Uns liegt eine Abmahnung der Rechtsanwältin Cornelia M. Bauer aus Berlin vor, die aktuell für Herrn Alexander Voss, geschäftlich tätig unter Voss Photography, Berlin, Abmahnungen wegen der Verletzung von Rechten an Fotos des Fotografen versendet. Ob Herr Voss als Fotograf erfolgreich ist, können wir nicht feststellen. Der Hinweis auf ein “faires Angebot (gemäß MFM-Tabelle)” spricht dagegen, handelt es sich doch in vielen Fällen bei der MFM Tabelle um auf dem Markt nicht realisierbare Werte – zumindest nicht für Massenware wie Panorama-Fotos aus Berlin.
In der mir vorliegenden Abmahnung wird neben einem Anspruch auf Unterlassung der Rechtsverletzung und Auskunft ein vorläufiger Schadenersatzanspruch von 5.913,00 EUR verlangt. Hierbei sind Rechtsanwaltskosten noch nicht berücksichtigt. Begründet wird die Höhe aufgrund der MFM Bildhonorare, die, so behauptet die Gegenseite, von dieser regelmäßig angewendet werden.
Wir halten die Berechnung nach der Tabelle allerdings für problematisch, da diese in vielen Fällen nicht anwendbar sein dürften. So hat der BGH die Anwendung nicht generell ausgeschlossen, allerdings Zweifel an einer generellen Anwendbarkeit geäußert. Die Instanzgerichte wenden die Tabelle einschränkend ein. So haben das Landgericht Berlin und anschließend das Kammergericht bezweifelt, dass die Tabelle die Marktverhältnisse realistisch abbildet (LG Berlin, Urteil vom 30. Juli 2015, 16 O 410/54).
Hierzu:
“Im Übrigen fehlt aber jegliche Grundlagen für eine Schätzung des dem Kläger etwa weiter entstandenen Schadens, zumal der Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG den Kläger auch nicht besser stellen soll, als er ohne die Rechtsverletzung gestanden hätte. Der Kläger geht schließlich fehl in der Annahme, dass die MFM-Empfehlungen gerade für Fälle angewendet würden, in denen eine Lizenzierungspraxis tatsächlich nicht bestünde. Vielmehr ist es umgekehrt so, dass die MFM–Empfehlungen ihrem eigenen Anspruch nach eine marktgerechte – und nur insoweit „angemessene” – Lizenzierungspraxis der tatsächlich am Markt tätigen Fotografen abbilden soll.
Wie oben dargelegt hat die Kammer aber Zweifel, dass die Honorarempfehlungen die Marktverhältnisse realistisch abbilden. Jedenfalls müssten in Bezug auf den Kläger gewisse Anhaltspunkt – wie eine Lizenzierungspraxis dieses oder vergleichbarer Fotografien zumindest in ähnlicher Größenordnung – vorliegen, die dann möglicherweise auch eine weitergehende Anlehnung an die Detailregelungen der MFM-Empfehlungen rechtfertigen würden. Umgekehrt kann die MFM–Tabelle nach Auffassung des Gerichts jedenfalls keine Tarife schaffen, die als solche am freien Markt keine Entsprechung finden.”
Das OLG Köln (Urteil vom 17.1.2019, 6 U 10/16) hat sich hierzu ähnlich positioniert:
“Die Bildhonorar-Tabellen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (nachfolgend MFM-Empfehlungen) können im vorliegenden Fall ausnahmsweise als Ansatzpunkt für die richterliche Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO angesehen werden (offen gelassen in BGH, Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 68/08, GRUR 2010, 623 – Restwertbörse; ablehnend bei einfachen Produktfotos: BGH, Urteil vom 18.09.2014 – I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 – CT-Paradies). Auch wenn die Empfehlungen von zahlreichen Gerichten häufig als überhöht abgelehnt wurden (vgl. zur Rechtsprechung mit entsprechenden Nachweisen: Büch in Limper/Musiol, Handbuch des Fachanwalts Urheber- und Medienrecht, 2. Aufl., Kap. 3 Rn. 291), sprechen die besonderen Umstände dieses Falles für eine Anwendung. Allerdings können die MFM-Empfehlungen nicht schematisch angewendet werden, sondern sind unter Einbeziehung sämtlicher individueller Sachverhaltsumstände zu modifizieren, weil die Einzelfallumstände eine realitätsnähere und damit aussagekräftigere Grundlage für die Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr bieten (KG, Urteil vom 25.02.2013 – 24 U 58/12, GRUR-RR 2013, 204). Insofern ist auch zu beachten, dass es sich bei den MFM-Empfehlungen weniger um eine Übersicht der marktüblichen Vergütungen für Bildnutzungsrechte als vielmehr um eine einseitige Festlegung der Anbieterseite handelt (BGH, GRUR 2006, 136 – Pressefotos; GRUR 2010, 623 – Restwertbörse).
Voraussetztung für die Anwedung hier war, das es sich um Lichtbilder eines professionellen Fotografen handelt, die nicht mehr reproduzierbar sind und dass durch Vorlage von Rechnungen belegt ist, das Lizenzen in ähnlicher Höhe – sei es auch für andere Nutzungsarten – erzielt werden.
Andere Gerichte lehnen die MFM Tabelle als überhöht ab.
Wir sollte ich mich verlangen: wenn die Rechtsverletzung nicht bestritten werden kann, sollte auf jeden Fall einer strafbewehrte Unterlassungserklärung erfolgen. Über die Höhe von Schadenersatzansprüche lässt sich dagegen vorzüglich streiten.
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Kai Jüdemann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht