BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 79/12
(…)
Gründe
I.
Das Wortzeichen
Spielwarenmesse
ist am 28. September 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen
Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Dienst-
leistungen der
Klasse 35:
Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem Gebiet der
Spielwaren.
Mit Beschluss vom 20. Juni 2012 hat die Markenstelle für Klasse 35 die
Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG wegen fehlender
Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit zurückgewiesen. Zur Begründung
hat sie ausgeführt, der jedermann unmittelbar verständliche und geläufige Gat-
tungsbegriff ,,Spielwarenmesse” bringe zum Ausdruck, dass es sich um eine
Messe für Spielwaren handele. Zu den beteiligten Verkehrskreisen gehörten
sowohl Fachkreise als auch weitere interessierte Kreise der Spielwarenbranche,
d. h. Aussteller, Händler, Hersteller und Veranstalter, sowie weitere Personen-
kreise wie Journalisten. Ihnen werde vermittelt, dass die Veranstaltung eine Aus-
stellung zur Thematik ,,Spielwaren” betreffe. Dadurch bestehe ein beschreibender
Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen ,,Veranstaltung von gewerblichen
Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren”. Auch wenn die angemeldete Wort-
kombination nicht lexikalisch nachweisbar sei, handele es sich nicht um eine
ungewöhnliche und gar kreative Neuschöpfung.
Denn diese Bezeichnung sei gebräuchlich, wie z. B. folgende Ergebnisse einer
Internetrecherche verdeutlichten (Anlagen zum angefochtenen
eschluss, Bl….; ,,S… in D…”; M… … 2012/2013 …”.
Die angemeldete Bezeichnung sei auch freihaltebedürftig. Denn jeder Wettbewerber,
der gegenwärtig oder zukünftig ,,Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren” anbiete,
müsse die An-
gaben, die zur Beschreibung seiner Angebote dienen können, benutzen können.
Eine Verkehrsdurchsetzung des Anmeldezeichens sei weder schlüssig vorge-
tragen noch belegt. Die Unterlagen, insbesondere über umfangreiche Werbemaß-
nahmen, bedeutende Umsätze oder große Bekanntheit, erbrächten keinen Nach-
weis einer markenmäßigen Benutzung der angemeldeten Wortkombination. So-
weit diese mit grafischen Zusätzen oder in abgewandelter Form verwendet wor-
den sei, werde nicht die Benutzung des Anmeldezeichens nachgewiesen. Auch
bei der Verwendungsvariante ,,B…
…” könne nicht festgestellt werden, dass der Bestandteil ,,Spielwaren
messe” kennzeichenmäßig hervortrete. Denn bis auf den (kennzeichnungskräf-
tigen) Bildbestandteil (Schaukelpferd) seien alle Wortbestandteile beschreibender
Natur. Da der Bildbestandteil deutlich kennzeichnungskräftiger sei, verstünden die
angesprochenen Verkehrskreise ,,Spielwarenmesse” auch nicht als (Zweit-)Marke.
Daran änderten auch die Berichterstattungen in der Presse nichts. Denn bei der
Verwendung des Wortes ,,Spielwarenmesse” in Überschriften oder innerhalb des
-4-
Textes werde darin kein Kennzeichen gesehen. Bei Bezeichnungen wie der vor-
liegenden, die eine Leistung ihrer Gattung nach beschrieben, liege es nahe, dass
das Publikum diesen Hinweis mit dem marktstärksten Anbieter in Verbindung
bringe, ohne in ihr einen markenmäßigen Hinweis zu sehen. Damit fehlten auch
nach Würdigung des vorgelegten umfangreichen Materials Anhaltspunkte dafür,
dass von der Anmelderin den beteiligten Verkehrskreisen das konkret bean-
spruchte Zeichen als Marke nahe gebracht worden sei und die Voraussetzungen
für eine Verkehrsdurchsetzung vorlägen, so dass es auf ein Verkehrsgutachten
nicht ankomme. Im Übrigen gebe es auch hinsichtlich des vorgelegten Gutach-
tens Bedenken. Zwar sähen 62,9 % der Befragten in ,,Spielwarenmesse” einen
Hinweis auf einen bestimmten Veranstalter. Hiervon seien aber die Falschbenen-
nungen in Höhe von insgesamt 17,9 % (in TAB.: 50: M1… mit 3,5 %,
N… mit 2,5 %, N… AG mit 1,0 %, N… EG
mit 0,5 %, N1… mit 1,5 %, M… GmbH mit 0,5 %
M2… Sonstige mit 0,5 % sowie in TAB.: 60: M1… mit 1,5 %,
… mit 5,4 %) in
… mit 0,5 %, P… mit 0,5 % sowie Sonstige mit 5,4 %) in
Abzug zu bringen, woraus sich ein Zuordnungsgrad von weniger als 50 % ergebe.
Die Nennungen ,,M1…”, ,,M… GmbH” und M2…
… wiesen nicht auf die Anmelderin hin, sondern auf das Unter-
nehmen ,,N…”, dessen Portfolio als Messegesellschaft rund 120 nati-
onale und internationale Fachmessen und Kongresse am Standort in Nürnberg
umfasse, darunter auch die Spielwarenmesse der Anmelderin (Anlage zum an-
gefochtenen Beschluss, Bl. 92 VA). Von den befragten Fachkreisen dürfe zu er-
warten sein, dass ihnen dieser Unterschied vertraut sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß
beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
20. Juni 2012 aufzuheben.
Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an. Sie vertritt die An-
sicht, dass der Begriff ,,Spielwarenmesse” weder lexikalisch nachweisbar noch ein
Die vom Amt recherchierte, angebliche ,,S… geläufiges Wort sei.
…” habe tatsächlich den Namen ,,Internationale Spieltage SPIEL” und sei an-
ders als die ,,Spielwarenmesse” im vorliegenden Verfahren eine Publikumsmesse,
die für jedermann zugänglich sei (Anlage A20, Bl. 25 GA). Eine ,,S…
in D…” gebe es nicht. Der Link auf der Seite ,,www.weisser-hirsch.de” führe
zur Anmelderin (Anlage A21, Bl. 26 ff. GA). Gäbe es mehrere Spielwarenmessen
oder wäre ,,Spielwarenmesse” ein Begriff für verschiedene Messen, so würde auf
der vorgenannten Internetseite nicht von ,,der Spielwarenmesse”, sondern von ,,ei-
ner Spielwarenmesse” berichtet. Von sämtlichen vom Amt angeführten Messen,
die sich thematisch mit Spielwaren befassten, trage ausschließlich die Anmelderin
den Namen die ,,Spielwarenmesse”. Die überwiegende Mehrheit der Treffer bei
der Suche nach dem Stichwort ,,Spielwarenmesse” weise allein auf die Anmelderin
hin. Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen gehörten nur Händler und Hersteller
von Spielwaren. Journalisten gehörten nicht dazu, weil sie die angemeldeten
Dienstleistungen nicht in Anspruch nähmen, sondern lediglich darüber berichteten.
Das vorgelegte demoskopische Gutachten der G… vom 4. März 2011
sei von der Markenstelle nicht hinreichend und falsch gewürdigt worden.
Entgegen der Ansicht der Markenstelle seien die Nennungen ,,M1… mit 3,5 ,
,,N…” mit 2,5 %, ,,N… AG” mit 1 %, ,,N…
EG” mit 0,5 % sowie ,,M… GmbH” mit 0,5 % nicht in Abzug zu
bringen. Denn die N… GmbH sei wirtschaftlich eng mit der Anmel
derin verbunden. Die N… GmbH sei auf dem Dienstleistungsgebiet
der Anmelderin selbst nicht tätig und unterstütze nur deren Aktivitäten. Wegen der
Einzelheiten wird auf Seite 7 des Schriftsatzes vom 15. März 2012 (Bl. 32 VA)
nebst Anlagen A13 – A17 (Bl. 37 61 VA) sowie die Anlagen A21a A23 (Bl. 27
35 f. GA) Bezug genommen. Auch mit der Bezeichnung ,,N…” sei die
Anmelderin gemeint, weil die jährlich die Veranstaltung der Anmelderin besuchen-
den Fachbesucher auf dem Messegelände in Nürnberg nicht nur die Anmel-
debezeichnung, sondern auch die an den Hallen groß angebrachte Bezeichnung
,,N…” sähen. Die Firma B… GmbH, die seit vielen Jahren in
der Branche etabliert sei, spreche ebenfalls in ihrem Internetauftritt von der
,,M… 2012″ (Anlage A24, Bl. 37 GA) und meine damit die Anmelderin.
Auch die Stadt Nürnberg sei wirtschaftlich eng verbunden mit der N…
GmbH und mit der Anmelderin. Wegen der Einzelheiten wird auf
Anlage A13 (Bl. 37 VA) verwiesen. Die angesprochenen Verkehrskreise meinten
die Anmelderin, wenn Sie die Stadt Nürnberg nennen würden. Dies belege auch
eine E-Mail-Korrespondenz zwischen dem anwaltlichen Vertreter der Anmelderin
und einem chinesischen Mandanten, in welcher die Anmelderin ausdrücklich als
,,the Nuremburg” (Anlage A25, Bl. 38 f. GA) bezeichnet worden sei. Abzüge aus
der Tabelle 60 (Anlage A1 ,,3. Tabellarische Ergebnisse”) seien nicht zulässig, weil
dort nur diejenigen Befragten aufgeführt seien, welche schon zuvor angegeben
hätten, dass sie die Bezeichnung ,,Spielwarenmesse” als Hinweis auf mehrere
Messeveranstalter verstünden (Anlage A26, Bl. 40f. GA). Die angesprochenen
Verkehrskreise bezeichneten die angemeldete Dienstleistung mündlich wie
schriftlich allein als ,,Spielwarenmesse”, auch wenn die angemeldete
Wortkombination in Verbindung mit weiteren Bestandteilen verwendet werde.
Soweit Zweifel daran bestünden, ob das Wortzeichen in Alleinstellung
Verkehrsdurchsetzung erlangt habe, würden diese durch das vorgelegte
Verkehrsgutachten beseitigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Das angemeldete Wortzeichen ,,Spielwarenmesse” ist für die beanspruchte
Dienstleistung in Klasse 35 ,,Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf
dem Gebiet der Spielwaren” aufgrund der nachgewiesenen Verkehrsdurchsetzung
schutzfähig (§ 8 Abs. 3, § 37 Abs. 2 MarkenG).
1.
Die beanspruchte Bezeichnung ,,Spielwarenmesse” ist als beschreibende Angabe
nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von Haus aus freihaltebedürftig.
a)
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken nicht schutzfähig, die aus-
schließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung
der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder
sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen kön-
nen. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel ver-
folgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren
oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden
könn
en und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten
werden (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 – Chiemsee; GRUR 2004, 680,
681 Rdnr. 35, 36 BIOMILD; GRUR 2008, 503 Rdnr. 22, 23 ADIDAS II). Als
beschreibend im Sinne dieser Vorschrift können dabei auch sprachliche
Neuschöpfungen angesehen werden, die aus mehreren Bestandteilen zusammen-
gesetzt sind, wenn für die Neuschöpfung selbst in ihrer Gesamtheit ein beschrei-
bender Charakter feststellbar ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 – BIOMILD). Ferner er-
fordert das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht, dass die frag-
lichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für
Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden, vielmehr
genügt, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können (EuGH GRUR
2004, 146, 147 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38 – BIOMILD). Dies ist
bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es – in üblicher Sprachform und für die
beteiligten Verkehrskreise verständlich – ein Merkmal der in Rede stehenden Wa-
ren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. Rdnr. 32 – DOUBLEMINT;
a. a. O. Rdnr. 38, 39 – BIOMILD). Bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit ist
immer auf das Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksa-
men und verständigen Durchschnittsverbrauchers der angesprochenen Verkehrs-
kreise abzustellen (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 – SAT 2; GRUR 2006,
411, 412 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH BGH GRUR 2006, 850, 854
Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006).
b)
Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der
beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in
denen die fragliche Bezeichnung Verwendung finden oder Auswirkungen haben
kann. Zu den hier von der angemeldeten Dienstleistung ,,Veranstaltung von ge-
werblichen Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren” angesprochenen in-
ländischen Verkehrskreisen zählen nur Fachkreise, d. h. Personen, die in ihren
Unternehmen in verantwortlicher Position mit dem Ausstellen auf Messen oder
dem Besuch von Messen innerhalb der Spielwarenbranche zu tun haben, nämlich
vorwiegend Händler und Hersteller von Spielwaren.
c)
Das Anmeldezeichen setzt sich aus den deutschen Substantiven ,,Spielwaren” und
,,Messe” zusammen.
aa)
,,Spielwaren” sind ,,als Waren angebotenes Spielzeug für Kinder” (Duden
Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]).
bb)
Unter einer ,,Messe” versteht man einen ,,katholischen Gottesdienst mit Feier der
Eucharistie”, ,,geistliche Komposition als Vertonung der liturgischen Bestandteile
der Messe”, eine ,,große [internationale] Ausstellung von Warenmustern eines
oder mehrerer Wirtschaftszweige”, ,,Jahrmarkt, Kirmes” (Duden Das Fremdwör-
terbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]; Duden Deutsches Universalwörterbuch,
a. a. O.), eine ,,Tischgenossenschaft von [Unter]offizieren auf [Kriegs]schiffen”
oder einen ,,Speise- und Aufenthaltsraum eines [Kriegs]schiffes; Schiffskantine”
(Duden Das Fremdwörterbuch, a. a. O.).
cc)
Auch wenn der Gesamtbegriff ,,Spielwarenmesse” lexikalisch nicht nachweisbar ist
(www.duden.de), wird er vom angesprochenen Fachpublikum im Zusammenhang
mit der Dienstleistung ,,Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem
Gebiet der Spielwaren” ausschließlich als eine ,,große Ausstellung von Warenmus-
tern von Kinderspielzeug” verstanden. Das schutzsuchende Zeichen erschöpft
sich somit in einer Sachaussage über die Art und Bestimmung der Dienstleistung.
2.
Da das angemeldete Zeichen zur Beschreibung der von der Anmeldung erfassten
Dienstleistung dienen kann und somit nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, kann dahingestellt bleiben, ob
darüber hinaus auch das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft (§ 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) vorliegt.
3.
Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG können der Eintragung
aber schon deshalb nicht entgegenstehen, weil sich das angemeldete Wortzei-
chen für die Dienstleistung ,,Veranstaltung von gewerblichen Fachmessen auf dem
Gebiet der Spielwaren” infolge seiner Benutzung im Verkehr durchgesetzt hat (§ 8
Abs. 3 MarkenG).
a)
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 3 Abs. 3
MarkenRL ist Voraussetzung für eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungs-
kraft, dass ein wesentlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Marke
mit einem Unternehmen in Verbindung bringt (GRUR 2002, 804, 808, Rdnr. 65 –
Philips). Die Prüfung, ob das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch konkrete
und verlässliche Informationen belegt ist, obliegt dem nationalen Gericht, d. h. hier
dem zur Entscheidung berufenen Senat, wobei eine Gesamtschau sämtlicher
relevanter Gesichtspunkte geboten ist (EuGH GRUR 1999, 723, 727, Rdnr. 49, 54
– Chiemsee). In die Prüfung einzubeziehen sind u. a. der von der Marke gehaltene
Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Mar-
kenbenutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke sowie der Teil
der beteiligten Verkehrskreise, der die Waren und Dienstleistungen auf Grund der
Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt (EuGH,
a. a. O., Rdnr. 51 – Chiemsee; Rdnr. 60 – Philips). Dabei kommt es nicht allein auf
generelle und abstrakte Angaben, z. B. bestimmte Prozentsätze, an (EuGH,
a. a. O., Rdnr. 62 – Philips), wenngleich in schwierig zu beurteilenden Fällen auch
Verbraucherbefragungen nach Maßgabe des nationalen Rechts zusätzlich
Berücksichtigung finden können (EuGH, a. a. O., Rdnr. 53 – Chiemsee).
b)
Den diesen Anforderungen genügenden Nachweis der Verkehrsdurchsetzung
sieht der Senat durch das von der Anmelderin vorgelegte demoskopische Gut-
achten zur Frage der Verkehrdurchsetzung der Bezeichnung ,,Spielwarenmesse”
vom 4. März 2011 als erbracht an.
aa)
Von einer markenmäßigen Verwendung des Wortzeichens kann ausgegangen
werden. Die angesprochenen Fachverkehrskreise nehmen das Wort ,,Spielwaren-
messe” auch dann als eigenständiges Zeichen wahr, wenn es in Kombination mit
weiteren Elementen benutzt wird. Denn sie sind es in dieser Branche gewohnt,
dass Unternehmen Zweitkennzeichen verwenden (EuGH GRUR 2005, 763, 764
Rdnr. 30 HAVE A BREAK … HAVE A KIT KAT; BGH GRUR 2000, 510 f. –
Contura). Hinzu kommt, dass das Anmeldezeichen ausgesprochen werden kann,
während das Schaukelpferd-Logo eine Bildmarke der Anmelderin ist. Die ange-
meldete Dienstleistung wird daher mündlich wie schriftlich nur als ,,Spielwaren-
messe” bezeichnet. Selbst wenn aber die angemeldete Wortkombination stets nur
in Verbindung mit weiteren Bestandteilen verwendet würde und deshalb Zweifel
daran bestünden, ob sie in Alleinstellung Verkehrsdurchsetzung erlangt hat, wer-
den solche Zweifel durch die vorgelegte Verkehrsbefragung beseitigt (vgl. BGH
GRUR 2010, 138, 141 Rdnr. 38 f. ROCHER-Kugel).
bb)
Ausweislich des demoskopischen Gutachtens vom 4. März 2011 sind insgesamt
202 Personen befragt worden, die als Hersteller von Puppen und Plüschtieren
oder Spielen, Spielwaren, Kinderfahrzeugen, Eisenbahnen oder als Groß- und
Einzelhändler mit Spielwaren und Hobbyartikeln in ihren Unternehmen in ver-
antwortlicher Position mit dem Ausstellen auf oder dem Besuch von Messen zu
tun haben. Dieser Personenkreis ist für die beanspruchte Dienstleistung ,,Veran-
staltung von gewerblichen Fachmessen auf dem Gebiet der Spielwaren” als maß-
geblicher Fachverkehrskreis richtigerweise zugrunde gelegt worden.
cc)
Bei diesen befragten Fachkreisen wurde ein Bekanntheitsgrad der angemeldeten
Bezeichnung für die beanspruchte Dienstleistung von 97,5 % ermittelt.
dd)
127 Personen des befragten Fachverkehrskreises haben die Frage, ob die
Bezeichnung ,,Spielwarenmesse” auf ein ganz bestimmtes Unternehmen hinweist,
bejaht. Dieses Ergebnis entspricht einem Kennzeichnungsgrad von 62,9 %. Von
diesem Prozentsatz sind 0,5 % der in Tabelle 50 aufgeführten Fehlzuordnungen
mit der Angabe ,,Sonstige”, d. h. von den Befragten genannte andere Unterneh-
men als die Anmelderin, in Abzug zu bringen.
ee)
Entgegen der Ansicht der Markenstelle sind keine weiteren Abzüge vorzunehmen.
aaa)
Abzüge aus der Tabelle 60 können nicht vorgenommen werden. Die Tabelle 60
(Anlage A1 ,,3. Tabellarische Ergebnisse”) betrifft nämlich nur diejenigen Befrag-
ten, die schon zuvor angegeben hatten, dass sie die Bezeichnung ,,Spielwaren-
messe” als Hinweis auf mehrere Messeveranstalter verstünden. Diese sind bereits
im Vorfeld abgezogen worden und in den 62,9 % gar nicht enthalten (Anlage A26,
Bl. 40 f. GA). Sie dürfen daher kein zweites Mal abgezogen werden.
bbb)
Bei den von der Markenstelle genannten angeblichen Fehlzuordnungen in der
Tabelle 50: ,,M1…”, ,,N… AG”,
,,N… EG”, ,,N1…”, ,,M… GmbH” handelt es
sich entweder um Unternehmen oder die Stadt Nürnberg, die mit der Anmelderin
wirtschaft- lich eng verbunden sind, oder um eine andere, in den angesprochenen Fachver-
kehrskreisen geläufige Bezeichnung der von der Anmelderin veranstalteten Fach-
messe.
(1) Die Benennung von mit der Anmelderin rechtlich oder wirtschaftlich verbun-
denen Unternehmen sind der Anmelderin zuzurechnen (BGH GRUR 2008, 505
Rdnr. 30 TUC-Salzcracker).
Die Anmelderin hat belegt, dass sie Gründungsmitglied und Mitgesellschafterin
der M1…-GmbH war, aus der später die N… GmbH her
vorging. Bei Gründung dieser Gesellschaft, die sich zunächst M…-GmbH
nannte, am 10. Juni 1952 war die Anmelderin mehrheitlich mit 6/11 Anteilen an
der Gesellschaft beteiligt; 5/11 Anteile entfielen auf die Stadt Nürnberg (Anlage
A21a, Bl. 27 f. GA). Gemeinsam bauten die Stadt Nürnberg und die Anmelderin in
den Jahren 1952/53 die erste Messehalle. An den Baukosten in Höhe von
… DM beteiligten sich die Anmelderin mit einem Darlehen in Höhe von
… DM und die Stadt Nürnberg mit einem Darlehen
in Höhe von … DM (Anlage A21a, Bl. 28 GA). Auch die weiteren Messehallen, die bis
in die 60er Jahre erstellt wurden, waren von der vorgenannten M3…-
GmbH … (jetzt N… GmbH) erstellt worden. Inzwischen hat sich lediglich das Gesellschafterbeteiligungsverhältnis geändert, weil die Stadt
Nürnberg eine 2/3-Mehrheit übernommen hat (Anlage A21b, Bl. 29 32 GA).
Aktuell bauen die N… GmbH und die Anmelderin
vereinbarungsge mäß eine neue Halle, die Halle 3A, für die Anmelderin, die sie mit einem
Darlehen finanziert. Der entsprechende Rahmenvertrag zwischen der N… GmbH und der Anmelderin (Anlage A16, Bl. 44 58 VA) ist bis zum Jahr 2021
verlängert worden (Anlage A22, Bl. 33 f. GA, Anlage A23, Bl. 35 f. GA).
Antworten, die sinngemäß die N… GmbH meinen, sind folglich der Anmelderin
zuzurechnen. Denn die N… GmbH ist auf dem Dienstleistungsgebiet
der Anmelderin nicht tätig und unterstützt nur deren Aktivitäten. Soweit die Befrag-
,,N… GmbH” die Bezeichnungen
ten statt des richtigen Firmennamens
,,N… AG” ,,N… EG”
oder genannt haben, handelt
es sich nur um unschädliche Falschbezeichnungen entweder der mit der Anmel
derin wirtschaftlich verbundenen ,,N… GmbH” oder der Anmelderin selbst.
(2) Die Stadt Nürnberg ist als Gesellschafterin der N… GmbH (An
lage A13, Bl. 37 VA), wie bereits dargelegt, ebenfalls wirtschaftlich eng mit der
Anmelderin verbunden. Die angesprochenen Fachverkehrskreise unterscheiden in
dem in Rede stehenden Dienstleistungsbereich nicht zwischen der Stadt Nürnberg
und der Anmelderin, sondern meinen letztere, wenn sie die Stadt Nürnberg nen-
nen. Dies belegt eine E-Mail-Korrespondenz zwischen dem anwaltlichen Vertreter
der Anmelderin und einem chinesischen Mandanten, in dem eine Besprechung
auf der Spielwarenmesse 2010 erwähnt wird. Dort bezeichnet der Aussteller die
– 14 –
Anmelderin in seiner E-Mail ausdrücklich als ,,the Nuremburg” (Anlage A25,
Bl. 38 f GA). Daher sind auch die Antworten, die die Stadt Nürnberg nennen, der
Anmelderin zuzurechnen.
(3) Dass im vorliegenden Dienstleistungsbereich die Stadt Nürnberg mit der An-
melderin gleichgesetzt wird, ergibt sich auch daraus, dass die in Nürnberg statt-
findende Spielwarenmesse der Anmelderin die weltweit wichtigste Spielwaren-
messe ist (http://de.wikipedia.org/wiki/Spielwarenmesse). Aus diesem Grund ist
mit der Nennung der ,,M1…” auch die Anmelderin gemeint. Denn die
jährlich die Veranstaltung der Anmelderin besuchenden Fachbesucher sehen auf
dem Messegelände in Nürnberg nicht nur das Anmeldezeichen, sondern auch die
an den Hallen groß angebrachte Bezeichnung ,,N…”. Dabei handelt
es sich aber um die Leuchtschriften der N… GmbH an den Messe
hallen, von der die Anmelderin nicht verlangen kann, dass diese während der nur
sechs Tage andauernden ,,Spielwarenmesse” der Anmelderin an allen Messe-
,,M1…” nur da
hallen entfernt werden. Dennoch ist die Benennung
hingehend zu verstehen, dass die Befragten damit die Anmelderin bezeichnen. So
spricht z. B. auch die Firma B… GmbH, die seit vielen Jahren in der
Branche etabliert ist, in deren Internetauftritt von der ,,M… 2012″
(Anlage A24, Bl. 37 GA) und meint damit die Anmelderin.
ff)
Nach Abzug der Fehlzuordnungen in Höhe von 0,5 % vom Kennzeichnungsgrad in
Höhe von 62,9 % ermittelt man einen Zuordnungsgrad von 62,4 %. Wenn eine
Fehlertoleranz überhaupt zu berücksichtigen ist, was der Bundesgerichtshof
bisher ausdrücklich offen gelassen hat (BGH GRUR 2009, 954, 957, Rd-
nr. 37 – Kinder III), ist mindestens von einem Durchsetzungsgrad von 52,4 %
(62,4 % – Fehlertoleranz von 10 %) auszugehen, der immer noch über dem von
der Rechtsprechung geforderten Mindestprozentsatz von 50 % liegt (EuGH GRUR
1999, 723, 727 Chiemsee; BGH GRUR 2006, 760 [762 re. Sp.] LOTTO;
GRUR 2001, 1042, 1043 REICH UND SCHÖN).
Grabrucker Kortge Uhlmann
Hu