Beschluss des Bundespatentgerichts vom 28. November 2024 (26 W (pat) 593/20 Jäger ./. Freiwildjäger
Das Bundespatentgericht entschied aktuell in einem Beschwerdeverfahren zugunsten der Mast-Jägermeister SE, Wolfenbüttel.
Die Beschwerdeführerin legte Widerspruch gegen die am 6. September 2019 veröffentlichte Marke “Freiwildjäger” ein, gestützt auf ihre ältere Wortmarke “Jäger”, die seit dem 11. Januar 2011 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 32, 33 und 41 eingetragen ist. Der Widerspruch richtete sich ausschließlich gegen Waren der Klasse 33 (alkoholische Getränke).
Die Widersprechende machte u.a. dabei besonderen Markenschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG geltend. Die Markenstelle des DPMA wies den Widerspruch jedoch am 20. August 2020 zurück. Begründet wurde dies mit der ausreichenden Unterscheidbarkeit der Marken, insbesondere durch den prägnanten Unterschied am Wortanfang („Freiwild“ vs. „Jäger“). Hinweise der Widersprechenden auf erhöhte Kennzeichnungskraft, Firmengeschichte und Rufausbeutung wurden als nicht ausreichend substantiiert bewertet. Weder eine unmittelbare noch eine assoziative Verwechslungsgefahr wurde festgestellt.
Die Widersprechende legt Beschwerde ein und argumentiert, dass die Löschungsgründe gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 MarkenG vorliegen. Sie sieht eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken, da die angegriffenen Waren mit den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren der Klasse 33 identisch seien.
Die Widersprechende betont eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft ihrer Marke “Jäger” und widerspricht der Einschätzung des Senats, die originäre Kennzeichnungskraft sei gering. Sie führt an, dass das Wort „Jäger“ im Duden nicht als Begriff für alkoholische Getränke geführt werde und auch die vom Senat ermittelten Belege keine beschreibende Verwendung des Wortes für alkoholische Getränke zeigten. Vielmehr werde das Wort im Zusammenhang mit Themen wie Jagd und Kräuterlikören assoziiert, was die Bekanntheit ihrer Marken „Jäger“ und „Jägermeister“ belege. Das Wort „Jäger“ sei weder als Bestimmungsangabe noch als Geschmacksangabe geeignet und richte sich nicht ausschließlich an Jäger.
Der Senat entschied, dass die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenstelle zulässig und begründet sei. Die Begründung des DPMA sei unzureichend und leide an einem wesentlichen Mangel. Obwohl die Widersprechende den Löschungsgrund des Sonderschutzes der bekannten Marke
nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG von Anfang an geltend gemacht habe, sei das Markenstelle hierauf nicht eingegangen. Sie habe lediglich pauschal festgestellt: „Auch die Hinweise der Widersprechenden zu „erhöhter Kennzeichnungskraft, Firmenhistorie, Rufausbeutung“ (unsubstantiiert vorgetragen) ändern an diesen
relevanten, von der einschlägigen Markenrechtrechtsprechung postulierten, anerkannten Prüfungsmaßstäben im Widerspruchsverfahren nichts, führen zu keinem anderen Prüfungsergebnis als dem Vorstehenden.“
Im Anschluss an diesen Satz sei sie mit der Prüfung der Verwechslungsgefahr nach§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG fortgefahren ist und hat diese verneint. Dies stellt ange-
sichts des im patentamtlichen Verfahren eingereichten GfK-Umfragegutachtens zur Bekanntheit der Bezeichnung „Jäger“ von November 2015, in der immerhin ein Be-
kanntheitsgrad von 83,8 % und ein Zuordnungsgrad von 63 % jeweils bei der Gesamtbevölkerung festgestellt werden, einen eklatanten Begründungsmangel dar.
Die Markenstelle hätte sich hiermit auseinandersetzen müssen, anstatt es pauschal als unsubstantiiert abzutun
Zwischen der angegriffenen Marke „Freiwildjäger“ und der älteren Marke „Jäger“ bestehen nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG Verwechslungsgefahr sowie ein Löschungsgrund aufgrund des Sonderschutzes bekannter Marken (§§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG):
- Gesamtabwägung: Die Verwechslungsgefahr wird umfassend beurteilt, wobei Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Markenähnlichkeit und die Kennzeichnungskraft der älteren Marke in Wechselwirkung stehen.
- Warenidentität: Die beiderseitigen Waren (alkoholische Getränke, ausgenommen Biere) sind identisch.
- Zielgruppe: Die Waren richten sich an breite Verkehrskreise, einschließlich Durchschnittsverbrauchern sowie Fachhandel und Gastronomie. Der Aufmerksamkeitsgrad ist bei alltäglichen Artikeln normal, bei Luxusartikeln erhöht, insgesamt aber nicht überdurchschnittlich.
- Kennzeichnungskraft: Der Marke „Jäger“ wird eine weit überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zugeschrieben. Ursprünglich war sie durchschnittlich, wurde jedoch durch ihre Bekanntheit deutlich gesteigert.
Diese Faktoren führen in der Gesamtschau zu einer Verwechslungsgefahr zwischen den Marken.
Das Markenwort “Jäger” enthalte weder eine beschreibende Angabe, noch eine Angabe über die Bestimmung der Zielgruppe der Getränke. Infolge intensiver Benutzung verfüge die Widerspruchsmarke über eine weit überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Hier hatte eine GfK-Verkehrsumfragegutachten bei den maßgeblichen Verkehrskreise (Gesamtbevölkerung der über 18-jährigen ein Bekanntheitsgrade von 83,8 %, einen Kennzeichnungsgrad von 68,5 % und einen Zuordnungsgrad von 63% festgestellt.
Die Marke „Jägermeister“ sei allgemein bekannt und gelte als berühmte Likörmarke der Widersprechenden. Dies ist gemäß § 291 ZPO in Verbindung mit § 82 Abs. 1 MarkenG offenkundig. Zusätzlich werde diese Bekanntheit durch eingereichte Unterlagen untermauert, wie Markenrankings, Absatzzahlen und ein Umfragegutachten des Instituts Allensbach (Dezember 2020), das eine spontane Bekanntheit von 97 % in der Gesamtbevölkerung ermittelt hat.
Zudem gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass die Bezeichnung „Jäger“ seit Jahrzehnten als Kurzform für die Marke „Jägermeister“ im Verkehr verwendet werde. Ergänzende Recherchen des Senats bestätigren, dass diese verkürzte Verwendung bis in die Gegenwart gebräuchlich sei.
Die Widerspruchsmarke „Jäger“ weise laut Senat die Besonderheit auf, dass sie im Verkehr – abgesehen von dem Begriff „Jagertee“ – als verkürzte Form der bekannten Marke „Jägermeister“ verwendet werde. Sie diene nicht als eigenständige Zweitmarke, sondern werde als Kurz- oder Stellvertreterkennzeichnung für die Hauptmarke eingesetzt, beispielsweise zur Kennzeichnung von Kleinstflaschen-Packs. Ähnlich wie andere bekannte Kurzformen, etwa „Coke“ für „Coca-Cola“ oder „VW“ für „Volkswagen“, profitiere die Marke „Jäger“ von der Bekanntheit der Hauptmarke und werde vom Verkehr nicht als eigenständige Marke, sondern als Synonym zur vollständigen Bezeichnung wahrgenommen.
Diese Gleichsetzung werde durch die hohen Bekanntheitswerte für „Jäger“ bestätigt, die sich nicht allein durch die Umsätze der Kleinstflaschen erklären ließen. Auch Suchergebnisse, bei denen „Jäger“ fast ausschließlich in Verbindung mit „Jägermeister“ erscheine, würden auf die funktionale Beziehung zwischen den beiden Bezeichnungen hinweisen.
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