstand im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG
betreffen und deshalb nur der höhere Wert maßgebend sei.
Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG sind die in einer Klage und in einer Widerklage geltend
gemachten Ansprüche grundsätzlich zusammenzurechnen, etwas anderes gilt, wenn die
einander gegenüberstehenden Ansprüche denselben Gegenstand betreffen, in diesem Fall ist
nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend. Dabei ist dem
kostenrechtlichen Gegenstandsbegriff der Vorschrift – unabhängig vom zivilprozessualen
Streitgegenstand – eine wirtschaftliche Betrachtung zu Grunde zu legen. Wirtschaftliche Identität
von Klage und Widerklage im diesem Sinne ist – wie das Landgericht richtig ausgeführt hat – dann
gegeben, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander
bestehen können, dass beiden stattgegeben werden könnte, sondern die Verurteilung gemäß
dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge (st.
Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – VIII ZR 261/12, juris Rn 4;
Beschluss vom 6. Oktober 2004 – IV ZR 287/03, juris Rn 8 m.w.N.). Anders als das Landgericht
gemeint hat, liegt eine wirtschaftliche Identität von Klage und Widerklage im Streitfall nicht vor.
Nachdem die Beklagte vorgerichtlich gegenüber der Klägerin beanstandet hat, diese verletze ihr
Urheberrecht dadurch, dass die Klägerin zwei näher bezeichnete Industrieproduktionsmaschinen
durch andere Hersteller als sie – die Beklagte – herstellen lasse, hat die Klägerin negative
Feststellungsklage dahin erhoben, dass die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft
und Schadensersatz wegen Herstellung der Maschinen durch andere Hersteller habe. Mit der
Widerklage hat die Beklagte von der Klägerin Zahlung von 76.022,40 € beansprucht. Sie hat
insoweit geltend gemacht, der Betrag bilde ihren Konstruktionsaufwand für die in Rede stehenden
Maschinen ab. Den Aufwand habe die Klägerin ihr zu erstatten, denn mit der Herstellung der
Maschinen durch andere Hersteller sei der wesentliche Teil der Geschäftsgrundlage einer
Vereinbarung der Parteien über “kostenneutrale” Konstruktionsleistungen bei Verpflichtung der
Klägerin zur Abnahme von insgesamt 70 Maschinen binnen fünf Jahren entfallen.
Bei dieser Sachlage betreffen Klage und Widerklage nach der dargestellten “Identitätsformel”
nicht dasselbe wirtschaftliche Interesse. Die Streitfragen, ob die Beklagte in Bezug auf die
Maschinen Rechteinhaberin nach dem UrhG ist und ob ihr wegen schuldhafter Verletzung dieser
Rechte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz gegenüber der
Klägerin zustehen, ist unabhängig davon zu beurteilen, ob die Beklagte von der Klägerin Ersatz
von Konstruktionskosten auf vertraglicher Grundlage in Bezug auf eine Abnahmeverpflichtung
beanspruchen kann. Der Klage auf negative Feststellung, dass der Beklagten keine Ansprüche
auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz gegenüber der Klägerin infolge
anderweitiger Herstellung der Maschinen zustehen, könnte stattgegeben werden, ohne dass dies
einer Stattgebe der Widerklage auf Erstattung von Konstruktionskosten auf vertraglicher
Grundlage entgegenstünde. Ebenso hätte ein Erfolg der Widerklage nicht notwendigerweise die
Abweisung der negativen Feststellungsklage zur Folge.
Die Gegenstandswerte von Klage und Widerklage sind folglich zusammenzurechnen, die
Addition der Einzelwerte von 25.000 € (Klage) und 76.022,40 € (Widerklage) ergibt den
festgesetzten Betrag von 101.022,40 €.
Die Kostenfolgen ergeben sich aus § 68 Abs. 3 GKG.
(…)
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