Anlässlich der Eindämmung des neuartigen Corona-Virus sind nun auch in Deutschland zahlreiche Veranstaltungen mit vielen erwarteten Besuchern abgesagt worden. Insbesondere die Musik- und Kulturszene trifft die zeitlich noch nicht absehbaren Maßnahmen hart, verfügen doch gerade kleinere Veranstalter und Clubs in der Regel nicht über die finanziellen Möglichkeiten, um langfristige Eventausfälle kompensieren zu können. In diesem Artikel klärt die Kanzlei Jüdemann Sie über sämtliche relevanten rechtlichen Fragen auf, die im Zusammenhang mit den virusbedingten Absagen für Veranstalter, Künstler und Besucher entstehen können.
Teil 2: Musikveranstaltungen
1. Rechte von Künstlern
Zahlreiche Bands, DJs und weitere Akteure der Kreativbranche sind unmittelbar von Eventabsagen betroffen. Teilweise lange im Voraus geplante Auftritte werden kurzfristig unter Berufung auf das Coronavirus vonseiten der Veranstalter abgesagt oder verschoben. Kann die ursprüngliche Location nicht für das Event verwendet werden oder wird die Veranstaltung vollständig abgesagt, behält der Künstler grundsätzlich einen Anspruch auf die vereinbarte Gage, sofern die Absage nicht so langfristig im Voraus erfolgt ist, dass ein Alternativ-Gig gefunden werden konnte. Allerdings gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass der Veranstalter das Event von sich aus abgesagt hat und nicht aufgrund einer behördlichen Anordnung oder der Berufung auf „höhere Gewalt“ (Details hierzu werden unter 4. erläutert).
Der bekannte Techno-DJ Dave Clarke wandte sich in einem Tweet an seine Kollegen und forderte sie für den Fall einer vom Veranstalter eigenständig vorgenommenen Absage von Events zur Loyalität mit ihren Vertragspartnern auf: „Diejenigen von euch, die aufgrund von Corvid 19 Gig-Absagen erhalten, sollten die Gebühren für den Gig bitte an die Veranstalter zurückschicken. Dadurch können sie den Fans das Ticket zurückerstatten und ihr helft damit den Veranstaltern, den finanziellen Verlust zu ertragen […].”
2. Rechte von Veranstaltern
Auf der anderen Seite des Vertrages stehen die Veranstalter, Inhaber von Konzertsälen, Clubs und Opernhäusern. Nur wenige sind gegen Pandemien oder Epidemien und daraus folgende Ausfälle versichert – in neueren Veranstaltungsausfallversicherungen sind daraus entstehende Risiken sogar erstmals ausgeschlossen.
Solange keine behördliche Anordnung zur Absage des Events ergeht, bleibt es Veranstaltern in der Regel selbst überlassen, ob sie die Veranstaltung stattfinden lassen möchten oder nicht. Fällt die Entscheidung für den vorsorglichen Schutz von Besuchern und Mitarbeitern aus, tragen die Veranstalter die Kosten für die Gagen der gebuchten Künstler sowie die Rückzahlung bereits verkaufter Tickets an Besucher des abgesagten Events. Bevor eine Veranstaltung abgesagt wird, muss jedoch zunächst die Möglichkeit eines Ersatztermins in Betracht gezogen werden. Ist ein solcher für die jeweiligen Künstler zumutbar, erhält der Veranstalter einen Anspruch auf entsprechende Anpassung des Vertrages. Die verkauften Tickets behalten dann ihre Gültigkeit (für den geänderten Termin) und geschlossene Verträge mit Künstlern bleiben bestehen.
Andere rechtliche Folgen hat es, wenn „höhere Gewalt“ vorliegt (dazu unter 4. mehr). Sind dem Veranstalter eigene Mitarbeiter oder frühere Besucher bekannt, die am Coronavirus erkrankt sind, kann dies ebenfalls zur Annahme von „höherer Gewalt“ führen, sodass der Veranstalter trotz der eigenständigen Absage des Events zum vorsorglichen Schutz der Besucher von all seinen Hauptleistungspflichten befreit wird. Dann entfällt seine Verpflichtung, den Künstlern die vereinbarte Gage zu zahlen.
3. Rechte von Ticketinhabern
Bei Personen, die bereits im Vorfeld der Veranstaltung ein Ticket erworben haben, müssen verschiedene Konstellationen auseinandergehalten werden. Findet die Veranstaltung statt, der Ticketinhaber möchte jedoch aus Angst vor einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus diese nicht besuchen, besteht kein Anspruch auf Rückerstattung des Ticketpreises. Die bloße Angst vor einer Ansteckung stellt keinen Rücktrittsgrund vom Vertrag dar. Gleiches gilt, wenn die Person unter Quarantäne gestellt wurde und aus diesem Grund nicht am Event teilnehmen kann. Allerdings bieten in diesen Fällen einige Veranstalter aus Kulanz trotzdem die Rückerstattung des Ticketpreises oder die Wahrnehmung eines Ersatztermins an.
Wird die Veranstaltung abgesagt, haben Ticketinhaber in jedem Fall einen Anspruch auf Rückzahlung des Ticketpreises gegenüber dem Veranstalter. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob das Event vorsorglich oder aufgrund von „höherer Gewalt“ abgesagt wurde.
4. „Höhere Gewalt“
Nach den allgemeinen Beweisregeln muss derjenige, der sich für die Absage einer Veranstaltung auf „höhere Gewalt“ beruft, die Gründe für ihr Vorliegen beweisen. Etwa im Falle einer behördlichen Absage aufgrund der Infektionsgefahr des Coronavirus liegt ein Fall „höherer Gewalt“ vor. Höhere Gewalt ist ein externes Ereignis, das keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch nicht durch äußerste Sorgfalt abwendbar ist. Eine ähnliche Definition existiert in allen kontinentaleuropäischen und angelsächsisch geprägten Ländern. Unter den Begriff „höhere Gewalt“ fallen bspw. Ereignisse wie Naturkatastrophen, Streiks und terroristische Angriffe, aber auch Epidemien und Seuchen können als höhere Gewalt angesehen werden. Dies haben z.B. das AG Augsburg (Urteil v. 9. November 2004 – 14 C 4608/03) im Hinblick auf den Ausbruch des SARS-Virus und das AG Homburg (Urteil v. 2. September 1992 – 2 C 1451/92-18) bezüglich eines Ausbruchs von Cholera entschieden.
Wird „höhere Gewalt“ angenommen, liegt der Grund einer Absage nicht länger im Verantwortungsbereich des Veranstalters. Da das Coronavirus inzwischen allgemein nicht mehr nur als Epidemie, sondern gar als Pandemie bezeichnet wird, liegt in den meisten Fällen die Bejahung von „Höherer Gewalt“ als Grund für die Event-Absage nahe, auch ohne entsprechende Anordnung durch das zuständige Gesundheitsamt. Zum einen gibt es eine Vielzahl von behördlichen Maßnahmen (Ausgangssperren in China, eine amtliche Reisewarnung der Bundesregierung, Einstufung der WHO als gesundheitliche Notlage mit internationaler Tragweite), zum anderen wurde historisch auch im Zusammenhang mit der SARS-Epidemie 2003 oft „höhere Gewalt“ bejaht. Anordnungen von den zuständigen Gesundheitsämtern, die die Durchführung einer Veranstaltung als unzumutbar einordnen, werden anhand verschiedener Kriterien getroffen: Insbesondere die Dauer der Veranstaltung, Gegebenheiten der Örtlichkeiten, Möglichkeiten zur Händehygiene sowie die Teilnahme von Risikogruppen sind wichtige Indikatoren für die Entscheidung. Je mehr Faktoren vorliegen, welche eine Infektionsgefahr erhöhen, desto eher ist eine Unzumutbarkeit der Durchführung der Veranstaltung anzunehmen.
Als Rechtsfolge von „höherer Gewalt“ werden die Vertragsparteien von sämtlichen ihrer Hauptleistungspflichten befreit, sodass jede Seite die schädlichen Auswirkungen des Ereignisses selbst tragen muss. Künstler haben demnach keinen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Gage. Da die den Ticketinhabern zugesagte Veranstaltung nicht stattfindet und somit unmöglich geworden ist, steht ihnen auch im Falle „höherer Gewalt“ ein Anspruch auf Rückzahlung der Ticketpreise zu. Insgesamt sind alle bereits im Vertrauen auf das Stattfinden des Events getätigten Leistungen zurückzugewähren.
Die Bejahung von „höherer Gewalt“ ist allerdings stark einzelfallabhängig und somit erheblichen Rechtsunsicherheiten unterworfen. Lassen Sie sich von uns als kompetentem und seit Jahren im Veranstaltungs- und Musikrecht tätigen Partner schnell und sicher beraten, damit Sie Ihre bestehenden Rechte effektiv wahrnehmen können! Nutzen Sie hierzu auch unsere kostenlose Erstberatung, um unverbindlich Kontakt mit uns aufzunehmen.