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OLG Frankfurt am Main vom 29.04.2008 (11 U 32/04 (Kart): VW gegen Denic

2008 entschied das  OLG Frankfurt am Main, dass die DENIC verpflichtet sei, die Domain “vw.de” für Volkswagen zu registrieren.

Inzwischen finden sich auch Domains mit nur einem Buchstaben.

Die Entscheidung:

OLG Frankfurt am Main 11 U 32/04 (Kart)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Land-gerichts Frankfurt am Main – 6. Zivilkammer – vom 07.04.2004 (Az.: 2/6 O 450/03) abgeändert.

Der Beklagten wird aufgegeben, den Second-Level-Domain-Namen „vw“ unter der Top-Level-Domain „.de“ zugunsten der Klägerin zu registrieren, solange nicht eine Top-Level-Domain mit der Buchstabenfolge „.vw“ eingeführt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Be-klagte 4/5 und die Klägerin 1/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann eine Vollstreckung in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die Parteien eine Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin, ein weltweit führender und Europas größter Automobilhersteller, verlangt von der Beklagten die Registrierung des Domain-Namens „vw.de“. Die Beklagte lehnt dies u. a. im Hinblick auf die Betriebssicherheit im Internet ab.

Die Klägerin hat beantragt

die Beklagte zu verurteilen, den Second-Level-Domain-Namen „vw“ unter der Top-Level-Domain „.de“ zu-gunsten der Klägerin zu registrieren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.04.2004 abgewiesen. Wegen der Begründung sowie aller tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 376-382 d. A.) Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Zur Begründung trägt sie vor, die Domain „vw.de“ sei für sie, die Klägerin, von überragend wichtiger Bedeutung. Der typische Internet-Nutzer suche ihr Unternehmen unter dieser Domain und werde in seiner Erwartung enttäuscht. Dadurch erleide sie, die Klägerin, empfindliche Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu ihren Konkurrenten, die sich im Internet unter ihrem bekannten Kürzel präsentieren können. Eine Verweigerung der Eintragung könne daher nur durch besonders gewichtige Interessen der Beklagten gerechtfertigt sein. Anerkennenswerte Interessen der Beklagten bestünden jedoch nicht. Sämtliche vom Landgericht für maßgeblich gehaltenen Punkte träfen nicht zu. Die Beklagte diskriminiere sie, die Klägerin, im Vergleich zu anderen Automobilherstellern ohne sachlich gerechtfertigten Grund und behindere sie unbillig.

Die Beklagte sei daher aus §§ 20, 33 GWB verpflichtet, die Domain „vw.de“ für sie, die Klägerin, einzutragen.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des am 07.04.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-06 O 450/03, verurteilt, den Second-Level-Domain-Namen „vw“ unter der Top-Level-Domain „.de“ zugunsten der Klägerin zu registrieren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres früheren Vortrags. Insbesondere weist sie darauf hin, dass die Klägerin bei anderen Domain-Vergabestellen und bei ihr, der Beklagten, über zahlreiche registrierte Domains unter der Top-Level-Domain „.de“ verfüge. Die Klägerin werde keineswegs daran gehindert, ihr Unternehmen und ihre Produkte im Internet und insbesondere unter der Domain „.de“ zu präsentieren. Die Beklagte bestreitet, dass die Fahrzeuge der Klägerin vor allem unter der Kurzbezeichnung „VW“ bekannt seien. Auch in ihren eigenen Werbeauftritten verwende die Klägerin das Kürzel „VW“ im Text praktisch nicht. Es sei nicht ersichtlich, dass das Kürzel unter diesen Umständen eine solche Bedeutung habe, wenn es um die Registrierung einer Domain gehe. Daneben machten die rasante Entwicklung neuer Domains und die erheblichen Registrierungszahlen deutlich, dass andere Domains zur Verfügung stehen, die mit der Top-Level-Domain „.de“ funktionell austauschbar seien. So lasse die Einführung der Top-Level-Domain „eu“ einen erheblichen Bedeutungsverlust der alten EU-Länder Domains erwarten. Diese Entwicklung müsse bei der Beurteilung der Marktstellung von Registrierungsstellen Berücksichtigung finden. Die Überlegungen des Bundesgerichtshofs in der Ambiente-Entscheidung vom Mai 2001 dürften fast 3 ½ Jahre später nicht ohne eingehende Prüfung der veränderten Marktsituation übernommen werden. Ehemals starke Marktstellungen würden gerade in jüngster Zeit durch das Aufkommen neuer, konkurrierender Interessen rasch abgeschmolzen.

Selbst wenn es sich bei ihr, der Beklagten, um ein marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne des § 20 GWB handele, werde die Klägerin von ihr weder unbillig behindert, noch gegenüber gleichartigen Unternehmen diskriminiert. Die Klägerin verlange eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Alle von ihr genannten Beispiele für Domains aus dem Bereich der Kfz.-Hersteller entsprächen den Vorgaben der Registrierungsrichtlinien, weil die registrierten Firmenbezeichnungen mehr als zwei Buchstaben haben. Sie, die Beklagte, halte sich streng an ihre eigenen Registrierungsrichtlinien.

Ebenso wenig sei eine Behinderung der Klägerin ersichtlich. Aufgrund der mannigfaltigen Darstellung der Klägerin im Internet unter den unterschiedlichsten Domains und einer vergleichsweise geringen Anzahl von Anfragen unter der nunmehr begehrten Internet-Adresse sei davon auszugehen, dass die Klägerin in adäquater, konkurrenzfähiger Weise im Internet präsent sei und von einer Beschränkung der geschäftlichen Entfaltungsfreiheit nicht die Rede sein könne.

Selbst wenn man eine Behinderung der Klägerin im Sinne von § 20 GWB annehmen wollte, wäre sie jedenfalls sachlich gerechtfertigt und nicht unbillig. Die Gruppe der drei- und mehrstelligen Domain-Namen unterscheide sich von der Gruppe der ein- und zweistelligen durch technische Probleme, weshalb rund 80 % aller weltweit vorhandenen privaten oder staatlichen Registrierungsstellen zweistellige Domains nicht zuließen. Angesichts der allenfalls minimalen Erschwernis für einen eingeschränkten Personenkreis, die Klägerin im Internet unter „vw.de“ zu finden einerseits und der technischen Risiken für die allgemeine Betriebssicherheit des E-Mail-Verkehrs und des Internets, sowie Funktion und Aufgabenstellung der Beklagten andererseits sei es ihr, der Beklagten, nicht zuzumuten, Second-Level-Domains zu registrieren, die ein anerkannt hohes Störpotential aufwiesen. Selbst die Eintragung derartiger Adressen unter Löschungsvorbehalt übersteige den für sie, die Beklagte, zumutbaren Prüfungsaufwand. Sie müsse ein Register sämtlicher potentiell problematischer Domains erstellen und regelmäßig mit der sich ständig ändernden Länder-Domain-Liste abgleichen.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. A gemäß Beweis-Beschluss vom 28.06.2005 (Bl. 746-748 d. A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 09.06.2006 sowie auf das Ergänzungsgutachten vom 01.06.2007 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Registrierung gemäß §§ 20 Abs. 1, 33 Abs. 1, Abs. 3 GWB – derzeit – zu.

1.) Die Beklagte ist Normadressatin des § 20 GWB. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 13.02. 2007 (Az.: 11 U 24/06-Kart.) ausgeführt:

„Die Beklagte ist Normadressatin des § 20 GWB. Sie hat eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, weil sie auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist. Nach dem für die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes geltenden Bedarfsmarktkonzept sind auf Angebotsmärkten sämtliche Erzeugnisse gleichwertig, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht. Aus Sicht desjenigen, der gewerbliche Leistungen über das Internet bewerben oder anbieten will, sind die von der Beklagten verwaltete Top-Level-Domain .de und generische oder gar ausländische Top-Level-Domains nicht in diesem Sinne austauschbar. Zwar können diese Anbieter in technisch gleichwertiger Weise grundsätzlich über jede registrierte Domain erreicht werden. Zutreffend hebt die Klägerin jedoch darauf ab, dass die von der Beklagten zugeteilten Second-Level-Domains unter der Top-Level-Domain „.de“ in der Bundesrepublik Deutschland in besonderem Maße populär sind. Dies folgt schon aus der Vielzahl der registrierten Domains. Inländische Interessenten an den von der Klägerin angebotenen Leistungen werden deshalb nach aller Lebenserfahrung eher nach einer .de-Domain als nach einer sonstigen Second-Level-Domain suchen. Soweit die Beklagte dies bestreitet, kann dem nicht gefolgt werden. Dies wird ferner dadurch bestätigt, dass nicht nur die Klägerin und ihre Hauptkonkurrentin, die B AG, sondern zahlreiche größere Unternehmen neben Domains mit anderen ccTop-Level-Domains und generischen Top-Level-Domains zusätzlich Second-Level-Domains mit der Top-Level-Domain.de halten. Insofern hat sich an der Feststellung des Senats in der Sache Ambiente.de (NJW 2001, 376) auch nicht dadurch etwas geändert, dass generische Top-Level-Domains, wie .com, in den letzten Jahren stärkere Zuwächse verzeichnet haben, als die von der Beklagten verwaltete Top-Level-Domain. Diese Stellung hat die Beklagte auch auf dem räumlich relevanten Markt. Dies ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Maßgeblich ist dafür, ob in dem betreffenden Gebiet die Marktgegenseite tatsächliche räumliche Ausweichmöglichkeiten hat (BGH GRUR 2004, 255 – Strom und Telefon I; Ruppelt in: Langen/Bunte, Handbuch des Deutschen und Europäischen Kartellrechts, 2. Aufl. § 19 Rn. 25). Nach § 19 Abs. 2 S. 3 GWB kann der räumlich relevante Markt weiter sein als der Geltungsbereich des GWB. Vorliegend ist dies jedoch nicht der Fall, da das Kriterium für die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes, nämlich die besondere Bedeutung der .de-Domain, im Wesentlichen auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist, für die sie ge-rade das Herkunftskennzeichen darstellt. Auf in anderen Staaten verfügbare ccTop-Level-Domains können an .de-Domains Interessierte nicht in gleichwertiger Weise verwiesen werden“ .

Hieran hält der Senat fest. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich an dieser Beurteilung in einer Parallelsache aufgrund des seither verstrichenen Zeitraums Änderungen ergeben hätten.

2.) Die Klägerin begehrt eine Leistung in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Gleichartige Unternehmen sind alle Unternehmen und insbesondere Kraftfahrzeughersteller, die für ihre Werbeauftritte im Internet nach der Registrierung unter der Top-Level-Domain „.de“ nachsuchen. Bei der beanspruchten Registrierung einer nur aus zwei Buchstaben bestehenden Second-Level-Domain handelt es sich um einen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr. Ob ein Geschäftsverkehr üblicherweise zugänglich ist, bestimmt sich nicht nach der Geschäftspraxis des in Anspruch genommenen Unternehmens, sondern danach, was sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und angemessen empfunden herausgebildet hat (BGH GRUR 1993, 146, 147 – Stromeinspeisung; Schultz in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl. § 20 Rn. 102). Dies kann auch dazu führen, dass das Unternehmen eine Leistung erbringen muss, die es bislang nicht in seinem Sortiment hat. Andernfalls würde man die Anwendbarkeit des § 20 GWB in die Disposition des Norm-Adressaten stellen (Schultz a.a.O. Rn. 103 f.). Um den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 GWB nicht unangemessen zu verkürzen, ist bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs ein eher weiter Maßstab anzulegen (BGH GRUR 1968, 159 – Rinderbesamung II; Schultz, a.a.O. Rn. 106). Daher kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Beklagte gemäß ihren Richtlinien Second-Level-Domains, die lediglich aus zwei Buchstaben bestehen, nicht vergibt. Vielmehr ist der üblicherweise zugängliche Geschäftsverkehr in der Zuteilung von Second-Level-Domains unter der Top-Level-Domain „.de“ überhaupt zu sehen. Die Gründe, weshalb die Beklagte zweistellige Buchstabenkombinationen nicht vergibt, sind erst bei der Frage des sachlichen Grundes bzw. der Interessenabwägung zu berücksichtigen (Senats-Urteil v. 13.02.2007, Az.: 11 U 24/06 (Kart)). Zu Recht ist das Landgericht in dem angefochtenen Urteil deshalb auch davon ausgegangen, dass eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu solchen Automobilunternehmen vorliegt, deren Marke als Second-Level-Domain unter der Top-Level-Domain „.de“ eingetragen wurde. Dies trifft z. B. für die Domain www.bmw.de zu.

3) Anders als das Landgericht hält der Senat die Ungleichbehandlung der Klägerin jedoch – jedenfalls derzeit – nicht für sachlich gerechtfertigt.

a) Ob die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, ist aufgrund einer umfassenden und einzelfallbezogenen Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB vorzunehmen (Schultz, a.a.O. § 20 Rn. 121 ff. m. w. N.). Dabei ist auf Seiten der Klägerin zu berücksichtigen, dass Internet-Nutzer, die an den Leistungen der Klägerin interessiert sind, das Angebot der Klägerin im Internet eher unter der kurzen und prägnanten berühmten Kennzeichnung VW und der in Deutschland üblichen und beliebten Top-Level-Domain „.de“ suchen werden (vgl. schon Senat a.a.O. für die Suche unter einer Telefon-Nummer). Der Nachteil, den die Klägerin dadurch konkret erleidet, dass sie unter dieser Domain derzeit nicht aufzufinden ist, ist zwar nicht konkret zu ermessen. Denn es ist nicht bekannt, inwieweit sich Interessenten für die von der Klägerin angebotenen Leistungen auf einen Zugangsversuch beschränken oder entweder einen weiteren Zugangsversuch unter der Firmenbezeichnung der Klägerin „Volkswagen“ unternehmen bzw. die Bezeichnung „VW“ in eine Suchmaschine eingeben, von wo sie ohne Weiteres auf die Web-Seite der Klägerin gelangen können. Die Weigerung der Beklagten hindert die Klägerin im Übrigen keineswegs daran, ihre Leistung anzubieten oder zu erbringen, weil die Klägerin über zahlreiche Internet-Adressen erreicht werden kann. Das Gewicht des Nachteils, den die Klägerin dadurch erleidet, dass sie nicht unter der gewünschten Second-Level-Domain erreichbar ist, lässt sich somit nur schwer einschätzen. Dennoch ist davon auszugehen, dass zumindest ein gewisser Anteil der Internet-Nutzer die Suche nach der Web-Seite der Klägerin aufgeben wird, wenn sie nicht unter der zuerst angewählten Domain erreichbar ist.

b) Das Interesse der Beklagten, die beanspruchte zweistellige Buchstabenfolge nicht als Domain vergeben zu müssen, besteht – nach ihrer Darstellung – zum einen darin, dass es zu möglichen Störungen im Internetverkehr kommen kann, zum anderen, dass sie in der Folge auch Ansprüchen nicht nur von Wettbewerbern der Klägerin, sondern von Unternehmen aller Branchen und von Privatpersonen auf die Registrierung von Domains mit zweistelliger Buchstabenfolge ausgesetzt sein könnte. Die Berücksichtigung dieses Interesses setzt freilich voraus, dass die Beklagte sachliche Gründe hat, eine solche Registrierung abzulehnen.

Die Beklagte hat sich auf Stellungnahmen der C bezogen, in denen diese Zurückhaltung bei der Vergabe zweistelliger Second-Level-Domains empfiehlt (Schreiben v. 09.09.2001 u. 01.12.2000 = Anlagen B 13, B 14), sowie auf die Beschreibung möglicher technischer Schwierigkeiten in dem C-Dokument RFC 1535 (deutsche Übersetzung in Anlage BE 27 = Bl. 616 f. d. A.). Wie der Sachverständige Prof. Dr. A in seinem Gutachten vom 09.06.2006 (dort S. 6 unten) ausgeführt hat, liegt das in RFC 1535 angesprochene Problem darin begründet, dass es möglich sein soll, Rechner, die sich in der eigenen Second-Level-Domain befinden, ohne explizite Angabe der Domain zu erreichen. Derartige Probleme können nach den Ausführungen des Sachverständigen sowohl bei der Nutzung des Internets wie auch bei der E-Mail-Nutzung auftreten, indem der Nutzer zu einer falschen Web-Seite geleitet wird oder E-Mails falschen Adressaten zugestellt werden. Nachteile hat dabei nicht nur der Anwender, der sich in einer potentiell problematischen Second-Level-Domain befindet, sondern Nachteile können alle Anwender haben, die sich unterhalb der gleichlautenden Top-Level-Domain befinden. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass zwar Hinweise auf aktuelle und konkrete Vorfälle nicht gefunden werden konnten, ein vorbeugendes Vermeiden von potentiellen Problemen aber sehr angebracht sei. Aus technischer Sicht sei daher ein Verzicht auf Second-Level-Domains, zu denen gleichlautende Top-Level-Domains existieren, sinnvoll. Zusammenfassend ist der Sachverständige der Auffassung, dass das beschriebene Problem bei allen Second-Level-Domains auftreten kann, die gleichlauten wie vorhandene Top-Level-Domains, also auch für solche, die aus drei oder mehr Buchstaben bestehen, während bei Second-Level-Domains ohne gleichlautende Top-Level-Domain – unabhängig von der Länge – kein Problem bestehe (Sachverständigengutachten S. 9).

Der Sachverständige hat darüber hinaus dargelegt, dass die in RFC 1535 beschriebenen technischen Probleme für die Resolver-Software D in der Version 4.8.1. bestehen, während die Version 4.9.2 die erste problembereinigte Version gewesen sein dürfte. Der Sachverständige schließt daraus, dass aufgrund der üblichen Vorgehensweise in der Software-Entwicklung diese (bessere) Lösung auch in allen Folgeversionen eingesetzt wurde. Von dem technischen Problem betroffen seien daher alle Versionen vor 4.9.2, ohne dass genau feststellbar wäre, bei wie vielen Servern tatsächlich heute noch die entsprechende Software eingesetzt würde. Bei seinen weiteren Untersuchungen kommt der Sachverständige zu der Überzeugung, dass heute noch weniger als 3,5 % der untersuchten Nameserver mit der problematischen Software ausgestattet seien (Sachverständigengutachten S. 10). Insgesamt nimmt er aufgrund einer Untersuchung von in Unternehmen, Endkundenprovidern und Kommunen betriebenen Nameserver an, Nameserver, die für die beschriebenen technischen Probleme anfällig seien, würden mittlerweile selten betrieben, wobei der Sachverständige die Obergrenze der anfälligen Nameserver mit maximal 2 % und die Obergrenze der betroffenen Internet-Nutzer mit deutlich unter 5 %0 schätzt, ohne dass es sich hierbei um wissenschaftlich erwiesene Daten handelt. Der Sachverständige hat sich in seinem Ergänzungsgutachten vom 01.06.2007 mit den Einwendungen der Parteien nochmals intensiv auseinandergesetzt, ohne dass dies zu Änderungen an dem Ergebnis seines Gutachtens vom 09.06.2006 geführt hätte.

c) Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. A geht von einer Domain „vw.de“ derzeit kein technisches Risiko aus. Das ist zwischen den Parteien auch unstreitig, wie in der mündlichen Verhandlung am 26.02.2008 von der Beklagten nochmals ausdrücklich bestätigt wurde. Nicht auszuschließen ist aber nach den Ausführungen des Sachverständigen und der Beklagten, dass die in dem Dokument C1535 beschriebenen technischen Probleme auftreten könnten, sobald eine Top-Level-Domain „.vw“ eingeführt würde, ohne dass die Feststellungen des Sachverständigen hierüber eine konkrete Prognose zum Risikofaktor erlaubten.

Darüber hinaus macht die Beklagte geltend, die ISO-Liste der länderbezogenen Top-Level-Domains sei ständigen Veränderungen unterworfen, und es bestehe jederzeit die Möglichkeit, dass auch eine Top-Level-Domain „.vw“ eingeführt und damit die Domain „vw.de“ im Sinne von RFC 1535 technisch problematisch werden könne.

d) Ob ein sachlicher Grund die Ungleichbehandlung rechtfertigt, ist aufgrund einer umfassenden, einzelfallbezogenen Interessenabwägung zu entscheiden. Dabei muss von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass auch der Norm-Adressat des § 20 Abs. 1 u. 2 GWB sein unternehmerisches Verhalten so ausgestalten kann, wie er es für wirtschaftlich richtig und sinnvoll hält (BGH GRUR 2003, 893 – Füllertransporte), wobei allerdings willkürliches Verhalten nicht privilegiert sein darf. Ferner muss die den Wettbewerb beschränkende Maßnahme des Norm-Adressaten objektiv sachge-mäß und angemessen sein (BGH, BB 1979, 1678 – Vermittlungsprovision für Flugpassagen II; Markert in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. § 20 Rn. 142), was in erster Linie die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und damit die Wahl des mildesten Mittels erfordert.

Wägt man die Interessen der Klägerin gegenüber denjenigen der Beklagten in Bezug auf den konkret zu entscheidenden Sachverhalt ab, so erscheinen die Belange der Beklagten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB derzeit nicht ausreichend, um eine sachliche Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber anderen Unternehmen und insbesondere Kraftfahrzeugherstellern zu rechtfertigen.

Der Senat hat in seiner bereits erwähnten Entscheidung vom 13.02.2007 den Interessen und Belangen der Beklagten den Vorzug im Hinblick darauf eingeräumt, dass im dortigen Fall von einer tatsächlich bestehenden, wenngleich nur als sehr gering einzustufenden Gefahr einer Störung des Internetverkehrs auszugehen war. Insbesondere ist der Beklagten zuzubilligen, nur solche Second-Level-Domains zu vergeben, die eine Störung vollkommen ausschließen. Diese Voraussetzung ist aber sowohl nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. A, wie nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien hier derzeit unstreitig gegeben. Vor diesem Hintergrund erscheint es damit sachlich nicht gerechtfertigt, der Klägerin die begehrte Domain generell und ohne Einschränkung zu versagen, weil im Hinblick auf die -allenfalls theoretische – Möglichkeit der Zulassung einer Top-Level-Domain „.vw“ sich das von dem Sachverständigen beschriebene Risiko möglicherweise in Zukunft verwirklichen könnte.

Die Wahrscheinlichkeit der Zulassung einer Top-Level-Domain, die aus der gleichen Buchstabenfolge wie die berühmte Marke der Klägerin besteht, ist zwar nicht auszuschließen, aber nach derzeit möglicher Einschätzung doch gering. Soweit die Beklagte vorträgt, die Liste aller länderbezogenen Top-Level-Domains ändere sich laufend, so dass schon morgen „.vw“ eingeführt werden könne, erscheinen diese Überlegungen eher akademischer Natur. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, welche Staatenbildung zu einer entsprechenden Ergänzung der Länderliste mit geographischen Top-Level-Domains führen könnte. Im Hinblick darauf, dass derzeit ein Risiko im Zusammenhang mit der begehrten Registrierung nicht besteht und die Gefahr einer Kollision wegen gleichlautender Top-Level-Domain und Second-Level-Domain als zumindest nicht sehr wahrscheinlich einzuordnen ist, hält der Senat die von der Beklagten gegen eine derzeitige Registrierung angeführten Gründe für nicht ausreichend.

e) Die mit dieser Entscheidung möglicherweise verbundenen Registrierungswünsche anderer Internet-Teilnehmer vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Muss derzeit ein Anspruch der Klägerin aus §§ 20, 33 GWB auf Registrierung bejaht werden, weil sachliche Gründe eine Ungleichbehandlung mit anderen Unternehmen nicht rechtfertigen, so trägt der Verweis der Beklagten auf mögliche Probleme im Hinblick auf Registrierungswünsche Dritter im Ergebnis nicht. Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 13.02.2007, weil auch insoweit zu berücksichtigen ist, dass in jenem Fall bereits von einer konkreten, wenn auch wenig wahrscheinlichen Gefährdung des Internetverkehrs auszugehen war. Besteht eine solche konkrete Gefährdung derzeit nicht, so kann – auch wenn der Norm-Adressat des § 20 GWB sein unternehmerisches Verhalten so ausgestalten kann, wie er es für wirtschaftlich richtig und sinnvoll hält – der Anspruch der Klägerin nicht unter Hinweis auf das mögliche Anspruchsverhalten Dritter zurückgewiesen werden.

f) Die Entscheidung des Senats beruht darüber hinaus auf dem Umstand, dass eine Registrierung der Klägerin unter der Second-Level-Domain „vw“ in diesem Fall ohne besonderen technischen Aufwand entfallen könnte, wie der Justitiar der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Da die Beklagte aufgrund der derzeitigen technischen Erkenntnismöglichkeiten und Bedingungen im Hinblick auf mögliche Risiken kollidierender Top- und Second-Level-Domains mit gleicher zweistelliger Buchstabenfolge eine Registrierung nur unter der Bedingung der Nichteinführung einer gleichlautenden Top-Level-Domain vorzunehmen braucht, erscheint auch die befürchtete Gefahr einer Vielzahl von juristischen Auseinandersetzungen wegen Registrierungswünschen Dritter oder ein Streit um die Frage, ob die Klägerin auf ihrer Registrierung in einem solchen Fall „verzichten müsste“, entbehrlich. Entfiele die Registrierung zunächst, so müsste ein Anspruch auf weitere Registrierung auf der Grundlage des dann aktuellen Standes der Technik geprüft werden.

Unter Würdigung all dieser Umstände ist die pauschale Verweigerung einer Registrierung ohne jedes Risikos nicht die Wahl des mildesten Mittels und hält einer Überprüfung am Maßstab des § 20 GWB nicht stand.

g) Der Klägerin kann jedoch nur ein auflösend bedingter Anspruch zuerkannt werden, der für den – wie dargelegt unwahrscheinlichen – Fall der Registrierung einer Top-Level-Domain „.vw“ entfällt.

Sollte es wider Erwarten zu einer Kollision zwischen Top- und Second-Level-Domain und damit zu einer Situation kommen, in der die beschriebenen technischen Probleme nach derzeitiger Erkenntnismöglichkeit jedenfalls nicht restlos auszuschließen wären, so geht die grundsätzlich zu billigende Entscheidung der Beklagten, der Sicherheit des Internet Vorrang vor den unternehmerischen Interessen der Klägerin einzuräumen, vor. Dies entspricht der Interessenabwägung des Senates in seiner Entscheidung vom 13.02.2007, ohne dass allerdings derzeit für eine solche Interessenabwägung Raum bestünde.

4.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das anteilige Unterliegen der Klägerin.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Dem Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen eines nicht zu ersetzenden Nachteils nicht dargelegt hat. Von einer (vorläufigen) Registrierung der Klägerin geht kein nicht zu ersetzender Nachteil aus, weil derzeit die Gefahr technischer Störungen nicht besteht und für den Fall der Registrierung einer Top -Level – Domain „.vw“ ein vollstreckbarer Anspruch entfiele.

Der für den Fall der erforderlich werdenden Rückabwicklung einer Vielzahl bereits registrierter Domains von der Beklagten behauptete „Image-Schaden“ ist nicht greifbar.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung beruht auf den gleichen Rechtsgrundsätzen wie das Senats-Urteil vom 13.02.2007 (Az.: 11 U 24/06-Kart.), für welches die Voraussetzungen einer Revisionszulassung gemäß Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 04.03.2008 (KZR 18/07) nicht vorlagen. Die vorliegende Entscheidung kommt lediglich aufgrund der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze zu einem anderen Ergebnis, so dass die Voraussetzungen der Zulassung der Revision auch hier nicht bestehen.