Der Axel Springer Verlag hat in der Vergangenheit zahlreiche Volks.Marken eintragen lassen, insgesamt 54 davon.
Aktuell auch das Zeichen “Volks.Tippschein”, als Wort/Bildmarke in den Farben der Bildzeitung. Das DPMA sah das Kennzeichen als in der Klasse 41 nicht unterscheidungskräftig an. Das BPatG sah dies anders. Das Kennzeichen treffe in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 41 keine Sachaussage.
Selbst bezüglich Spielen ließe sich keine vernünftiger sinnvoller Aussageinhalt feststellen.
Hinzu komme, dass das angemeldete Zeichen zusätzlich durch die grafische Ausgestaltung die Funktion eines Unterscheidungsmittel erhielt.
Grundsätzlich kann nämlich eine Wortelemente enthaltendn Bildmarke – unbeschadet einer etwaigen fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente – als Gesamtheit Unterscheidungskraft haben, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht.
Das war hier der Fall.
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 195/10_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 057 256.6
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
24. März 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker, der
Richterin Kortge und der Richterin Dorn
BPatG 15208.05
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. August 2010 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung bezüglich der Dienstleistungen der
Klasse 41: Unterhaltung und kulturelle Aktivitäten;
Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestal-
tung; Durchführung von Spielen; Glücks-
spiele; Durchführung von Live-Veranstal-
tungen; Online angebotene Spieldienst-
leistungen [von einem Computernetz-
werk]; Veranstaltung von Lotterien; Lot-
teriedienste
zurückgewiesen worden ist.
G r ü n d e
I.
Das farbige (rot, schwarz, weiß, grau) Wort-/Bildzeichen
ist am 28. August 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent-
und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleis-
tungen angemeldet worden (nach Beanstandung geändertes Dienstleistungsver-
zeichnis vom 22. Mai 2009, vgl. Bl. 7/8, 51 VA):
Klasse 35: Merchandising (Verkaufsförderung); Verkaufsförde-
rung, nämlich Sales promotion für Dritte, Cross pro-
motion mit und für Dritte, insbesondere Präsentation
und Promotion von Waren und Dienstleistungen al-
ler Art, auch im Wege eines Online-Portals; Online-
Dienstleistungen eines e-Commerce-Abwicklers,
nämlich Waren- und Dienstleistungspräsentation,
Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rech-
nungsabwicklung, auch im Rahmen von e-commer-
ce; Organisation, Durchführung und Überwachung
von Verkaufs- und verkaufsfördernden Prämienpro-
grammen sowie Rabattprogrammen für Marketing-
zwecke, soweit in Klasse 35 enthalten; Vermittlung
von Handelsgeschäften für Dritte über Online-
Shops; telefonische und/oder computerisierte Be-
stellannahme für Teleshopping-Angebote für Dritte;
Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten,
auch über das Internet; Vermittlung von Verträgen
über den An- und Verkauf von Waren und/oder die
Erbringung von Dienstleistungen für Dritte; Organi-
sation und Veranstaltung von Werbeveranstaltun-
gen; Präsentation von Firmen im Internet und ande-
ren Medien; Geschäftsführung, Beratung in Fragen
der Geschäftsführung, Beratung bei der Organisati-
on und Führung von Unternehmen; betriebswirt-
schaftliche und organisatorische Beratung; Unter-
nehmensverwaltung, Unternehmensberatung; Per-
sonalmanagementberatung; organisatorisches Pro-
jektmanagement im EDV-Bereich; betriebswirt-
schaftliche Beratung für Franchising-Konzepte;
Sammeln von Daten aller Art in Computerdatenban-
ken; Zusammenstellung und Systematisierung von
Daten in Computerdatenbanken; Pflege von Daten
in Computerdatenbanken; Entwicklung von Werbe-
und Marketingkonzepten sowie Werbung und Mar-
keting für Immobilien (Facility Managem ent); Durch-
führung von Auktionen und Versteigerungen, auch
im Internet; Dienstleistungen einer Werbeagentur;
Werbung; Werbung in allen Medien einschließlich
Rundfunk-, Fernseh-, Kino-, Print-, Videotext-, Onli-
ne- und Teletextwerbung; Verteilung von Werbema-
terial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Waren-
proben); Herausgabe von Druckerzeugnissen auch
in elektronischer Form für Werbezwecke; Hilfe bei
der Führung von gewerblichen oder Handelsbetrie-
ben; Kundengewinnung und -pflege durch Versand-
werbung, Vorführung von Waren für Werbezwecke;
Waren- und Dienstleistungspräsentationen; Aktuali-
sierung von Werbematerial; Organisation und
Durchführung von Werbeveranstaltungen; Marke-
ting [Absatzforschung]; Marketing für Dritte in digita-
len Netzen; Marktforschung; Meinungsforschung;
Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Organisation
und Veranstaltung von Werbeveranstaltungen;
Sponsoring in Form von Werbung; Verwaltung
fremder Geschäftsinteressen, insbesondere gegen-
über politischen Entscheidungsträgern und anderen
Personen (soweit in Klasse 35 enthalten); Organi-
sation von Ausstellungen und Messen für wirt-
schaftliche und Werbezwecke; Verbraucherbera-
tung; Büroarbeiten; Beschaffungsdienstleistungen
für Dritte [Erwerb von Waren und Dienstleistungen
für andere Unternehmen]; Datenverwaltung mittels
Computer; elektronische Datenverarbeitung für Drit-
te, näm lich Systematisieren von Daten in Com pu-
terdatenbanken und Dateienverwaltung mittels
Computer; Vermittlung von Vertragsabschlüssen
betreffend den Erwerb von Waren oder die Inan-
spruchnahme von Dienstleistungen zugunsten Drit-
ter;
Klasse 38: Bereitstellung einer e-commerce-Plattform im Inter-
net; Bereitstellung des Zugriffs auf Software in Da-
tennetzen für Internetzugänge; Bereitstellung von
Plattformen und Portalen im Internet; Bereitstellung
von Chatlines, Chatrooms und elektronischen Foren
im Internet; Dienstleistungen eines Internet-Provi-
ders, nämlich Vermietung und Vermittlung von Zu-
griffszeiten zu Datennetzen, insbesondere zum In-
ternet; Telefondienste für eine Hotline oder Call-
center; Erbringen von Presse-Dienstleistungen in
Verbindung mit Onlinediensten, nämlich Sam meln,
Liefern und Übermittlung von Nachrichten und Infor-
mationen aller Art als Dienstleistung einer Online-
Presseagentur einschließlich On-Demand und an-
deren elektronischen Mediendiensten; Bereitstellen
des Zugriffs auf Informationen im Internet; Ton-,
Bild- und Datenübertragung durch Kabel, Satellit,
Computer, Computer-Netzwerke, Telefon-, ISDN-
und DSL-Leitungen sowie jegliche weitere Übertra-
– 6 –
gungsmedien; Ausstrahlen von Rundfunksendun-
gen (Funk und Fernsehfunk); Sammeln und Liefern
von Nachrichten und allgemeinen Informationen als
Dienstleistung einer Presseagentur, auch elektroni-
scher Art, sowie Ausstrahlen von (TV/Radio)-Pro-
grammen im World Wide Web, sowie Ausstrahlen
von (TV/Radio)-Programmen über Kabel, Satellit
und andere Medien; Dienstleistungen eines Internet
Access-Providers (Telekommunikation), Vermie-
tung und Vermittlung von Zugriffszeiten zu Daten-
banken, insbesondere zum Internet und/oder Intra-
net; Bereitstellung des Zugriffs auf lizenzierte Daten
im Internet mittels Mehrfachverwendung von Inhal-
ten (Content-Syndication) für Kunden; Bereitstel-
lung des Zugriffs auf Computerprogrammen in Da-
tennetzen;
Klasse 41: Unterhaltung und kulturelle Aktivitäten; Dienstleis-
tungen bezüglich Freizeitgestaltung; Durchführen
von Spielen; Glücksspiele; Durchführung von Live-
Veranstaltungen; Online angebotene Spieldienst-
leistungen [von einem Computernetzwerk]; Veran-
staltung von Lotterien; Lotteriedienste (soweit in
Klasse 41 enthalten).
Mit Beschluss vom 4. August 2010 hat die Markenstelle für Klasse 35 die An-
meldung teilweise gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens
jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen, nämlich für die Dienstleistungen
der Klasse 41
– 7 –
“Unterhaltung und kulturelle Aktivitäten; Dienstleistungen bezüg-
lich Freizeitgestaltung; Durchführung von Spielen; Glücksspiele;
Durchführung von Live-Veranstaltungen; Online angebotene Spiel-
dienstleistungen [von einem Computernetzwerk]; Veranstaltung
von Lotterien; Lotteriedienste”.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das ohne weiteres verständliche deut-
sche Wort “Volks-Tippschein” in seiner Gesamtbedeutung von den angesproche-
nen Verkehrskreisen so verstanden werde, dass es sich um einen Tippschein für
das Volk (und eben nicht nur für Mitarbeiter, Senioren, Kinder etc.) handele. Der
Begriff reihe sich nahtlos in eine Reihe vergleichbar gebildeter Begriffe wie “Volks-
Aktie”, “Volks-Auto”, “Volks-Computer” oder auch “Volks-PC” u.s.w. ein. Dieses
auf der Hand liegende Verständnis des Begriffs “Volks-Tippschein” führe bei einer
Kennzeichnung der in Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen mit dem An-
meldezeichen zu der Vorstellung, dass dieselben in der einen oder anderen Weise
mit einem solchen Volkstippschein in einem bestimmten Zusammenhang stünden,
insbesondere die angebotenen “Glücksspiele” mit Hilfe entsprechender Volkstipp-
scheine durchgeführt würden. Jede Vorstellung über den Bezug zwischen dem
Anmeldezeichen und den damit gekennzeichneten Dienstleistungen der Klasse 41
werde in irgendeiner Weise sachbezogen sein, so dass der Begriff nicht als be-
trieblicher Herkunftshinweis verstanden werde. Auch die grafische Gestaltung ver-
leihe dem Anmeldezeichen keine Unterscheidungskraft. Bei der unterschiedlichen
farbigen Gestaltung des Hintergrundes der einzelnen Wortbestandteile unter Ver-
wendung der Signalfarbe Rot und der rechteckigen Umrahm ung des Gesamtzei-
chens handele es sich um verbreitete, werbeübliche Gestaltungsmittel, mit denen
lediglich die durch die Wortbestandteile verkörperte (Werbe-)Botschaft für den Ver-
kehr leicht wahrnehmbar gestaltet werden solle. Auch die Eintragung der entspre-
chenden Bildmarke (306 73 949) führe entgegen der Auffassung
der Anmelderin zu keiner anderen Beurteilung, da bei Würdigung des hier ange-
meldeten Gesamtzeichens diese grafische Gestaltung vollkommen in den Hinter-
grund trete, so dass sie nicht als Herkunftshinweis dienen könne. Ebenso wenig
schutzbegründend für das Anmeldezeichen könne auch die Eintragung der Ge-
meinschaftsmarke (CTM 005514443) sein, da die Kennzeichnungs-
kraft und damit auch der Schutzumfang des Wortbestandteils “Volks-” in Allein-
stellung vollkommen anders sei, als bei einem mit diesem Bestandteil zusam-
mengesetzten Gesamtbegriff. Die für die Anmelderin bereits eingetragenen gleich-
gebildeten Marken der “Volks”-Markenserie könnten – auch unter Berücksichti-
gung der Entscheidung des EuGH vom 12. Februar 2009 (verbundene Rechtssa-
chen … und … – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und
SCHWABENPOST) – an der fehlenden Eintragbarkeit des Anm eldezeichens
nichts ändern, da das DPMA nicht verpflichtet sei, sich mit vergleichbaren Vorein-
tragungen zu befassen. Zur Begründung seiner diesbezüglichen Rechtsauffas-
sung bezieht sich das DPMA auf die Entscheidung des BPatG 33 W (pat) 52/08 –
Burg Lissingen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß be-
antragt,
den versagenden Teil des Beschlusses des DPMA vom
4. August 2010 aufzuheben,
hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass ein Kernpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit die
crossmediale Zusammenarbeit mit anderen Unternehm en zur Bewerbung, Ver-
treibung und zum Absatz von sogenannten “Volks-Produkten” sei. Seit 2002 führe
sie – die Beschwerdeführerin, eine 100%ige Tochter des deutschen Konzerns
S… AG – sogenannte “Volks-Aktionen” durch, im Rahmen derer sie und
ihr jeweiliger Kooperationspartner gemeinsam ein Produkt auswählten, welches
dann exklusiv als “Volks-Produkt” herausgebracht werde. Sie habe in der Zeit von
September 2002 bis November 2010 über 100 solcher “Volks-Aktionen” durch-
geführt. Neben der Konzeption und den jeweiligen Namen/Logos bringe sie ihrer –
seits eine besondere Werbeleistung in die Kooperation ein, indem sie die – vonihrem jeweiligen Kooperationspartner eingebrachten – Produkte umfangreich in
Zeitungsbeilagen, gegenseitigen Anzeigen in der BILD-Zeitung, der “BILD am
Sonntag” sowie anderen Titeln der S… AG, auf dem eigenen Internet
portal und in diversen anderen Medien bewerbe.
Bis Ende Oktober 2010 seien 54 gleichgebildete “Volks”-Marken beim DPMA re-
gistriert worden, daneben eine Vielzahl von entsprechenden Gemeinschaftsmar-
ken. Die Marken seien jeweils aus dem Bestandteil “Volks” und der Gattungsbe-
zeichnung, die das konkrete Produkt beschreibe, sowie in einer dem Corporate
Identity der BILD entsprechenden bildlichen Ausgestaltung zusamm engesetzt. Die
im Streit stehende Marke reihe sich zwanglos in die bekannte “Volks”-Markenserie
ein. Ein besonderes Kennzeichen der “Volks”-Markenserie sei die unmittelbar er-
kennbare Verwandtschaft zur Stammmarke (30135695) der S…
AG. Die in allen Marken der Serie wiederkehrende bildliche Gestaltung (rot-
schwarzer Balken, der Begriff “Volks” auf rotem Hintergrund, sowie eine Gattungs-
bezeichnung auf schwarzem Hintergrund) spreche für die Wiedererkennbarkeit
der einzelnen Marken sowie die Zuordnung zu ihrem Herkunftsbetrieb.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Schrift-
sätze vom 19. November 2010 und 14. März 2011 (Bl. 11 – 31 und Bl. 178 –
188 GA jeweils samt Anlagen) Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in
der Sache Erfolg.
Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens als Marke gemäß §§ 33
Abs. 2, 41 MarkenG steht für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen
kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unter –
scheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2
MarkenG, entgegen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem
Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterschei-
dungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren
oder Dienstleistungen als von einem bestim mten Unternehmen stammend
kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen
anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 –
FUSSBALL WM 2006; 2008, 1093, 1094 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bild-
nis I). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidenti-
tät der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da
allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis
begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch
so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu über –
winden (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; a. a. O. – Marlene-Dietrich-Bil-
dnis I; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 – STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 – Will-
kommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 – My World). Wortmarken besitzen dann
keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise
lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zu-
ordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH
GRUR 2001, 1153 – anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O.
Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – Deutsch-
landCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen
der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die –
etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den
Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden
werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte
Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; a. a. O. – FUSSBALL
WM 2006). Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beur-
teilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen
(BGH GRUR 2001, 162, 163 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION;
a. a. O. – anti Kalk; GRUR 2011, 65 Rdnr. 10 – Buchstabe T mit Strich). Dabei
hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls
mit einem ihrer Elemente, den (geringen) Anforderungen an die Unterschei-
dungskraft genügt.
2. Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend – entgegen der vom DPMA ver-
tretenen Auffassung – nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegen-
ständliche Wort-/Bildzeichen dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Mar-
kenG unterliegt.
Das angemeldete Zeichen, das sich aus Wort- und Bildelementen zusam-
mensetzt, weist in seiner Gesamtheit keinen für die beschwerdegegenständ-
lichen Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffs-
gehalt auf. Ein beschreibender Sinngehalt seiner Einzelbestandteile wird je-
denfalls durch den eigenartigen Gesamtbegriff und die – die Mindestanforde-
rungen an das Vorliegen einer noch so geringen Unterscheidungskraft erfül-
lende – grafische Ausgestaltung so weit überlagert, dass der Marke in ihrer
Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abgesprochen
werden kann.
a) Der Text des angemeldeten Zeichens enthält die beiden in der deut-
schen Sprache geläufigen Wortelemente “Volks” und “Tippschein”, die
durch einen Punkt getrennt sind.
aa) “Volks” ist der Genitiv des Substantivs “Volk”, welches eine “durch ge-
meinsame Kultur, Geschichte (und Sprache) verbundene große Ge-
meinschaft von Menschen” bzw. die “Masse der Angehörigen einer Ge-
sellschaft, der Bevölkerung eine Landes, eines Staates” bezeichnet
(Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). In
der deutschen Sprache gibt es eine Reihe von geläufigen Begriffen, die
aus einem Substantiv mit einem vorangestelltem “Volks-” gebildet sind.
Diese zusammengesetzten Begriffe lassen sich in fünf Gruppen ein-
teilen:
(1) Begriffe, bei denen dem Bestandteil “Volks-” die Bedeutung “für
alle/jederm ann, von allen/jedermann, allen/jedermann zugänglich, al-
le/jedermann betreffend, sich an alle/jedermann wendend, von allen/je-
dermann ausgeübt” zukommt, wie “Volksaufstand, Volksbelustigung,
Volksbrauch, Volksbücherei, Volkseinkommen, Volksempfinden, Volks-
feind, Volksfest, Volksgemeinschaft, Volksgesundheit, Volksglaube,
Volksheld, Volkshochschule, Volksnahrungsmittel, Volksschule, Volks-
seele, Volksseuche, Volkssport, Volkssprache, Volksstamm, Volks-
tracht, Volkstrauertag, Volkswirtschaft” (vgl. Duden – Deutsches Univer-
salwörterbuch a. a. O.; Wortschatzportal Universität Leipzig, http://wort-
schatz.uni-leipzig.de).
(2) Begriffe mit politischer Bedeutung, wie “Volksabstimmung, Volks-
armee Volksbefragung, Volksbegehren, Volksdemokratie, Volksent-
scheid, Volksfront, Volkspartei, Volkssouveränität” (vgl. Duden – Deut-
sches Universalwörterbuch a. a. O.).
(3) Begriffe, bei denen der Bestandteil “Volks-” auf etwas hinweist, das
volkstümlich bzw. vom Geist und von der Überlieferung des Volkes ge-
prägt oder getragen ist, wie “Volksdichtung, Volkskunst, Volkslied,
Volksmedizin, Volksmärchen, Volksmund, Volksstück” (vgl. Duden –
Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Volkstümlich bedeutet “in sei-
ner Art dem Denken und Fühlen des Volkes entsprechend, entgegen-
kommend” bzw. “dem Volk eigen”, “populär, gemeinverständlich” (Du-
den – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.). Es beinhaltet nicht das
Verständnis von “einfaches/gehobenes Volk” bzw. “Schichten”.
(4) Nur bei einem dieser zusammengesetzten Begriffe weist der Be-
standteil “Volks-” einen Bezug zu sozialen Schichten auf, nämlich
“Volkstheater” m it der Bedeutung “Theater, das (im Unterschied zum
höfischen Theater) inhaltlich und finanziell von allen sozialen Schichten
getragen wird (Duden – Deutsches Universalwörterbuch a. a. O.).
(5) Vereinzelt und lediglich bei veralteten Begriffen kommt dem voran-
gestellten Element “Volks-” die Bedeutung “günstig, billig, preiswert” zu,
wie etwa bei dem (veralteten) Begriff “Volksausgabe” mit der Bedeu-
tung “einfach ausgestattete, preiswerte Buchausgabe” (Duden – Deut-
sches Universalwörterbuch a. a. O.). Die sogenannten “Volksprodukte”
aus der Zeit des Dritten Reiches, wie “Volkswagen” und “Volksemp-
fänger”, implizierten zwar, dass die Ware preiswert und für jedermann
erschwinglich war und die niedrigen Preise diese Produkte für je-
dermann zugänglich machen sollten (vgl. Aufsatz “Luxus fürs Volk” vom
16. Dezember 2003 von Prof. Dr. K…, TU B…, www.uni-protokol
le.de/nachrichten/text/27195/); sie wurden damals als Mittel der Politik
zur Sympathieerregung für die Ziele des Dritten Reiches eingesetzt. An
Konnotationen aus der Zeit des Dritten Reiches, von der sich die deut-
sche Bevölkerung seit der Entstehung der Bundesrepublik distanziert
hat und die im heutigen deutschen Sprachgebrauch nicht mehr üblich
sind, knüpft der Senat nicht an, und dies nicht nur, weil sie ihm veraltet
erscheinen, was im Übrigen dadurch belegt wird, dass ein “Volkswa-
gen” heutzutage teurer ist als manch andere Kraftfahrzeugmodelle.
bb) Ein “Tippschein” ist ein “vorgedruckter Schein, in den die Tipps (schrift-
lich festgehaltene Vorhersage von Siegern bei sportlichen Wettkämp-
fen, von Zahlen bei Ziehungen, die bei Richtigkeit einen Gewinn bringt)
eingetragen werden” (Duden – Deutsches Universalwörterbuch,
a. a. O.).
cc) Der Punkt zwischen den beiden Wortelementen ist optisch eine Zäsur
und darf nicht unbeachtet bleiben. Denn auch ein für sich genommen
schutzunfähiger Bestandteil kann für die Schutzfähigkeit des Gesamt-
zeichens Bedeutung erlangen. Der Umstand, dass ein Bindestrich oder
– wie hier – ein Punkt aufgrund seiner orthografischen Funktion vom
Verkehr nicht als eigenständiges Zeichen wahrgenommen werden mag,
rechtfertigt es nicht, diesen Zeichenbestandteil bei der Prüfung der
Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens unberücksichtigt zu las-
sen. Da es sich um die Anmeldung eines zusammengesetzten Zei-
chens handelt, ist m aßgeblich, welchen Gesamteindruck der Verkehr
mit dem zusammengesetzten Zeichen verbindet (BGH a. a. O. Rdnr. 12
– Buchstabe T mit Strich).
dd) Die beiden Wortbestandteile verbinden sich im Sprachfluss zu dem
sprachüblich gebildeten Gesamtbegriff “Volkstippschein”. Dieser Ge-
sam tbegriff ist in den gängigen Lexika und Wortschatzdatenbanken
(Duden – Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.; Wortschatzportal
Universität Leipzig a. a. O.) nicht nachweisbar und stellt daher eine
sprachliche Neuschöpfung dar. Wie eine Recherche des Senats, auch
unter www.google.de, ergeben hat, taucht dieser konkrete Begriff bis-
lang nicht auf.
Ausgehend von den obigen Feststellungen, dass das vorangestellte
Wort “Volks-” bei zusammengesetzten Substantiven, insbesondere bei
solchen, die Gegenstände bzw. Waren bezeichnen, im heutigen
Sprachgebrauch überwiegend die Bedeutung “für alle/jedermann” hat
(vgl. “Volksnahrungsmittel”, “Volkstracht”), kann die Wortverbindung
“Volkstippschein” in ihrer Gesamtbedeutung allenfalls dahingehend ver-
standen werden, dass es sich um einen Tippschein für alle, für jeder-mann handelt. Jedoch ist im Einzelfall zu prüfen, ob dieser Wortkombi-
nation überhaupt ein sinnvoller Aussagegehalt entnommen werden
kann.
ee) In Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der
Klasse 41 ist die angemeldete Wortverbindung in den Verkehrsgewohn-
heiten der fraglichen Branche jedenfalls keine Sachaussage.
Selbst hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen “Durchführung
von Spielen; Glücksspiele; Online angebotene Spieldienstleistungen
[von einem Computernetzwerk]; Veranstaltung von Lotterien; Lotterie-
dienste”, bei denen Tippscheine typischerweise zum Einsatz kommen,
lässt sich ein sinnvoller Aussagegehalt der Wortelemente des Anmel-
dezeichens für das angesprochene Publikum nicht feststellen. In dieser
Branche wird in den Angeboten für Glücksspiele nach der Art des Spie-
les (wie LOTTO 6 aus 49, GlücksSpirale, Spiel 77, Super 6, KENO,
TOTO, ODDSET, Bayernlos, AstroLos, EXTRA GEHALT) und den
verschiedenen Unterspielarten bzw. Spielsystemen (wie z. B. das Voll-,
Auswahl- und Anteilsystem bei LOTTO) differenziert (vgl. Broschüren
von LOTTO Bayern: “Einsätze, Quoten und Gewinnpläne”, “Vollsys-
tem”, “Anteilsystem”, “Auswahlsystem” (jeweils LOTTO 6 aus 49, Aus-
gabe August 2010), “KENO Die tägliche Zahlenlotterie” (Ausgabe Juni
2010) “Alles über TOTO mit System”, “ODDSET Systembroschüre”).
Dementsprechend gibt es für die einzelnen Spielarten und Systeme
auch verschiedene Tippscheine (z. B. Norm alschein, System schein,
Voll-Systemschein, Anteilschein, Auswahl-Systemschein). Es entspricht
nach den Rechercheergebnissen nicht den Kennzeichnungsgewohnhei-
ten in dieser Branche, dass sich die Angebote für Glücksspiele an be-
stimmte soziologische Zielgruppen (Ober-/Mittel-/Unterschicht) richten,
zumal eine solche Festlegung unsinnig wäre und die geschäftlichen
Möglichkeiten von solchen Anbietern unnötig einschränken würde. Es
gibt auch keine Verkehrsgewohnheit in diesem Bereich, dass Glücks-
spiele unter Verwendung von Tippscheinen nur für das deutsche Volk
(vgl. “DEM DEUTSCHEN VOLKE” über dem Reichstag) angeboten
werden. Der Begriff “Volkstippschein” ist auch nicht dahingehend zu
verstehen, dass dieser zur Teilnahme an einem besonders preiswerten,
günstigen Glücksspiel berechtigt, da dem Element “Volks-” im heutigen
Sprachgebrauch – wie oben dargelegt – nicht (mehr) die Bedeutung von
“günstig, billig, preiswert” zukommt. Selbst wenn man einen solchen
Bedeutungsgehalt hier annehmen würde, weist das angemeldete Zei-
chen trotzdem keinen sinnvollen Aussagegehalt auf, da die Teilnahme
an Glücksspielen nicht nur finanziell Bessergestellten vorbehalten ist,
vielmehr sich heutzutage (nahezu) jeder die Teilnahme z. B. an einem
Lottospiel, die bereits ab 1,25 € möglich ist, leisten kann. Vor diesem
Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Lotterien
und Wetten für Minderjährige nach Maßgabe der Regelung in § 6
Abs. 2 Jugendschutzgesetz verboten sind, macht der Begriff “Volkstipp-
schein” mit der Bedeutung, dass es sich um einen Tippschein für je-
dermann handelt, ebenfalls keinen Sinn und legt darüber hinaus den
Unsinn einer solchen Aussage dar.
Mangels eines sinnvollen Aussagegehalts der Bezeichnung “Volkstipp-
schein” in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen kann ihr som it
nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Die obigen Ausführungen gelten entsprechend für die weiteren be-
schwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 41.
b) Das angemeldete Zeichen erhält zusätzlich durch die grafische Ausge-
staltung die Funktion eines Unterscheidungsmittels.
Grundsätzlich kann einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke – un-
beschadet einer etwaigen fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wort-
elemente – als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen wer-
den, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merk-
male aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht
(BGH GRUR 1991, 136, 137 – NEW MAN; a. a. O. – anti Kalk; EuGH
GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 – BioID). Dabei vermögen allerdings
einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds, an
die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung
gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso
wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungsele-
mente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als
Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallen-
den Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als
Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. 1153, 1154 – anti Kalk;
GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 – VISAGE).
aa) Das verfahrensgegenständliche Zeichen zeigt zwei Wortelemente in
weißer Farbe und einheitlicher Schriftart auf einem rot/schwarzen Bal-
ken mit grauer Umrandung, wobei das Wortelement “Volks” auf rotem
und das Wortelement “Tippschein” auf schwarzem Hintergrund steht.
Das (kleinere) rote und das (größere) schwarze Rechteck innerhalb des
Balkens werden durch eine vertikale weiße Linie voneinander getrennt.
Diese Linie wird wiederum von einem rechteckigen weißen Punkt, der
sich zwischen den beiden Wortelementen an der Textunterkante be-
findet, durchbrochen.
bb) Diese bildliche Ausgestaltung des Anmeldezeichens genügt noch den
an die Unterscheidungskraft zu stellenden (geringen) Mindestanforde-
rungen.
– 18 –
Die einzelnen Gestaltungsmittel, aus denen das vorliegend zu beurtei-
lende Zeichen zusammengesetzt ist – insbesondere die rechteckigen
Formen, in denen die Wortelemente untergebracht sind, die Inverswie-
dergabe der Wortbestandteile (d. h. in Form von weißen Buchstaben
auf dunklem farbigen Hintergrund) sowie die Umrahmung der Gesamt-
marke – mögen hier je für sich genom men noch als werbeüblich anzu-
sehen sein. Der Beurteilung der Schutzfähigkeit ist jedoch im Rahmen
einer Einzelfallbetrachtung die ganz konkrete Gesamtgestaltung zu-
grunde zu legen; nur sofern diese selbst ebenfalls als werbeüblich an-
zusehen ist, kommt eine Schutzversagung in Betracht. Die Bedeutung,
die einem einzelnen Bestandteil für den Gesamteindruck eines mehr-
gliedrigen Zeichens zukommt, hängt maßgeblich auch davon ab, in
welcher Beziehung er innerhalb der konkreten Gestaltung des jeweili-
gen Gesamtzeichens zu den übrigen Zeichenbestandteilen steht (BGH
GRUR 2011, 148 – Goldhase II). Auch die Komplexität der Gestaltung
ist ein Indiz für die Schutzfähigkeit, denn je höher diese ausfällt, umso
eher wird der Verkehr geneigt sein, in der grafischen Wiedergabe der
Gesamtmarke nicht nur den beschreibenden Inhalt der Wortbestand-
teile wahrzunehmen, sondern sie als Herkunftshinweis aufzufassen
(BPatG 27 W (pat) 32/08 – Neue Post). Eine solche schutzbegründende
Komplexität kann vorliegend aber nicht verneint werden. So werden die
jeweiligen Hintergründe der Wortbestandteile verschiedenfarbig gehal-
ten; die Gesamtmarke enthält insgesamt vier Farben (rot, schwarz,
weiß, grau). Hinzu tritt der in Form eines weißen Rechtecks dargestellte
Punkt zwischen den beiden Wortelementen, der die zwischen den Farb-
feldern vertikal verlaufende weiße Linie durchbricht, wodurch der Punkt
besonders auffällt und charakteristisch wirkt. Die ganz konkrete Zusam –
menstellung dieser verschiedenen Gestaltungsmittel, auch wenn sie für
sich genommen werbeüblich sein mögen, genügt damit noch, um der
bildlichen Ausgestaltung des Anm eldezeichens nicht jegliche Unter –
scheidungskraft absprechen zu können.
– 19 –
cc) Weiter ist zu berücksichtigen, dass für die Beschwerdeführerin von
2004 bis Ende 2010 bereits 62 entsprechend gebildete deutsche Wort-
/Bildmarken aus der “Volks”-Markenfamilie u. a. für Dienstleistungen der
Klassen 35 und 38 eingetragen sind, die jeweils aus dem Bestandteil
“Volks” und der Gattungsbezeichnung, die das konkrete Produkt be-
schreibt, sowie einer der Grafik des vorliegenden Zeichens entspre-
chenden bildlichen Ausgestaltung (rot/schwarzer Balken mit grauer
Umrahmung, der Begriff “Volks” auf rotem Hintergrund, die jeweilige
Gattungsbezeichnung auf schwarzem Hintergrund, weiße Buchstaben,
weiße Trennlinie, rechteckiger Punkt zwischen den Wortelementen) zu-
sammengesetzt sind, wie u. a. die zuletzt eingetragenen Marken
(30 2008 007 702, eingetragen am
21. April 2008 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 35, 38);
(30 2009 000 798, eingetragen am 8. Juli 2009 für
Waren und Dienstleistungen der Klasen 25, 35, 38);
(30 2009 000 5672, eingetragen
am 1. Juli 2009 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5, 35,
38);
(30 2009 016 935, eingetragen am 27. Oktober 2009 für
Waren und Dienstleistungen der Klassen 30, 35, 38);
(30 2009 016 945, eingetragen am
27. Oktober 2009 für Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 42);
(30 2009 016 921, eingetragen am 4. November 2009
für Waren und Dienstleistungen der Klassen 20, 35, 38);
– 20 –
(30 2009 068 410, eingetragen am 19. Mai 2010 für
Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5, 35, 38);
(30 2009 061 595, eingetragen am 2. August 2010
für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38, 41);
(30 2009 061 597, eingetragen am 2. August 2010 für
Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35. 38, 41).
Die Beschwerdeführerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie von
September 2002 bis Februar 2011 im Rahmen der crossmedialen Zu-
sammenarbeit mit anderen Unternehmen insgesamt 122 sog. “Volks-
Aktionen” durchgeführt hat, die jeweils wenige Wochen angedauert
haben (vgl. Übersicht “Volks-Aktionen” – Stand 7. Februar 2011, Anlage
zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2011,
Bl. 173/174 GA). Neben der Konzeption und den jeweiligen Namen/Lo-
gos bringt die Beschwerdeführerin eine besondere Werbeleistung in die
Kooperation ein, indem sie die – von ihrem jeweiligen Kooperationspart-
ner eingebrachten – Produkte umfangreich in Zeitungsbeilagen, gegen-
seitigen Anzeigen in der BILD-Zeitung, der “BILD am Sonntag” sowie
anderen Titeln der S… AG, auf dem eigenen Internetportal
und in diversen anderen Medien bewirbt. Die Absatzzahlen der bisheri-
gen “Volks-Aktionen” belaufen sich auf insgesamt über
… Millionen Euro (vgl. Anlage H 8 zum Schriftsatz vom
19. November 2010, Bl. 69/70 GA), insgesamt sind rund … Millionen
“Volks-Produkte” verkauft worden, d. h. im Durchschnitt hat jeder
zweite Bundesbürger ein solches Produkt erworben. Die Bewerbung
von verschiedenen “Volks-Produkten” ergibt sich aus den von der
Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen (Anzeigen zu
verschiedenen “Volks-Aktionen”, Anlage H 12 zum Schreiben vom
7. Februar 2011, Bl. 152 – 161 GA, und Anlage H 17 zum Schriftsatz
vom 14. März 2011, Bl. 218 – 235 GA; Pressestimmen zu den Volks-
Produkten, Anlage zum o. g. Protokoll, Bl. 175 GA; Plakat zur
100. Volks-Aktion, Anlage zum o. g. Protokoll) und ist dem Senat auch
aus eigener Wahrnehmung in den Medien bekannt.
Die ständige Präsenz einer Vielzahl von – insbesondere hinsichtlich
Layout, Design, Farbgebung und Struktur – gleichartig aufgebauten
Wort-/Bildzeichen aus der “Volks”-Markenfamilie auf dem deutschen
Markt seit nunmehr m indestens sieben Jahren rechtfertigt den Schluss,
dass sich der Verkehr inzwischen an diese Art der Aufmachung als
Kennzeichnung der jeweiligen Produkte gewöhnt hat und darin einen
betrieblichen Herkunftshinweis sieht (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 59
– Vorsprung durch Technik). Hierfür spricht zudem die erkennbare Ver-
wandtschaft der “Volks”-Marken zur Stammmarke (30135695)
der S… AG, die Hauptgesellschafterin der Beschwerdeführe
rin ist, und der offensichtliche Bezug zu der beim deutschen Publikum
allgemein bekannten BILD-Zeitung.
dd) Indiziell für die Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens spricht, dass die
Grafik für sich allein schon als Bildmarke
(306 73 949) eingetragen ist, so dass von einer
Schutzfähigkeit der bildlichen Ausgestaltung als solcher ausgegangen
werden muss. Es mag sich zwar lediglich um eine Platzhaltermarke
handeln, was dem DPMA zweifellos erkennbar sein musste, dennoch
kam es zu ihrer Eintragung. Eine Schutzfähigkeit nunmehr zu ver-
neinen, bleibt allein dem Verfahren nach § 50 MarkenG vorbehalten.
Dieser grafischen Gestaltung kann daher innerhalb des angemeldeten
Gesamtzeichens nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen und
sie nur als werbemäßig angesehen werden. Abgesehen davon tritt sie
auch entgegen der Ansicht des DPMA durch die – nicht sachbezogenen- Wortbestandteile nicht vollkommen in den Hintergrund, sondern ist zu-
mindest als gleichwertig anzusehen (siehe oben unter bb).
Der Senat geht zudem nicht von einem grundsätzlich rechtswidrigen
Handeln des DPMA bei der Eintragung dieser Vielzahl von 62 “Volks”-
Marken und der obigen Bildm arke aus.
ee) Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die angesproche-
nen Verkehrskreise in dem Anmeldezeichen neben dem Herkunfts-
hinweis auch gleichzeitig eine Werbebotschaft für die damit gekenn-
zeichneten Dienstleistungen erkennen. Denn zum einen schließen sich
die Identifizierungsfunktion der Marke einerseits und die Werbewirkung
andererseits nicht aus, zum anderen steht der anpreisende Charakter
des Anmeldezeichens nicht derart im Vordergrund, dass der Verkehr
ihm nicht mehr einen Herkunftshinweis entnehmen kann (EuGH a. a. O.
Rdnr. 44 und 45 – Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O. Rdnr. 28 –
My World). Die betriebliche Herkunftshinweiswirkung der Marken aus
der “Volks”-Markenfamilie ergibt sich für das Publikum insbesondere
aus folgenden Faktoren, die zum Teil kumulativ auftreten:
– Die Bewerbung der “Volks-Aktionen” durch prominente Testperso-
nen, wie beispielsweise die “Volks-Farbe” durch Fußball-Welt-
meister Andy Brehme, der “Volks-Wanderschuh” durch Biathlon-
Olympiasiegerin Uschi Disl, das “Volks-Los” durch TV-Moderator
Frank Elstner, der “Volks-Rasierer” durch Ex-Tennisprofi Carl-Uwe
Steeb, die “Volks-Arznei” durch die Skisportlegenden Rosi
Mittermaier und Christian Neureuther, das “Volks-Frühstück”
durch Fußball-Weltmeister Karl-Heinz Riedle und die “Volks-Fern-
bedienung” durch TV-Moderator Hendrik Hey. Hieraus entnimmt
der Verkehr einen Qualitätshinweis, da die Prominenten das Pro-
dukt laut den Anzeigen getestet haben und hiervon überzeugt
(“begeistert”) sind.
– Ein günstiger (Aktions-)Preis, wie beispielsweise das “Volks-Pro-
fispray” zum “Aktionspreis: 5,49 €”, die “Volks-Fernbedienung”
zum “Aktionspreis: 24,99 €”, der “Volks-Wanderschuh” für “nur
79,75 €”, der “Volks-Rasierer” als “unschlagbares Ass zum fairen
Preis von nur 99,00 €”; das “Volks-Telefon” als “Höchstkomfort
zum Niedrigpreis … nur 59,99 €”, die “Volks-Zahnbürste” für
“€ 29,99 statt € 44,99”, das “Volks-Sandwich nur für kurze Zeit
zum Probierpreis 2,22 €” das “Volks-Notebook” für “nur 449 €”.
– Eine Zugabe zum eigentlichen Produkt bzw. eine Sonderabgabe-
größe, wie z. B. bei der “Volks-Farbe”, bei der es zu jedem 750 ml
Aktionsgebinde eine Magnetfahne fürs Auto gratis dazu gibt, beim
“Volks-Profispray” mit 300 m l Inhalt “+ 30 ml EXTRA”, bei der
“Volks-Versicherung”, bei der es beim Beratungsgespräch einen
MP4-Player gratis gibt, beim “Volks-Menü” mit “+ 1 von 4 Design-
Gläsern nach Wahl”, bei der “Volks-Arznei … mit den besonderen
Extras: Kräutertee + Honig + Honig-Löffel” bzw. “nur jetzt mit dem
gratis Designer-Teeglas”, oder beim “Volks-Notebook”, bei dessen
Kauf man eine Notebook-Tasche oder einen Rucksack zum “ein-
maligen Vorzugspreis von jeweils nur 29,90 €” erhält.
– Besondere Ausstattungsmerkmale bzw. Leistungsinhalte, wie die
“Volks-Versicherung” mit “mehr Sicherheit dank 110%iger Bei-
tragsgarantie”, das “Volks-Los” mit “zusätzlichen Gewinnchancen
für alle”, das “Volks-Telefon … jetzt mit dem neuen KX-TG7521”,
das “neue Volks-Sandwich” mit “der Extraportion Vollkorn-Ge-
schmack”, das “Volks-Frühstück” m it “SuperSnack und Kaffee”
oder das “Volks-Notebook”, bei dem der Kunde ohne Aufpreis ausacht verschiedenen Abdeckungen wählen kann.
– Der jeweils gut sichtbare Hinweis in den Anzeigen und auf den
Waren, dass es sich um “Eine gemeinsame Volks-Aktion von …
(dem jeweiligen Kooperationspartner und) Bild.de” handelt (vgl. zu
den obigen Ausführungen insgesamt die von der Beschwer-
deführerin vorgelegten Anzeigen zu verschiedenen Volks-Aktio-
nen, Bl. 152 – 169 und Bl. 218 – 235 GA, sowie die Pressestim-
men zu den Volks-Produkten S. 13, 17, 18, 20, 24, 28, 30, 32, 34,
36. 38, 58, Anlage zum o. g. Protokoll).
Die o. g. Faktoren vermitteln dem angesprochenen Publikum den Ein-
druck, dass die jeweiligen Produkte nicht lediglich von dem hinter
Bild.de stehenden Unternehmen werbemäßig empfohlen werden, son-
dern dieses vielmehr auch Einfluss auf deren Auswahl und Beson-
derheiten hat verbunden mit der Botschaft, dass es das jeweilige Pro-
dukt nur im Rahmen seiner Volks-Aktionen zu diesem Preis bzw. mit
den besonderen Dreingaben und/oder Ausstattungsmerkmalen gibt.
Damit verfügen die Zeichen der “Volks”-Markenserie über die Eignung,
die damit gekennzeichneten Produkte als solche eines bestimmten Un-
ternehmens zu individualisieren.
ff) Darüber hinaus ist auch bei den zur Kennzeichnung der beschwerde-
gegenständlichen Dienstleistungen praktisch bedeutsamen und nahe-
liegenden Verwendungsmöglichkeiten des Anmeldezeichens auf Ge-
genständen, die bei der Erbringung der fraglichen Dienstleistungen zum
Einsatz gelangen, wie insbesondere auf der Berufskleidung, auf Ge-
schäftsbriefen und -papieren, Prospekten, Preislisten, Rechnungen, An-
kündigungen und Werbedrucksachen, anzunehmen, dass der ange-
– 25 –
sprochene Verkehr das Zeichen ohne weiteres als Marke verstehen
wird (BGH GRUR 2010, 825 Rdnr. 21 f. – Marlene-Dietrich-Bildnis II).
Sämtliche oben dargestellten Umstände hat das DPMA bei der Prüfung
der Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens im vorliegenden Ein-
zelfall nicht gewürdigt.
3. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortverbindung des Anmeldezei-
chens zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten beschwerdege-
genständlichen Dienstleistungen sowie die unterscheidungskräftige grafische
Gestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebe-
dürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn es wird nicht der Schutz für
eine zeichenmäßige Verwendung der Wörter “Volks” und “Tippschein” in jed-
weder Form, sondern nur in der gegebenen grafischen Gestaltung begehrt.
Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruch-
ten Bezeichnung (vgl. BGH GRUR a. a. O. – NEW MAN).
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben.
Grabrucker Kortge Dorn