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Bratan Bratina: BPatG bejaht Unterscheidungskraft für jugendsprachlich geprägte Wortmarke
Beschluss des Bundespatentgerichts vom 29. April 2025– 29 W (pat) 503/21

Leitsatz:
Die Bezeichnung Bratan Bratina verfügt für verschiedene Waren- und Dienstleistungen über die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, da sie – trotz jugendsprachlicher Prägung – keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt aufweist und keinen engen Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen erkennen lässt.

I. Einleitung und Verfahrensgang

Im Fokus des vorliegenden Beschlusses des 28. Senats des Bundespatentgerichts steht die markenrechtliche Beurteilung der Wortmarke Bratan Bratina, angemeldet u. a. für Waren der Klassen 9, 14, 16, 18, 21, 25 sowie für Dienstleistungen der Klasse 41. Nachdem das DPMA die Eintragung zunächst wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines etwaigen Freihaltebedürfnisses versagt hatte (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG), wurde im Beschwerdeverfahren eine Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses vorgenommen. In der Folge hob das BPatG den angegriffenen Beschluss auf und gab der Beschwerde statt.

II. Rechtliche Maßstäbe zur Unterscheidungskraft
Das BPatG verweist auf die ständige Rechtsprechung des BGH und des EuGH zur Auslegung von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Danach genügt bereits ein geringes Maß an Unterscheidungskraft, um das absolute Schutzhindernis zu überwinden. Maßgeblich ist, ob das Zeichen aus Sicht des angesprochenen inländischen Verkehrs als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung wahrgenommen werden kann.

In diesem Zusammenhang betont das Gericht:

Die ganzheitliche Betrachtung der Marke aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ohne analysierende Betrachtung.
Die Berücksichtigung jugendsprachlicher Begriffe im Kontext ihrer Verwendung und Bekanntheit.
Die Notwendigkeit eines engen beschreibenden Bezugs zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, um das Schutzhindernis greifen zu lassen.

III. Bedeutung und Verkehrsanschauung der Wortbestandteile

1. „Bratan“
Der Begriff ist seit spätestens 2019 Bestandteil der deutschen Jugendsprache und bedeutet dort „Kumpel“ oder „Freund“. Seine Herkunft aus dem russischen „brat“ (Bruder) ist dem allgemeinen Publikum jedoch meist nicht bewusst. Insbesondere durch die prominente Verwendung durch den Rapper Capital Bra hat sich die Bedeutung in der Alltagssprache gefestigt.

2. „Bratina“
Dem Begriff „Bratina“ fehlt ein unmittelbar beschreibender oder etablierter Sinngehalt. Zwar bezeichnet er in Einzelfällen u.a. geografische Orte oder Objekte, diese sind jedoch in Deutschland weitgehend unbekannt. Die Wortendung -ina wird hingegen – auch in der deutschen Sprache – typischerweise als feminine Form interpretiert, was nahelegt, dass „Bratina“ als weibliches Gegenstück zu „Bratan“ verstanden wird.

3. Kombination „Bratan Bratina“
In der Kombination ergibt sich eine jugendsprachliche Bedeutung als Paarformel für „Freund/Freundin“ oder „Kumpel/Kumpeline“. Trotz dieser begrifflichen Assoziation handelt es sich nicht um eine feststehende sprachliche Wendung, die einen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufweist.

IV. Anwendung auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen

Das BPatG stellt klar, dass die Bezeichnung Bratan Bratina in keinem engen sachlichen Zusammenhang zu den verfahrensgegenständlichen Produkten steht. Auch eine Nutzung als inhaltsbeschreibende oder zielgruppenbezogene Bezeichnung konnte nicht festgestellt werden.

Insbesondere für folgende Produktgruppen wurde ein beschreibender Begriffsinhalt ausgeschlossen:

Medienprodukte (Filme, Bücher, Spiele): Auch wenn hier Themen wie Freundschaft oder Geschwisterverhältnisse eine Rolle spielen können, fehlt es an einem eindeutigen inhaltlichen Bezug zur konkreten Wortkombination.
Verlags- und Musikdienstleistungen: Keine thematische Notwendigkeit der Bezeichnung im Angebotskontext.
Bekleidung, Accessoires, Konsumgüter: Keine produktbeschreibende oder motivbezogene Verwendung festgestellt.
Das Gericht betont dabei ausdrücklich, dass selbst die umfassende Verwendung des Begriffs „Bratan“ durch bekannte Künstler nicht zu einer generischen oder beschreibenden Bedeutung des zusammengesetzten Zeichens führt.

V. Kein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

Auch ein Freihaltebedürfnis lehnte der Senat ab. Weder existiere eine gegenwärtige noch eine voraussehbare zukünftige beschreibende Verwendung der Begriffskombination in der relevanten Branche. Eine Etablierung als beschreibende Sachangabe sei nicht erkennbar.

VI. Bewertung und Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung zeigt ein hohes Maß an Sensibilität im Umgang mit sich wandelnder Sprache, insbesondere der Jugendsprache und popkulturell geprägten Begriffen. Das BPatG hebt hervor, dass auch trendgeprägte und kontextuelle Ausdrücke als Herkunftshinweise fungieren können, sofern kein eindeutiger beschreibender Charakter vorliegt.

Damit trägt die Entscheidung zur Rechtssicherheit bei, wie mit neuartigen Wortprägungen im Markenrecht umzugehen ist, und legt Maßstäbe für vergleichbare Anmeldungen aus dem Bereich der Pop- und Jugendkultur.

Fazit:
Das BPatG stärkt mit dem Beschluss zur Marke Bratan Bratina die Möglichkeit, auch aus jugendsprachlichen oder subkulturellen Begriffen markenrechtlich schutzfähige Zeichen zu formen – vorausgesetzt, sie sind unterscheidungskräftig und nicht beschreibend im Sinne des Markenrechts.