BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 5/11
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 001 238.2hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
28. März 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker, der Rich-
terin Kortge und der Richterin Dorn
BPatG 152
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Oktober 2010 wird aufgehoben.
G r ü n d e
I .
Das farbige (rot, schwarz, weiß, grau) Wort-/Bildzeichen
ist am 18. Februar 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent-und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienst-leistungen angemeldet worden:Klasse 29: Geflügel [nicht lebend] und Geflügelwaren sowie aus vorgenanntenWaren hergestellte Geflügelspezialitäten, insbesondere paniert, mariniert und gewürzt, auch Convenience-Waren sowie als Fertigge-richte, Halbfertiggerichte, Tiefkühlkost und Suppen, letztere auch inInstantform; Wurst [Bratwurst, Brühwurst]; Wurstwaren;
Klasse 35: Planung und Durchführung von Crossmedia-Konzepten, nämlich zurDistribution von Waren und Dienstleistungen über verschiedene Vertriebskanäle sowie damit verbundene Marketingaktivitäten; Merchan-dising; Verkaufsförderung [Sales promotion für Dritte, Cross promotion mit und für Dritte]; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen im Bereich von Lebensmitteln; Online-Dienstleistungen eines e-commerce-Abwicklers, nämlich Waren- und Dienstleistungspräsentation für Werbezwecke, Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von e-commerce; Rechnungsabwicklung für elektronische Bestellsysteme; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte über Online-Shops; telefonische und/oder computerisierte Bestellannahme für Teleshopping-Angebote für Dritte; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Vermittlung von Verträgen über den An- und Verkaufvon Waren und/oder die Erbringung von Dienstleistungen für Dritte; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Zusamm enstellung und Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Pflege von Daten in Computerdatenbanken; Geschäftsführung, Beratung in Fragen der Geschäftsführung, Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; betriebswirtschaftliche und organisatori sche Beratung; Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Werbung in allen Medien, einschließlich Rundfunk-, Fernseh-, Kino-,Print-, Videotext-, Online- und Teletextwerbung; Organisation undVeranstaltung von Werbeveranstaltungen sowie von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter,Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Vorführung von Waren für Werbezwecke; Waren- und Dienstleistungspräsentationen für Werbezwecke; Aktualisierung von Werbematerial; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Marketing [Absatzforschung]; Marketing für Dritte in digitalen Netzen; Markt- und Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Werbung im Internet für Dritte; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien;Sponsoring in Form von Werbung; Durchführung von Ausschreibun- gen, Auktionen, auch rückläufigen Auktionen, und Versteigerungen,
auch im Internet; Durchführung von Preisvergleichen; Durchführung
von Versteigerungen und Auktionen, insbesondere im Internet; Ent-
wicklung von Präm ienprogrammen als Kundenbindungsmaßnahmen
für Marketingzwecke; Durchführung von Auktionen und Versteigerun-
gen, auch im Internet;
Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstel-
lung von Internet-Chatrooms; elektronischer Austausch von Nach-
richten m ittels Chatlines, Chatrooms und Internetforen; E-Mail-
Dienste; Telekommunikation; Telekommunikation mittels Plattformen
und Portalen im Internet; Bereitstellung von Telekommunikationska-
nälen für Teleshopping-Dienste; Weiterleiten von Nachrichten aller
Art an Internet-Adressen (Web-Messaging); elektronische Anzeigen-
vermittlung (Telekommunikation); Bereitstellung eines Zugangs zu
einer e-commerce-Plattform im Internet; Dienstleistungen eines In-
ternet-Providers, nämlich Vermietung und Vermittlung von Zugriffs-
zeiten zu Datennetzen, insbesondere zum Internet; Telefondienste
für eine Hotline oder Callcenter; Erbringen von Dienstleistungen in
Verbindung mit Onlinediensten, näm lich Liefern von Nachrichten und
Übermittlung von Informationen in Computernetzwerken, einschließ-
lich On-Dem and und anderen elektronischen Mediendiensten; Be-
reitstellen eines Zugriffs auf Informationen im Internet, insbesondere
auch vermittels interaktiv kommunizierender (Computer-)Systeme;
Sammeln und Liefern von Nachrichten und allgemeinen Nachrich-
teninformationen, auch elektronischer Art sowie Ausstrahlung von
(TV/Radio-)Programmen im World Wide Web; Ausstrahlen von
Rundfunksendungen (Funk und Fernsehfunk); Dienste von Presse-
agenturen.
Mit Beschluss vom 22. Oktober 2010 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens jeglicherUnterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das ohne weiteres verständliche deutsche Wort „Volks-Hähnchen“ in seiner Gesamtbedeutung von den angesprochenen Verkehrskreisen so verstanden werde,dass es sich um ein Hähnchen für das Volk, insbesondere um ein besondere preiswertes, günstiges Hähnchen handele. Der Begriff reihe sich nahtlos in eineReihe vergleichbar gebildeter Begriffe wie „Volks-Aktie“, „Volks-Auto“, „Volks Com puter“ oder auch „Volks-PC“ u. s. w. ein. Dieses auf der Hand liegende Verständnis des Begriffs „Volks-Hähnchen“ führe bei einer Kennzeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit dem Anmeldezeichen zu der Vorstellung, dass dieselben, soweit sie nicht als solche selbst ein Hähnchen für das Volk(Klasse 29 „Geflügel [nicht lebend] und Geflügelwaren sowie aus vorgenannten Waren hergestellte Geflügelspezialitäten …“) darstellten, so jedenfalls in der einen oder anderen Weise mit einem solchen Volks-Hähnchen in einem bestimmten Zusammenhang stünden, beispielsweise die durchgeführten Preisvergleiche dazu dienen könnten, ein solches (preisgünstiges) Volks-Hähnchen zu finden. JedeVorstellung über den Bezug zwischen dem Anmeldezeichen und den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen werde in irgendeiner Weise sachbezogen sein, so dass der Begriff nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werde. Auch die grafische Gestaltung verleihe dem Anmeldezeichen keine Unter scheidungskraft. Bei der unterschiedlichen farbigen Gestaltung des Hintergrundesder einzelnen Wortbestandteile unter Verwendung der Signalfarbe Rot und der rechteckigen Umrahmung des Gesamtzeichens handele es sich um verbreitete, werbeübliche Gestaltungsmittel, mit denen lediglich die durch die Wortbestandteileverkörperte (Werbe-)Botschaft für den Verkehr leicht wahrnehmbar gestaltet wer-den solle. Auch die Eintragung der entsprechenden Bildmarke (306 73 949) führe entgegen der Auffassung der Anmelderin zu keiner anderen Beurteilung, da bei Würdigung des hier angemeldeten Gesamtzeichens diesegrafische Gestaltung vollkommen in den Hintergrund trete, so dass sie nicht als Herkunftshinweis dienen könne. Ebenso wenig schutzbegründend für das Anmeldezeichen könne auch die Eintragung der Gemeinschaftsmarke(CTM 005514443) sein, da die Kennzeichnungskraft und damit auch der Schutzumfang des Wortbestandteils „Volks-„ in Alleinstellung vollkommen anders sei, als bei einem mit diesem Bestandteil zusammengesetzten Gesamtbegriff.
Die für die Anmelderin bereits eingetragenen gleichgebildeten Marken der „Volks“ -Markenserie könnten – auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 12. Februar 2009 (verbundene Rechtssachen C-39/08 und C-43/08 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST) – an derfehlenden Eintragbarkeit des Anmeldezeichens nichts ändern, da das DPMA nicht verpflichtet sei, sich m it vergleichbaren Voreintragungen zu befassen. ZurBegründung seiner diesbezüglichen Rechtsauffassung bezieht sich das DPMA auf die Entscheidung des BPatG 33 W (pat) 52/08 – Burg Lissingen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des DPMA vom 22. Oktober 2010 aufzuheben,
hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass ein Kernpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit die
crossmediale Zusamm enarbeit mit anderen Unternehmen zur Bewerbung, Ver-
treibung und zum Absatz von sogenannten „Volks-Produkten“ sei. Seit 2002 führe
sie – die Beschwerdeführerin, eine 100 %ige Tochter des deutschen Konzerns
A… AG – sogenannte „Volks-Aktionen“ durch, im Rahmen derer sie und
ihr jeweiliger Kooperationspartner gemeinsam ein Produkt auswählten, welches
dann exklusiv als „Volks-Produkt“ herausgebracht werde. Sie habe in der Zeit von
September 2002 bis November 2010 über 100 solcher „Volks-Aktionen“ durchge-
führt. Neben der Konzeption und den jeweiligen Namen/Logos bringe sie ihrerseits
eine besondere Werbeleistung in die Kooperation ein, indem sie die – von ihrem
jeweiligen Kooperationspartner eingebrachten – Produkte umfangreich in Zei-
tungsbeilagen, gegenseitigen Anzeigen in der BILD-Zeitung, der „BILD am Sonn-
tag“ sowie anderen Titeln der A… AG, auf dem eigenen Internetportal
und in diversen anderen Medien bewerbe.
Bis Ende Oktober 2010 seien 54 gleichgebildete „Volks“-Marken beim DPMA re-
gistriert worden, daneben eine Vielzahl von entsprechenden Gemeinschaftsmar-
ken. Die Marken seien jeweils aus dem Bestandteil „Volks“ und der Gattungsbe-
zeichnung, die das konkrete Produkt beschreibe, sowie in einer dem Corporate
Identity der BILD entsprechenden bildlichen Ausgestaltung zusamm engesetzt. Die
im Streit stehende Marke reihe sich zwanglos in die bekannte „Volks“-Markenserie
ein. Ein besonderes Kennzeichen der „Volks“-Markenserie sei die unmittelbar er-
kennbare Verwandtschaft zur Stammmarke (30135695) der A… AG. Die in allen Marken der Serie wiederkehrende bildliche Gestaltung (rot-schwarzer Balken, der Begriff „Volks“ auf rotem Hintergrund, sowie eineGattungsbezeichnung auf schwarzem Hintergrund) spreche für die Wiedererkennbarkeit der einzelnen Marken sowie die Zuordnung zu ihrem Herkunftsbetrieb.Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Schriftsätze vom 19. November 2010 und 14. März 2011 (Bl. 11 – 31 und Bl. 178 – 188 GA 29 W (pat) 195/10 jeweils samt Anlagen) Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg.
Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens als Marke gemäß §§ 33Abs. 2, 41 MarkenG steht kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG, entgegen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006; 2008, 1093, 1094 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis I). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oderDienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab an-zulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um dasSchutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; a. a. O.- Marlene-Dietrich-Bildnis I; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 – STREETBALL; 778, 779Rdnr. 11 – Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 – My World). Wortmarken besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGHGRUR 2001, 1153 – anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O.Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen derdeutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwawegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH GRUR 2001, 162, 163 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; a. a. O. – anti Kalk; GRUR 2011, 65 Rdnr. 10 – Buchstabe T mit Strich). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den (geringen)Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt.
2. Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend – entgegen der vom DPMA
vertretenen Auffassung – nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegen-
ständliche Wort-/Bildzeichen dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
unterliegt.
Das angemeldete Zeichen, das sich aus Wort- und Bildelementen zusammen-
setzt, weist in seiner Gesamtheit keinen für die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf.
Ein beschreibender Sinngehalt seiner Einzelbestandteile wird jedenfalls durch den
eigenartigen Gesamtbegriff und die – die Mindestanforderungen an das Vorliegen
einer noch so geringen Unterscheidungskraft erfüllende – grafische Ausgestaltung
so weit überlagert, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unter-
scheidungskraft nicht mehr abgesprochen werden kann.
a) Der Text des angemeldeten Zeichens enthält die beiden in der deutschen
Sprache geläufigen Wortelemente „Volks“ und „Hähnchen“, die durch einen Punkt
getrennt sind.
aa) „Volks“ ist der Genitiv des Substantivs „Volk“, welches eine „durch gemein-
same Kultur, Geschichte (und Sprache) verbundene große Gemeinschaft von
Menschen“ bzw. die „Masse der Angehörigen einer Gesellschaft, der Bevölkerung
eine Landes, eines Staates“ bezeichnet (Duden – Deutsches Universalwörterbuch,
6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). In der deutschen Sprache gibt es eine Reihe von geläu-
figen Begriffen, die aus einem Substantiv mit einem vorangestelltem „Volks-“ ge-
bildet sind. Diese zusammengesetzten Begriffe lassen sich in fünf Gruppen ein-
teilen:
(1) Begriffe, bei denen dem Bestandteil „Volks-“ die Bedeutung „für
alle/jedermann, von allen/jedermann, allen/jedermann zugänglich, alle/jedermann
betreffend, sich an alle/jedermann wendend, von allen/jedermann ausgeübt“ zu-
kommt, wie „Volksaufstand, Volksbelustigung, Volksbrauch, Volksbücherei,
Volkseinkommen, Volksempfinden, Volksfeind, Volksfest, Volksgemeinschaft,
Volksgesundheit, Volksglaube, Volksheld, Volkshochschule, Volksnahrungsmittel,
Volksschule, Volksseele, Volksseuche, Volkssport, Volkssprache, Volksstamm,
Volkstracht, Volkstrauertag, Volkswirtschaft“ (vgl. Duden – Deutsches Universal-
wörterbuch a. a. O.; Wortschatzportal Universität Leipzig, http://wortschatz.uni-
leipzig.de).
(2) Begriffe mit politischer Bedeutung, wie „Volksabstimmung, Volksarmee
Volksbefragung, Volksbegehren, Volksdemokratie, Volksentscheid, Volksfront,
Volkspartei, Volkssouveränität“ (vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch
a. a. O.).
(3) Begriffe, bei denen der Bestandteil „Volks-“ auf etwas hinweist, das volkstüm –
lich bzw. vom Geist und von der Überlieferung des Volkes geprägt oder getragen
ist, wie „Volksdichtung, Volkskunst, Volkslied, Volksmedizin, Volksmärchen,
Volksmund, Volksstück“ (vgl. Duden – Deutsches Universalwörter buch a. a. O.).
Volkstüm lich bedeutet „in seiner Art dem Denken und Fühlen des Volkes entspre-
chend, entgegenkommend“ bzw. „dem Volk eigen“, „populär, gemeinverständlich“
(Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Es beinhaltet nicht das Ver-
ständnis von „einfaches/gehobenes Volk“ bzw. „Schichten“.
(4) Nur bei einem dieser zusam mengesetzten Begriffe weist der Bestandteil
„Volks-“ einen Bezug zu sozialen Schichten auf, nämlich „Volkstheater“ m it der
Bedeutung „Theater, das (im Unterschied zum höfischen Theater) inhaltlich und
finanziell von allen sozialen Schichten getragen wird (Duden – Deutsches Univer-
salwörterbuch a. a. O.).
(5) Vereinzelt und lediglich bei veralteten Begriffen kommt dem vorangestellten
Element „Volks-“ die Bedeutung „günstig, billig, preiswert“ zu, wie etwa bei dem
(veralteten) Begriff „Volksausgabe“ mit der Bedeutung „einfach ausgestattete,
preiswerte Buchausgabe“ (Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Die
sogenannten „Volksprodukte“ aus der Zeit des Dritten Reiches, wie „Volkswagen“
und „Volksempfänger“, im plizierten zwar, dass die Ware preiswert und für jeder-
mann erschwinglich war und die niedrigen Preise diese Produkte für jedermann
zugänglich machen sollten (vgl. Aufsatz „Luxus fürs Volk“ vom 16. Dezember 2003
von Prof. Dr. König, TU Berlin, www.uni-protokolle.de/nachrichten/text/27195/); sie
wurden damals als Mittel der Politik zur Sym pathieerregung für die Ziele des Drit-
ten Reiches eingesetzt. An Konnotationen aus der Zeit des Dritten Reiches, von
der sich die deutsche Bevölkerung seit der Entstehung der Bundesrepublik distan-
ziert hat und die im heutigen deutschen Sprachgebrauch nicht mehr üblich sind,
knüpft der Senat nicht an, und dies nicht nur, weil sie ihm veraltet erscheinen, was
im Übrigen dadurch belegt wird, dass ein „Volkswagen“ heutzutage teurer ist als
manch andere Kraftfahrzeugmodelle.
bb) Das Substantiv „Hähnchen“ stellt die Verkleinerung zu „Hahn“ (männliches
Haushuhn) dar und wird darüber hinaus mit der Bedeutung „Brathähnchen“ ver –
wendet (Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.).
cc) Der Punkt zwischen den beiden Wortelementen ist optisch eine Zäsur und
darf nicht unbeachtet bleiben. Denn auch ein für sich genommen schutzunfähiger
Bestandteil kann für die Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens Bedeutung erlan-
gen. Der Umstand, dass ein Bindestrich oder – wie hier – ein Punkt aufgrund seiner
orthografischen Funktion vom Verkehr nicht als eigenständiges Zeichen wahrge-
nommen werden mag, rechtfertigt es nicht, diesen Zeichenbestandteil bei der
Prüfung der Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens unberücksichtigt zu las-
sen. Da es sich um die Anmeldung eines zusammengesetzten Zeichens handelt,
ist maßgeblich, welchen Gesamteindruck der Verkehr mit dem zusammengesetz-
ten Zeichen verbindet (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – Buchstabe T mit Strich).
dd) Die beiden Wortbestandteile verbinden sich im Sprachfluss zu dem
sprachüblich gebildeten Gesamtbegriff „Volkshähnchen“. Dieser Gesamtbegriff ist
in den gängigen Lexika und Wortschatzdatenbanken (Duden – Deutsches Univer-
salwörterbuch a. a. O.; Wortschatzportal Universität Leipzig a. a. O.) nicht nach-
weisbar und stellt daher eine sprachliche Neuschöpfung dar. Wie eine Recherche
des Senats, auch unter www.google.de, ergeben hat, taucht dieser konkrete Be-
griff bislang nicht auf.
Ausgehend von den obigen Feststellungen, dass das vorangestellte Wort „Volks-“
bei zusammengesetzten Substantiven, insbesondere bei solchen, die Gegen-
stände bzw. Waren bezeichnen, im heutigen Sprachgebrauch überwiegend die
Bedeutung „für alle/jedermann“ hat (vgl. „Volksnahrungsmittel“, „Volkstracht“),
kann die Wortverbindung „Volkshähnchen“ in ihrer Gesamtbedeutung allenfalls
dahingehend verstanden werden, dass es sich um ein Hähnchen für alle, für je-
dermann handelt. Jedoch ist im Einzelfall zu prüfen, ob dieser Wortkombination
überhaupt ein sinnvoller Aussagegehalt entnommen werden kann.
ee) In Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist die
angemeldete Wortverbindung in den Verkehrsgewohnheiten der fraglichen Bran-
che jedenfalls keine Sachaussage.
Selbst hinsichtlich der in Klasse 29 beanspruchten Waren „Geflügel [nicht lebend]
und Geflügelwaren, sowie aus vorgenannten Waren hergestellte Geflügelspe-
zialitäten, insbesondere paniert, mariniert und gewürzt, auch Convenience-Waren,
sowie als Fertiggerichte, Halbfertiggerichte, Tiefkühlkost und Suppen, letztere
auch in Instantform; Wurst [Bratwurst, Brühwurst]; Wurstwaren“, zu denen Hähn-
chen gehören bzw. die solche beinhalten können, lässt sich ein sinnvoller Aussa-
gegehalt der Wortelemente des Anmeldezeichens für das angesprochene Publi-
kum der Endverbraucher nicht feststellen. In dieser Branche wird in den Angebo-
ten für Geflügel nach dem Erzeuger, der Art des Geflügels (z. B. Hähnchen, Pute,
Ente), ggf. der Aufzucht (konventionell, ökologisch) sowie danach differenziert, ob
das Geflügel als Ganzes, in Form von Teilstücken (wie Keule, Flügel, Brustschnit-
zel oder gewürfelt als Gulasch), in verarbeiteter Form (Wurst, Fertiggerichte), als
Frischware oder Tiefkühlkost angeboten wird (vgl. www.deutsches-gefluegel.de-
/einkauf; Anzeigenblätter von REWE, PENNY MARKT, real,-, HIT, ALDI, jeweils
für die 7. KW 2011). Es entspricht nach den Rechercheergebnissen nicht den
Kennzeichnungsgewohnheiten in dieser Branche, dass sich die Angebote für
Geflügel an bestimmte soziologische Zielgruppen (Ober-/Mittel-/Unterschicht)
richten, zumal eine solche Festlegung unsinnig wäre und die geschäftlichen Mög-
lichkeiten von Geflügel- bzw. Lebensmittelhändlern unnötig einschränken würde.
Es gibt auch keine Verkehrsgewohnheit in diesem Bereich, dass Hähnchen nur für
das deutsche Volk (vgl. „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ über dem Reichstag) ange-
boten werden. Der Begriff „Volkshähnchen“ ist im Übrigen nicht vergleichbar mit
dem im deutschen Sprachgebrauch existierenden Begriff „Volksnahrungsm ittel“.
Dieser Begriff hat die fest umrissene Bedeutung „wichtiges Nahrungsm ittel für die
ganze Bevölkerung“ (Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.; hierunter
fällt z. B. die Kartoffel, vgl. www.toffi.net/kiss/geschichte/g_11.htm), der stets und
nur als solcher verstanden wird. „Volkshähnchen“ kann hierzu deshalb in keinerlei
Verbindung gebracht werden; man würde auch keinesfalls von einer „Volkskartof-
fel“ oder einem „Volksbrot“ sprechen. Entgegen der vom DPMA vertretenen Auf-
fassung ist der Begriff „Volkshähnchen“ auch nicht dahingehend zu verstehen,
dass es sich um ein besonders preiswertes, günstiges Hähnchen handelt, da dem
Element „Volks-“ im heutigen Sprachgebrauch – wie oben dargelegt – nicht (mehr)
die Bedeutung von „günstig, billig, preiswert“ zukommt. Selbst wenn man einen
solchen Bedeutungsgehalt hier annehmen würde, weist das angemeldete Zeichen
trotzdem keinen sinnvollen Aussagegehalt auf, da es sich bei einem Hähnchen um
keinen Luxusartikel handelt, heutzutage vielmehr (nahezu) jeder sich ein Hähn-
chen, welches es bereits für unter drei Euro zu kaufen gibt, leisten kann. Vor die-
sem Hintergrund macht der Begriff „Volkshähnchen“ mit der Bedeutung, dass es
sich um ein Hähnchen für jedermann handelt, ebenfalls keinen Sinn und legt
darüber hinaus den Unsinn einer solchen Aussage dar.
Mangels eines sinnvollen Aussagegehalts der Bezeichnung „Volkshähnchen“ in
Bezug auf die vorgenannten beanspruchten Waren kann ihr somit nicht jegliche
Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Die obigen Ausführungen gelten entsprechend für die angemeldeten Dienstleis-
tungen in den Klassen 35 und 38, soweit ihnen nicht ohnehin jeglicher Bezug zu
Hähnchen fehlt.
b) Das angemeldete Zeichen erhält zusätzlich durch die grafische Ausgestal-
tung die Funktion eines Unterscheidungsm ittels.
Grundsätzlich kann einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke – unbeschadet
einer etwaigen fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente – als Ge-
samtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Ele-
mente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr ei-
nen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 1991, 136, 137 – NEW MAN; a. a. O.
– anti Kalk; EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 – BioID). Dabei vermögen
allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds, an
die sich der Verkehr etwa durch häufige wer bemäßige Verwendung gewöhnt hat,
eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie
derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender
Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf viel-
mehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem
Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. 1153, 1154 – anti Kalk;
GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 – VISAGE).
aa) Das verfahrensgegenständliche Zeichen zeigt zwei Wortelemente in weißer
Farbe und einheitlicher Schriftart auf einem rot/schwarzen Balken mit grauer Um-
randung, wobei das Wortelement „Volks“ auf rotem und das Wortelement „Hähn-
chen“ auf schwar zem Hintergrund steht. Das (kleinere) rote und das (größere)
schwarze Rechteck innerhalb des Balkens werden durch eine vertikale weiße Li-
nie voneinander getrennt. Diese Linie wird wiederum von einem rechteckigen
weißen Punkt, der sich zwischen den beiden Wortelementen an der Textunter –
kante befindet, durchbrochen.
bb) Diese bildliche Ausgestaltung des Anmeldezeichens genügt noch den an die
Unterscheidungskraft zu stellenden (geringen) Mindestanforderungen.
Die einzelnen Gestaltungsmittel, aus denen das vorliegend zu beurteilende Zei-
chen zusammengesetzt ist – insbesondere die rechteckigen Formen, in denen die
Wortelemente untergebracht sind, die Inverswiedergabe der Wortbestandteile
(d. h. in Form von weißen Buchstaben auf dunklem farbigen Hintergrund) sowie
die Umrahmung der Gesamtmarke – mögen hier je für sich genommen noch als
werbeüblich anzusehen sein. Der Beurteilung der Schutzfähigkeit ist jedoch im
Rahmen einer Einzelfallbetrachtung die ganz konkrete Gesamtgestaltung
zugrunde zu legen; nur sofern diese selbst ebenfalls als werbeüblich anzusehen
ist, kommt eine Schutzversagung in Betracht. Die Bedeutung, die einem einzelnen
Bestandteil für den Gesam teindruck eines mehrgliedrigen Zeichens zukommt,
hängt maßgeblich auch davon ab, in welcher Beziehung er innerhalb der konkre-
ten Gestaltung des jeweiligen Gesamtzeichens zu den übrigen Zeichenbestand-
teilen steht (BGH GRUR 2011, 148 – Goldhase II). Auch die Komplexität der Ge-
staltung ist ein Indiz für die Schutzfähigkeit, denn je höher diese ausfällt, umso
eher wird der Verkehr geneigt sein, in der grafischen Wiedergabe der Gesamt-
marke nicht nur den beschreibenden Inhalt der Wortbestandteile wahrzunehmen,
sondern sie als Herkunftshinweis aufzufassen (BPatG 27 W (pat) 32/08 – Neue
Post). Eine solche schutzbegründende Komplexität kann vorliegend aber nicht
verneint werden. So werden die jeweiligen Hintergründe der Wortbestandteile ver-
schiedenfarbig gehalten; die Gesamtmarke enthält insgesamt vier Farben (rot,
schwarz, weiß, grau). Hinzu tritt der in Form eines weißen Rechtecks dargestellte
Punkt zwischen den beiden Wortelementen, der die zwischen den Farbfeldern
vertikal verlaufende weiße Linie durchbricht, wodurch der Punkt besonders auffällt
und charakteristisch wirkt. Die ganz konkrete Zusammenstellung dieser verschie-
denen Gestaltungsmittel, auch wenn sie für sich genommen werbeüblich sein mö-
gen, genügt damit noch, um der bildlichen Ausgestaltung des Anmeldezeichens
nicht jegliche Unterscheidungskraft absprechen zu können.
cc) Weiter ist zu berücksichtigen, dass für die Beschwerdeführerin von 2004 bis
Ende 2010 bereits 62 entsprechend gebildete deutsche Wort-/Bildmarken aus der
„Volks“-Markenfamilie u. a. für Dienstleistungen der Klassen 35 und 38 eingetra-
gen sind, die jeweils aus dem Bestandteil „Volks“ und der Gattungsbezeichnung,
die das konkrete Produkt beschreibt, sowie einer der Grafik des vorliegenden Zei-
chens entsprechenden bildlichen Ausgestaltung (rot/schwarzer Balken mit grauer
Umrahmung, der Begriff „Volks“ auf rotem Hintergrund, die jeweilige Gattungsbe-
zeichnung auf schwarzem Hintergrund, weiße Buchstaben, weiße Trennlinie,
rechteckiger Punkt zwischen den Wortelementen) zusammengesetzt sind, wie
u. a. die zuletzt eingetragenen Marken
(30 2008 007 702, eingetragen am 21. April 2008 für
Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 35, 38);
(30 2009 000 798, eingetragen am 8. Juli 2009 für Waren und
Dienstleistungen der Klasen 25, 35, 38);
(30 2009 000 5672, eingetragen am 1. Juli 2009 für Waren und
Dienstleistungen der Klassen 3, 5, 35, 38);
(30 2009 016 935, eingetragen am 27. Oktober 2009 für Waren
und Dienstleistungen der Klassen 30, 35, 38);
(30 2009 016 945, eingetragen am 27. Oktober 2009 für
Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 42);
(30 2009 016 921, eingetragen am 4. November 2009 für Waren
und Dienstleistungen der Klassen 20, 35, 38);
(30 2009 068 410, eingetragen am 19. Mai 2010 für Waren und
Dienstleistungen der Klassen 3, 5, 35, 38);
(30 2009 061 595, eingetragen am 2. August 2010 für Wa-
ren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38, 41);
(30 2009 061 597, eingetragen am 2. August 2010 für Waren und
Dienstleistungen der Klassen 9, 35. 38, 41).
Die Beschwerdeführerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie von September 2002 bis
Februar 2011 im Rahmen der crossmedialen Zusammenarbeit mit anderen Unter-
nehmen insgesam t 122 sog. „Volks-Aktionen“ durchgeführt hat, die jeweils wenige
Wochen angedauert haben (vgl. Übersicht „Volks-Aktionen“ – Stand
7. Februar 2011, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
9. Februar 2011, Bl. 173/174 GA 29 W (pat) 195/10). Neben der Konzeption und
den jeweiligen Namen/Logos bringt die Beschwerdeführerin eine besondere Wer-
beleistung in die Kooperation ein, indem sie die – von ihrem jeweiligen Koopera-
tionspartner eingebrachten – Produkte umfangreich in Zeitungsbeilagen, gegen-
seitigen Anzeigen in der BILD-Zeitung, der „BILD am Sonntag“ sowie anderen Ti-
teln der A… AG, auf dem eigenen Internetportal und in diversen anderen
Medien bewirbt. Die Absatzzahlen der bisherigen „Volks-Aktionen“ belaufen sich
auf insgesamt über … Euro (vgl. Anlage H 8 zum Schriftsatz vom
19. November 2010, Bl. 69/70 GA 29 W (pat) 195/10), insgesamt sind rund …
„Volks-Produkte“ verkauft worden, d. h. im Durchschnitt hat jeder zweite
Bundesbürger ein solches Produkt erworben. Die Bewerbung von verschiedenen
„Volks-Produkten“ ergibt sich aus den von der Beschwerdeführerin vor gelegten
Unterlagen (Anzeigen zu verschiedenen „Volks-Aktionen“, Anlage H 12 zum
Schreiben vom 7. Februar 2011, Bl. 152 – 161 GA 29 W (pat) 195/10, und Anlage
H 17 zum Schriftsatz vom 14. März 2011, Bl. 218 – 235 GA 29 W (pat) 195/10;
Pressestimmen zu den Volks-Produkten, Anlage zum o. g. Protokoll, Bl. 175 GA
29 W (pat) 195/10; Plakat zur 100. Volks-Aktion, Anlage zum o. g. Protokoll) und
ist dem Senat auch aus eigener Wahrnehmung in den Medien bekannt.
Die ständige Präsenz einer Vielzahl von – insbesondere hinsichtlich Layout, De-
sign, Farbgebung und Struktur – gleichartig aufgebauten Wort-/Bildzeichen aus der
„Volks“-Markenfamilie auf dem deutschen Markt seit nunmehr mindestens sieben
Jahren rechtfertigt den Schluss, dass sich der Verkehr inzwischen an diese Art der
Aufmachung als Kennzeichnung der jeweiligen Produkte gewöhnt hat und darin
einen betrieblichen Herkunftshinweis sieht (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 59
– Vorsprung durch Technik). Hierfür spricht zudem die erkennbare Verwandtschaft
der „Volks“-Marken zur Stammmarke (30135695) der A… AG,
die Hauptgesellschafterin der Beschwerdeführerin ist, und der offensichtliche Be-
zug zu der beim deutschen Publikum allgemein bekannten BILD-Zeitung.
dd) Indiziell für die Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens spricht, dass die Grafik
für sich allein schon als Bildmarke (306 73 949) eingetragen
ist, so dass von einer Schutzfähigkeit der bildlichen Ausgestaltung als solcher aus-
gegangen werden muss. Es mag sich zwar lediglich um eine Platzhaltermarke
handeln, was dem DPMA zweifellos erkennbar sein musste, dennoch kam es zu
ihrer Eintragung. Eine Schutzfähigkeit nunmehr zu verneinen, bleibt allein dem
Verfahren nach § 50 MarkenG vorbehalten. Dieser grafischen Gestaltung kann
daher innerhalb des angemeldeten Gesamtzeichens nicht jegliche Unterschei-
dungskraft abgesprochen und sie nur als werbemäßig angesehen werden.
Abgesehen davon tritt sie auch entgegen der Ansicht des DPMA durch die – nicht
sachbezogenen – Wortbestandteile nicht vollkommen in den Hintergrund, sondern
ist zumindest als gleichwertig anzusehen (siehe oben unter bb).
Der Senat geht zudem nicht von einem grundsätzlich rechtswidrigen Handeln des
DPMA bei der Eintragung dieser Vielzahl von 62 „Volks“-Marken und der obigen
Bildmarke aus.
ee) Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die angesprochenen
Verkehrskreise in dem Anmeldezeichen neben dem Herkunftshinweis auch
gleichzeitig eine Werbebotschaft für die damit gekennzeichneten Waren und
Dienstleistungen erkennen. Denn zum einen schließen sich die Identifizierungs-
funktion der Marke einerseits und die Werbewirkung andererseits nicht aus, zum
anderen steht der anpreisende Charakter des Anm eldezeichens nicht derart im
Vordergrund, dass der Verkehr ihm nicht mehr einen Herkunftshinweis entnehmen
kann (EuGH a. a. O. Rdnr. 44 und 45 – Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O.
Rdnr. 28 – My World). Die betriebliche Herkunftshinweiswirkung der Marken aus
der „Volks“-Markenfamilie ergibt sich für das Publikum insbesondere aus folgen-
den Faktoren, die zum Teil kumulativ auftreten:
– Die Bewerbung der „Volks-Aktionen“ durch prominente
Testpersonen, wie beispielsweise die „Volks-Farbe“ durch
Fußball-Weltmeister Andy Brehme, der „Volks-Wanderschuh“
durch Biathlon-Olym piasiegerin Uschi Disl, das „Volks-Los“
durch TV-Moderator Frank Elstner, der „Volks-Rasierer“ durch
Ex-Tennisprofi Carl-Uwe Steeb, die „Volks-Arznei“ durch die
Skisportlegenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther,
das „Volks-Frühstück“ durch Fußball-Weltmeister Karl-Heinz
Riedle und die „Volks-Fernbedienung“ durch TV-Moderator
Hendrik Hey. Hieraus entnimmt der Verkehr einen Qualitäts-
hinweis, da die Prominenten das Produkt laut den Anzeigen
getestet haben und hiervon überzeugt („begeistert“) sind.
– Ein günstiger (Aktions-)Preis, wie beispielsweise das „Volks-
Profispray“ zum „Aktionspreis: 5,49 €“, die „Volks-Fernbedie-
nung“ zum „Aktionspreis: 24,99 €“, der „Volks-Wanderschuh“
für „nur 79,75 €“, der „Volks-Rasierer“ als „unschlagbares Ass
zum fairen Preis von nur 99,00 €“; das „Volks-Telefon“ als
„Höchstkomfort zum Niedrigpreis … nur 59,99 €“, die „Volks-
Zahnbürste“ für „29,99 € statt 44,99 €“, das „Volks-Sandwich
nur für kurze Zeit zum Probierpreis 2,22 €“ das „Volks-Note-
book“ für „nur 449 €“.
– Eine Zugabe zum eigentlichen Produkt bzw. eine Sonderabga-
begröße, wie z. B. bei der „Volks-Farbe“, bei der es zu jedem
750 ml Aktionsgebinde eine Magnetfahne fürs Auto gratis
dazu gibt, beim „Volks-Profispray“ mit 300 ml Inhalt „+ 30 ml
EXTRA“, bei der „Volks-Versicherung“, bei der es beim Bera-
tungsgespräch einen MP4-Player gratis gibt, beim „Volks-
Menü“ mit „+ 1 von 4 Design-Gläsern nach Wahl“, bei der
„Volks-Arznei … mit den besonderen Extras: Kräutertee
+ Honig + Honig-Löffel“ bzw. „nur jetzt m it dem gratis Desig-
ner-Teeglas“, oder beim „Volks-Notebook“, bei dessen Kauf
man eine Notebook-Tasche oder einen Rucksack zum „ein-
maligen Vorzugspreis von jeweils nur 29,90 €“ erhält.
– Besondere Ausstattungsmerkmale bzw. Leistungsinhalte, wie
die „Volks-Versicherung“ mit „mehr Sicherheit dank 110 %iger
Beitragsgarantie“, das „Volks-Los“ mit „zusätzlichen Gewinn-
chancen für alle“, das „Volks-Telefon … jetzt mit dem neuen
KX-TG7521“, das „neue Volks-Sandwich“ mit „der Extraportion
Vollkorn-Geschmack“, das „Volks-Frühstück“ mit „SuperSnack
und Kaffee“ oder das „Volks-Notebook“, bei dem der Kunde
ohne Aufpreis aus acht verschiedenen Abdeckungen wählen
kann.
– Der jeweils gut sichtbare Hinweis in den Anzeigen und auf den
Waren, dass es sich um „Eine gemeinsame Volks-Aktion von
… (dem jeweiligen Kooperationspartner und) Bild.de“ handelt
(vgl. zu den obigen Ausführungen insgesamt die von der Be-
schwerdeführerin vorgelegten Anzeigen zu verschiedenen
Volks-Aktionen, Bl. 152 – 169 und Bl. 218 – 235 GA 29 W (pat)
195/10, sowie die Pressestimmen zu den Volks-Produkten
S. 13, 17, 18, 20, 24, 28, 30, 32, 34, 36. 38, 58, Anlage zum
o. g. Protokoll).
Die o. g. Faktoren vermitteln dem angesprochenen Publikum den Eindruck, dass
die jeweiligen Produkte nicht lediglich von dem hinter Bild.de stehenden Unter –
nehmen werbemäßig empfohlen werden, sondern dieses vielmehr auch Einfluss
auf deren Auswahl und Besonderheiten hat verbunden mit der Botschaft, dass es
das jeweilige Produkt nur im Rahmen seiner Volks-Aktionen zu diesem Preis bzw.
mit den besonderen Dreingaben und/oder Ausstattungsmerkmalen gibt. Damit
verfügen die Zeichen der „Volks“-Markenserie über die Eignung, die damit ge-
kennzeichneten Produkte als solche eines bestimmten Unternehmens zu individu-
alisieren.
ff) Darüber hinaus ist auch bei den zur Kennzeichnung der beanspruchten Wa-
ren und Dienstleistungen praktisch bedeutsamen und naheliegenden Verwen-
dungsmöglichkeiten des Anmeldezeichens auf der Verpackung der Waren sowie
auf Gegenständen, die bei der Erbringung der fraglichen Dienstleistungen zum
Einsatz gelangen, wie insbesondere auf der Berufskleidung, auf Geschäftsbriefen
und -papieren, Prospekten, Preislisten, Rechnungen, Ankündigungen und Werbe-
drucksachen, anzunehmen, dass der angesprochene Verkehr das Zeichen ohne
weiteres als Marke verstehen wird (BGH GRUR 2010, 825 Rdnr. 21 f. – Marlene-
Dietrich-Bildnis II).
Sämtliche oben dargestellten Umstände hat das DPMA bei der Prüfung der Unter-
scheidungskraft des Anmeldezeichens im vorliegenden Einzelfall nicht gewürdigt.
3. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortverbindung des Anmeldezei-
chens zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleis-
tungen sowie die unterscheidungskräftige grafische Gestaltung unterliegt das an-
gemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 Mar-
kenG. Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung der
Wörter „Volks“ und „Hähnchen“ in jedweder Form , sondern nur in der gegebenen
grafischen Gestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den
Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung (vgl. BGH a. a. O. – NEW MAN).
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben.
4. Vor einer Eintragung des angemeldeten Zeichens wird das DPMA jedoch
noch Unklarheiten in den Klassen 35 und 38 des Dienstleistungsverzeichnisses
(Bl. 1 – 3 VA) zu klären haben, welche es offenbar – allerdings ohne entsprechen-
den Hinweis im Beanstandungsbescheid vom 1. Juli 2010 (Bl. 10 – 12 VA) – vor-
läufig zurückgestellt hat.
Grabrucker Kortge Dorn