BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 211/10
vom 12.Januar 2012
….
Europa-Apotheke Budapest
UWG § 4 Nr. 11; AMG § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Ein inländischer Apotheker, der seinen Kunden anbietet, für sie Medikamente
bei einer ungarischen Apotheke zu bestellen, diese Medikamente nach Liefe-
rung in seiner eigenen Apotheke zusammen mit einer Rechnung der ungari-
schen Apotheke zur Abholung bereitzuhalten, die Medikamente auf Unver-
sehrtheit ihrer Verpackung, Verfallsdatum sowie mögliche Wechselwirkungen
zu überprüfen, gegebenenfalls nicht ordnungsgemäße Medikamente an die un-
garische Apotheke zurückzuleiten sowie die Kunden, die Medikamente auf die-
sem Weg beziehen, auf Wunsch in seiner Apotheke auch pharmazeutisch zu
beraten, verstößt damit nicht gegen das Verbringungsverbot des § 73 Abs. 1
Satz 1 AMG.
BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – I ZR 211/10 – OLG München
LG Traunstein
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 12. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts München vom 28. Oktober 2010 wird auf Kosten der Klä-
gerinnen zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1 Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Freilassing. Sie bietet ihren Kun-
den an, Medikamente bei einer ,,Europa-Apotheke” in Budapest zu bestellen
und sie dann – zusammen mit einer Rechnung dieser Apotheke – in Freilassing
zur Abholung bereitzuhalten. Den Kunden verspricht die Beklagte dabei einen
Rabatt in Höhe von 22% für nichtverschreibungspflichtige und von 10% für ver-
schreibungspflichtige Medikamente. Im Falle einer Bestellung lässt die Beklagte
die Medikamente zunächst durch einen Großhändler aus Deutschland an die
Apotheke in Budapest liefern, von wo aus sie wieder an sie zurückgeliefert wer-
den. In der Apotheke der Beklagten werden die Medikamente sodann im Hin-
blick auf die Unversehrtheit ihrer Verpackung, ihr Verfallsdatum sowie mögliche
Wechselwirkungen überprüft; nicht ordnungsgemäße Medikamente werden an
die Apotheke in Budapest zurückgeschickt. Auf Wunsch werden die Kunden,
die Medikamente auf diesem Weg beziehen, in der Apotheke der Beklagten
auch pharmazeutisch beraten.
2 Die Klägerinnen, die beide ebenfalls in Freilassing eine Apotheke betrei-
ben, sehen in dem Verhalten der Beklagten – soweit verschreibungspflichtige
Arzneimittel abgegeben werden – einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtli-
chen Preisvorschriften und – soweit sonstige Arzneimittel abgegeben werden –
vor allem einen Verstoß gegen das in § 73 AMG geregelte Verbringungsverbot.
Wegen des Verstoßes gegen die Preisvorschriften im Zusammenhang mit der
Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist die Beklagte in den Vorinstan-
zen zur Unterlassung verurteilt worden (Klageantrag zu I a). Die Sache ist in-
soweit nicht in die Revisionsinstanz gelangt.
3 Darüber hinaus haben die Klägerinnen beantragt,
I. es der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs
…
b) in den Apothekenbetriebsräumen der A.-Apotheke Freilassing Arzneimittel
mit der Rechnung einer ungarischen Apotheke an Kunden auszuhändigen
und/oder aushändigen zu lassen und/oder entsprechende Rechnungsbe-
träge einer ungarischen Apotheke einzuziehen und/oder zu quittieren
und/oder
c) in Deutschland zulassungspflichtige Arzneimittel aus Ungarn in den Gel-
tungsbereich des Arzneimittelgesetzes zu verbringen und diese Arzneimit-
tel mit der Rechnung einer ungarischen Apotheke an Endverbraucher in
Deutschland auszuhändigen;
II. es der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs wie folgt zu werben:
Was Versandapotheken und andere Arzneimittel-Anbieter können,
können wir schon lange.
Unsere neue Dienstleistung macht es für Sie möglich
22% Rabatt
auf alle rezeptfreien Arzneimittel
inklusive bewährte, persönliche pharmazeutische
Betreuung vor Ort in der Apotheke
Wir bieten Ihnen keine Aktionsangebote auf
einige ausgewählte Artikel, sondern die Möglichkeit,
alle Arzneimittel günstig zu besorgen.
Sicher wollen auch Sie bei der Besorgung Ihrer Arzneimittel sparen.
Dazu müssen Sie aber nicht im unpersönlichen und oft unsicheren
Internet oder über apothekenfremde Quellen bestellen.
Geht nicht, sagen Sie? Geht doch.
Wie das funktioniert, erfahren Sie hier in unserer Apotheke.
4 Ferner haben die Klägerinnen die Feststellung begehrt, dass die Beklag-
te verpflichtet ist, ihnen wegen des mit den Anträgen zu I b und I c beanstande-
ten Verhaltens Schadensersatz zu leisten.
5 Das Landgericht hat der Klage mit diesen Anträgen ebenfalls stattgege-
ben. In der Berufungsinstanz haben die Klägerinnen hilfsweise zu den Klagean-
trägen zu I b und I c einen Antrag gestellt, mit dem der Beklagten die Verwen-
dung ihres ,,Auftrag-/Bestellscheins” untersagt werden soll, in dem es auszugs-
weise heißt:
Hiermit beauftragt … die A. Apotheke ,,, das (die) nachfolgend bezeichnete(n)
Arzneimittel für sie/ihn in ihrem/seinem Namen in der Europa Apotheke (… Bu-
dapest …) zu bestellen, abzuholen, zu überprüfen und bis zur Aushändigung in
den Räumen der A. Apotheke aufzubewahren:
…
Ich bin darüber informiert, dass der Kaufvertrag über das (die) o.g. Arzneimittel
zwischen mir und der Europa Apotheke (…) zustande kommt und die A. Apo-
theke in meinem Auftrag und in meinem Namen nur die Bestellung, Abholung,
Prüfung und Lagerung durchführt.
…
6 Hinsichtlich der Klageanträge zu I b, I c und II hat das Berufungsgericht
das landgerichtliche Urteil abgeändert. Mit diesen Anträgen hat es die Klage
ebenso wie mit dem Hilfsantrag abgewiesen (OLG München, A&R 2010, 279).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt, ver-
folgen die Klägerinnen ihre Klageanträge – soweit vom Berufungsgericht abge-
wiesen – weiter.
Entscheidungsgründe:
7 I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Beklagte nicht verpflichtet,
es zu unterlassen, in Deutschland zulassungspflichtige Arzneimittel aus Ungarn
nach Deutschland einzuführen und dort an Kunden abzugeben sowie Arzneimit-
tel jeder Art mit der Rechnung einer ungarischen Apotheke in ihrer Apotheke an
Kunden auszuhändigen und die Rechnungsbeträge einzuziehen bzw. zu quittie-
ren. Dazu hat es ausgeführt:
8 Die Einfuhr von in Deutschland zulassungspflichtigen Arzneimitteln aus
Ungarn verstoße nicht gegen das Verbringungsverbot des § 73 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 AMG. Empfänger im Sinne dieser Vorschrift sei bei der im Streitfall gege-
benen Fallgestaltung nicht der Endkunde, sondern die nach dieser Vorschrift
empfangsberechtigte Apotheke der Beklagten. Für die Empfängereigenschaft
sei es unerheblich, auf wessen Rechnung die Arzneimittel vertrieben würden.
9 Die Ausgabe von im Kundenauftrag aus dem Ausland besorgten Arznei-
mitteln in den Betriebsräumen einer inländischen Apotheke und die Vereinnah-
mung des Kaufpreises zur Weiterleitung an die ausländische Lieferapotheke
stelle auch kein apothekenfremdes Geschäft im Sinne von § 4 Abs. 5 ApoBetrO
dar. Ebenso wenig handele es sich bei der Ausgabe der aus Ungarn eingeführ-
ten Medikamente um eine Dienstleistung, die nicht im Zusammenhang mit dem
Versorgungsauftrag der Apotheke im Sinne von § 19 Nr. 7 der Berufsordnung
der Bayerischen Landesapothekerkammer für Apothekerinnen und Apotheker
stehe.
10 II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerinnen ist
nicht begründet.
11 1. Mit Recht hat das Berufungsgericht den mit dem Klageantrag zu I c
geltend gemachten, auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG und das arzneimittelrechtliche
Verbringungsverbot (§ 73 Abs. 1 Satz 1 AMG) gestützten Unterlassungsan-
spruch hinsichtlich zulassungspflichtiger Arzneimittel verneint.
12 Zulassungspflichtige Arzneimittel (§ 21 AMG) dürfen nach § 73 Abs. 1
Satz 1 AMG – abgesehen von den hier nicht einschlägigen, in § 73 Abs. 2 bis 5
AMG geregelten Ausnahmen – nur unter engen Voraussetzungen in den Gel-
tungsbereich des Arzneimittelgesetzes verbracht, das heißt aus dem Ausland
nach Deutschland eingeführt werden. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG ist
die Einfuhr zulassungspflichtiger Arzneimittel aus einem Mitgliedstaat der Euro-
päischen Union unter anderem dann gestattet, wenn der Empfänger eine Apo-
theke betreibt. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass bei
dem beanstandeten Modell nicht die Endverbraucher Empfänger der aus Buda-
pest angelieferten Arzneimittel sind. Als Empfängerin fungiert vielmehr die eine
Apotheke betreibende Beklagte; sie kann sich daher auf diese Bestimmung be-
rufen.
13 aa) Das Berufungsgericht hat es unter Hinweis auf den in § 1 AMG be-
stimmten Zweck des Arzneimittelgesetzes, im Interesse einer ordnungsgemä-
ßen Arzneimittelversorgung für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, ins-
besondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel,
zu sorgen, als unerheblich angesehen, auf wessen Rechnung die Arzneimittel
vertrieben werden. Entscheidend sei vielmehr, ob die Mittel – wie im Streitfall –
noch eine zur Prüfung von Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit verpflichtete
Stelle durchliefen, bevor sie in den Verfügungsbereich des Endverbrauchers
gelangten.
14 Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nach-
prüfung stand. Es ist bei dem beanstandeten Modell nicht von entscheidender
Bedeutung, dass der Vertrag, den die Kunden über den Kauf der Arzneimittel
schließen, mit der Budapester Apotheke und nicht mit der Beklagten zustande
kommt. Maßgeblich ist allein, dass die Beklagte es übernimmt, die aus Buda-
pest gelieferten Arzneimittel – wie im Tatbestand beschrieben – eingehend zu
überprüfen und die Endverbraucher bei Bedarf pharmazeutisch zu beraten.
Damit begründet die Beklagte – entgegen der Auffassung der Revision – auch
eine entsprechende rechtliche Verpflichtung gegenüber den Endverbrauchern.
Ohnehin kommt zwischen ihr und den Endverbrauchern wenn auch kein Kauf-
vertrag, so doch ein Vertrag über die beworbene Dienstleistung zustande. Im
Rahmen dieses Vertrages verpflichtet sich die Beklagte unter anderem – wie es
in der beanstandeten Werbung heißt – zur ,,persönlichen pharmazeutischen Be-
treuung vor Ort in der Apotheke” und kann im Falle der Schlechterfüllung in An-
spruch genommen werden. Unabhängig davon vermittelt die Beklagte den
Kaufvertrag mit der Budapester Apotheke und fördert die Bereitschaft der Ver-
braucher, diesen Weg des Arzneimittelerwerbs zu wählen, dadurch, dass sie in
besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt. Auch im Rahmen des
sich daraus ergebenden Schuldverhältnisses haftet die Beklagte im Falle der
Pflichtverletzung ohne weiteres (§ 311 Abs. 3 Satz 2, § 241 Abs. 2, § 280
Abs. 1 BGB). Unter diesen Umständen kann entgegen der Auffassung, die das
Verwaltungsgericht München in dem von der Revision vorgelegten Urteil vom
16. Dezember 2009 (M 18 K 09.3290, M 18 S 09.3291, Umdruck S. 16) vertre-
ten hat, nicht davon ausgegangen werden, bei Beschreitung des von der Be-
klagten angebotenen Weges zum Erwerb von zulassungspflichtigen Arzneimit-
teln seien nur Vertragsbeziehungen mit der Budapester Apotheke nachweisbar,
was die Geltendmachung von Rechten der Kunden erheblich erschwere.
15 bb) Der Revision verhilft auch der Umstand nicht zum Erfolg, dass das
Gesetz mit der seit 2004 geltenden Regelung des Versandhandels von Arznei-
mitteln zwar auf die räumliche Bindung der Abgabe apothekenpflichtiger Arz-
neimittel an die Apotheke verzichtet, aber am Erfordernis festhält, dass die Ab-
gabe solcher Arzneimittel institutionell allein durch eine Apotheke erfolgen darf
(vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 – 3 C 27/07, BVerwGE 131, 1 Rn. 25).
16 (1) Die Beklagte beruft sich im Streitfall nicht auf die Bestimmung des
§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, die unter gewissen Voraussetzungen den Ver-
sandhandel aus dem europäischen Ausland als (weitere) Ausnahme vom Ver-
bringungsverbot gestattet. Die Europa-Apotheke in Budapest verfügt unstreitig
nicht über eine Versanderlaubnis für apothekenpflichtige Arzneimittel nach
§ 11a ApoG. Eine unmittelbare Übersendung der Arzneimittel durch die Buda-
pester Apotheke an die inländischen Verbraucher würde daher gegen das Ver-
bringungsverbot des § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG verstoßen.
17 (2) Da ein Versandhandel als Ausnahme vom Verbringungsverbot nicht
in Rede steht, kommt es im Streitfall auch nicht darauf an, dass sich eine aus-
ländische Apotheke, die über eine Versanderlaubnis verfügt, für die Übergabe
der Mittel an den Patienten nicht uneingeschränkt der Dienste Dritter bedienen
darf. Unbedenklich ist es etwa, wenn die ausländische Versandapotheke ein
Logistikunternehmen einschaltet oder auch mit einer Drogeriemarktkette zu-
sammenarbeitet, deren Niederlassungen als Abholstationen für die bestellten
Arzneimittel fungieren. Dabei darf jedoch das in den Vertrieb eingeschaltete
Unternehmen sich niemals so verhalten, als ob es selbst Arzneimittelhandel
triebe; insbesondere darf es durch seine Werbung nicht den Eindruck erwe-
cken, bei ihm könnten Arzneimittel im Wege der Bestellung erworben werden
(vgl. BVerwGE 131, 1 Rn. 25).
18 Auch wenn diese die Kooperationsmöglichkeit einschränkende Erwä-
gung unter dem Gesichtspunkt heranzuziehen wäre, dass das, was für die aus-
ländische Apotheke mit Versanderlaubnis gilt, erst recht für eine ausländische
Apotheke ohne eine solche Erlaubnis gelten muss, hat sie doch für den Streitfall
keine Bedeutung. Denn hier ist kein Gewerbetreibender, sondern die Beklagte
in den Bestell- und Abholvorgang eingebunden, die ihrerseits über eine Erlaub-
nis zum Betrieb einer Apotheke nach § 2 ApoG verfügt und daher auch zur Prü-
fung der Qualität, der Eignung und der Unbedenklichkeit der über die Budapes-
ter Apotheke angelieferten Arzneimittel befähigt und verpflichtet ist. Mit Recht
hat es das Berufungsgericht als entscheidend angesehen, dass die Mittel beim
Geschäftsmodell der Beklagten auch tatsächlich in deren Apotheke auf Qualität,
Eignung und Unbedenklichkeit überprüft werden.
19 2. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch der
Klägerinnen auch insoweit verneint, als mit dem Klageantrag zu I b die Abgabe
von Arzneimitteln beanstandet wird, die von einer nicht zum Arzneimittelver-
sand berechtigten ungarischen Apotheke bezogen werden. Das Verhalten der
Beklagten ist insoweit weder nach § 4 Abs. 5 ApBetrO noch nach § 19 Nr. 7 der
Berufsordnung der Bayerischen Landesapothekerkammer unzulässig. Die Re-
vision der Klägerinnen hat daher auch insoweit keinen Erfolg.
20 a) Nach § 4 Abs. 5 ApBetrO müssen die Apothekenbetriebsräume von
anderweitig gewerblich oder freiberuflich genutzten Räumen sowie von öffentli-
chen Verkehrsflächen und Ladenstraßen durch Wände oder Türen abgetrennt
sein. Gegen dieses Gebot hat die Beklagte nicht verstoßen. Mit Recht hat das
Berufungsgericht darauf abgestellt, dass ,,anderweitig gewerblich genutzte Räu-
me” solche Räume sind, in denen geschäftliche Tätigkeiten ausgeübt werden,
die nicht mit der Erfüllung der gesetzmäßigen Aufgaben einer Apotheke im Zu-
sammenhang stehen. Die von den Klägerinnen beanstandete Tätigkeit der Be-
klagten stellt in diesem Sinne kein apothekenfremdes Geschäft dar. Nichts an-
deres folgt aus dem Zweck der Regelung, die dazu dient, die Versorgung der
Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten und einen Arzneimittelfehlge-
brauch zu verhindern (Cyran/Rotta, ApBetrO, Stand Januar 2005, § 4 Rn. 129).
Diesem Zweck läuft die Abgabe von aus dem Ausland bezogenen nicht apothe-
kenpflichtigen Arzneimitteln in einer Apotheke ebenso wenig zuwider wie die
Abgabe von entsprechenden Arzneimitteln, die im Inland bezogen worden sind.
–
Der Umstand, dass der Beklagten beim von den Klägerinnen beanstandeten
Geschäftsmodell lediglich die Stellung einer Mittlerin zukommt, ist insoweit un-
erheblich.
21 b) Gemäß § 19 der Berufsordnung ist dem Apotheker jede Maßnahme
verboten, die den Zweck verfolgt, den Absatz in unlauterer Weise zugunsten
der eigenen Apotheke zu beeinflussen. Nach der Nummer 7 dieser Vorschrift ist
insbesondere das Anbieten von Dienstleistungen unzulässig, ,,die nicht im Zu-
sammenhang mit dem Versorgungsauftrag der Apotheke oder der apotheker-
lichen Ausbildung stehen”. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen,
dass die beanstandete Weiterleitung der von der Budapester Apotheke angelie-
ferten Arzneimittel mit dem Versorgungsauftrag der Apotheke in unmittelbarem
Zusammenhang steht. Damit bietet diese Bestimmung, die ersichtlich ebenfalls
dem Zweck dient, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße Arzneimittel-
versorgung der Bevölkerung durch die Apotheken sicherzustellen (vgl. § 1
Abs. 1 ApoG, § 1 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung), keine Grundlage für das
mit Klageantrag zu I b begehrte Verbot.
22 3. Im Ergebnis mit Recht hat das Berufungsgericht die Klage auch mit
dem Hilfsantrag abgewiesen, den die Klägerinnen ,,bezogen auf die Klagean-
träge I b und I c” gestellt haben.
23 a) Allerdings hätte das Berufungsgericht insofern nicht in der Sache ent-
scheiden dürfen. Denn die Klägerinnen haben diesen Anspruch nicht wirksam
in den Rechtsstreit eingeführt. Als Berufungsbeklagte konnten die Klägerinnen
einen neuen (Hilfs-)Antrag nur im Wege der Anschlussberufung verfolgen. Der
Berufungsbeklagte, der im Berufungsrechtszug einen neuen (Hilfs-)Antrag stellt,
will damit mehr erreichen als die bloße Bestätigung der erstinstanzlichen Ent-
scheidung über den mit der Klage verfolgten Anspruch; dazu bedarf es der Ein-
legung einer Anschlussberufung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 –
I ZR 41/10, GRUR 2012, 180 Rn. 22 – Werbegeschenke, mwN). Dies ist im
Streitfall nicht rechtzeitig geschehen.
24 Bei dem neuen Antrag, den die Klägerinnen in der Berufungsinstanz ge-
stellt haben, handelt es sich um einen echten Hilfsantrag. Zwar ging es den
Klägerinnen mit diesem Antrag darum, das Unterlassungsbegehren hilfsweise
auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken; diese war jedoch in dem ur-
sprünglichen Unterlassungsbegehren nicht bereits als Minus enthalten. Der in
diesem Zusammenhang herangezogene und im Hilfsantrag wiedergegebene
,,Auftrag-/Bestellschein” ist von der Beklagten erst im Laufe des Berufungsver-
fahrens vorgelegt worden (Anlage B 61); er betraf eine neue, von der Beklagten
erst im Berufungsrechtszug vorgetragene Verhaltensvariante, die noch nicht
Gegenstand der Klage war. Der Hilfsantrag konnte daher von den Klägerinnen
nur im Wege der Anschlussberufung in das Verfahren eingeführt werden.
25 Unschädlich ist zwar, dass die Klägerinnen den Teil ihres Schriftsatzes
vom 15. Juni 2010, der den neuen (Hilfs-)Antrag enthält, nicht als Anschlussbe-
rufung bezeichnet haben; die Anschließung an das Rechtsmittel der Gegenseite
kann auch konkludent in der Weise erfolgen, dass der Kläger neben seinem im
Übrigen unveränderten Klagebegehren einen weiteren (Hilfs-)Antrag stellt (vgl.
BGH GRUR 2012, 180 Rn. 26 – Werbegeschenke, mwN). Im Juni 2010 war je-
doch die Frist zur Einlegung der Anschlussberufung bereits verstrichen. Die
Anschließung hätte nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO innerhalb der den Klägerin-
nen gesetzten Frist zur Berufungserwiderung erfolgen müssen. Ihnen war hier-
für zunächst eine Frist bis 4. September 2009 gesetzt worden, die mit Verfü-
gung vom 17. August 2009 bis zum 5. Oktober 2009 verlängert worden ist. Die-
se Frist ist auch wirksam bestimmt worden (Bl. 340 d.A.). Eine beglaubigte Ab-
schrift der Verfügung, mit der der Vorsitzende des Berufungssenats am 3. Juli
2009 die Frist zur Berufungserwiderung gesetzt und mit der er über die Rechts-
folgen einer Fristversäumung nach § 524 Abs. 3 Satz 2, § 521 Abs. 2 Satz 2,
§ 277 Abs. 2 ZPO belehrt hat, ist den Klägervertretern zugestellt worden
(Bl. 338 d.A.).
26 b) Unabhängig davon hätte der Hilfsantrag in der Sache keinen Erfolg
haben können. Es ist – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat –
nicht ersichtlich, inwieweit das Vorgehen der Beklagten in der im Hilfsantrag
geschilderten Form anders zu beurteilen wäre als das Verhalten, das die Kläge-
rinnen mit den Klageanträgen zu I b und I c beanstandet haben.
27 4. Da die Klage mit den Anträgen zu I b und I c abzuweisen war, hat das
Berufungsgericht auch den auf Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von
Schadensersatz gerichteten Antrag mit Recht abgewiesen.
28 5. Ebenfalls mit Recht hat das Berufungsgericht die Klage mit dem auf
ein Werbeverbot gerichteten Klageantrag zu II abgewiesen. Es hat hierzu aus-
geführt, dass die beanstandete Werbung dann nicht zu beanstanden ist, wenn
der dort angepriesene Bezugsweg rechtlich unbedenklich ist. Diese Vorausset-
zung hat das Berufungsgericht – wie oben (Rn. 11 ff. und 19 ff.) dargelegt – mit
Recht bejaht. Es ist nicht ersichtlich und wird auch von der Revision nicht dar-
gelegt, inwieweit die beanstandete Werbung darüber hinaus – also auch bei
Rechtmäßigkeit des angepriesenen Bezugswegs – etwa wegen eines Verstoßes
gegen das Irreführungsverbot unlauter ist.
29 III. Nach allem ist die Revision der Klägerinnen mit der Kostenfolge aus
§ 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm Büscher Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Traunstein, Entscheidung vom 11.03.2009 – 2 HKO 2534/08 –
OLG München, Entscheidung vom 28.10.2010 – 6 U 2657/09 –