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Fehlende Unterscheidungskraft des Begriffs „sana“ ?

Nach § 8 Abs.2 Nr.1 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (EuGH GRUR 2003, 514, 517, Rn. 40 – Linde, Winward und Rado; GRUR 2006, 233, 235, Rn. 45 – Stand-beutel; BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18, 19 – FUSSBALL WM 2006).

Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn diesen ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort (bzw. eine Wortfolge) der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr). Im Falle von „Allsana“  besteht das Zeichen  aus den Begriffen „all“ („ganz, gesamt) und „sana“ („gesund“).

Ablehnung der Eintragung  durch das DPMA

Der Zeichenbestandteil „sana“ sei, so dass DPMA, im Spanischen, Italienischen und Lateinischen die weibliche Form des Adjektivs „sanus“.Teile der allgemeinen Verkehrskreise, jedenfalls aber die am Handel beteiligten Fachkreise und die Erbringer von Dienstleistungen mit Fachkenntnissen auf dem Gebiet der Gesundheits-und Ernährungsberatung würden das Wort in seiner Bedeutung „gesund“ erkennen und verwenden.

Aufhebung der Entscheidung durch das BPatG

Anders das BPatG:  Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, sei ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinde. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Das BpatG konnte nicht feststellen, dass der Zusammensetzung von „all“ und „sana“ in der  Gesamtheit der beiden Bestandteile ein eindeutiger konkreten Sinngehalt zurechnen ist. Dem Anmeldezeichen könne nach alledem die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der in Rede Dienstleistungen unterliege das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis.

 

 

Bundespatentgericht, Beschluss vom 2.12.2020

29 W (pat) 550/18

BESCHLUSS
In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 113 373.5

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am

2. Dezember 2020 (…)beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders zu 1) wird der Beschluss der  Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent-und Markenamtes
vom 5. September 2018 aufgehoben.

Gründe

I.

Das Wortzeichen

allsana

ist am 22. Dezember 2017 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Dienstleistungen

Klasse 35: Dienstleistungen des Groß-und Einzelhandels auch über das Internet  in den Bereichen: Körperpflegemittel, ätherische Öle und aromatische Extrakte, Reinigungs-und Duftpräparate, Diätetische Präparate und  Nahrungsergänzungsmittel, zahnmedizinische Präparate und Erzeugnisse sowie medizinische Zahnputzmittel, Hygienepräparate und  -artikel, Schädlingsbekämpfungspräparate und -artikel, Waschmittel, Reinigungsmittel, Kosmetika, Lebensmittel und Getränke, Betten,  Bettzeug, Matratzen, Kissen und Polster, Bettwaren, Matratzenüberzüge, Matratzen-und Kopfkissenbezüge, Bettwäsche und Decken,  Tücher [Laken], Schlafsäcke, Steppdeckenbezüge, Steppdecken [Decken], Bettdecken, Bettdeckenbezüge, Bekleidung, Spielwaren, Kuscheltiere

angemeldet worden. Der Beschwerdeführer ist Teil einer aus zwei Personen bestehenden Anmeldergemeinschaft.

Mit Beschluss vom 5. September 2018 hat die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent-und Markenamtes die Eintragung gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 37 Abs. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltebedürfnisses
zurückgewiesen.

Das angemeldete Zeichen bestehe aus den Begriffen „all“ für „ganz, gesamt, in seinem ganzen Umfang, vor allem“ und „sana“ für „gesund“. Der Zeichenbestandteil „sana“ sei im Spanischen, Italienischen und Lateinischen die weibliche Form des Adjektivs „sanus“. Teile der allgemeinen Verkehrskreise, jedenfalls aber die am Handel beteiligten Fachkreise und die Erbringer von Dienstleistungen mit Fachkenntnissen auf dem Gebiet der Gesundheits-und Ernährungsberatung würden das Wort in seiner Bedeutung „gesund“ erkennen und verwenden. Die Wortverbindung „allsana“ vermittle keinen phantasievollen Gesamteindruck. Sie werde vom angesprochenen Verbraucherkreis mit „vor allem gesund“ übersetzt und damit als rein beschreibender Hinweis dahingehend verstanden, dass die beanspruchten Handelsdienstleistungen zu dem Zweck erbracht würden, vor allem gesunde, also gesundheitsfördernde und -unterstützende Waren anzubieten und zu vertreiben. Der Begriff „allsana“ beschreibe somit den Verwendungszweck und das Vertriebsmotto der Dienstleistungen. Auch wenn die Wortkombination nicht lexikalisch belegt sei und so noch nicht verwendet werde, werde sie trotzdem ohne weiteres als Sachaussage erkannt; denn der Verkehr sei daran gewöhnt, mit neuen Wortkombinationen konfrontiert zu werden, die ihm eine besondere Produktbeschaffenheitoder -qualität werbetypisch nahebringen sollen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 04. Oktober 2018 eingelegte, beim DPMA am 5. Oktober 2018 eingegangene Beschwerde, die ausdrücklich nur im
Namen des Anmelders zu 1) eingelegt worden ist. Die Gebühr wurde am selben Tag auf seinen Namen einbezahlt.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent-und
Markenamts vom 5. September 2018 aufzuheben.

Die der Zurückweisung zugrunde gelegte angebliche Bedeutung des Gesamtzeichens entspreche nicht dem Verständnis des angesprochenen Publikums. Bei
fremdsprachigen Marken seien nur dem inländischen Verkehr naheliegende Übersetzungenzu berücksichtigen. Es könne nicht unterstellt werden, dass die vorliegend relevanten Verkehrskreise das lateinische Wort „sana“ als „gesund“ übersetzten.
Sowohl den hier angesprochenen Groß-und Einzelhändlern als auch dem Endverbraucher fehlten die notwendigen Lateinkenntnisse, um das Wort „sana“ zu
verstehen. Für sie sei „allsana“ ein Phantasiebegriff ohne jede Bedeutung. Um zu der von der Markenstelle behaupteten Bedeutung zu gelangen, müsse man das Zeichen künstlich zerteilen, einzeln übersetzen, analysieren und unter Missachtung der Tatsache, dass die Bestandteile aus unterschiedlichen Sprachen stammten, wieder zusammenfügen. Diese analytische Betrachtungsweise sei unzulässig. Auch für ein künftiges Freihalteinteresse seien keine Feststellungen getroffen worden. Ein Freihaltebedürfnis an Wörtern toter Sprachen könne nur festgestellt werden, wenn sie als neue Fachausdrücke innerhalb der deutschen Sprache benutzt würden. Dies treffe auf den Bereich der Einzel-und Großhandelsdienstleistungen nicht zu. Die Behauptung, eine Verwendung als Sachhinweis sei denkbar, reiche nicht aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG wirksam eingelegte Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerde des Anmelders zu 1) ist wirksam eingelegt worden, insbesondere wurde die Beschwerdegebühr rechtzeitig innerhalb der Frist des § 66 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 2 PatKostG eingezahlt. Die Anmelderin zu 2) hat ihrerseits keine Beschwerde eingelegt, da die Beschwerde ausdrücklich nur im Namen des Anmelders zu 1) eingelegt und auch die Gebühr auf seinen Namen einbezahlt wurde. Da die verfahrensgegenständliche Marke von dem Anmelder zu 1) und der Anmelderin zu 2) gemeinsam angemeldet wurde, ist die Anmelderin zu 2) jedoch als notwendige Streitgenossin am Verfahren zu beteiligen.

2. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilungdes Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 8 – #darferdas? II). Die Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und des Freihaltebedürfnisses aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95/EG (MarkenRL a. F.) finden sich nun in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie (EU) 2015/2436 (MarkenRL) und werden unverändert umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG.

3. Der Eintragung des Anmeldezeichens steht weder ein Freihaltebedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen noch fehlt es an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

a) Das angemeldete Zeichen entbehrt nicht jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas?, GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11  – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – OUI).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke; a. a. O. – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – PippiLangstrumpf- Marke; a. a. O. Rn. 10 – OUI; a. a. O. Rn. 16 – for you; GRUR 2014,872 Rn. 13 – Gute Laune Drops). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseitsdie beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 – SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934 Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard).

Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein engerbeschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht einUnterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH GRUR 2018, 301 Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard). Dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, dasaus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH GRUR 2008, 608 Rn. 41 – EUROHYPO;
GRUR 2004, 680 Rn. 37 – BIOMILD; BGH GRUR 2012, 270 Rn. 16 – Link economy). Aus diesen, insbesondere den zuletzt genannten Gründen kann aufgrund der Kombination
der Begriffe „all“ und „sana“ nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass das angemeldete Zeichen „allsana“ für die hier relevanten Dienstleistungen
als reine Sachangabe verstanden wird und ihm daher das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegensteht.

aa) Von den verfahrensgegenständlichen Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 werden sowohl der inländische Fachverkehr als auch der allgemeine inländische Verbraucher angesprochen. Die weiter beanspruchten Großhandelsdienstleistungen der Klasse 35 sind an die in den jeweiligen Geschäftsbereichen tätigen Gewerbetreibenden gerichtet.

bb) Aus dem angemeldeten Einwortzeichen „allsana“ lassen sich die Bestandteile „all“ und „sana“ herauslesen. Bei solchen aus mehreren Bestandteilen kombiniertenMarken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 – SAT.2; GRUR 2006, 229 – BioID; BGH, Beschluss vom 10.09.2020, I ZB 13/20 – Lichtmiete). Bei dem Wortbestandteil „sana“ handelt es sich um die weibliche Form des lateinischen Adjektivs „sanus“, welches im Deutschen „gesund, heil, unverdorben, vernünftig, nüchtern“ bedeutet (vgl. PONS Online-Wörterbuch, https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/latein-deutsch/sanus). Er ist dem deutschen Verbraucher u. a. aus einer auf ein lateinisches Zitat des römischen Dichters  Juvenal zurückgehenden Redewendung „Mens sana in corpore sano“ (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper) bekannt. Zudem sind im deutschen Wortschatz im Zusammenhang mit dem Thema Gesundheit Begriffe geläufig, die auf das Wort „sanus“ zurückgehen, wie z. B. „Sanatorium“, „Sanitäter“, „sanieren“, „sanitär“. Die angesprochenen Verkehrskreise werden deshalb „sana“ als Wort für gesund erkennen und verwenden (vgl. BPatG, Beschluss vom 08.06.2011, 26 W (pat) 86/10 – SANAFORUM; Beschluss vom 23.11.2018, 28 W (pat) 526/1 – Sano; Beschluss vom 25.04.2017, 25 W (pat) 502/17 – NutriSana; BGH GRUR1993, 972, 973 – Sana/Schosana). Der Wortbestandteil „all“ bedeutet als deutsches Pronomen „auf etwas in seiner Gesamtheitbezogen“, „ganz“, „gesamt“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/all).

Das Substantiv „All“ hat die Bedeutung „Erde“, „Welt-(all)“, „Erdkugel“, „Erdball“, „Erdkreis“. In der englischen Sprache bedeutet „all“ „alles“. Im medizinischen Bereich steht es (in Großbuchstaben „ALL“) als Abkürzung für „Akute lymphatische Leukämie“ oder „Anterolaterales Ligament“ (https://flexikon.doccheck.com/de/ALL). Zum Teil wird „all“ als Verkürzung von „alle“ verwendet, z. B. „all [e] die Sorgen“ oder „all [e] diese“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/all). Als Synonyme für „all“ sind u. a. „jeglich, allesamt, ausnahmslos, restlos, samt und sonders, gesamt“ verzeichnet (https://www.duden.de/rechtschreibung/all). Eine Verwendung des Wortes „all“ im Sinne von „vor allem“ konnte jedoch entgegen der Annahme der Markenstelle nicht nachgewiesen werden.

cc) Die Zusammensetzung von „all“ und „sana“ ergibt in der Prüfung der Gesamtheit der beiden Bestandteile keinen eindeutigen konkreten Sinngehalt. Es ist kaum davon auszugehen, dass die Erdkugel oder eine der vorgenannten Krankheiten „gesund“ ist. Auch die Bedeutung von „allgesund“ als „alles gesund“ bleibt vage. Selbst bei der Annahme, dass all[e] gesund sind, wird nicht deutlich, wer „alle“ sind, ob damit alle Einwohner/Deutschen/Europäer/Weltbürger oder alle Gesunden oder ggf. die Waren/Produkte gemeint sind. Die Zusammenstellung der Wortelemente eröffnet vor dem Hintergrund des wenig fassbaren eindeutigen Verständnisses des vorangestellten Wortelementes „all“ einen gewissen Interpretationsspielraum. Die von der Markenstelle angenommene Bedeutung im Sinne von „vor allem gesund“ kann dagegen nur mit Hilfe einer – unzulässigen – analytischen Betrachtungsweise hergeleitet und nur in mehreren gedanklichen Zwischenschritten erfasst werden. Trotz beschreibender Anklänge der einzelnen Bestandteile kommt daher dem Gesamtzeichen keine ohne weiteres ersichtliche beschreibende Bedeutung zu in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen (EuGH a. a. O. – EUROHYPO; a. a. O. – BIOMILD; BGH a. a. O. – Link economy).

(1) Die beschwerdegegenständliche Marke ist für Groß-und Einzelhandelsdienstleistungen angemeldet. Diese umfassen insbesondere das Zusammentragen eines Sortiments von Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und das Angebot verschiedener Dienstleistungen, die einen Verbraucher dazu veranlassen sollen, den Kaufvertrag mit diesem Händler statt mit einem seiner Wettbewerber abzuschließen (EuGH GRUR 2005, 764, 766 Rn. 34 – Praktiker). Angaben, die den Kundenkreis, die Branche, das Sortiment, die Zielgruppe oder die Betriebsform charakterisieren (Beschluss vom 27.05.2014, 29 W (pat) 41/12 – CAMOMILLA), werden in der Regel von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als Sachhinweise, nicht aber als betriebliche Herkunftshinweise aufgefasst. Schließlich führt die Tatsache, dass ein Zeichen für eine Ware beschreibend ist, in der Regel auch zur Schutzunfähigkeit in Bezug auf die entsprechenden Einzel-und Großhandelsdienstleistungen bzw. sonstigen Vertriebsdienstleistungen der Klasse 35 (vgl. BPatG, Beschluss vom 18.01.2012, 29 W (pat) 525/10 – fashion.de; Beschluss vom 23.11.2011, 29 W (pat) 196/10– Küchenzauber; Beschluss vom 18.05.2011, 29 W (pat) 62/10 – winestyle; Beschluss vom 25.06.2010, 29 W (pat) 505/10 – Klebewelten.de; Beschluss vom 10.01.2007, 29 W (pat) 43/04 – print24). Denn zwischen diesen Tätigkeiten und den Waren, mit denen Handel getrieben werden soll, besteht eine funktionelle Nähe. (2) In Bezug auf die mit den Groß-und Einzelhandelsdienstleistungen erfassten Waren „Körperpflegemittel, ätherische Öle und aromatische Extrakte, Reinigungs- und Duftpräparate, Diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel, zahnmedizinische Präparate und Erzeugnisse sowie medizinische Zahnputzmittel, Hygienepräparate und -artikel, Schädlingsbekämpfungspräparate und -artikel, Waschmittel, Reinigungsmittel, Kosmetika, Lebensmittel und Getränke, Betten, Bettzeug, Matratzen, Kissen und Polster, Bettwaren, Matratzenüberzüge, Matratzen-und Kopfkissenbezüge, Bettwäsche und Decken, Tücher [Laken], Schlafsäcke, Steppdeckenbezüge, Steppdecken [Decken], Bettdecken, Bettdeckenbezüge, Bekleidung, Spielwaren, Kuscheltiere“ werden die angesprochenen Verkehrskreise dem angemeldeten Zeichen keinen beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen und es deshalb als Herkunftshinweis auffassen.

Soweit überhaupt eine Assoziation zu dem Thema Gesundheit hergestellt werden kann, z. B. weil die Waren so beschaffen sein können, dass sie der Gesundheit förderlich sind, erschließt sich nicht, was „alles gesund“ in Bezug auf diese Waren eigentlich bedeuten soll; die Vorstellung bleibt diffus und wird allenfalls nach mehreren gedanklichen Zwischenschritten erkennbar. Doch auch wenn man die bloße Assoziation zwischen den Waren und „alles gesund“ ausreichen lassen würde, um die Schutzfähigkeit zu verneinen, würde dies nicht zwangsläufig und ausnahmslos auch zur Schutzunfähigkeit der Angabe in Bezug auf die entsprechenden Handelsdienstleistungen führen. Ein enger funktionaler und damit beschreibender Zusammenhang kommt nämlich ausnahmsweise dann nicht mehr in Betracht, wenn das Zeichen unter Berücksichtigung der Kennzeichnungsgewohnheiten in der jeweiligen Branche sich sicht mehr ernsthaft als Sortimentsbezeichnung oder zur Bezeichnung anderer Umstände, wie z. B. der Zielgruppe eignet (BPatG a. a. O. – CAMOMILLA). Sortimentsbezeichnungen erfolgen in der Regel nach Kategorien wie „Lebensmittel“, „Drogerieartikel“, „Arzneimittel“ „Bekleidung“ o. ä. Eine Bezeichnung nach der Qualität oder Beschaffenheit der Waren, wie sie hier, sollte man „allsana“ als „alles gesund“ verstehen, vorliegen würde, ist jedoch weder im Gesundheitsbereich noch in den anderen vom Dienstleistungsverzeichnis umfassten Warenbereichen üblich. Als entsprechendes Auswahlkriterium für eine Sortimentszusammenstellung in den betroffenen Produktbereichen wäre die Angabe zu unbestimmt.

Dem Anmeldezeichen kann nach alledem die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.b) Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der in Rede Dienstleistungen unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis
nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Der angegriffene Beschluss war daher aufzuheben.

Mittenberger-Huber Lachenmayr-Nikolaou Seyfarth