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Verdeckte Videoaufnahmen – verdeckte Tonaufnahmen – investigativ oder illegal?

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Verdeckte Videoaufnahmen – verdeckte Tonaufnahmen – investigativ oder illegal?

Versteckte Kamera – Sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im privaten Fernsehprogramm sowie in Reportagen und Dokumentationen anderer Medienunternehmen begegnen dem geneigten Zuschauer investigative Beiträge, die mit versteckter Kamera und Mikrofon aufgezeichnet wurden, um vermeintliche Missstände am Drehort aufzudecken. Nicht selten zieht das Filmen und die nachfolgende Ausstrahlung des Bildmaterials die Diskreditierung der abgebildeten Personen nach sich, sofern sie identifizierbar sind. Auch Comedy-Produktionen bedienen sich nicht sichtbarer Aufnahmegeräte, um ahnungslose Passanten und ihre jeweiligen Reaktionen auf satirische schauspielerische Einlagen festzuhalten. Nicht zuletzt gelten die folgenden Ausführungen, in denen die rechtliche Zulässigkeit derartiger Aufnahmen näher beleuchtet werden soll, auch für heimlich angefertigte Handy-Videos in Sportumkleiden oder in der U-Bahn, wobei hier allerdings stets von einer Persönlichkeitsrechtsverletzung auszugehen sein wird, da sich die filmende Person in der Regel nicht auf die Presse- oder Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG berufen kann.

Werden verdeckte Video- oder Tonaufnahmen von Journalisten gemacht, stehen sich die Pressefreiheit der handelnden Medienvertreter auf der einen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, inklusive des Rechts am eigenen Bild, auf der anderen Seite gegenüber. Letzteres ist in §22 des Kunsturhebergesetzes (KUG) geregelt. Grundsätzlich gilt, dass zunächst einmal alles gefilmt werden darf, aber für die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung des Bildmaterials die Einwilligung der abgebildeten Personen notwendig ist. Im Falle von Comedy-Produktionen wird die erforderliche Einwilligung regelmäßig unmittelbar nach Beendigung der Aufnahmen erfolgen, wenn die ahnungslose Person über den satirischen Hintergrund aufgeklärt wird. Bei versteckten Aufnahmen zu investigativen Zwecken ist dies aus naheliegenden Gründen nicht anzunehmen.

Einwilligungen müssen nur von solchen Personen eingeholt werden, die identifizierbar sind. Eine Erkennbarkeit kann durch Verpixelung des Gesichts oder einen schwarzen Balken ausgeschlossen werden, doch ist zu beachten, dass dies allein nicht in sämtlichen Fällen verhindert, dass die abgebildete Person innerhalb ihres Bekanntenkreises trotzdem eindeutig identifiziert werden kann, da auch andere Eigenschaften wie die Statur oder ein besonders spezifischer Drehort Rückschlüsse zulassen können. Aus diesem Grunde haben einige deutsche Gerichte insbesondere den klassischen schwarzen Augenbalken für nicht ausreichend beurteilt (OLG Frankfurt, Urt. v. 26. Juli 2005, Az.: 11 U 13/03). Selbst die Verpixelung genügt den strengen Anforderungen keinesfalls immer (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 19. Januar 2006, Az.: 2/03 O 468/05).

In Einzelfällen kann allerdings das Informationsinteresse der Allgemeinheit das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen überwiegen, wenn „der Informationswert der verdeckten Aufnahmen schwerer wiegt als die durch die Beschaffung begangene Rechtsverletzung“. Bejaht wurde dies etwa in einem Fall, wo die nach Auffassung der Redaktion unzureichenden Bedingungen in einem Münsteraner Tierversuchslabor heimlich gefilmt und veröffentlicht worden waren (OLG Hamm, Urt. v. 21. Juli 2004, Az.: 3 U 77/04). Die maßgeblichen Abwägungsgrundsätze bei Aufnahmen mit versteckter Kamera bietet bis heute das Wallraff-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 25.01.1984, Az.: 1 BvR 272/81): Zum einen komme es auf den Zweck der strittigen Äußerung an. Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit komme umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handele. Zum anderen sei aber auch das Mittel von wesentlicher Bedeutung, durch welches ein solcher Zweck verfolgt werde.

Als anschauliches Beispiel soll die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 8.7.2015 (Az.: 4 U 182/14) dienen: Ein für den SWR tätiger Journalist hatte sich für eine verdeckte Recherche bei einer Leiharbeitsfirma beworben. Diese entlieh ihn an ein weiteres Unternehmen, welches mit Daimler einen Werkvertrag über Logistik-Leistungen abgeschlossen hatte. Dadurch kam es im März 2013 zum Einsatz des Journalisten in einer Betriebshalle der Daimler AG in Stuttgart. Während seiner Tätigkeit fertigte der Journalist heimlich mit vier versteckten Kameras Videoaufnahmen an, welche er für die Reportage „Hungerlohn am Fließband – Wie Tarife ausgehebelt werden“ verwendete, die im Mai 2013 im ARD-Programm „Das Erste“ ausgestrahlt wurde. Die Stuttgarter Richter erkannten hierin zwar einen Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht von Daimler sowie eine Verletzung des Hausrechts, doch sei die Ausstrahlung nach Abwägung mit der Rundfunkfreiheit des SWR rechtmäßig gewesen. Der Journalist habe sich die Aufnahmen durch Täuschung zwar widerrechtlich beschafft, doch überwögen vorliegend die Bedeutung der Informationen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile, die den von der Ausstrahlung Betroffenen entstünden. Die verdeckt angefertigten Videoaufnahmen offenbarten Zustände, die zwar selbst nicht widerrechtlich seien, aber dennoch zeigten, dass Daimler durch die Beauftragung von Drittunternehmen auf Kosten der Allgemeinheit Einsparungen vorgenommen habe. Im Regelfall ist für die Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht einer Person oder eines Unternehmens Voraussetzung, dass die durch den Eingriff offenbarten Zustände einen höheren Unrechtsgehalt aufweisen als der Eingriff selbst.

Auch wenn jedoch im Einzelfall die Meinungs- oder Rundfunkfreiheit aus Art. 5 GG das Persönlichkeitsrecht abgebildeter Personen oder eines Unternehmens überwiegt, müssen Aufnahmen, zu denen die Abgebildeten keine Einwilligung erteilt haben, vor ihrer Veröffentlichung verfremdet werden, um eine Identifizierung einzelner Individuen auszuschließen. Eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer Person kann zu einer Strafbarkeit der handelnden Journalisten gemäß §201 a StGB führen. Der Tatbestand ist u.a. dann erfüllt, wenn Bildaufnahmen ohne Einwilligung in einer Wohnung oder einem anderen, gegen Einblick geschützten Raum gemacht werden oder eine solche unbefugt von einer anderen Person angefertigt wird, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, und sie anschließend einer dritten Person zugänglich gemacht wird (§201 a Abs.2 StGB). Eine Ausnahme findet sich in Abs.4, wenn mit den Aufnahmen berechtigte Interessen wahrgenommen werden. Hierunter kann etwa die Information der Allgemeinheit an für sie relevanten rechtswidrigen Zuständen oder Abläufen durch investigative Journalisten verstanden werden. Ein Äquivalent für Tonaufnahmen findet sich in §201 StGB.

Zusammenfassend ist sowohl Journalisten als auch Privatpersonen, die Video- und Tonaufnahmen ohne die Einwilligung der Betroffenen anfertigen, dringend zu raten, deren Identifizierung technisch auszuschließen. Heimliche Aufnahmen zu investigativen Zwecken, die Zustände aufdecken, welche eine schwerwiegendere Rechtsverletzung darstellen als der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Person oder des Unternehmens, sind in der Regel rechtmäßig.

 

Jüdemann Rechtsanwälte