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BGH, Urteil vom 13.10.1965 ( Ib ZR 111/63)

Die Klägerin betreibt eine kunstgewerbliche Werkstatt für religiöse Kunst. Sie stellt Reproduktionen von Bildwerken her, die entweder aus Kunstharz gegossen sind oder aber durch die von ihr beauftragte Firma B. in Holz geschnitten werden. Zu diesem Zwecke läßt sie sich Kunstwerke, die sich in Museen oder Privatbesitz befinden und deren Reproduktionen zu einem Vertrieb im Handel geeignet erscheinen, aushändigen, um mit Erlaubnis des Eigentümers einen Abguß in Originalgröße zu nehmen. Von diesem Abguß fertigt sie dann die Formen, die sie zum Guß der Plastik in Kunstharz benötigt. Dabei werden die Originalmodelle zum Teil auch maßstabgerecht verkleinert. Die Abgüsse werden auch zur Herstellung der Holzplastiken verwendet, wobei die Umrisse – in der Regel ebenfalls wieder verkleinert – zunächst mit einer Holzschnitzereikopiermaschine im Umriß gefräst, die feineren Einzelheiten aber dann mit der Hand geschnitzt werden. Für die von ihr gefertigten Erzeugnisse betreibt die Klägerin eine umfangreiche Werbung, insbesondere durch einen Katalog mit dem Titel “Museums-Skulpturen” und durch Ausstellungen auf Messen.

Zu den Reproduktionen der Klägerin, die bei dem Publikum einen großen Anklang gefunden haben, gehört auch die Nachbildung der sog. “Apfel-Madonna”, deren Original sich im Suermondt-Museum in Aachen befindet, in dessen Eigentum sie steht. Diese Madonna – Maria mit Kind, das nach einem Apfel greift – stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist im Original 123 cm hoch. Sie trug früher eine diademartige, durch reiche Filigranarbeit verzierte Krone aus Metall, die von der Museumsleitung vor Jahren entfernt worden ist. Die Klägerin stellt von dieser Madonna Reproduktionen im Gußverfahren in Höhe von 42 cm und 130 cm her. Das Modell für den 42 cm großen Abguß hat der verstorbene Bildhauer F. für die Klägerin gefertigt.

Der Beklagte ist Kunstbildhauer. Er hat seit dem Jahre 1956 von Skulpturen, von welchen die Klägerin Reproduktionen in Verkehr bringt, Nachbildungen in Holz geschnitzt und verkauft, darunter auch von der “Apfel-Madonna”, und zwar in einer Größe von 44 cm, 60 cm und 70 cm, wobei der Sockel des 44-cm-Modells 2 cm höher ist als der des 42-cm-Modells der Klägerin. Der Beklagte verkauft seine Nachbildungen zu einem Preis, der billiger ist als der von der Firma B. für die Holznachbildungen des Kunstharzerzeugnisses der Klägerin verlangte Preis. Für die Ausführung der gröberen Arbeiten verwendet er teilweise Fräsmaschinen, während die feinere Ausarbeitung durch Handschnitzerei erfolgt.

Die Klägerin hält dieses Verhalten des Beklagten für unzulässig.

Mit der Klage begehrt sie, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen,

die sogenannte “Apfel-Madonna” (Maria mit Kind) zum Kauf anzubieten, geschäftlich zu vertreiben oder in der Werbung für seinen Gewerbebetrieb auf sie hinzuweisen oder auf sie hinweisen zu lassen.

Diesen K l a g e a n t r a g hat die Klägerin dahin erläutert, sie verlange ein Verbot nicht nur des Inhalts, daß dem Beklagten die Nachahmung der von ihr gefertigten Skulpturen, sondern, daß ihm die Nachahmung der im Museum befindlichen Originalskulptur untersagt werde, Selbst wenn der Beklagte künftig

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die von ihr gegenüber dem Original geschaffenen Abweichungen weglassen sollte, wäre ihm immer noch zum Vorwurf zu machen, daß er die von der Klägerin hergestellten Reproduktionen dazu benütze, das Originalwerk nachzubilden und daß er damit in ihr kraft Erlaubnis der Museumsleitung bestehendes ausschließliches Reproduktionsrecht eingreife.

Mit einem Urteil, das den Beklagten lediglich verurteile, die dem Originalwerk hinzugefügten “eigentümlichen Züge” wegzulassen, sei ihr nicht gedient.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin den Beklagten auf Grund des § 1 UWG verurteilt, es zu unterlassen,

Kopien von der sogenannten “Apfel-Madonna” (Mutter mit Kind) zum Kauf anzubieten, geschäftlich zu vertreiben oder in der Werbung für seinen Geschäftsbetrieb auf sie hinzuweisen oder auf sie hinweisen zu lassen.

Die Revision führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Aus den Gründen:

I.

Rechtsirrtumsfrei geht das Berufungsgericht nach der Fassung des Klageantrags und den dazu von der Klägerin gegebenen Erläuterungen davon aus, daß das Ziel des Klagebegehrens nicht sei, dem Beklagten zu untersagen, bei Nachbildungen des Originals der “Apfel-Madonna” die Änderungen und Ergänzungen zu übernehmen, welche die Kopien der Klägerin im Vergleich zum Original aufweisen, sondern dem Beklagten j e d e, also auch eine mit dem Original in allen Einzelheiten übereinstimmende Nachbildung der im Suermondt-Museum in Aachen befindlichen Statue zu verbieten.

Insbesondere begehrt die Klägerin auch nicht etwa hilfsweise eine Verurteilung des Beklagten, durch die diesem die Übernahme der Änderung untersagt wird.

Ein Verbot jedweder Nachbildung der Originalskulptur hat das Berufungsgericht zu Recht weder aus dem Gesichtspunkt einer Urheberrechts- oder Eigentumsverletzung noch auf Grund vertraglicher Abmachungen als begründet angesehen.

1. a) Urheberrechtliche Ansprüche scheiden aus, weil an dem aus dem 15. Jahrhundert stammenden Werk der bildenden Kunst kein Urheberrecht besteht, das Werk vielmehr gemeinfrei ist. Seine Nachbildung kann daher aus urheberrechtlichen Gründen niemandem verwehrt werden (Ulmer, Urheberund Verlagsrecht, 2. Aufl. , S. 279). Dem Museum steht somit kein urheberrechtlicher Anspruch auf Unterlassung der Nachbildung dieses Kunstwerkes zu, den es auf die Klägerin übertragen haben könnte.

b) Die Klägerin hat aber auch aus eigenem Recht keinen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch. Hierbei kann dahinstehen, ob die Klägerin auf Grund der von dem Bildhauer F. gegenüber der Originalskulptur vorgenommenen Änderungen ein Bearbeitungsurheberrecht innehat. Denn die Klägerin begehrt, wie bereits dargelegt, mit der vorliegenden Klage nicht, daß der Beklagte bei einer Nachbildung die Übernahme der von F. entwickelten Abweichungen vom Original unterlasse, sondern sie erstrebt ein Verbot jedweder – also auch einer originalgetreuen – Nachbildung der “Apfel-Madonna” durch den Beklagten.

Soweit der Beklagte eine solche Nachbildung ohne jede Zuhilfenahme der Kopie der Klägerin etwa auf Grund eigener Studien am Original oder an Photographien herstellt, kommt ein auf Urheberrecht gestützter Unterlassungsanspruch schon deshalb nicht in Betracht, weil das Originalwerk keinem Urheberrechtsschutz unterliegt. Nach den rechtlich unangreifbaren tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist allerdings davon auszugehen, daß der Beklagte die Nachbildung der Klägerin als Vorlage für die von ihm geschnitzten Kopien der “Apfel-Madonna” benutzt hat. Dies könnte aber, soweit die Kopie der Klägerin von dem Beklagten künftig für seine nachschaffende Tätigkeit nur insoweit benutzt wird, als diese Kopie mit dem Original übereinstimmt, dem Beklagten aus dem Gesichtspunkt einer Urheberrechtsverletzung nur dann verwehrt sein, wenn der Kopie der Klägerin, soweit die Abweichungen vom Original außer Betracht bleiben, eine eigener Urheberschutz zuzubilligen wäre. Dies kann jedoch nicht an erkannt werden. Derjenige, der eine Skulptur nachschnitzt, schafft nicht aus eigener Vorstellung ein eigenes Werk, sondern wiederholt lediglich, was der Schöpfer des Originalwerkes auf Grund seiner schöpferischen Tätigkeit geschaffen hat, wenn auch zur Anfertigung der Nachbildung eine gewisse handwerkliche Fertigkeit erforderlich sein mag. Eine Nachbildung, die eine Plastik in dreidimensionaler Form in unveränderter Linienführung wiedergibt, wird insbesondere dann nicht als Ausdruck eigenpersönlicher Schöpferkraft gewertet werden können, wenn die Formgebung des nachgebildeten Werkstückes – wie im vorliegenden Fall unstreitig ist – im wesentlichen auf einen A b g u ß vom Original zurückgeht. Insbesondere liegt in der im Auftrag der Klägerin von F. vorgenommenen Änderungen der Größenverhältnisse (Höhe des Originals 123 cm, der Nachbildung 42 cm), wie schon das Landgericht ausgeführt hat, keine eines Urheberrechtsschutzes würdige schöpferische Leistung, da sie im wesentlichen nur auf handwerklichem Können beruht.

2. In der Nachbildung der Kopien der Klägerin liegt aber auch keine Verletzung des dem Museum zustehenden E i g e n t u m s am Originalwerkstück. Die bürgerlichrechtliche Besitz- und Eigentumsordnung dient nur dem Schutz der S a c h herrschaft über einen k ö r p e r l i c h e n Gegenstand, hier also über das im Museum befindliche Originalwerkstück der “Apfel-Madonna”, in dem das geistige Werk, das Gegenstand des Urheberrechts bildet, körperlich festgelegt ist. Es kann dahinstehen, ob beispielsweise das Photographieren des Originals gegen den Willen der Museumsleitung als eine zur Abwehr nach §§ 903, 1004 BGB berechtigende “Einwirkung” auf das Eigentum des Museums anzusehen wäre (so BGB-RGRK, 11. Aufl. , § 903 Anm. 19 unter Bezugnahme auf KG OLG 20, 402 (1909); aM u. a. Berg in Staudinger, BGB, 11. Aufl. , § 1004 Anm. 9; Erman/Hefermehl, BGB § 1004 Anm. 3 e; Soergel/ Siebert, BGB § 1004 Anm. 24; Meisner/Stein/Hodes, Nachbarrecht, 3. Aufl. , § 38 I 1 e). Denn dem Beklagten wird im Streitfall gerade nicht eine unzulässige unmittelbare konkrete Fühlungnahme mit dem Originalwerkstück zum Vorwurf gemacht,sondern es wird von der Klägerin als unzulässig angesehen, daß er nachgebildete körperliche Werkstücke, die weder im Eigentum des Museums noch der Klägerin stehen, als Vorlage für seine Nachbildungen benutzt hat. Hierdurch hat der Beklagte aber nicht auf das im Eigentum des Museums stehende Originalstück ” eingewirkt”, sondern lediglich von dem u n k ö r p e r l i c h e n Gegenstand des Werkes der bildenden Kunst, nämlich seiner von einer körperlichen Festlegung unabhängigen eigentümlichen Gestaltungsform, unter Zuhilfenahme eines Vervielfältigungsstückes dieses Werkes Gebrauch gemacht, das weder der Sachherrschaft des Museums noch der Klägerin unterliegt. Das Werk aber als geistiges Gebilde ist keine Sache im Sinne des § 90 BGB und kann deshalb nicht Gegenstand des sachenrechtlichen Eigentums sein (vgl. Ulmer, Urheberund Verlagsrecht, 2. Aufl. , S. 11 ff). Aus diesem Grunde kann das Klagebegehren auch nicht auf eine Eigentumsverletzung gestützt werden.

3. Auch die von der Klägerin behaupteten v e r t r a g l i c h e n Abmachungen zwischen ihr bzw. dem Beklagten und der Museumsleitung kommen als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht.

a) Soweit sich die Klägerin auf eine angebliche Vereinbarung mit der Museumsleitung beruft, wonach diese ihr die a u s s c h l i e ß l i c h e Erlaubnis eingeräumt haben soll, die “Apfel-Madonna” zu reproduzieren, kann offenbleiben, ob eine solche Vereinbarung tatsächlich getroffen worden ist. Denn da dem Museum, wie dargelegt, an diesem gemeinfreien Werk als geistigem Gebilde weder sachen- noch urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte zustehen, konnte sie solche auch nicht auf die Klägerin übertragen. Durch die Vereinbarung einer schuldrechtlichen Verpflichtung des Museums, allein der Klägerin die Vervielfältigung der Skulptur zu gestatten, wird ein gegen Dritte wirkendes Ausschlußrecht nicht begründet (RG GRUR 1934, 381, 384 – Rennvoraussagen; insoweit in RGZ 144, 75 nicht abgedruckt). Die gegenteilige Auffassung würde zu dem Ergebnis führen, daß der Eigentümer des einzigen körperlichen Festlegungsexemplars eines gemeinfreien Kunstwerks

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durch Abschluß derartiger “Lizenzvertrage sich für einen unbegrenzten Zeitraum das Recht der gewerblichen Nutzung dieses Kunstwerkes durch Verbreitung von Kopien sichern könnte, deren Herstellung er nur von ihm ausgewählten Vertragspartnern gegen Zahlung einer “Lizenzgebühr” gestattet. Dies wäre aber unvereinbar mit dem Rechtsgedanken, der der zeitlichen Begrenzung des Urheberrechtsschutzes zugrunde liegt, wonach nach Ablauf der Schutzfrist das Werk als geistiges Gebilde der Allgemeinheit für jede Art der Nutzung frei zugänglich sein soll.

Zwar ist der Eigentümer des Originalstückes kraft der Sachherrschaft, die ihm das Eigentum verleiht, in der Lage, andere Personen vom Zugang zu dem Kunstwerk auszuschließen und ihnen damit auch die Nachbildungsmöglichkeit abzuschneiden oder doch weitgehend zu erschweren. Es mag auch ein durchaus berechtigtes Interesse der Museen bestehen, daß von den in ihrem Eigentum stehenden Kunstwerken nur möglichst getreue Nachbildungen in den Handel gelangen. Hat der Eigentümer jedoch einem Dritten gestattet, das gemeinfreie Werk nachzubilden und diese Nachbildung in den Verkehr zu bringen, so kann er aus den dargelegten Gründen weitere Nachbildungen des Originals durch andere Personen, die hierbei die mit seiner Erlaubnis hergestellte Kopie als Vorlage benutzen, nicht verhindern.

II.

Dagegen hat das Berufungsgericht die Klage nach § 1 UWG als begründet angesehen, weil es in dem Vorgehen des Beklagten eine u n l a u t e r e W e t t b e w e r b s h a n d l u n g erblickt. (Wird näher ausgeführt.)

III.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind begründet.

Es ist anerkannt, daß die Nachbildung von Gegenständen, an denen ein Sonderrechtsschutz urheberrechtlicher oder geschmacksmusterrechtlicher Art nicht oder nicht mehr besteht, gestattet ist (BGHZ 37, 1, 19 f – AKI; BGH GRUR 1958, 351 – Deutschlanddecke). Es dürfen insbesondere die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nicht herangezogen werden, um einen nicht bestehenden Urheberrechtsschutz zu ersetzen, da sonst die zeitliche Begrenzung des Urheberschutzes ihren Sinn verlöre (BGHZ 26, 52, 59 – Sherlock Holmes; Ulmer aaO S. 27; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsund Warenzeichenrecht, 9. Aufl. , § 1 UWG Anm. 287). Das schließt jedoch nicht aus, eine wettbewerbliche Leistung dann gegen eine im Wege der Nachahmung erfolgende Ausnutzung zu schützen, wenn besondere – außerhalb des kunstschutzrechtlichen Tatbestandes liegende – Umstände hinzutreten, welche die Ausnutzung wettbewerbsrechtlich als unlauter erscheinen lassen (BGHZ 5, 1, 10 – Hummel-Figuren). Ein Tatbestand der N a c h b i l d u n g, bei dem ein Urbild durch eigene Leistung nachschaffend wiederholt wird, liegt jedoch nicht vor, wenn ein fremdes Leistungsergebnis u n m i t t e l b a r ausgenutzt wird. Diese Art der Ausschlachtung ist wettbewerbsrechtlich unlauter, wenn dadurch ein fremdes, den Einsatz beträchtlicher Arbeit und Kosten voraussetzendes Leistungsergebnis ohne ins Gewicht fallende zusätzliche eigene Leistung zur Förderung des eigenen Erwerbs unter Schädigung der wettbewerblichen Stellung desjenigen, der das Leistungsergebnis geschaffen hat, mühelos ausgebeutet wird (BGHZ 37, 1, 19 f -AKI) . So hat schon das Reichsgericht in dem Nachpressen von Schallplatten eine nach § 826 BGB unzulässige Übernahme der fertigen Arbeitsleistung des Wettbewerbers erblickt (RGZ 73, 294). Der Bundesgerichtshof hat in dem angeführten AKI-Urteil die gewerbsmäßige Wiedergabe von Fernsehsendungen, die Bildreportagen oder die Tagesschau zum Gegenstand haben, in Lichtspieltheatern mittels Großprojektoren wegen der darin liegenden unmittelbaren Ausnutzung fremder Leistung als unlauteren Wettbewerb gegenüber den Sendeunternehmen angesehen, die diese Sendungen ausstrahlen. Aus ähnlichen Erwägungen ist die Verwendung der Tonbandaufnahme einer Opernaufführung zur Rundfunksendung als sittenwidrig im Sinne der §§ 826 BGB, 1 UWG angesehen worden (BGHZ 33, 20, 28 f – Figaros Hochzeit), wenn sie ohne Erlaubnis der bei der Aufführung mitwirkenden ausübenden Künstler stattfindet. Auch in diesen zuletzt genannten Fällen hat die wettbewerbsrechtliche Beurteilung demnach nicht – wie der Sonderrechtsschutz – den Schutz des fremden Arbeitsergebnisses als solchen zum Gegenstand, sondern die Art und Weise, wie eine fremde Arbeitsleistung von einem Wettbewerber ausgewertet wird (BGHZ 28, 388, 396 – Nelkenstecklinge).

1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der in der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz (BGHZ 37, 1 ff; 33, 20 ff), daß ein “Schmarotzen an fremder Leistung” gegeben sei, wenn die unveränderte Übernahme eines fremden fertigen Leistungsergebnisses, wie bei Tonband- oder Filmaufnahmen, auf rein mechanischem Wege erfolge, müsse auch zum Tragen kommen, wenn – wie hier – die Klägerin ein gemeinfreies Werk so nachgebildet habe, daß es gewerblich genutzt werden könne, und wenn der Beklagte dieses Leistungsergebnis gegen den Willen der Klägerin ausnütze und diese dafür nicht entschädige. Das Berufungsgericht legt sodann dar, daß der Beklagte dadurch, daß er die Feinheiten mit der Hand schnitze, nachdem er sein Rohmodell mit der Fräse gefertigt habe, keine eigene Leistung erbringe. Insoweit handele es sich nur um eine technisch bedingte Eigenart, die darauf beruhe, daß der Beklagte, wie auch die Firma B., die Kopie aus Holz schnitze und nicht, wie die Klägerin, aus Kunstharz gieße. Eine eigene Leistung des Beklagten fehle, da er das von der Klägerin geschaffene Leistungsergebnis unverändert ausnütze, indem er das Modell der Klägerin in dessen wesentlichen Formen mittels der Fräse übertrage.

Die Revision hält dem entgegen, daß es einen wesentlichen Unterschied ausmache, ob der Beklagte die Figuren nachgieße oder ob er sie nachschnitze. Denn im letzten Falle erbringe er eine eigene Leistung.

Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Zwar erbringt der Beklagte mit dem Nachschnitzen einer gemeinfreien Skulptur keine künstlerische Leistung, die ihrerseits urheberrechtlich geschützt wäre (vgl. oben I 1). Das ist jedoch gegenüber dem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nicht erforderlich. Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts besteht in der Verkennung der unterschiedlichen Voraussetzungen des Tatbestandes der Nachahmung einerseits und desjenigen der u n m i t t e l b a r e n Ausnutzung eines fremden Leistungsergebnisses andererseits. Insofern verkennt das Berufungsgericht, daß der Beklagte das in den Nachbildungen der Klägerin zutage tretende Leistungsergebnis nicht etwa mit Hilfe eines technischen Verfahrens unmittelbar ausnützt, sondern jedes Stück seiner Nachbildungen schnitzt. Wenn heutzutage das Nachschnitzen einer Skulptur auch insoweit erleichtert sein mag, als zunächst das Rohmodell mit Hilfe einer Fräse angefertigt werden kann, so muß doch, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, die Feinarbeit der Schnitzerei von Hand ausgeführt werden. Hierin liegt aber eine eigene handwerkliche Leistung des Nachschaffenden, die sich von der mühelosen unmittelbaren Übernahme eines fremden Arbeitsergebnisses unterscheidet. Die Auffassung des Berufungsgerichts steht überdies in Widerspruch zu dessen Ausführungen an anderer Stelle des Urteils. Es hat nämlich bei Erörterung der Frage, ob der Beklagte durch planmäßige Nachahmung der Skulpturen der Klägerin diese in ihrer geschäftlichen Betätigung behindere, eine Behinderung unter anderem mit der Begründung verneint, daß die Skulpturen in dem von der Klägerin benutzten Gußverfahren beliebig oft nachgegossen werden könnten, während der Beklagte, da er die Figuren schnitze, seine Nachbildungen nur in geringem Umfange herstellen könne.

Soweit das Berufungsgericht in der handwerklichen Arbeitsweise des Beklagten eine die Anwendung des § I UWG rechtfertigende unmittelbare Ausnutzung des Leistungsergebnisses der Klägerin erblickt, kann ihm daher nicht gefolgt werden.

2. Besondere Umstände, welche die Handlungsweise des Beklagten als wettbewerbswidrig erscheinen lassen könnten, sind nicht dargetan.

a) Die von der Klägerin bei ihren Nachbildungen vorgenommenen Änderungen können bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts keine Berücksichtigung finden, weil der Klageantrag nicht auf deren Fortlassung gerichtet ist. Das gilt einmal für den vom Berufungsgericht hervorgehobenen Gesichtspunkt, daß in der sklavischen Ü b e r n a h m e s ä m t l i c h e r Ä n d e r u n g e n durch den Beklagten die Ausnutzung eines fremden Leistungsergebnisses liegen kann, das darin zu erblicken wäre, daß die Nachbildungen der Klägerin infolge dieser Änderungen für das Publikum ansprechender und daher auch geschäftlich besser auszuwerten sein mögen. Ferner kann die Übernahme der Änderungen durch den Beklagten auch nicht für die Folgerung herangezogen werden, die Handlungsweise des Beklagten sei aus dem Grunde sittenwidrig, weil er durch diese Übernahme den in den Abnehmerkreisen bestehenden guten Ruf der Nachbildungen der Klägerin für sich ausnutze, seine Nachbildungen mit denen der Klägerin auch verwechselt werden könnten. Andererseits kann unter dem letztgenannten Gesichtspunkt dem Beklagten die originalgetreue Nachbildung der “Apfel-Madonna” auch nicht etwa mit der Begründung untersagt werden, er habe durch seine vorangegangene Handlungsweise, nämlich durch die unter Übernahme der Änderungen und Ergänzungen der Klägerin erfolgte Nachbildung, eine Lage geschaffen, die auch die durch ihn in Zukunft erfolgende originalgetreue Nachbildung wettbewerbswidrig erscheinen lasse. Wie in der Rechtsprechung anerkannt ist, kann zwar die Verwendung einer unrichtigen Werbeangabe die Folge haben, daß die dadurch herbeigeführte Irreführung der beteiligten Verkehrskreise ein späteres wettbewerbliches Verhalten auch dann irreführend erscheinen läßt, wenn dieses Verhalten für sich allein betrachtet wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden wäre (BGH GRUR 1964, 686,688 – Glockenpackung II). Mit der dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Fallgestaltung läßt sich der vorliegende Sachverhalt jedoch nicht vergleichen. Wenn etwa auch durch originalgetreue Nachbildungen des Beklagten irrige Vorstellungen in den Abnehmerkreisen herbeigeführt werden sollten, so beruht dies nicht auf dessen bisherigem Verhalten, nämlich darauf, daß er zuvor die Reproduktionen der Klägerin mit den bei diesen vorhandenen Änderungen nachgebildet hat. Die Ursache hierfür ist vielmehr in der Ähnlichkeit der Reproduktionen der Klägerin mit der Originalskulptur zu erblicken. Schließlich lassen sich auch die im Urteil des Senats GRUR 1964, 215, 216 rechte Spalte – Milchfahrer – bezüglich des Eindringens in einen fremden Kundenkreis dargelegten Rechtsgrundsätze über den Umfang eines in die Zukunft wirkenden Verbots wegen eines früheren Verhaltens auf den Streitfall nicht anwenden, weil der Sachverhalt ein anderer ist.

b) Ein besonderer Umstand, der die Nachahmung als unlauter erscheinen läßt, liegt in der B e h i n d e r u n g des Wettbewerbers durch s y s t e m a t i s c h e s N a c h a h m e n seiner eine besondere Güte aufweisenden Ergebnisse. So kann es einen Verstoß gegen die guten Sitten des Wettbewerbs darstellen, wenn ein Wettbewerber sich aufs Engste an eine V i e l z a h l von in den beteiligten Verkehrskreisen geschätzten Modellen des Konkurrenten anlehnt und diese schrittweise und z i e l s t r e b i g teilweise bis in die kleinsten Einzelheiten kopiert (BGH GRUR 1960, 244, 246 – Simili-Schmuck).

Das Berufungsgericht hat ein derartiges planmäßiges Nachahmen der Skulpturen der Klägerin durch den Beklagten verneint. Es legt dar, daß dies nur dann angenommen werden könne, wenn der Beklagte systematisch jedes von der Klägerin auf den Markt gebrachte Erzeugnis oder doch mindestens eine große Anzahl nachbilden würde, um dadurch die Klägerin in ihrer geschäftlichen Betätigungsfreiheit zu behindern. Dies lasse sich jedoch nicht feststellen. Die Klägerin stelle eine Vielzahl – fast 200 Stück – von Kopien” Plastiken, Kerzenleuchtern und anderen Gegenständen her. Diese könnten wiederum in dem von der Klägerin benutzten Gußverfahren beliebig hergestellt werden. Demgegenüber habe der Beklagte nur vier Madonnen auf der Produktion der Klägerin nachgeschaffen. Das sei, da sie von ihm geschnitzt würden, nur in geringer Stückzahl möglich, so daß von einer Behinderung der Klägerin in ihrer gewerblichen Tätigkeit keine Rede sein könne.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Die Tatsache, daß der Beklagte vereinzelt auch drei andere Skulpturen der Klägerin nachgeahmt hat, vermag unter diesen Umständen die Annahme eines planmäßigen Handelns im Sinne der angeführten Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen (vgl. Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Anm. 280).

c) Da die Übernahme der bei den Reproduktionen der Klägerin vorhandenen Änderungen durch den Beklagten bei der Frage, ob dem Beklagten ein wettbewerbswidriges Verhalten vorzuwerfen ist, angesichts der Fassung des Klageantrags außer Betracht zu bleiben hat, kommen insoweit nur die beiden weiteren Umstände in Betracht, auf die das Berufungsgericht die Verurteilung ebenfalls gestützt hat. Es hat hierzu ausgeführt, daß es die Klägerin eine nicht unbeträchtliche Mühe gekostet habe, für die Reproduktion geeignete Plastiken ausfindig zu machen und, wenn das geschehen sei, diese nach Verhandlungen mit dem Museum zur Anfertigung eines Modells für den Nachguß in ihre Werkstatt zu schaffen. Diese Mühe habe der Beklagte sich jedoch nicht gemacht, vielmehr nütze er insoweit die Arbeit der Klägerin aus.

Die zu Wettbewerbszwecken erfolgende Benutzung eines fremden, mit M ü h e n u n d K o s t e n errungenen Arbeitsergebnisses ist jedoch, wie der Bundesgerichtshof in Fortführung der neueren Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 135, 385, 364 Künstliche Kranzblumen) ausgesprochen hat, ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht wettbewerbswidrig (BGHZ 18, 175 ) – Praktischer Ratgeber; BGH GRUR 1960, 244 – Simili-Schmuck). Dieser Rechtsprechung liegt der Gedanke zugrunde, daß die Fortschritte gewerblicher Tätigkeit auch auf den Leistungen der Vorgänger in der Vergangenheit beruhen. Die Erkenntnisse und Fertigkeiten eines Gewerbetreibenden dürfen daher, wenn nicht einem gesetzlichen Sonderrechtsschutz unterliegen, von den Mitbewerbern auch dann benutzt werden, wenn sie unter Aufwendung von Mühe und Kosten gewonnen worden sind. Aus diesem Grunde knüpft der wettbewerbsrechtliche Schutz nach § 1 UWG nicht an die nachgeahmte Leistung als solche an, sondern an das Verhalten des Nachnahmers, nämlich die Art und Weise, in der dieser die Nachahmung auswertet. Der Gesichtspunkt, daß die Klägerin bei der Auswahl geeigneter Originalskulpturen und bei der Herstellung ihrer Reproduktionen die vom Berufungsgericht dargelegten Mühen aufwendet, ist demnach für sich allein nicht geeignet, die Handlungsweise des Beklagten als wettbewerbsrechtlich unlauter erscheinen zu lassen.

d) Da die Nachbildungen der Klägerin und der Firma B. im Handel erhältlich sind, ein Tatbestand des Erschleichens oder Vertrauensbruchs somit nicht vorliegt, käme als ein Umstand, der möglicherweise einen Verstoß des Beklagten gegen die Grundsätze eines lauteren Wettbewerbs begründen könnte, weiterhin in Betracht, daß der Beklagte nach Behauptung der Klägerin ihre eigenen Preise und diejenigen der Firma B. unterbieten soll. Der Beklagte hat das bestritten. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Stellung genommen. Es bedarf jedoch auch insoweit keiner weiteren Aufklärung in tatsächlicher Beziehung, und zwar aus folgenden Gründen:

Die P r e i s u n t e r b i e t u n g ist grundsätzlich erlaubt. Sie ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn sie erst durch eine andere, ihrerseits unzulässige Wettbewerbshandlung ermöglicht wird (BGHZ 28, 388 – Nelkenstecklinge; RGZ aaO 135, 394 f; Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Anm. 221 u. 282). In dieser Hinsicht fehlt es an jedem Vortrag der Klägerin, welche Preise die Firma B. und der Beklagte für ihre Nachbildungen fordern. Es ist daher nicht ersichtlich, ob ein etwaiger Preisunterschied so beträchtlich ist, daß er rechtlich überhaupt zu berücksichtigen wäre. Vor allem hat die Klägerin aber nicht dargetan, daß eine etwaige Preisunterbietung durch den Beklagten dadurch ermöglicht worden ist, daß dieser ihre Reproduktionen als Modell für seine Kopien benutzt. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Klägerin habe trotz gerichtlicher Auflage nicht dargetan, daß sie irgendwelche Leistungen (“Lizenzgebühren”) an das Museum erbringe oder erbracht habe. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Kosten, welche die Klägerin für das Auffinden von zur Nachbildung geeigneten Skulpturen und für deren Transport in ihre Werkstatt zur Anfertigung eines Abgusses aufwendet, so beträchtlich sind, daß dem Beklagten eine etwaige Preisunterbietung – für deren Ausmaß, wie dargelegt, keine Anhaltspunkte bestehen – nur dadurch ermöglicht worden wäre, daß er die Reproduktionen der Klägerin oder der Firma B. als Vorbild verwendet.

Da somit nicht dargetan ist, daß die Klägerin insoweit überhaupt für die Preiskalkulation wesentliche Aufwendungen erbracht hat, stellt es keinen Rechtsfehler dar, wenn das Berufungsgericht diesen Punkt nicht erörtert hat.

e) Die Klägerin hat ferner die Ansicht vertreten, daß sie durch die Herstellung der dem Publikumsgeschmack entsprechenden Nachbildungen und durch ihre Werbung überhaupt erst einen A b s a t z m a r k t für derartige Reproduktionen, insbesondere der “Apfel-Madonna”, g e s c h a f f e n habe. Es sei daher sittenwidrig, so meint sie, wenn der Beklagte die dadurch gebotene Absatzmöglichkeit für sich ausnutze, indem er unter Verwendung ihrer Reproduktionen gleichfalls Nachbildungen der “Apfel-Madonna” herstelle und gewerblich verwerte. Auch dieses Vorbringen der Klägerin vermag den Klageanspruch nicht zu begründen. Die Tatsache, daß die Klägerin durch ihre Tätigkeit und Werbung erst die Aufmerksamkeit der in Betracht kommenden Abnehmerkreise geweckt und damit eine gewerblich nutzbare Absatzmöglichkeit eröffnet haben mag, begründet keinen Rechtsanspruch darauf, daß andere Wettbewerber sich von diesem Tätigkeitsgebiet fernhalten. Denn es ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Mitbewerber die Nachfrage ausnützt, die durch die erfolgreiche Tätigkeit eines Konkurrenten ausgelöst worden ist (BGH GRUR 1962, 144, 149 – Buntstreifensatin; RGZ 135, 385, 394 – Künstliche Kranzblumen).

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Quelle: openjur

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