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Nach Ansicht des LG Hamburg stellt das Angebot von Bootlegs (nicht lizensierte Tonträger) auf einer Internethandelsplattform keine unerhebliche Rechtsverletzung dar, so dass keine Deckelung des Werts auf 1.000,00 EUR erfolgt.

Gegenstand des Verfahrens war ein Bootleg von Pink Floyd, das auf Ebay verkauft wurde. Nach Ansicht des LG Hamburg sei die Intensität des Angriffs für die Rechteinhaberin erheblich, da ihr nicht nur ihr zustehende Einnahmen entgingen, sondern auch die  Entscheidungsfreiheit, ob und welche Aufnahmen überhaupt in welcher Weise veröffentlicht und in welchem Umfang sie verbreitet werden, beeinträchtigt werde. Schon das Vorhandensein nur eines einzelnen nicht lizensierten Titels auf einem Kopplungstonträger schließe die Annahme eines Bagatellverstoßes aus (so bereits das OLG Hamburg , Beschluss vom 14.12.2009, Az. 5 W 114/09 und 5 W 120/09).

Kai Jüdemann

Rechtsanwalt

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Die Entscheidung:

LG Hamburg 10. Zivilkammer, Urteil vom 19.12.2013, 310 S 6/13

§ 97a Abs 1 S 2 UrhG, § 3 ZPO, § 48 Abs 1 GKG

Verfahrensgang
vorgehend AG Hamburg, 10. April 2013, Az: 36a C 27/12, Urteil

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin wird die Beklagte und Berufungsbeklagte unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 10.04.2013, Az. 36a C 27/12 verurteilt, an die Klägerin weitere € 551,80 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die bzgl. Beider Instanzen die Kosten des Rechtsstreits. Die Kosten der Nebenintervention beider Instanzen trägt die Nebenintervenientin allein.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin, eine Rechtsanwaltsgesellschaft, nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der P..F.. Music Ltd. auf Zahlung (weiterer) Abmahnkosten in Anspruch.

Die P..F.. Music Ltd. ist eine Gesellschaft, die mit dem hauptsächlichen Zweck gegründet wurde, die Rechte der ausübenden Künstler der Musikgruppe “ P..F..“ zu halten.

Die Beklagte ist Inhaberin des eBay-Kontos „e… 1…“. Über dieses Konto bot sie am 09.06.2011 den von ihr zuvor zu privaten Zwecken erworbenen DVD-Bildtonträger „P..F.. L.. A..“ zum Kauf an. Auf der DVD sind zwölf Aufnahmen von musikalischen Darbietungen der o.g. Musikgruppe gespeichert. Herausgeberin der DVD war die Nebenintervenientin.

Das o.g. eBay-Konto wies zum 09.06.2011 insgesamt 14 Bewertungen auf. Im gesamten Jahre 2011 wurden über das Konto 30 Verkäufe und 3 Käufe getätigt.

Mit Schreiben vom 16.06.2011 forderte die Klägerin die Beklagte im Namen der P..F.. Music Ltd. zur Unterlassung der Verbreitung der DVD (und Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung) auf. Die Beklagte gab mit anwaltlichem Schreiben vom 22.06.2011 zwar eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, verweigerte aber die Zahlung von Abmahnkosten, welche nach einem Gegenstandswert von EUR 10.000,00 zu einem Gebührensatz von 1,3 (zzgl. Auslagenpauschale), d.h. in Höhe von EUR 651,80 geltend gemacht worden sind.

Die Klägerin hat Ende 2011 vor dem Amtsgericht Hamburg Klage gegen die Beklagte auf Zahlung des vorgenannten Betrags erhoben. Sie hat behauptet, die ausübenden Künstler der Musikergruppe hätten ihre ausschließlichen Nutzungsrechte an den Aufnahmen auf die P..F.. Music Ltd. übertragen. Die Gesellschaft habe ihr den entstandenen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten am 28.12.2011 abgetreten.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben in erster Instanz bestritten, dass der P..F.. Music Ltd. Nutzungsrechte übertragen und der Klägerin angebliche Erstattungsansprüche abgetreten worden seien. Jedenfalls seien die geltend gemachten Abmahnkosten überhöht. Es greife die Regelung des § 97a Abs. 2 UrhG (a.F.). Allenfalls bestehe ein Erstattungsanspruch nach einem Gegenstandswert von EUR 1.000,00 und zu einem Gebührensatz von 0,8.

Das Amtsgericht hat die Beklagte am 10.04.2013 verurteilt, an die Klägerin EUR 100,00 nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es greife in Bezug auf die Höhe des Erstattungsanspruchs die Regelung des § 97a Abs. 2 UrhG (a.F.).

Gegen die teilweise Zurückweisung der Klage hat die Klägerin die vorliegende Berufung eingelegt. Es liege – so die Klägerin – eine erhebliche Rechtsverletzung im geschäftlichen Verkehr vor, sodass der Anwendungsbereich des § 97a Abs. 2 UrhG (a.F.) nicht eröffnet sei.

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 10.04.2013, Az. 36a C 27/12, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere EUR 551,80 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin jetzt nicht mehr (s. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2013). Sie sind allerdings weiterhin der Ansicht, dass die Abmahnkosten durch § 97a Abs. 2 UrhG begrenzt seien. Sie verweisen darauf, dass (unstreitig) ein privates Verkaufsangebot der Beklagten vorgelegen habe und sind der Ansicht, dieses Angebot eines Vervielfältigungsstückes sei in seiner (Un-)Erheblichkeit nicht mit dem öffentlichen zugänglich Machen von Werken über Internet-Tauschbörsen vergleichbar.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2013 verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

1.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von insgesamt EUR 651,80 aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG zu. Neben den durch das Amtsgericht mit Urteil vom 10.04.2013 bereits zugesprochenen EUR 100,00 kann die Klägerin von der Beklagten also die Zahlung weiterer EUR 551,80 beanspruchen.

1.1.

Das Bestreiten bezüglich der Aktivlegitimation wird durch die Beklagte und die Nebenintervenientin nicht aufrechterhalten.

Die Beklagte hat durch Verbreitung der DVD „P..F.. L.. A..“ schuldhaft in die Rechte der ausübenden Künstler an den streitgegenständlichen 12 Bild-Tonaufnahmen eingegriffen (§§ 73, 17 UrhG).

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 namens der Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte – der P..F.. Music Ltd. – berechtigt ab i.S.d. § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG.

1.2.

Durch die berechtigte Abmahnung sind vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 651,80 entstanden, die die Beklagte – nach Abtretung – an die Klägerin zu leisten hat.

Der angesetzte Gegenstandswert in Höhe von EUR 10.000,00 für das Verbreiten der DVD mit 12 Bild-Tonaufnahmen über das Internetauktionshaus eBay und der Ansatz einer 1,3 Gebühr sind angemessen.

a)

Der Wert des Unterlassungsbegehrens ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gemäß §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 GKG zu ermitteln und bemisst sich grundsätzlich nach dem Interesse des Verletzten an der Unterbindung weiterer Rechtsverletzungen. Der Gegenstandswert ist jeweils unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls festzulegen. Ausgangspunkt der Wertbemessung ist dabei das Interesse des jeweiligen Anspruchsstellers an der Durchsetzung seiner Rechte (vgl. u.a. OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 342f.). Der sog. Angriffsfaktor (u.a. Umfang der drohenden Verletzungen und Ausmaß des Verschuldens) ist ebenso zu berücksichtigen wie der Marktwert des Werkes (Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Auflage, § 97 UrhG Rn. 223). Der Wertangabe der Anspruchstellerseite kommt indizielle Bedeutung zu (vgl. BGH GRUR 1986, 93f.).

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erscheint der Kammer der von der Klägerin in ihrer Abmahnung zu Grunde gelegte Wert von EUR 10.000,00 angemessen.

Vorliegend handelt es sich um das Angebot eines ohne die erforderliche Zustimmung der Künstler hergestellten, vervielfältigten und in den Verkehr gebrachten Bild-Tonträgers im Internet. Die Intensität des Angriffs ist für die Rechteinhaberin erheblich, da ihr nicht nur ihr zustehende Einnahmen entgehen, sondern auch die Entscheidungsfreiheit, ob und welche Aufnahmen überhaupt in welcher Weise veröffentlicht und in welchem Umfang sie verbreitet werden, beeinträchtigt wird. Schon das Vorhandensein nur eines einzelnen nicht lizensierten Titels auf einem Kopplungstonträger schließt die Annahme eines Bagatellverstoßes aus (OLG Hamburg, Beschluss vom 14.12.2009, Az. 5 W 114/09 und 5 W 120/09). Vorliegend handelt es sich um eine aus mehr als zehn rechtsverletzenden Aufnahmen bestehende DVD, d.h. um Ton- und Bildaufnahmen der ausübenden Künstler. Die DVD kann zudem leichter als zum Beispiel eine Langspielplatte von z.B. Computer-Nutzern beliebig oft kopiert und damit weiterverbreitet werden.

Die DVD wurde jedenfalls deutschlandweit über das Internet zum Kauf angeboten.

Auch die Bedeutung des verletzten Rechts ist erheblich. Die Musikgruppe P..F.. ist sehr erfolgreich und noch immer sehr bekannt.

Zu Gunsten der Beklagten wird unterstellt, dass sie die urheberrechtsverletzende Angebot in dem Glauben in das Internet gestellt hat, dass es sich um ein legales Vervielfältigungsstück eines rechtmäßig in den Verkehr gelangten Bild-Tonträgers handelt. Auch handelte die Beklagte nur als Privatperson, sodass die Gefahr, dass sie zukünftig erneut Vervielfältigungsstücke der DVD anbietet, geringer ist als bei einem gewerblichen Händler von Bild-Tonträgern. Dennoch ist ein Gegenstandswert in Höhe von EUR 10.000,00 im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller Umstände nicht überhöht. Hätte die Beklagte als gewerbliche Bild- bzw. Tonträgerhändlerin gehandelt und hätte sie nicht nur ein Vervielfältigungsstück angeboten, wäre ein noch höherer Gegenstandswert anzusetzen.

Der danach angemessene Gegenstandswert von EUR 10.000,00 für das Interesse der Rechteinhaberin an der Unterbindung zukünftiger weiterer Angebote der streitgegenständlichen DVD bewegt sich zudem im Rahmen der Streitwerteinschätzungen des OLG Hamburg in ähnlichen Fällen. So hat das OLG Hamburg mit dem oben bereits genannten Beschluss vom 14.12.2009 (Az. 5 W 114/09 und 5 W 120/09) in einem Fall, in dem es um das private Angebot eines zuvor in einem Kaufhaus erworbenen Kopplungstonträgers bei eBay ging, schon wegen eines einzigen nicht lizensierten Titels auf diesem Album den Streitwert auf EUR 6.000,00 festgesetzt. Mit Beschluss vom 18.09.2012 (Az. 5 W 97/12) hat das OLG Hamburg ferner für das private Angebot eines ausschließlich aus sog. Bootlegs bestehenden DVD-Bildtonträgers einer bekannten Musikgruppe bei eBay einen Streitwert in Höhe von EUR 10.000,00 festgesetzt.

b)

Auch der Ansatz von 1,3 Gebühren ist nicht zu beanstanden. Es liegt weder eine unterdurchschnittlich schwierige noch eine unterdurchschnittlich umfangreiche anwaltliche Tätigkeit vor. Die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Abmahnung erforderte besondere rechtliche Kenntnisse. Die Abmahnung betraf das Spezialgebiet des Urheberrechts und es war zu berücksichtigen, dass ein internationaler Bezug – die ausübenden Künstler und die Rechteinhaberin sind keine Deutschen – vorlag. Es besteht – wie oben unter lit. a) dargelegt – die Gefahr, dass weitere Vervielfältigungsstücke der DVD hergestellt und in den Verkehr gebracht werden und ein erhebliches Interesse der Rechteinhaberin, solche Angebote wie das der Beklagten zu verhindern.

1.3.

Entgegen der durch das Amtsgericht in der angegriffenen Entscheidung vertretenen Ansicht ist der Kostenerstattungsanspruch nicht durch § 97a Abs. 2 UrhG a.F. auf EUR 100,00 beschränkt.

Nach der Ausnahmebestimmung des § 97a Abs. 2 UrhG a.F. ist der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen nur dann auf EUR 100,00 beschränkt, wenn es sich um die erstmalige Abmahnung in einem einfach gelagerten Fall mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb der geschäftlichen Verkehrs handelt.

Es liegt jedenfalls keine unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne des § 97a Abs. 2 UrhG vor. Nach der amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf zu dieser Vorschrift ist dafür ein nach den Umständen des Einzelfalls geringes Ausmaß der Verletzung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht erforderlich (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/5048 v. 20.4.2007, Seite 49). Nach der Begründung der Beschlussempfehlung zu den Änderungen gegenüber der ursprünglichen Fassung des Gesetzesentwurfes zu § 97a UrhG (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/8783 v. 9.4.2008, Seite 50) soll in den Anwendungsbereich des § 97a UrhG danach beispielsweise das unberechtigte öffentliche Zugänglichmachen eines bloßen Liedtextes auf einer privaten Homepage fallen. Die Beklagte hat hingegen über eine Internetplattform nicht nur einen Liedtext, sondern eine DVD mit Bild- und Tonaufnahmen von mehr als zehn Musikstücken zum Kauf angeboten. Der DVD-Bildtonträger wurde in dem Verkaufsangebot der Beklagten nicht nur z.B. zu Illustrationszwecken verwendet, er war selbst Gegenstand des Angebots. Vor allem ist – wie oben unter lit. a) bereits dargelegt – das Interesse der Rechteinhaberin und der hinter ihr stehenden ausübenden Künstler in besonderem Maße dadurch beeinträchtigt, dass die angebotenen Aufnahmen unberechtigt erstellt wurden. Es besteht ein erhebliches Interesse daran, zu verhindern, dass diese nie freigegebenen Aufzeichnungen zukünftig nicht mehr angeboten werden.

1.4.
Die Klägerin und die P..F.. Music Ltd. handelten auch nicht rechtsmissbräuchlich. Insoweit wird auf die zutreffende Begründung des Amtsgerichts aus dem angegriffenen Urteil Bezug genommen.

2.
Die Kostenentscheidung folgt aus den § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 540 ZPO). Das Urteil beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt, ohne dass der Sache grundsätzliche Bedeutung zukommt oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof erfordert. Die angemessene Höhe des Gegenstandswertes einer anwaltlichen Abmahnung und die Frage der (Un-)Erheblichkeit der Rechtsverletzung sind Fragen des Einzelfalls, die von den Gerichten in jedem Fall neu zu entscheiden sind.

Beschluss vom 19.12.2013

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 551,80 festgesetzt

Quelle: Justizportal Hamburg

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