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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

 6. Februar 2014(*)

 

In der Rechtssache C‑98/13

 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Højesteret (Dänemark) mit Entscheidung vom 25. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Februar 2013, in dem Verfahren

 Martin Blomqvist

 gegen

 Rolex SA,

 Manufacture des Montres Rolex SA

 erlässt

 

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

 

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

 

unter Berücksichtigung der Erklärungen

 …..

folgendes

 

Urteil

 

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (ABl. L 196, S. 7, im Folgenden: Zollverordnung), von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10, im Folgenden: Urheberrechtsrichtlinie), von Art. 5 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25, im Folgenden: Markenrichtlinie) und von Art. 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1, im Folgenden: Gemeinschaftsmarkenverordnung).

 

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Blomqvist auf der einen Seite und der Rolex SA sowie der Manufacture des montres Rolex SA (beide zusammen im Folgenden: Rolex) auf der anderen Seite über die Vernichtung einer nachgeahmten Uhr, die Herr Blomqvist über eine chinesische Online-Shop-Website gekauft hatte und die von den Zollbehörden beschlagnahmt worden war.

 

Rechtlicher Rahmen

 

Unionsrecht

 

Zollverordnung

 

3 In den Erwägungsgründen 2 und 8 der Zollverordnung heißt es:

 

„(2) Durch das Inverkehrbringen nachgeahmter und unerlaubt hergestellter Waren und allgemein durch das Inverkehrbringen von Waren, die Rechte geistigen Eigentums verletzen, wird den rechtstreuen Herstellern und Händlern sowie den Rechtsinhabern erheblicher Schaden zugefügt; außerdem werden die Verbraucher getäuscht und mitunter Gefahren für ihre Gesundheit und ihre Sicherheit ausgesetzt. Daher sollte soweit wie möglich verhindert werden, dass solche Waren auf den Markt gelangen, und es sollten Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung dieser illegalen Praktiken ergriffen werden, ohne jedoch den rechtmäßigen Handel in seiner Freiheit zu beeinträchtigen. Dieses Ziel steht im Einklang mit Anstrengungen auf internationaler Ebene, die derzeit unternommen werden.

 

 

(8) In Verfahren, die eingeleitet werden, um festzustellen, ob ein Recht geistigen Eigentums nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften verletzt ist, sind die Kriterien maßgebend, nach denen sich bestimmt, ob die in dem betreffenden Mitgliedstaat hergestellten Waren Rechte geistigen Eigentums verletzen. Die Bestimmungen der Mitgliedstaaten über die Zuständigkeit der Justizbehörden und die Gerichtsverfahren bleiben von dieser Verordnung unberührt.“

 

4 Art. 1 der Zollverordnung lautet:

 

„(1) In dieser Verordnung sind die Voraussetzungen festgelegt, unter denen die Zollbehörden tätig werden können, wenn Waren in folgenden Situationen im Verdacht stehen, ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen:

 b) wenn sie im Rahmen einer zollamtlichen Prüfung von Waren entdeckt werden, die nach Artikel 37 und Artikel 183 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 [des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1)] in das Zollgebiet oder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden …

 

(2) In dieser Verordnung sind ferner die Maßnahmen festgelegt, die von den zuständigen Behörden zu treffen sind, wenn die in Absatz 1 genannten Waren erkanntermaßen ein Recht geistigen Eigentums verletzen.“

 

5 Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Zollverordnung lautet:

 

„(1) Für die Zwecke dieser Verordnung sind ‚Waren, die ein Recht geistigen Eigentums verletzen‘:

 

a) ‚nachgeahmte Waren‘, das heißt:

 

i) Waren einschließlich ihrer Verpackungen, auf denen ohne Genehmigung Marken oder Zeichen angebracht sind, die mit der Marke oder dem Zeichen identisch sind, die für derartige Waren rechtsgültig eingetragen sind, oder die in ihren wesentlichen Merkmalen nicht von einer solchen Marke oder dem Zeichen zu unterscheiden sind und damit die Rechte des Inhabers der betreffenden Marke im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. 1994, L 11, S. 1] oder nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden gestellt wird, verletzen;

 

 

b) ‚unerlaubt hergestellte Waren‘: insbesondere Waren, die Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen sind oder solche enthalten und ohne Zustimmung des Inhabers des Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts oder eines Geschmacksmusterrechts, unabhängig davon, ob es nach einzelstaatlichem Recht eingetragen ist, oder ohne Zustimmung einer von dem Rechtsinhaber im Herstellungsland ermächtigten Person angefertigt werden, sofern die Herstellung dieser Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen das betreffende Recht im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über Gemeinschaftsgeschmacksmuster [ABl. 2002, L 3, S. 1] oder nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden gestellt wird, verletzen würde“.

 

6 Art. 9 Abs. 1 der Zollverordnung sieht vor:

 

„Stellt eine Zollstelle … fest, dass … Waren, die sich in einer der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Situationen befinden, im Verdacht stehen, ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen, so setzt sie die Überlassung dieser Waren aus oder hält diese Waren zurück.“

 

7 Art. 10 Abs. 1 der Zollverordnung bestimmt:

 

„Ob ein Recht geistigen Eigentums nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften verletzt ist, richtet sich nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich die Waren in einer der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Situationen befinden.“

 

8 Art. 17 Abs. 1 der Zollverordnung schreibt vor:

 

„Unbeschadet der anderen Rechtsbehelfe, die der Rechtsinhaber in Anspruch nehmen kann, treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit die zuständigen Stellen

 

a) die Waren, die erkanntermaßen ein Recht geistigen Eigentums verletzen, nach den einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ohne Entschädigung und, sofern die innerstaatlichen Rechtsvorschriften nichts anderes vorsehen, ohne Kosten für die Staatskasse vernichten oder auf eine Weise aus dem Handel ziehen können, die einen Schaden für den Rechtsinhaber verhindert;

 

…“

 

Urheberrechtsrichtlinie

 

9 Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie lautet:

 

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten.“

 

Markenrichtlinie

 

10 Art. 5 Abs. 1 und 3 der Markenrichtlinie bestimmt:

 

„(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

 

a) ein mit der Marke identisches Zeichen … zu benutzen …;

 

 

(3) Sind die Voraussetzungen der Absätze l und 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:

 

 

b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

 

c) Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

 

…“

 

Gemeinschaftsmarkenverordnung

 

11 Art. 9 Abs. 1 und 2 der Gemeinschaftsmarkenverordnung bestimmt:

 

„(1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

 

a) ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen … zu benutzen …;

 

 

(2) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,

 

 

b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

 

c) Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

 

…“

 

Dänisches Recht

 

12 § 2 Abs. 1 und 3 des Urheberrechtsgesetzes (ophavsretsloven) in der Fassung der Gesetzesbekanntmachung Nr. 202 (lovbekendtgørelse nr. 202) vom 27. Februar 2010 (im Folgenden: Urheberrechtsgesetz), durch das die Urheberrechtsrichtlinie umgesetzt wurde, bestimmt:

 

„(1) Das Urheberrecht verleiht, mit den in diesem Gesetz genannten Einschränkungen, das ausschließliche Recht, über das Werk zu verfügen, indem es vervielfältigt oder in der ursprünglichen oder einer veränderten Form, einer Übersetzung, einer Umarbeitung in eine andere Literatur- oder Kunstart oder einer anderen Technik der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird.

 

 

(3) Das Werk wird der Allgemeinheit zugänglich gemacht, wenn

 

1. Vervielfältigungsstücke des Werkes zum Verkauf, zur Vermietung oder zum Verleih angeboten oder auf andere Weise allgemein verbreitet werden,

 

2. Vervielfältigungsstücke des Werkes öffentlich gezeigt werden oder

 

3. das Werk öffentlich wiedergegeben wird.“

 

13 § 4 Abs. 1 und 3 des Markengesetzes (varemærkeloven) in der Fassung der Gesetzesbekanntmachung Nr. 109 (lovbekendtgørelse nr. 109) vom 24. Januar 2012, durch das die Markenrichtlinie umgesetzt wurde, bestimmt:

 

„(1) Der Inhaber einer Marke kann es einem Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn

 

1. das Zeichen mit der Marke identisch ist und die Waren oder Dienstleistungen, für die es benutzt wird, gleicher Art wie die Waren oder Dienstleistungen sind, für die die Marke geschützt ist, oder

 

2. das Zeichen mit der Marke identisch oder ihr ähnlich ist und die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder ähnlicher Art sind, sofern die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

 

 

(3) Als Benutzung im geschäftlichen Verkehr ist es insbesondere anzusehen,

 

1. das Zeichen auf Waren oder deren Verpackung anzubringen;

 

2. unter dem Zeichen Waren zum Verkauf anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

 

3. Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

 

4. das Zeichen in Geschäftspapieren und zu Werbezwecken zu benutzen.“

 

14 § 5 der Gesetzesbekanntmachung Nr. 1047 über die Anwendung der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, (lovbekendtgørelse nr. 1047 om anvendelse af Det Europæiske Fællesskabs forordning om toldmyndighedernes indgriben over for varer, der mistænkes for at krænke visse intellektuelle ejendomsrettigheder, og om de foranstaltninger, som skal træffes over for varer, der krænker sådanne rettigheder) vom 20. Oktober 2005 bestimmt:

 

„(1) Der Warenempfänger kann im Rahmen eines nach Art. 9 der [Zollverordnung] eingeleiteten Verfahrens das Gericht darum ersuchen, dazu Stellung zu nehmen, ob die Bedingungen für die Aussetzung der Überlassung der Waren nach Art. 9 der Verordnung erfüllt sind. Das Gericht kann entscheiden, dass die Waren zu überlassen sind.

 

(2) Der Warenempfänger kann die Entscheidung der Zoll- und Steuerverwaltung über die Aussetzung der Überlassung der Waren nicht einer höheren Verwaltungsbehörde vorlegen.“

 

15 § 4 der Rechtsverordnung Nr. 12 über die Anwendung der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (bekendtgørelse nr. 12 om anvendelse af Det Europæiske Fællesskabs forordning om toldmyndighedernes indgriben over for varer, der mistænkes for at krænke visse intellektuelle ejendomsrettigheder, og om de foranstaltninger, som skal træffes over for varer, der krænker sådanne rettigheder) vom 9. Januar 2006 bestimmt:

 

„(1) Waren, von denen festgestellt wurde, dass sie ein Recht geistigen Eigentums verletzen, das von der Definition des Art. 2 Abs. 1 der [Zollverordnung] umfasst ist, sind der Staatskasse zur Vernichtung zu überlassen. Die Vernichtung erfolgt zu den in Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung angegebenen Bedingungen.

 

(2) Bei der Vernichtung von Waren gemäß Abs. 1 wird keine Entschädigung geleistet.“

 

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 

16 Im Januar 2010 bestellte Herr Blomqvist, der in Dänemark wohnt, über eine chinesische Online-Shop-Website eine Uhr der – ausweislich ihrer Beschreibung – Marke Rolex. Die Bestellung und die Zahlung erfolgten über die englischsprachige Website des Händlers. Dieser versandte die Uhr per Post aus Hong Kong.

 

17 Die Sendung wurde bei ihrer Ankunft in Dänemark von den Steuerbehörden kontrolliert. Diese setzten die Überlassung der Uhr aus, weil sie vermuteten, dass es sich um eine Nachahmung der originalen Rolex-Uhr handele und die an dem betreffenden Modell bestehenden Urheberrechte verletzt seien. Am 18. März 2010 setzten sie Rolex und Herrn Blomqvist davon in Kenntnis.

 

18 Nachdem Rolex festgestellt hatte, dass es sich tatsächlich um eine Nachahmung handelte, beantragte sie gemäß dem in der Zollverordnung vorgesehenen Verfahren die weitere Aussetzung der Überlassung und forderte Herrn Blomqvist auf, der Vernichtung der Uhr durch die Zollbehörden zuzustimmen.

 

19 Herr Blomqvist widersprach dem unter Hinweis darauf, dass er die Uhr rechtmäßig erworben habe.

 

20 Rolex beantragte hierauf beim Sø- og Handelsret (See- und Handelsgericht) die Feststellung, dass Herr Blomqvist die Aussetzung der Überlassung und die Vernichtung ohne Entschädigung hinzunehmen hat. Dieses Gericht gab dem Antrag von Rolex statt.

 

21 Herr Blomqvist legte beim Højesteret Rechtsmittel ein. Dieses Gericht hat Zweifel, ob in einer Situation wie der in Rede stehenden tatsächlich eine Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums gegeben sei, was zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Zollverordnung sei, da für deren Anwendung zum einen eine Verletzung eines in Dänemark geschützten Urheber- oder Markenrechts vorliegen müsse und zum anderen die behauptete Verletzung in diesem Mitgliedstaat erfolgt sein müsse. Da Herr Blomqvist seine Uhr unstreitig zur privaten Verwendung gekauft habe, ohne gegen dänisches Urheber- und Markenrecht zu verstoßen, sei die Frage, ob der Verkäufer in Dänemark das Urheber- und das Markenrecht verletzt habe. Infolgedessen komme es angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C‑324/09, Slg. 2011, I‑6011, vom 1. Dezember 2011, Philips und Nokia, C‑446/09 und C‑495/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, und vom 21. Juni 2012, Donner, C‑5/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) darauf an, ob im vorliegenden Fall eine Verbreitung an die Öffentlichkeit im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie und eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr im Sinne der Markenrichtlinie und der Gemeinschaftsmarkenverordnung gegeben sei.

 22 Unter diesen Umständen hat das Højesteret das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

 1. Ist Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie dahin auszulegen, dass eine „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ einer urheberrechtlich geschützten Ware in einem Mitgliedstaat dann anzunehmen ist, wenn ein Unternehmen über eine Website in einem Drittstaat eine Vereinbarung über den Verkauf und die Versendung der Ware an einen privaten Käufer mit einer dem Verkäufer bekannten Adresse in dem Mitgliedstaat, in dem die Ware urheberrechtlich geschützt ist, schließt, den Kaufpreis für die Ware erhält und die Ware an den Käufer an die vereinbarte Adresse liefert, oder ist für eine solche Annahme auch noch erforderlich, dass die Ware vor dem Verkauf Gegenstand eines Verkaufsangebots oder einer Werbung war, das oder die an die Verbraucher in dem Mitgliedstaat, in den die Ware geliefert wird, gerichtet war oder auf einer für diese Verbraucher bestimmten Website gezeigt wurde?

 2. Ist Art. 5 Abs. 1 und 3 der Markenrichtlinie dahin auszulegen, dass die Benutzung einer Marke in einem Mitgliedstaat im „geschäftlichen Verkehr“ dann anzunehmen ist, wenn ein Unternehmen über eine Website in einem Drittstaat eine Vereinbarung über den Verkauf und die Versendung einer mit einer Marke versehenen Ware an einen privaten Käufer mit einer dem Verkäufer bekannten Adresse in dem Mitgliedstaat, in dem die Marke registriert ist, schließt, den Kaufpreis für die Ware erhält und die Ware an den Käufer an die vereinbarte Adresse liefert, oder ist für eine solche Annahme auch noch erforderlich, dass die Ware vor dem Verkauf Gegenstand eines Verkaufsangebots oder einer Werbung war, das oder die an die Verbraucher in dem Mitgliedstaat, in den die Ware geliefert wird, gerichtet war oder auf einer für diese Verbraucher bestimmten Website gezeigt wurde?

 3. Ist Art. 9 Abs. 1 und 2 der Gemeinschaftsmarkenverordnung dahin auszulegen, dass die Benutzung einer Marke in einem Mitgliedstaat im „geschäftlichen Verkehr“ dann anzunehmen ist, wenn ein Unternehmen über eine Website in einem Drittstaat eine Vereinbarung über den Verkauf und die Versendung einer mit einer Gemeinschaftsmarke versehenen Ware an einen privaten Käufer mit einer dem Verkäufer bekannten Adresse in einem Mitgliedstaat schließt, den Kaufpreis für die Ware erhält und die Ware an den Käufer an die vereinbarte Adresse liefert, oder ist für eine solche Annahme auch noch erforderlich, dass die Ware vor dem Verkauf Gegenstand eines Verkaufsangebots oder einer Werbung war, das oder die an die Verbraucher in dem Mitgliedstaat, in den die Ware geliefert wird, gerichtet war oder auf einer für diese Verbraucher bestimmten Website gezeigt wurde?

 4. Ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Zollverordnung dahin auszulegen, dass die Anwendung der Bestimmungen über die Verhinderung der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr und über die Vernichtung von „unerlaubt hergestellten Waren“ in einem Mitgliedstaat voraussetzt, dass eine „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ in dem Mitgliedstaat nach den gleichen Kriterien wie den in der Antwort auf die Frage 1 angegebenen stattgefunden hat?

 5. Ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Zollverordnung dahin auszulegen, dass die Anwendung der Bestimmungen über die Verhinderung der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr und über die Vernichtung von „nachgeahmten Waren“ in einem Mitgliedstaat voraussetzt, dass eine „Benutzung im geschäftlichen Verkehr“ in dem Mitgliedstaat nach den gleichen Kriterien wie den in der Antwort auf die Fragen 2 und 3 angegebenen stattgefunden hat?

 

Zu den Vorlagefragen

 23 Zunächst ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht Auskunft über die Begriffe „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie und „Benutzung im geschäftlichen Verkehr“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 3 der Markenrichtlinie und von Art. 9 Abs. 1 und 2 der Gemeinschaftsmarkenverordnung begehrt, um im Ausgangsverfahren beurteilen zu können, ob eine Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums vorliegt.

 24 Nach ihrer Definition in Art. 2 Abs. 1 der Zollverordnung betreffen die Begriffe „nachgeahmte Waren“ und „unerlaubt hergestellte Waren“ Verletzungen von Marken, Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten oder Geschmacksmusterrechten, die nach dem Unionsrecht oder den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats geschützt sind, in dem die Zollbehörden tätig geworden sind. Betroffen sind somit nur Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums, die vom Unionsrecht und vom nationalen Recht der Mitgliedstaaten gewährt werden (vgl. Urteil Philips und Nokia, Rn. 50).

 25 In der Zollverordnung wird insoweit kein neues Kriterium für die Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums aufgestellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2006, Montex Holdings, C‑281/05, Slg. 2006, I‑10881, Rn. 40). Eine solche Verletzung kann folglich nur dann als Rechtfertigung für das Tätigwerden der Zollbehörden gemäß dieser Verordnung angeführt werden, wenn durch den Verkauf der betroffenen Ware Rechte beeinträchtigt werden könnten, die gemäß den in der Urheberrechtsrichtlinie, der Markenrichtlinie und der Gemeinschaftsmarkenverordnung vorgesehenen Voraussetzungen gewährt werden.

 26 Daher sind die Vorlagefragen dahin zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob sich aus der Zollverordnung ergibt, dass der Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums an einer Ware, die über die Website eines Online-Shops in einem Drittstaat an eine Person, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats wohnt, verkauft wurde, den Schutz gemäß dieser Verordnung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ware in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gelangt, nur dann in Anspruch nehmen kann, wenn dieser Verkauf in dem genannten Mitgliedstaat als eine Form der Verbreitung an die Öffentlichkeit oder der Benutzung im geschäftlichen Verkehr angesehen wird. Das vorlegende Gericht fragt sich außerdem, ob die Ware vor dem Verkauf Gegenstand einer an die Verbraucher in diesem Mitgliedstaat gerichteten Verkaufsofferte oder Werbung gewesen sein muss.

 27 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zum einen der Markeninhaber nach der Markenrichtlinie und der Gemeinschaftsmarkenverordnung berechtigt ist, es Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung ein mit der Marke identisches Zeichen zu benutzen, wenn diese Benutzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt, für Waren oder Dienstleistungen geschieht, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, und die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (Urteil vom 23. März 2010, Google France und Google (C‑236/08 bis C‑238/08, Slg. 2010, I‑2417, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 28 Zum anderen steht den Urhebern nach der Urheberrechtsrichtlinie in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zu, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten. Die Verbreitung an die Öffentlichkeit zeichnet sich durch eine Reihe von Handlungen aus, die zumindest vom Abschluss eines Kaufvertrags bis zu dessen Erfüllung durch die Lieferung an ein Mitglied der Öffentlichkeit reichen. Ein Händler ist daher für jede von ihm selbst oder für seine Rechnung vorgenommene Handlung verantwortlich, die zu einer „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ in einem Mitgliedstaat führt, in dem die in Verkehr gebrachten Waren urheberrechtlich geschützt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Donner, Rn. 26 und 27).

 29 Das Unionsrecht verlangt daher, dass der entsprechende Verkauf im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats als eine Form der Verbreitung an die Öffentlichkeit im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie oder als Benutzung im geschäftlichen Verkehr im Sinne der Markenrichtlinie und der Gemeinschaftsmarkenverordnung angesehen wird. Eine solche Verbreitung an die Öffentlichkeit ist im Fall des Abschlusses einer Verkaufs- und Versendungsvereinbarung als gegeben anzunehmen.

 30 Es ist unstreitig, dass im Ausgangsverfahren Rolex in Dänemark Inhaberin der von ihr beanspruchten Urheber- und Markenrechte ist und dass es sich bei der in dieser Rechtssache fraglichen Uhr um eine nachgeahmte Ware und eine unerlaubt hergestellte Ware im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Zollverordnung handelt. Auch wäre Rolex unbestritten dazu berechtigt gewesen, die Verletzung ihrer Rechte geltend zu machen, wenn diese Ware von einem in diesem Mitgliedstaat ansässigen Händler zum Verkauf angeboten worden wäre, da dieser anlässlich eines solchen kommerziell erfolgten Verkaufs ihre Rechte bei einer Verbreitung an die Öffentlichkeit im geschäftlichen Verkehr benutzt hätte. Zur Beantwortung der Vorlagefragen bleibt daher zu prüfen, ob ein Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums wie Rolex denselben Schutz seiner Rechte beanspruchen kann, wenn die fragliche Ware über die Website eines Online-Shops in einem Drittstaat, in dem dieser Schutz nicht gilt, verkauft wurde.

 31 Zwar lässt sich nicht schon aus der bloßen Zugänglichkeit einer Website in dem durch den Schutz erfassten Gebiet darauf schließen, dass sich die auf ihr angezeigten Verkaufsangebote an Verbraucher in diesem Gebiet richten (vgl. Urteil L’Oréal u. a., Rn. 64).

 

32 Doch kann, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, eine Verletzung der so geschützten Rechte gegeben sein, wenn aus Drittstaaten stammende Waren schon vor ihrer Ankunft in dem von diesem Schutz erfassten Gebiet Gegenstand einer an die Verbraucher in diesem Gebiet gerichteten geschäftlichen Handlung wie eines Verkaufs, eines Verkaufsangebots oder einer Werbung sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Philips und Nokia, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 33 Mithin können Waren, die aus einem Drittstaat stammen und eine Nachahmung einer in der Europäischen Union durch ein Markenrecht geschützten Ware oder eine Nachbildung einer in der Union durch ein Urheberrecht, ein verwandtes Schutzrecht oder ein Geschmacksmuster geschützten Ware darstellen, diese Rechte verletzen und somit als „nachgeahmte Waren“ oder als „unerlaubt hergestellte Waren“ eingestuft werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie dazu bestimmt sind, in der Union in den Verkehr gebracht zu werden, wobei ein solcher Nachweis insbesondere dann erbracht ist, wenn sich herausstellt, dass die Waren Gegenstand eines Verkaufs an einen Kunden in der Union oder einer an Verbraucher in der Union gerichteten Verkaufsofferte oder Werbung waren (vgl. in diesem Sinne Urteil Philips und Nokia, Rn. 78).

 

34 Es steht fest, dass im Ausgangsverfahren die fragliche Ware Gegenstand eines Verkaufs an einen Kunden in der Union war, weshalb sich eine solche Situation jedenfalls nicht mit der von Waren vergleichen lässt, die auf einem „Online-Marktplatz“ feilgeboten werden, und auch nicht mit der von Waren, die in einem Nichterhebungsverfahren in das Zollgebiet der Union verbracht wurden. Daher kann der bloße Umstand, dass dieser Verkauf über eine Website eines Online-Shops in einem Drittstaat stattfand, nicht dazu führen, dass dem Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums an der verkauften Ware der nach der Zollverordnung bestehende Schutz entzogen wird, wobei nicht geprüft zu werden braucht, ob die entsprechende Ware vor dem Verkauf überdies Gegenstand eines öffentlichen Angebots oder einer an die Verbraucher der Union gerichteten Werbung war.

 

35 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Zollverordnung dahin auszulegen ist, dass der Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums an einer Ware, die über die Website eines Online-Shops in einem Drittstaat an eine Person, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats wohnt, verkauft wurde, den ihm durch die Zollverordnung gewährten Schutz zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ware in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gelangt, allein aufgrund des Erwerbs der Ware beanspruchen kann. Es ist hierzu nicht noch erforderlich, dass die Ware vor dem Verkauf Gegenstand einer an die Verbraucher in diesem Mitgliedstaat gerichteten Verkaufsofferte oder Werbung war.

 

Kosten

 

36 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, ist dahin auszulegen, dass der Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums an einer Ware, die über die Website eines Online-Shops in einem Drittstaat an eine Person, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats wohnt, verkauft wurde, den ihm durch die Zollverordnung gewährten Schutz zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ware in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gelangt, allein aufgrund des Erwerbs der Ware beanspruchen kann. Es ist hierzu nicht noch erforderlich, dass die Ware vor dem Verkauf Gegenstand einer an die Verbraucher in diesem Mitgliedstaat gerichteten Verkaufsofferte oder Werbung war.

 

Unterschriften

anwalt markenrecht berlin

anwalt urheberrecht berlin

anwalt wettbewerbsrecht berlin