030 88 70 23 80 kanzlei@ra-juedemann.de

Marken unterstehen einem Benutzungszwang – nach Ablauf der Schonfrist (fünf Jahre ab Eintragung) haben sie „ernsthaft“ benutzt zu werden. Möchte ich aus der Marke gegen einen Verletzer vorgehen, muss ich nachweisen, sie benutzt zu haben (Benutzungsfrist). Schonfrist und Benutzungsfrist können sich überschneiden.

Wie die Nutzung ausgestaltet sein muss, ist umstritten – verlangt wird jedoch eine „ernsthafte“ Nutzung. Diese kann auch, so aktuell der EuGH vorliegen, wenn die Marke als Teil einer anderen Marke Verwendung findet. Hintergrund war der Steit um ein rotes Fähnchen an der linken Seite der Gesäßtaschen von Hosen.
Nach dem EuGH können die Voraussetzung einer ernsthaften Benutzung einer Marke im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke erfüllt sein, „wenn eine eingetragene Marke, die ihre Unterscheidungskraft infolge der Benutzung einer anderen, zusammengesetzten Marke erlangt hat, deren Bestandteil sie ist, nur vermittels dieser anderen zusammengesetzten Marke benutzt wird oder wenn sie nur in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind.“

Die Entscheidung des EuGH:

„Marken – Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Art. 15 Abs. 1 – Begriff ‚ernsthafte Benutzungʻ – Marke, die nur als Bestandteil einer zusammengesetzten Marke oder in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird“

In der Rechtssache C‑12/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Januar 2012, in dem Verfahren

Colloseum Holding AG

gegen

Levi Strauss & Co.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász (Berichterstatter), D. Šváby und C. Vajda,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Colloseum Holding AG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Klette,

–        der Levi Strauss & Co., vertreten durch Rechtsanwälte H. Harte‑Bavendamm und M. Goldmann,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Santoro, avvocato dello Stato,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Murrell als Bevollmächtigte im Beistand von S. Ford, Barrister,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Bulst und F. Wilman als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1), der ohne Änderung als Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 in die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) übernommen wurde.

2        Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Colloseum Holding AG (im Folgenden: Colloseum) und Levi Strauss & Co. (im Folgenden: Levi Strauss) über die Auslegung des Begriffs „ernsthafte Benutzung“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94, wenn eine eingetragene Marke nur vermittels einer anderen zusammengesetzten Marke benutzt wird, deren Bestandteil sie ist, oder wenn sie nur in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird und beide Marken zusammen als Marke eingetragen sind.

 Rechtlicher Rahmen

 Völkerrecht

3        Art. 5 C Abs. 1 und 2 der am 20. März 1883 in Paris unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft), zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 (United Nations Treaty Series, Bd. 828, Nr. 11851, S. 305), bestimmt:

„(1)      Ist in einem Land der Gebrauch der eingetragenen Marke vorgeschrieben, so darf die Eintragung erst nach Ablauf einer angemessenen Frist und nur dann für ungültig erklärt werden, wenn der Beteiligte seine Untätigkeit nicht rechtfertigt.

(2)      Wird eine Fabrik- oder Handelsmarke vom Inhaber in einer Form gebraucht, die von der Eintragung in einem der Verbandsländer nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird, so soll dieser Gebrauch die Ungültigkeit der Eintragung nicht nach sich ziehen und den der Marke gewährten Schutz nicht schmälern.“

 Unionsrecht

4        Der neunte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 40/94 lautet:

„Der Schutz der Gemeinschaftsmarke sowie jeder eingetragenen älteren Marke, die ihr entgegensteht, ist nur insoweit berechtigt, als diese Marken tatsächlich benutzt werden.“

5        Art. 7 („Absolute Eintragungshindernisse“) der Verordnung Nr. 40/94 bestimmt in Abs. 1:

„Von der Eintragung ausgeschlossen sind

b)      Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,

c)      Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,

d)      Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich geworden sind,

…“

6        Art. 7 Abs. 3 der Verordnung lautet:

„Die Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b), c) und d) finden keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.“

7        Art. 9 („Recht aus der Gemeinschaftsmarke“) der Verordnung Nr. 40/94 sieht in Abs. 1 vor:

„Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

b)      ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;

…“

8        Art. 15 („Benutzung der Gemeinschaftsmarke“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Hat der Inhaber die Gemeinschaftsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Gemeinschaft benutzt, oder hat er eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Gemeinschaftsmarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

(2)      Folgendes gilt ebenfalls als Benutzung im Sinne des Absatzes 1:

a)      Benutzung der Gemeinschaftsmarke in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird;

…“

9        Art. 98 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 lautet:

„Stellt ein Gemeinschaftsmarkengericht fest, dass der Beklagte eine Gemeinschaftsmarke verletzt hat oder zu verletzen droht, so verbietet es dem Beklagten, die Handlungen, die die Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen, sofern dem nicht besondere Gründe entgegenstehen. Es trifft ferner nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass dieses Verbot befolgt wird.“

 Deutsches Recht

10      Der Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 entsprechende § 14 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (BGBl. 1994 I S. 3082) in dessen durch das Gesetz vom 7. Juli 2008 (BGBl. 2008 I S. 1191) geänderter Fassung (im Folgenden: Markengesetz) sieht das Recht des Inhabers einer Marke vor, es zu untersagen,

„ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“.

11      § 14 Abs. 5 Markengesetz bestimmt:

„Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12      Levi Strauss ist Inhaberin mehrerer Marken, insbesondere der Gemeinschaftswortmarke LEVI’S u. a. für Bekleidungsstücke, und der am 12. Januar 1977 für Hosen, Hemden, Blusen und Jacken für Herren, Damen und Kinder eingetragenen deutschen Wortbildmarke Nr. DD 641 687 (im Folgenden: Marke Nr. 3). Diese Marke, die im roten rechteckigen Bestandteil am linken oberen Rand einer Tasche den Wortbestandteil „LEVI’S“ aufweist, stellt sich wie folgt dar:

Image not found

13      Levi Strauss ist außerdem Inhaberin der am 10. Februar 2005 für Hosen eingetragenen farbigen – roten und blauen – Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2 292 373 (im Folgenden: Marke Nr. 6). Bei dieser handelt es sich nach ihrer Beschreibung im Register um eine Positionsmarke, die aus einem roten rechteckigen Label aus textilem Material besteht, das oben links in die Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht ist und aus der Naht hervorsteht. Sie stellt sich folgendermaßen dar:

Image not found

14      Die Registereintragung der Marke Nr. 6 enthält den Disclaimer, dass kein Ausschließlichkeitsanspruch auf Form und Farbe der Tasche per se erhoben wird. Eingetragen wurde die Marke Nr. 6 aufgrund einer infolge Benutzung erlangten Unterscheidungskraft nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94.

15      Colloseum betreibt einen Einzelhandel mit Oberbekleidung. Im Rahmen dieser Tätigkeit brachte sie Jeans der Marken COLLOSEUM, S. MALIK und EURGIULIO auf den Markt. Diese Hosen sind an der rechten Gesäßtasche mit roten, rechteckigen Stofffähnchen versehen, die an der rechten Außennaht im oberen Teil der Tasche eingenäht sind und auf denen die jeweiligen Marken bzw. die Bezeichnung „SM JEANS“ wiedergegeben sind.

16      Levi Strauss erhob vor dem zuständigen erstinstanzlichen Gericht eine Klage, mit der sie insbesondere beantragte, Colloseum zu verurteilen, es zu unterlassen, solche Hosen anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu diesem Zweck zu besitzen. Colloseum erhob die Einrede mangelnder Benutzung der Marke Nr. 6.

17      Das Gericht des ersten Rechtszugs gab der Klage von Levi Strauss statt. Die von Colloseum gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegte Berufung wies das Berufungsgericht zurück.

18      Auf die von Colloseum eingelegte Revision hob das vorlegende Gericht die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verwies die Rechtssache an dieses zurück. Das Berufungsgericht wies erneut die Berufung von Colloseum zurück, worauf diese erneut Revision beim vorlegenden Gericht einlegte.

19      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass der Ausgang dieses zweiten Revisionsverfahrens von der Auslegung des Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 abhänge. Es würde nämlich eine Verwechslungsgefahr nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zwischen der Marke Nr. 6 und den von Colloseum vertriebenen Hosenmodellen bejahen, sofern die Marke Nr. 6 immer noch gültig sei.

20      Demnach sei zu klären, ob die Marke Nr. 6 im Sinne von Art.15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 rechtserhaltend benutzt worden sei. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts – an die das vorlegende Gericht nach deutschem Verfahrensrecht gebunden sei – sei die Marke Nr. 6 am 10. Februar 2005 eingetragen worden. Sie sei daher verfallen, wenn sie nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 18. Februar 2010 im Sinne dieser Bestimmung rechtserhaltend benutzt worden sei.

21      Weiter führt das vorlegende Gericht aus, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts habe Levi Strauss die Marke Nr. 6 nur in Form der Marke Nr. 3 benutzt. Im Streitfall komme es daher insbesondere darauf an, ob eine eingetragene Marke, die ein Bestandteil einer anderen Marke sei und infolge der Benutzung der anderen Marke Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 erlangt habe, durch die Verwendung dieser anderen Marke auch im Sinne von Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung rechtserhaltend benutzt werden könne.

22      Ob dies der Fall sei, könne nicht als geklärt angesehen werden. Das vorlegende Gericht weist auch darauf hin, dass die Marken Nrn. 3 und 6 nicht nur in Bestandteilen voneinander abwichen, die die Unterscheidungskraft der Marken nicht beeinflussten, so dass die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien, was das Ausgangsverfahren von dem Sachverhalt unterscheide, der dem Urteil vom 25. Oktober 2012, Rintisch (C‑553/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), zugrunde gelegen habe.

23      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist zudem in Betracht zu ziehen, dass Levi Strauss beim Vertrieb der Hosen das rote rechteckige Stofffähnchen mit der Aufschrift „LEVI’S“ verwendet habe und dadurch sowohl die Marke Nr. 6 als auch die Wortmarke „LEVI’S“ rechtserhaltend benutzt worden seien, die beide auch in ihrer zusammengesetzten Form als Marke Nr. 3 eingetragen seien. Ihm stelle sich deshalb die Frage, ob eine Marke im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 rechtserhaltend benutzt werden könne, wenn sie nur zusammen mit einer weiteren Marke verwendet werde, das Publikum in den zwei Marken selbständige Kennzeichen sehe und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen seien.

24      Der Bundesgerichtshof hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen,

1.      dass eine Marke, die Teil einer zusammengesetzten Marke ist und nur infolge der Benutzung der zusammengesetzten Marke Unterscheidungskraft erlangt hat, rechtserhaltend benutzt sein kann, wenn nur die zusammengesetzte Marke Verwendung findet;

2.      dass eine Marke rechtserhaltend benutzt wird, wenn sie nur zusammen mit einer weiteren Marke verwendet wird, das Publikum in den zwei Marken selbständige Kennzeichen sieht und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind?

 Zu den Vorlagefragen

25      Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Voraussetzung einer ernsthaften, d. h. rechtserhaltenden Benutzung einer Marke im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 erfüllt ist, wenn eine eingetragene Marke, die ihre Unterscheidungskraft infolge der Benutzung einer anderen, zusammengesetzten Marke erlangt hat, deren Bestandteil sie ist, nur vermittels dieser anderen zusammengesetzten Marke benutzt wird oder wenn sie nur in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind.

26      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bedeutet die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 der Verordnung Nr. 40/94, dass diese Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteil vom 12. Juli 2012, Smart Technologies/HABM, C‑311/11 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, für die Verbraucher das Unternehmen zu identifizieren, von dem die Ware stammt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. November 2004, Anheuser-Busch, C‑245/02, Slg. 2004, I‑10989, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Zu der Frage, wann eine Marke im Hinblick auf ihre Eintragung Unterscheidungskraft infolge ihrer Benutzung im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 erlangt, hat der Gerichtshof im Rahmen von Art. 3 Abs. 3 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1), die dieser Bestimmung der Verordnung Nr. 40/94 im Wesentlichen entspricht, festgestellt, dass sich der Erwerb der Unterscheidungskraft sowohl aus der Benutzung eines Teils einer eingetragenen Marke als deren Bestandteil als auch aus der Benutzung einer anderen Marke in Verbindung mit einer eingetragenen Marke ergeben kann. In beiden Fällen genügt es, dass infolge dieser Benutzung die angesprochenen Verkehrskreise die nur durch die angemeldete Marke gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung tatsächlich als von einem bestimmten Unternehmen stammend wahrnehmen (Urteil vom 7. Juli 2005, Nestlé, C‑353/03, Slg. 2005, I‑6135, Randnr. 30).

28      Folglich kommt es unabhängig davon, ob die Benutzung ein Zeichen als Teil einer eingetragenen Marke oder in Verbindung mit dieser betrifft, wesentlich darauf an, dass das Zeichen, dessen Eintragung als Marke beantragt wird, infolge dieser Benutzung die Waren, auf die es sich bezieht, bei den angesprochenen Verkehrskreisen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnen kann.

29      Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die in Randnr. 30 des Urteils Nestlé getroffene Feststellung von allgemeiner Tragweite ist und auch auf einen Fall übertragbar ist, in dem es darum geht, die besondere Unterscheidungskraft einer älteren Marke festzustellen, um das Vorliegen von Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zu ermitteln (vgl. Urteil vom 17. Juli 2008, L & D/HABM, C‑488/06 P, Slg. 2008, I‑5725, Randnrn. 50 bis 52).

30      Angesichts der Systematik und des Zwecks der Verordnung Nr. 40/94 sowie des Wortlauts von deren Art. 15 Abs. 1 ist festzustellen, dass die Schlussfolgerung, zu der der Gerichtshof in Randnr. 30 des Urteils Nestlé gelangt ist, auch gilt, soweit es um den Begriff „ernsthafte Benutzung“ im Hinblick auf die Erhaltung der Rechte des Inhabers einer eingetragenen Marke im Sinne dieser Bestimmung geht.

31      Zwar betrifft die Benutzung, durch die ein Zeichen nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 Unterscheidungskraft erlangt, die Zeit vor seiner Eintragung als Marke, wohingegen die ernsthafte Benutzung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung einen der Eintragung nachfolgenden Fünfjahreszeitraum betrifft, so dass die Benutzung im Sinne des genannten Art. 7 Abs. 3 für die Zwecke der Eintragung als solche nicht geltend gemacht werden kann, um die Benutzung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 für die Zwecke der Erhaltung der Rechte des Inhabers der eingetragenen Marke darzutun.

32      Jedoch ist festzustellen, dass der Begriff der „Benutzung“ einer Marke, wie aus den Randnrn. 27 bis 30 des Urteils Nestlé hervorgeht, seiner Wortbedeutung nach allgemein sowohl die selbständige Benutzung dieser Marke als auch ihre Benutzung als Bestandteil einer anderen Marke insgesamt oder in Verbindung mit dieser umfasst.

33      Wie die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof zutreffend bemerkt haben, kann das – stets wesentliche – Kriterium der Benutzung bei der Prüfung der Fragen, ob es geeignet ist, Rechte an einer Marke entstehen zu lassen, oder ob es geeignet ist, die Erhaltung solcher Rechte zu gewährleisten, nicht anhand unterschiedlicher Gesichtspunkte beurteilt werden. Ist es nämlich möglich, aufgrund einer bestimmten Form der Benutzung eines Zeichens Markenschutz für dieses zu erhalten, so muss durch die gleiche Form der Benutzung auch die Erhaltung dieses Schutzes gewährleistet werden können.

34      Deshalb ist davon auszugehen, dass die Anforderungen an die Prüfung der ernsthaften Benutzung einer Marke im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 denen entsprechen, die für den Erwerb der Unterscheidungskraft eines Zeichens durch Benutzung im Hinblick auf dessen Eintragung im Sinne von Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung gelten.

35      Hierbei ist jedoch zu beachten, dass, wie die deutsche Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Europäische Kommission zu bedenken geben, eine eingetragene Marke, die nur als Teil einer zusammengesetzten Marke oder in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird, weiterhin als Hinweis auf die Herkunft der betreffenden Ware wahrgenommen werden muss, soll diese Benutzung dem Begriff der „ernsthaften Benutzung“ im Sinne des Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 genügen.

36      Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Voraussetzung einer ernsthaften Benutzung einer Marke im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 erfüllt sein kann, wenn eine eingetragene Marke, die ihre Unterscheidungskraft infolge der Benutzung einer anderen, zusammengesetzten Marke erlangt hat, deren Bestandteil sie ist, nur vermittels dieser anderen zusammengesetzten Marke benutzt wird oder wenn sie nur in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind.

 Kosten

37      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Die Voraussetzung einer ernsthaften Benutzung einer Marke im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke kann erfüllt sein, wenn eine eingetragene Marke, die ihre Unterscheidungskraft infolge der Benutzung einer anderen, zusammengesetzten Marke erlangt hat, deren Bestandteil sie ist, nur vermittels dieser anderen zusammengesetzten Marke benutzt wird oder wenn sie nur in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind.

von Danwitz

Rosas

Juhász

Šváby                                                                                   Vajda

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. April 2013.

Der Kanzler