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Die Beklagte, eine Event-GmbH, zeigte während der Fußballweltmeisterschaft 2006 im Rahmen eines „Public-Viewing-Events“ Länderspiele und errichtete hierzu mit ordnungsbehördlicher Genehmigung eine dreistöckige Sitztribüne, die nicht mit Geländern abgesichert war. Aus dem Stand stürzte der Kläger gemeinsam mit einem anderen Zuschauer aus 80 cm Höhe zu Boden und brach sich hierbei den Arm. Der Kläger war mehrere Monate arbeitsunfähig und verklagte die Veranstalterin erfolgreich unter anderem auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten als Veranstalterin verletzt und hafte daher dem Kläger für die entstandenen Schäden. Die Veranstalterin sei für die Sicherheit der auf der Sitztribüne stehenden Zuschauer verantwortlich und werde nicht durch die ordnungsbehördliche Genehmigung entlastet, führte der Senat aus und folgte damit dem Landgericht Essen. Anders als die erste Instanz beurteilte der Senat das Mitverschulden des Klägers mit 50 statt mit 25%. Die Gefahr sei bei wiederholten tumultartigen Bewegungen unter den Zuschauern auf der Bühne offensichtlich gewesen. Der Kläger hätte sich durch vorsichtiges Verhalten vor Schaden schützen und den Tribünenrand meiden können, führte der Senat aus und sprach dem Kläger Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro und weiteren Schadensersatz in Höhe von etwa 3.300 Euro zu.

 

Anmerkung: Laut Urteilsdatenbank stammt das Urteil vom 26.11.2010, nicht vom 5.11.2010.

 

Die Entscheidung:

 

OLG Hamm, Urteil vom 26.11.2010

U 44/10

Tenor:

Auf die Berufungen beider Parteien wird – unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsmittel – das am 29.1.2010 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i. H. v. 10.000,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.8.2008 sowie weitere 3.316,62 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2009 zu zahlen.

Es wird festgestellt , dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Hälfte aller materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Sturz vom #. #. # in der von der Beklagten betriebenen Versammlungsstätte „# G – E T“ zukünftig noch entstehen werden, soweit Schadenersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem vorbezeichneten Sturz unter Berücksichtigung eines hälftigen Eigenverschuldens zu ersetzen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.236,17 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 65 % und die Beklagte 35 %.

Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 53 % und die Beklagte 47 %.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Auf die Berufungen beider Parteien wird – unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsmittel – das am 29.1.2010 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i. H. v. 10.000,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.8.2008 sowie weitere 3.316,62 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2009 zu zahlen.

Es wird festgestellt,  dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Hälfte aller materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Sturz vom (…)  in der von der Beklagten betriebenen Versammlungsstätte „ G – E T“ zukünftig noch entstehen werden, soweit Schadenersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem vorbezeichneten Sturz unter Berücksichtigung eines hälftigen Eigenverschuldens zu ersetzen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.236,17 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 65 % und die Beklagte 35 %.

Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 53 % und die Beklagte 47 %.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 II, 313 a I S. 1 ZPO)

I. Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil teilweise abzuändern, weil dem Kläger eine höhere Mitverschuldensquote als vom Landgericht angenommen, gemäß § 254 I BGB anzulasten ist. Die Berufung des Klägers hat dagegen nur hinsichtlich seiner Nebenforderung auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geringen Erfolg.

II. Dass die Beklagte dem Kläger für seinen Sturz aus § 823 I BGB wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht auf Schadenersatz haftet, hat das Landgericht zutreffend und überzeugend festgestellt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des angefochtenen Urteils wird verwiesen. Die Berufungsangriffe der Beklagten dagegen vermögen sie nicht in Frage zu stellen. Namentlich entlastet die Erteilung der behördlichen Genehmigung für die Aufstellung der Tribüne die Beklagte nicht von ihrer Verantwortlichkeit für die Sicherheit der stehenden Zuschauer, zumal sie als Sitztribüne genehmigt worden war. Die Tatsachenfeststellung des Landgerichts zu den der Beklagten insoweit anzulastenden Versäumnissen und zu den Umständen des Sturzes des Klägers gibt keine Anhaltspunkte zu konkreten Zweifeln an ihrer Richtigkeit und bindet so das Berufungsgericht gemäß § 529 I ZPO.

II. Der Vorwurf des Mitverschuldens gegen den Kläger ist jedoch stärker zu gewichten als die Vorinstanz dies getan hat, und führt zu einer hälftigen Anspruchskürzung dem Grunde nach. Die Verantwortlichkeit für den Sturz von der Tribüne trifft beide Parteien gleich stark, weil die Gefahrenstelle dem Kläger offensichtlich war und er sich bewusst da hinein begeben hat. Damit war es primär seine Sache, sich durch vorsichtiges Verhalten vor Schaden zu schützen oder die Tribüne, jedenfalls deren Rand, zu meiden. Dass wiederholt tumultartige Bewegungen unter den Zuschauern auf der Tribüne in der emotionalen Aufwallung entstanden, konnte dem Kläger bis zum Ende des Fußballspiels auch nicht entgangen sein.

III. Die Bemessung des Schmerzensgeldausgangsbetrages (für die Annahme einer vollen Haftung) durch das Landgericht erweist sich als rechtsfehlerfrei und wird auch vom Senat für angemessen erachtet. Unter Berücksichtigung der Eigenverantwortlichkeit des Klägers ist ihm danach ein Schmerzensgeld von 10.000,00 € zuzusprechen.

IV. Den für die Zeit vom 21.4. 2008 bis zum 31.12.2008 geltend gemachten Verdienstausfallschaden des Klägers hat das Landgericht im Ergebnis richtig mit 2.700,00 € festgestellt. Die als solche nicht bestrittenen Umsatzzahlen des Geschäftsbetriebs aus den zwar bis dahin nur wenigen Monaten seiner Führung erlauben es schon hinreichend, die Einnahmen des Klägers für den Anspruchszeitraum gemäß § 287 ZPO mit monatsdurchschnittlich 1.500 € zu schätzen. Hiervon sind aber noch pauschal geschätzte 10 % für ersparte Aufwendungen abzuziehen. Es bleiben für die acht streitgegenständlichen Monate insgesamt 10.800,00 €.

Dieser Betrag ist um 50 % zu kürzen wegen der Verletzung seiner Schadensminderungspflicht durch den Kläger, die das landgerichtliche Urteil zu Recht in der Versäumung einer rechtzeitigen Umstellung der Lehrmethode auf weniger handschriftintensive Tätigkeiten sieht. Der Senat erachtet hierfür aber nur eine Kürzung um 50 %, nicht 70 % wie vom Landgericht angenommen, für gerechtfertigt. Dafür ist der Einwand des Klägers, dass das medizinische Sachverständigengutachten sich im Wesentlichen nur mit seinem zum Untersuchungszeitpunkt 21.7.2009 aktuellen Gesundheitszustand befasse, allerdings unerheblich. Der hier noch streitgegenständliche Schadenszeitraum liegt nämlich erst in den letzten acht Monaten des Jahres 2008, fast zwei Jahre nach dem Unfall, als die Beschwerden des Klägers nach eigenem Bekunden

Der für diese Schadensposition verbleibende Forderungsbetrag von 5.400,00 € reduziert sich wegen des hälftigen Mitverschuldens des Klägers (oben II.) auf 2.700,00 €, die das Landgericht schon zugesprochen hat.

V. Der weitere materielle Schaden des Klägers ist mit den vom Landgericht zugrunde gelegten 1.233,23 € in der Berufungsinstanz nicht mehr streitig. Die Hälfte davon, mithin 616,62 € kann der Kläger ersetzt verlangen.

VII. Der Höhe der zu erstattenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist der Streitwert der letztlich als begründet festgestellten Klageforderung zugrunde zu legen. Das sind hier unter Einschluss von 1.500,00 € für das „hälftige“ Feststellungsbegehren insgesamt 14.816,62 €. Daraus ergibt sich der Kostenbetrag unter Zugrundelegung des nicht angegriffenen Gebührenfaktors 1,8 mit = 1.236,17 € brutto; ((566,00 € x 1,8) + 20) x 1,19.

VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen n