Urteil in der Rechtssache T-232/10
Couture Tech / HABM
Das sowjetische Staatswappen kann nicht als Gemeinschaftsmarke eingetragen
werden
Es ist von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke auch dann auszuschließen, wenn es nur in
einem einzigen Mitgliedstaat gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt
Die Gemeinschaftsmarkenverordnung1 bestimmt, dass die Eintragung einer Marke bei Vorliegen
bestimmter, in dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehener Eintragungshindernisse abzulehnen
ist. Dies betrifft u. a. den Fall, dass die Marke gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten
Sitten verstößt, und zwar selbst dann, wenn diese Eintragungshindernisse nur in einem Teil der
Union bestehen.
Im Jahr 2006 meldete die Couture Tech Ltd, eine Gesellschaft, die mit den internationalen
Tätigkeiten eines russischen Modeschöpfers verbunden ist, beim Gemeinschaftsmarkenamt
(HABM) das nachfolgend wiedergegebene Bildzeichen als Gemeinschaftsmarke an:
Das HABM wies diese Anmeldung zurück, weil die Marke aus einer exakten Darstellung des
Wappens der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) bestehe. Gestützt
auf Rechtsvorschriften und die Verwaltungspraxis in bestimmten Mitgliedstaaten nämlich
Ungarn, Lettland und die Tschechische Republik , befand das HABM, dass die dargestellten
Symbole von einem wesentlichen Teil der betroffenen Verkehrskreise in dem Teil der
Europäischen Union, der sowjetischer Herrschaft unterstanden habe, als gegen die öffentliche
Ordnung und die guten Sitten verstoßend angesehen würden.
Die Couture Tech Ltd erhob beim Gericht eine Klage auf Aufhebung dieser Entscheidung.
In seinem Urteil vom heutigen Tage stellt das Gericht zunächst klar, dass eine Marke von der
Eintragung auszuschließen ist, wenn sie in einem Teil der Union gegen die öffentliche
Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, wobei dieser Teil gegebenenfalls ein
einziger Mitgliedstaat sein kann.
Sodann stellt das Gericht fest, dass bei der Auslegung der Begriffe ,,öffentliche Ordnung” und
,,gute Sitten” nicht nur die allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Umstände, sondern auch die
besonderen Umstände in den einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind, die einen
Einfluss auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise im Gebiet dieser Staaten haben
können. Da die Gemeinschaftsregelung für Marken ein autonomes System ist, dessen Anwendung
von jedem nationalen System unabhängig ist, werden die Rechtsvorschriften und die
Verwaltungspraxis bestimmter Mitgliedstaaten im vorliegenden Fall nicht wegen ihrer normativen
Geltung, sondern als tatsächliche Anhaltspunkte berücksichtigt, die es erlauben, die
Wahrnehmung von mit der ehemaligen UdSSR verbundenen Symbolen durch die maßgeblichen
Verkehrskreise in den betreffenden Mitgliedstaaten zu beurteilen.
Schließlich befindet das Gericht, dass die Beschwerdekammer mit der auf die Prüfung von
Gesichtspunkten der Situation in Ungarn gestützten Feststellung, dass die angemeldete Marke
nach der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise gegen die öffentliche Ordnung oder
gegen die guten Sitten verstoße, keinen Beurteilungsfehler begangen hat. Nach den ungarischen
Rechtsvorschriften gelten nämlich Hammer und Sichel und der fünfzackige rote Stern als ,,Symbole
des Despotismus”, deren Benutzung gegen die öffentliche Ordnung verstößt.
Das Gericht gelangt so zu dem Ergebnis, dass es, da eine Marke bereits dann von der Eintragung
auszuschließen ist, wenn sie auch nur in einem Teil der Union und gegebenenfalls nur in einem
einzigen Mitgliedstaat gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, nicht
erforderlich ist, weitere Gesichtspunkte zu prüfen, die sich auf die Verkehrsanschauung in Lettland
und der Tschechischen Republik beziehen.
Demgemäß hat das Gericht die Klage der Couture Tech Ltd abgewiesen.
HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein
auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.
HINWEIS: Die Gemeinschaftsmarke gilt in der gesamten Europäischen Union und besteht neben den
nationalen Marken. Gemeinschaftsmarken werden beim HABM angemeldet. Dessen Entscheidungen
können beim Gericht angefochten werden.
1
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1).
Quelle: PM des EuGH