Leitsatz
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a)
Zu den Anforderungen an die Entlokalisierung unmittelbarer Herkunftsbezeichnungen.
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b)
Eine Täuschung über die geographische Herkunft einer Ware ist im allgemeinen wettbewerbsrechtlich relevant i.S. des § 3 UWG; es bedarf daher besonderer Gründe für die Annahme, daß eine irreführende geographische Herkunftsbezeichnung für den Kaufentschluß des getäuschten Publikums ohne Bedeutung ist.
Orientierungssatz
1. Zitierung zu Leitsatz 2: Vergleiche BGH, 1970-06-19, I ZR 72/68, GRUR 1979, 29 und BGH, 1970-10-09, I ZR 23/69, GRUR 1971, 255.
2. Wäre UrsprBezAbk FRA Art 5 entgegen dem formulierten Wortlaut als Bestimmung zu verstehen, durch die der Schutz der beiderseitigen Warenbezeichnungen über die in den Anlagen des Abkommens im einzelnen aufgeführten Bezeichnungen hinaus allgemein auf einen Schutz gegen alle unrichtigen oder irreführenden Angaben über Herkunft, Ursprung, Natur, Sorte oder andere wesentliche Eigenschaften der Erzeugnisse oder Waren erweitert werden soll, so wären die in der Rechtsprechung zu UWG § 3 entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden.
BGH, Urt. v. 29.04.198, OLG Stuttgart, LG Stuttgart
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Mai 1980 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien stellen Teigwaren her. Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland hergestellte, nestchenförmig gewickelte ca. 15 cm lange und etwa 4 – 5 mm breite Bandnudeln unter der Bezeichnung “Elsässer Nudeln”. Die Nudeln haben einen hohen Frischeigehalt (5 frische Eier auf 1 kg Durum-Hartweizengrieß) und werden in einer Klarsichtverpackung angeboten, auf der die Bezeichnung “Elsässer Nudeln” zwischen einem Firmenzeichen der Beklagten und der Bezeichnung “Gold Ei Landnudeln” wie folgt aufgedruckt ist.
Die Klägerin hat unter Vorlage von Werbematerialien der Beklagten (Informationsrundschreiben und Prospekt), in denen die Bezeichnung “Elsässer Nudeln” – ebenfalls in Verbindung mit der Firmenbezeichnung “3 Glocken” – verwendet wird, behauptet, daß der Verkehr in der Bezeichnung “Elsässer Nudeln” keine Gattungsbezeichnung, sondern eine Herkunftsbezeichnung sehe, die als solche unrichtig sei.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung
eines Ordnungsgeldes von bis zu 500.000,– DM
für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
Teigwaren, die nicht im Elsass hergestellt
sind, unter der Bezeichnung “Elsässer
Nudeln” anzubieten oder in Verkehr zu bringen,
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen,
der ihr durch den Vertrieb der mit dieser
Bezeichnung versehenen Teigwaren entstanden
ist und künftig noch entsteht.
Die Beklagte hat geltend gemacht, daß in Frankreich – nicht nur im Elsass – hergestellte “Elsässer Nudeln” besonders lang und schmal, jedoch nicht notwendigerweise nestchenförmig gewickelt seien. Sie würden auch im deutschen Grenzgebiet vertrieben. Die Bezeichnung werde von den angesprochenen Verkehrskreisen als Gattungsbezeichnung angesehen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß der angesprochene Verkehr in der einheitlichen Werbeaussage auf der Verpackung “3 Glocken Elsässer Nudeln Gold Ei Landnudeln” keinen Hinweis auf eine Herkunft des Produkts aus dem Elsass sehe und daß auch keine Täuschung über Gütevorstellungen des Verkehrs anzunehmen sei.
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin die Beschränkung der rechtlichen Prüfung auf die vorgelegte Packung angegriffen und ihre Anträge unter Beweisantritt für die Richtigkeit ihrer tatsächlichen Behauptungen (Herkunftsvorstellungen des Verkehrs und Beeinflussung des Kaufentschlusses durch diese) weiter verfolgt.
Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Zu Recht sei das Landgericht bei der Beurteilung der Frage der Irreführung von der Verwendung der angegriffenen Bezeichnung auf der Packung der Beklagten ausgegangen. Daß die Klägerin uneingeschränkte Verurteilung beantragt habe, stehe dem nicht entgegen. Denn der Klageantrag müsse sich nach der konkreten Verletzungsform richten. Verallgemeinerungen seien nur zulässig, wenn durch sie der konkrete Verletzungsfall besser gekennzeichnet werde. Daß die Beklagte die angegriffene Bezeichnung in Zukunft auch anders verwenden könnte, sei nicht erheblich, solange nicht hinreichende Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Verwendung vorlägen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die konkrete Verwendung einer angegriffenen Bezeichnung derart sei, daß sie die Irreführung ausschließe. In einem solchen Fall wäre es Sache der Klägerin gewesen, besondere Umstände darzutun, aus denen sich ergebe, daß die Beklagte die Bezeichnung künftig auch in einer Weise benutzen werde, bei der die Irreführung nicht ausgeschlossen sei. Aus den von der Klägerin vorgelegten Werbeunterlagen der Beklagten ergebe sich nicht, daß letztere die beanstandete Bezeichnung in einer Weise benutzt habe, in der das mit ihr gekennzeichnete Produkt nicht als Erzeugnis der Beklagten erscheine. Da diese Unterlagen für die Einzelhändler bestimmt seien, die mit der Beklagten in Geschäftsverbindung stünden, und da die Bezeichnung “Elsässer Nudeln” auf diesen Unterlagen unmißverständlich zur Kennzeichnung einer neuen Nudelsorte der Beklagten verwendet werde, bestehe hier die Gefahr einer Irreführung in noch geringerem Maße als bei Verwendung der Bezeichnung auf den Nudelpackungen selbst.
Letztere sei ihrerseits nicht täuschend, weil sie nicht als Herkunftshinweis wirke. Bei der engen Verbindung der Bezeichnung “Elsässer Nudeln” mit der rein deutschen Bezeichnung “3 Glocken” als Hinweis auf die bekannte Firma der Beklagten werde niemand vermuten, daß das Erzeugnis aus dem Elsass stamme.
Im übrigen könne all dies auf sich beruhen; denn ein Verstoß gegen § 3 UWG scheitere schon daran, daß die für die Anwendung dieser Bestimmung erforderliche wettbewerbliche Relevanz der Irreführung fehle. Bei industriell hergestellten Teigwaren lege im Inland kein erheblicher Teil der Verbraucher Wert darauf, daß der Ort der Herstellung im Elsass liege. Weder das Elsass noch Frankreich im allgemeinen seien – anders als etwa Italien – für die Herstellung oder auch nur für den Verzehr von Teigwaren besonders bekannt. Auch die dortige Teigwarenindustrie und die Lebensmittelindustrie im allgemeinen genössen im Inland kein höheres Ansehen als die einheimische Industrie. Der besondere Ruf der elsässischen oder französischen Küche könne sich in diesem Zusammenhang nicht auswirken, da die industriell hergestellten Nudeln, um die es hier gehe, nicht das Produkt, sondern allenfalls ein beliebig austauschbarer Werkstoff der Kochkunst seien.
Das besondere an den im Elsass als nouilles oder pates d’Alsace vertriebenen Nudeln bestehe allenfalls in der Form (besonders schmal und besonders lang). Deshalb sei nicht ersichtlich, daß sich irgend jemand getäuscht fühlen könnte, wenn ihm in Deutschland hergestellte Nudeln in dieser besonderen Form unter der Bezeichnung “Elsässer Nudeln” angeboten würden.
Es bestehe daher kein Anlaß, die insoweit beantragte Verkehrsbefragung durchzuführen, zumal da gegen die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin auch ihre eigene Übung spreche, die bei ihren Tochterfirmen in Norddeutschland hergestellten Nudeln mit der Herstellerangabe “Schwaben Nudelwerk … W-E” zu verbreiten. Unter diesen Umständen liege einer der Fälle vor, in denen das Gericht ausnahmsweise eine Irreführungsgefahr ohne Durchführung der von der Klägerin beantragten Verkehrsbefragung verneinen könne.
Der Umstand, daß die Beklagte die angegriffene Bezeichnung gewählt habe, lasse nicht den Schluß zu, daß der Verbraucher den Ort der Herstellung der Nudeln für wesentlich ansehe. Denn die Beklagte kennzeichne mit dieser Bezeichnung nur eine besondere Art von Nudeln. Daß sie damit die Assoziationen an gute Küche und gutes Essen, die das Elsass wecke, für ihre Werbung ausnütze, sei nicht unlauter. Hier werde nur der Gefühlswert einer Bezeichnung ausgenützt.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht ist zunächst schon – ohne daß es von seinem Rechtsstandpunkt aus darauf entscheidend abzustellen brauchte – von unrichtigen Vorstellungen über den notwendigen Inhalt des Klageantrags ausgegangen. Es hat diesen zwar ohne Rechtsverstoß dahin verstanden, daß er auf ein allgemeines Verbot der Bezeichnung “Elsässer Nudeln” abziele. Rechtsirrig hat es aber weiter angenommen, daß die Klägerin sich darauf hätte beschränken müssen, nur die Verletzungsform des Packungsaufdrucks anzugreifen. Denn aus den vorgelegten Werbeunterlagen ergibt sich, daß die Beklagte – was auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat – die Bezeichnung “Elsässer Nudeln” nicht als Packungsaufdruck, sondern in mehreren anderen und jeweils verschiedenen Formen auch in ihrer Werbung verwendet hat. Mindestens diese Formen durfte die Klägerin daher in ihren Antrag einbeziehen. Darüber hinaus hätte das Berufungsgericht erwägen müssen, ob sich der gestellte Antrag nicht im Rahmen einer noch zulässigen Verallgemeinerung halten könnte (vgl. BGH GRUR 1975, 658, 660 – Sonnenhof -), weil die beanstandete Werbung in unterschiedlichen Verletzungshandlungen mit jeweils voneinander abweichenden Gestaltungsformen wiederkehrt und die Beklagte sich nicht ausschließlich mit den Besonderheiten dieser Formen, sondern auch unter Berufung auf den angeblichen Gattungscharakter der Bezeichnung “Elsässer Nudeln” schlechthin verteidigt hat, und weil danach – so der noch ungeprüfte Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung – weitere andere Verletzungsformen zu befürchten seien.
Wollte das Berufungsgericht ungeachtet dieser Gesichtspunkte auch im vorliegenden Fall an dem Grundsatz der Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform deshalb festhalten, weil die Ausräumung der Irreführungsgefahr durch geeignete klarstellende Zusätze in anderen Verwendungsfällen nicht auszuschließen sei (vgl. BGH GRUR 1971, 29, 33 – Deutscher Sekt -), so hätte es, da die Berufungsangriffe der Klägerin ersichtlich durch die rechtsfehlerhafte Beschränkung der landgerichtlichen Prüfung auf den Verpackungsaufdruck allein geprägt waren, den Parteien Gelegenheit zur Erörterung der angeführten Antragsproblematik geben und erforderlichenfalls – zumal im Hinblick auf das möglicherweise begründete Bedürfnis eines auch vorbeugenden Unterlassungsanspruchs – auf die Stellung sachdienlich formulierter Anträge hinwirken müssen (§ 139 ZPO).
2. Auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Irreführung durch den Packungsaufdruck “Elsässer Nudeln” verneint hat, ist nicht frei von Rechtsirrtum.
Das Berufungsgericht konnte aufgrund eigener Sachkunde weder die Wirkung der Bezeichnung “Elsässer Nudeln” als Herkunftshinweis noch die wettbewerbliche Relevanz einer – in der Hilfsbegründung des Berufungsgerichts dann unterstellten – Herkunftstäuschung verneinen.
a) Die Bezeichnung “Elsässer Nudeln” weist ihrem Wortsinne nach unmittelbar auf die Herkunft der Ware aus dem Elsass hin. Daß der Begriff eine Gattungsbezeichnung darstelle, die im Inland als solche so weithin bekannt sei, daß der als solcher eindeutige Herkunftshinweis “Elsässer” dadurch aufgehoben würde, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es hat eine entlokalisierende Wirkung vielmehr allein der engen Verbindung der deutschsprachigen Herstellerfirma der Beklagten “3 Glocken” mit der Bezeichnung “Elsässer Nudeln” entnommen.
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß der Gebrauch von Warenbezeichnungen, die für sich allein betrachtet unrichtig auf eine ausländische Herkunft hinweisen, dann mit § 3 UWG vereinbar sein kann, wenn durch geeignete Zusätze eine Irreführung vermieden wird (BGHZ 44, 16, 22 – de Paris; BGH GRUR 1971, 29, 32 – Deutscher Sekt -; 1971, 255, 258 – Plym Gin -). An die Eignung solcher Zusätze sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen, und zwar besonders dann, wenn es um die Entlokalisierung von Bezeichnungen geht, die nicht nur mittelbar, sondern – wie im vorliegenden Fall – unmittelbar auf die Herkunft aus einem anderen Lande hinweisen (BGH a.a.O. – Deutscher Sekt – und – Plym Gin -). Dies findet seine Rechtfertigung darin, daß geographischen Herkunftsangaben ein möglichst wirksamer Schutz gegen unrichtige Verwendung gewährt werden soll und daß im allgemeinen kein schutzwürdiges Interesse Dritter besteht, unrichtige Angaben über die Herkunft zu verwenden (BGH GRUR 1965, 317, 318 – Kölnisch Wasser -; 1981, 71, 72 – Lübecker Marzipan -).
Das Berufungsgericht ist diesen strengen Anforderungen nicht gerecht geworden.
Es hat – wie sich aus den vorliegenden Unterlagen ergibt, zu Recht – nicht festgestellt, daß die Bezeichnung “Elsässer Nudeln” gegenüber den anderen Wortbestandteilen des Packungsaufdrucks (3 Glocken, Gold-Ei Landnudeln) in einer Weise zurücktritt, die ihre Wahrnehmung durch den Verkehr verhindern oder bewirken könnte, daß infolge der optischen Dominanz der anderen Begriffe der Bezeichnung “Elsässer Nudeln” gar keine Bedeutung beigemessen wird. Davon, daß die Bezeichnung im Verkehr ebenso wie die Herstellerbezeichnung 3 Glocken wahrgenommen und beachtet wird, ist vielmehr – insoweit rechtsirrtumsfrei – auch das Berufungsgericht ausgegangen.
Bei seiner Annahme, aufgrund der deutschsprachigen Herstellerbezeichnung “3 Glocken” werde kaum jemand vermuten, daß es sich bei den angebotenen “Elsässer Nudeln” um ein Erzeugnis aus dem Elsass handele, läßt es aber außer Acht, daß der Verkehr beim Kauf alltäglicher Verbrauchsartikel häufig allein aufgrund des ersten flüchtigen Eindrucks und ohne Nachdenken über die mögliche Bedeutung eines Firmenzusatzes urteilen wird und daß selbst für weniger flüchtig prüfende Teile des Verkehrs bei einer deutschsprachigen Firmenbezeichnung die Herkunft aus dem Elsass nicht ausgeschlossen erscheinen muß; denn letztere kann sowohl im Hinblick auf die Zweisprachigkeit des Elsass und auf die dort vorkommenden deutsch klingenden Firmennamen als auch deswegen in Betracht kommen, weil im Zuge der Wirtschaftsverflechtung insbesondere im Raume der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in zunehmendem Maße deutsche Unternehmen auch Herstellungsstätten im Ausland unterhalten.
Unter diesen Umständen wird die Annahme des Berufungsgerichts, nicht einmal der hier ausreichende nicht ganz unerhebliche Teil des Verkehrs (BGH GRUR 1981, 71, 72 – Lübecker Marzipan -) könne irrig von einer Herkunft “Elsässer Nudeln” des Herstellers “3 Glocken” aus dem Elsass ausgehen, nicht von der allgemeinen Lebenserfahrung gestützt. Das Berufungsgericht hätte daher, wenn es nicht von sich aus eine Irreführungsgefahr annehmen zu können glaubte, dem Beweisantrag der Klägerin auf Einholung eines Umfragegutachtens entsprechen müssen. Dies war entgegen seiner Annahme auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin selbst die bei ihren Tochterfirmen in Norddeutschland hergestellten Nudeln mit der Herstellerangabe “Schwaben Nudelwerk … W-E” verbreitet. Denn dafür, daß der Verkehr in maßgeblichem Umfang aus diesem Umstand verallgemeinernd folgern könnte, Ortsbezeichnungen hätten bei Nudeln keine geographische Herkunftsbedeutung, fehlen sowohl Feststellungen des Berufungsgerichts als auch konkrete Anhaltspunkte im Parteivortrag.
b) Auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts, mit der es die Relevanz der (hier unterstellten) Herkunftstäuschung verneint hat, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Das Berufungsgericht konnte zwar in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgehen, daß eine unrichtige Angabe nicht in jedem Falle einen Verstoß gegen § 3 UWG darstellt, sondern nur dann, wenn sie auch geeignet ist, die angesprochenen Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entschlüssen zu beeinflussen (BGH GRUR 1960, 563, 565 – Sektwerbung -; 1973, 206, 207 – Skibindungen -; 1981, 71, 73 – Lübecker Marzipan -). Es hat auch nicht verkannt, daß es für diese Eignung nicht auf besondere Qualitätserwartungen ankommt (BGH GRUR 1977, 159, 161 – Ostfriesische Teegesellschaft -), sondern daß es genügt, wenn die Angabe in dem Punkt und in dem Umfang, in dem sie von der Wahrheit abweicht, die Kauflust des Publikums irgendwie – im Sinne der allgemeinen Wertschätzung – beeinflussen kann (BGH GRUR 1970, 467, 468 – Vertragswerkstatt -; 1981, 71, 73 – Lübecker Marzipan -). Dies gilt – wie der Bundesgerichtshof im letzten Urteil ausgeführt hat – gleichermaßen auch für Irreführungen durch geographische Herkunftsbezeichnungen.
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch, daß das Berufungsgericht eine solche Möglichkeit der Beeinflussung durch die irrige Annahme, “Elsässer Nudeln” seien ein Erzeugnis aus dem Elsass, ausgeschlossen hat.
Es hat dabei nicht genügend beachtet, daß eine Irreführung durch eine geographische Herkunftsangabe regelmäßig rechtlich relevant ist, weil letztere ein wesentliches werbliches Kennzeichnungsmittel darstellt, das der Individualisierung der Ware, der Herstellung einer Beziehung zwischen der gekennzeichneten Ware einerseits und Qualitäts- und Preisvorstellungen der Kunden andererseits dient und das deshalb ein für die Kaufentscheidung des Verbrauchers bedeutsamer Informationsträger ist (vgl. BVerfG GRUR 1979, 773, 777 – Weinbergsrolle -). Es bedarf daher grundsätzlich besonderer Gründe für die Annahme, daß eine irreführende geographische Herkunftsbezeichnung für den Kaufentschluß des getäuschten Publikums ohne Bedeutung sei.
Diesen Anforderungen genügt die im Berufungsurteil gegebene Begründung nicht. Das Berufungsgericht hat die von ihm selbst in anderem Zusammenhang getroffene Feststellung außer acht gelassen, daß das Elsass im deutschen Inland weithin mit der Vorstellung von guter Küche und gutem Essen verbunden ist. Die Annahme, daß solche allgemeinen Vorstellungen und die damit verbundene Wertschätzung deshalb nicht auf Teigwaren übertragen würden, weil es sich bei diesen um Industrieprodukte handele, die nur ein beliebig austauschbarer Werkstoff der Kochkunst seien, findet in der allgemeinen Lebenserfahrung keine hinreichende Stütze. Mindestens ebenso nahe liegt die Annahme, daß der Verkehr wenigstens teilweise davon ausgeht, in einem Lande mit besonders guter Küche würden auch hochwertige Zutaten verwendet, und daß er demzufolge erwartet, auch Nudeln aus einem solchen Lande entsprächen dem hohen Qualitätsstandard seiner Küche.
Im Hinblick auf diese naheliegende Möglichkeit begegnet es auch hier – wie schon bei der Frage der Entlokalisierung – rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht einen der Ausnahmefälle angenommen hat, in denen der Tatrichter eine Irreführungsgefahr ohne Durchführung der von der Klägerin beantragten Beweisaufnahme verneinen könne (vgl. BGH GRUR 1975, 658, 660 – Sonnenhof – m.w.N.).
3. Hinsichtlich der anderen Verwendungsformen des Begriffs “Elsässer Nudeln” (Gebrauch auf Werbeschreiben und Prospekten der Beklagten) hat das Berufungsgericht seine Ablehnung einer Herkunftstäuschung zusätzlich damit begründet, daß diese Werbeunterlagen ausschließlich für Einzelhändler bestimmt seien, die mit der Beklagten in Geschäftsverbindung stünden, und daß die Bezeichnung “Elsässer Nudeln” auf diesen Unterlagen unmißverständlich zur Kennzeichnung einer neuen Nudelsorte der Beklagten verwendet werde.
Auch diese Beurteilung begegnet rechtlichen Bedenken.
Zwar durfte das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, daß Fachkreise – hier Einzelhändler – in der Regel weniger leicht der Gefahr einer Irreführung erliegen als normale Endverbraucher. Mit Rücksicht auf diesen Erfahrungssatz erscheint hier – anders als bei der Frage einer Irreführung der Endverbraucher – auch eine Beurteilung durch den Tatrichter ohne Beweiserhebung nicht ausgeschlossen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts wecken jedoch Zweifel, ob es nicht auch bei der hier in Frage stehenden Prüfung maßgeblich durch das Ergebnis seiner rechtlich fehlsamen Beurteilung des gleichlautenden Packungsaufdrucks beeinflußt war. Dafür könnte sprechen, daß das Berufungsgericht ohne näheres Eingehen auf die Einzelheiten und auf den Gesamteindruck der Werbeunterlagen von der “Unmißverständlichkeit” der Kennzeichnung “Elsässer Nudeln” als neue Nudelsorte ausgegangen ist und daß es auch nicht näher geprüft hat, ob und inwieweit die angenommene Vorstellung des Einzelhändlers, es handele sich um eine neue Nudelsorte der Beklagten, die Möglichkeit einer gleichzeitigen Täuschung über die geographische Herkunft dieser Sorte ausschließt.
Auch insoweit erscheinen ergänzende tatrichterliche Feststellungen geboten.
III. Dagegen ist die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte der Klage deswegen stattgeben müssen, weil das beanstandete Verhalten der Beklagten gegen das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich geschlossene zweiseitige Abkommen vom 8. März 1960 über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen (BGBl. 1961, II, S. 23) verstoße, der Erfolg zu versagen.
Nach dem Wortlaut des Abkommens erscheint es bereits zweifelhaft, ob die hier streitige Bezeichnung davon überhaupt erfaßt wird. Die maßgebliche Bestimmung des Art. 5 dieses Abkommens nimmt auf Art. 4 des Abkommens Bezug; das könnte dafür sprechen, daß auch diese Bestimmung sich nur die in den Anlagen A und B zum Abkommen (abschließend) aufgezählten Waren bezieht. “Elsässer Nudeln” oder “Nouilles d’Alsace” sind unter diesen Waren aber nicht aufgeführt.
Letztlich kann dies jedoch auf sich beruhen; denn auf das Ergebnis wäre es ohne Einfluß, wenn Art. 5 des Abkommens entgegen dem formulierten Wortlaut in dem Sinne zu verstehen wäre, den ihm die Denkschrift der deutschen Bundesregierung zu dem Abkommen (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Bd. 69, Drucks. 2061, S. 25 ff) beimißt: Nämlich als Bestimmung, durch die der Schutz der beiderseitigen Warenbezeichnungen über die in den Anlagen des Abkommens im einzelnen aufgeführten Bezeichnungen hinaus allgemein auf einen Schutz gegen alle unrichtigen oder irreführenden Angaben über Herkunft, Ursprung, Natur, Sorte oder andere wesentliche Eigenschaften der Erzeugnisse oder Waren erweitert werden soll (Denkschrift a.a.O S. 26 unter 5). Bei dieser Auslegung käme der Vorschrift nämlich im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich die Funktion einer Verbotsnorm zu, die – was auch die Verfasser der Denkschrift selbst a.a.O. ausgeführt haben – der Regelung des § 3 UWG innerhalb Deutschlands entspräche. Da weder aus dem Wortlaut des Abkommens noch aus den in der Denkschrift wiedergegebenen Motiven ein Grund ersichtlich ist, der für eine andere, im Verhältnis zu § 3 UWG schärfere Anwendung dieser Verbotsnorm sprechen könnte, wären insoweit die in der Rechtsprechung zu § 3 UWG entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden, so daß die rechtliche Beurteilung die gleiche wäre wie oben unter II.
IV. Wegen der dort aufgezeigten Mängel kann das Berufungsurteil daher keinen Bestand haben, so daß es aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.