Verletzergewinn bei unentgeltlicher Lizenzierung einer Marke – aber Keine Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie bei stets unentgeltlicher Lizenzierung – BGH, Urteil vom 16.12.2021 – Az. I ZR 201/20 – ÖKO – TEST III
BGH: Erteilt der Markenrechtsinhaber in ständiger Lizenzierungspraxis ausschließlich unentgeltliche Lizenzen an seiner Marke, kann der durch eine Markenverletzung entstandenen Schaden nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden.
Nach § 14 Abs. 6 MarkenG kann der Inhaber einer Marke bei schuldhafter Verletzung seines Rechts Schadensersatz verlangen. Der Schaden kann anhand verschiedener Berechnungsmethoden ermittelt werden. Die in der Praxis häufigste Form der Schadensberechnung erfolgt nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie. Maßgebend ist hierbei was vernünftige Vertragsparteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages als Vergütung für die Benutzung der Marke vereinbart hätten. Dabei sind alle Gesichtspunkte des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, die bei freien Lizenzverhandlungen Einfluss auf die Höhe der Vergütung gehabt hätten, insbesondere die Lizenzierungspraxis des Markenrechtsinhabers zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung.
Grundsätzlich kann der Markeninhaber zwischen den möglichen Berechnungsmethoden frei wählen. Jedoch scheidet die Schadensberechnung nach einer bestimmten Methode dann aus, wenn sie nicht zu einem interessengerechten Ausgleich des vom Markeninhaber erlittenen Vermögensnachteils geeignet ist. Wann dies der Fall bei der Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie sein kann, zeigt die Entscheidung des BGH vom 16.12.2021 – Az. I ZR 201/20 – ÖKO – TEST III
Die Klägerin ist Inhaberin der Wort-Bild-Marke “ÖKO-TEST” und gestattet Herstellern der von ihr getesteten Produkte die Werbung mit dem Zeichen, wenn diese mit ihr einen unentgeltlichen Lizenzvertrag abschließen, der die Nutzungsbedingungen regelt. Die Beklagte ist Herstellerin von Zahncremes und eines ihrer Produkte bewertete die Klägerin mit dem Gesamturteil “sehr gut”. Daraufhin schlossen die Parteien zur Bewerbung des Produkts mit dem Testergebnis einen Gestattungsvertrag über die unentgeltliche Nutzung der Wort-Bild-Marke “ÖKO-TEST”. Obwohl die Berechtigung der Beklagten zur Benutzung der Marke aufgrund einer Nichteinhaltung der vereinbarten Nutzungsbedingungen wegfiel, benutze diese das Testsiegel weiter. Darin sah die Klägerin eine Verletzung ihrer Markenrechte und begehrte unter anderem die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten, womit sie erstinstanzlich erfolg hatte. Das Berufungsgericht war dagegen der Ansicht, dass der Klägerin aufgrund der unentgeltlichen Lizenzierungspraxis schon kein ersatzfähiger Schaden sei. Der BGH sah das etwas anders.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei der Klägerin, aufgrund des Eingriffs in das Markenrecht als vermögenswertes Recht und der damit verbundenen, allein dem Markeninhaber zugewiesenen Nutzungsmöglichkeit, ein ersatzfähiger Schaden entstanden. Dieser könne aber nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden. Zwar weise die Berechtigung zur Benutzung der klägerischen Wort-Bild-Marke einen objektiven Vermögenswert auf, der einer Berechnung anhand einer Lizenzgebühr grundsätzlich zugänglich sei. Jedoch könne mit Blick auf die Lizenzierungspraxis der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass sie sich diesen Wert im Wege einer von der Beklagten zu zahlenden Lizenzgebühr zunutze gemacht hätte. Die Klägerin gestatte Herstellern der getesteten Produkte die Benutzung des “ÖKO-TEST”-Zeichens zur Bewerbung der Waren stets unentgeltlich. So sei sie auch gegenüber der Beklagten verfahren und müsse sich daran festhalten lassen.
Der BGH stellte aber klar, dass der Schaden anhand des Gewinns berechnet werden könne, den die Beklagte aufgrund des Vertriebs von Zahncremeprodukten mit dem streitgegenständlichen “ÖKO-TEST”-Zeichen erzielt habe.
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