Wir hatten bereits früher über Entscheidungen zum Import von Bauhaus Möbeln aus Italien berichtet. Da dort zeitweise kein Schutz für Nachbauten bestand, konnten Design-Klassiker sanktionslos produziert werden. In Deutschland war die Verbreitung jedoch verboten. Es kam zu Verfahren, insbesondere auch gegen Spediteure, die Waren an der Grenze übernahmen und auslieferten. Im Rahmen eines Strafverfahrens gegen einen deutschen Spediteur legte der BGH dem EuGH die Frage vor, ob der freie Warenverkehr zum Schutz des Urheberrechts eingeschränkt werden darf. Diese wurde nun bejaht, auch weil der Schutz des Verbreitungsrechts hier nicht zu einer unverhältnismäßigen oder künstlichen Abschottung der Märkte führt.
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Die Pressemeldung des EuGH:
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Urteil in der Rechtssache C-5/11
Titus Alexander Jochen Donner
Die Warenverkehrsfreiheit darf zum Schutz von Urheberrechten eingeschränkt werden
Ein Mitgliedstaat darf einen Spediteur wegen Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von
Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke in seinem Gebiet strafrechtlich
verfolgen, auch wenn diese Werke im Mitgliedstaat des Verkäufers nicht geschützt sind
Herr Donner, ein deutscher Staatsangehöriger, wurde vom Landgericht München II wegen Beihilfe
zur gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke verurteilt. Nach
den Feststellungen des Landgerichts hatte Herr Donner zwischen 2005 und 2008 an der Verbreitung von Nachbildungen von Einrichtungsgegenständen im ,,Bauhaus”-Stil (1) , die in
Deutschland urheberrechtlich geschützt waren, mitgewirkt.
Diese Vervielfältigungsstücke der Werke kamen aus Italien, wo sie zwischen 2002 und 2007 nicht
urheberrechtlich geschützt waren oder im entscheidungserheblichen Zeitraum keinen vollen
Schutz genossen, da dieser Schutz nach der italienischen Rechtsprechung gegenüber
Produzenten, die die Werke seit einer gewissen Zeit vervielfältigt und/oder vermarktet hatten, nicht
durchsetzbar war. Die Nachbildungen wurden in Deutschland ansässigen Kunden von dem
italienischen Unternehmen Dimensione Direct Sales über Zeitschriftenanzeigen und -beilagen,
durch direkte Werbeanschreiben und über eine deutschsprachige Internetseite zum Verkauf
angeboten.
Für den Transport der Nachbildungen nach Deutschland empfahl Dimensione die italienische
Spedition In.Sp.Em., deren Geschäftsführer Herr Donner war. Die Fahrer von In.Sp.Em. holten die
von den deutschen Kunden bestellte Ware bei Dimensione in Italien ab und zahlte dieser den
Kaufpreis. Bei der Ablieferung der Ware an die Kunden in Deutschland zogen sie von diesen den
Kaufpreis und die Frachtkosten ein. Das Eigentum an den von Dimensione verkauften
Gegenständen ging in Italien auf die deutschen Kunden über. Die tatsächliche Verfügungsgewalt
über diese Gegenstände erlangten die Kunden jedoch erst mit der Übergabe in Deutschland mit
Hilfe von Herrn Donner. Daher erfolgte die Verbreitung im Sinne des Urheberrechts nach Ansicht
des Landgerichts nicht in Italien, sondern in Deutschland, wo sie mangels Zustimmung der Inhaber
des Urheberrechts verboten war.
Herr Donner legte gegen das Urteil des Landgerichts Revision beim Bundesgerichtshof ein. Dieser
möchte wissen, ob die Anwendung der deutschen Strafvorschriften im vorliegenden Fall eine
ungerechtfertigte Einschränkung der unionsrechtlich garantierten Warenverkehrsfreiheit darstellt.
In seinem Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof erstens darauf hin, dass die Anwendung
der Strafvorschriften im vorliegenden Fall voraussetzt, dass im Inland eine ,,Verbreitung an die
Öffentlichkeit” im Sinne des Unionsrechts stattgefunden hat. Hierzu stellt er fest, dass ein
Händler, der seine Werbung auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der
Öffentlichkeit ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische
Zahlungsmodalitäten schafft oder für sie zur Verfügung stellt oder dies einem Dritten erlaubt und
diese Mitglieder der Öffentlichkeit so in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungsstücke von Werken
liefern zu lassen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt sind, in dem
Mitgliedstaat, in dem die Lieferung erfolgt, eine solche Verbreitung vornimmt. Im vorliegenden Fall
weist der Gerichtshof den nationalen Gerichten die Aufgabe zu, zu beurteilen, ob Indizien
vorliegen, die den Schluss zulassen, dass der betreffende Händler eine solche Verbreitung an die
Öffentlichkeit vorgenommen hat.
Zweitens stellt der Gerichtshof fest, dass das strafrechtlich sanktionierte Verbot der Verbreitung in
Deutschland eine Behinderung des freien Warenverkehrs darstellt. Eine derartige Beschränkung
kann jedoch zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sein.
Die fragliche Beschränkung beruht nämlich darauf, dass die praktischen Bedingungen des
Schutzes der betreffenden Urherberrechte von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sind .
Diese Unterschiedlichkeit ist untrennbar mit dem Bestehen der ausschließlichen Rechte verknüpft.
Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Schutz des
Verbreitungsrechts zu einer unverhältnismäßigen oder künstlichen Abschottung der Märkte führt.
Die Anwendung strafrechtlicher Vorschriften kann nämlich als erforderlich angesehen werden, um
den spezifischen Gegenstand des Urheberrechts zu schützen, das u. a. ein ausschließliches
Verwertungsrecht gewährt. Die fragliche Beschränkung ist daher gerechtfertigt und steht in
einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck.
Daher antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verbietet,
einen Spediteur wegen Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken
urheberrechtlich geschützter Werke in Anwendung seiner nationalen Strafvorschriften strafrechtlich
zu verfolgen, wenn diese Vervielfältigungsstücke in dem betreffenden Mitgliedstaat (Deutschland)
im Rahmen eines Verkaufsgeschäfts an die Öffentlichkeit verbreitet werden, das speziell auf die
Öffentlichkeit in diesem Mitgliedstaat ausgerichtet ist und von einem anderen Mitgliedstaat (Italien)
aus abgeschlossen wird, in dem ein urheberrechtlicher Schutz der Werke nicht besteht oder nicht
durchsetzbar ist.
HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem
bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach
der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen
Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung
des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere
nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Der Volltext des Urteils wird am Tag der Verkündung auf der Curia-Website veröffentlicht.
Pressekontakt: Hartmut Ost (+352) 4303 3255
1
Dabei handelte es sich u. a. um Nachbildungen von Stühlen der ,,Aluminium-Group”, entworfen von Charles und Ray
Eames, der ,,Wagenfeldleuchte”, entworfen von Wilhelm Wagenfeld, Sitzmöbeln, entworfen von Le Corbusier, dem
Beistelltisch ,,Adjustable Table” und der Leuchte ,,Tubelight”, entworfen von Eileen Gray, sowie Stahlrohr-Freischwingern
(Stühle), entworfen von Mart Stam.
2
Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter
Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
3
Der Gerichtshof hat sich bereits im Urteil vom 24. Januar 1989, EMI Electrola, C-341/87, in diesem Sinne zur
Unterschiedlichkeit der nationalen Rechtsvorschriften im Bereich des Urheberrechts geäußert.
Quelle www.curia.europa.eu
Anwalt Rechtsanwalt Kanzlei für Urheberecht Berlin