BGH Urteil vom 8.6.1989 – I ZR 135/87 – Emil Nolde
1. Bildfälschungen mit der Signatur eines anderen Malers verletzen grundsätzlich dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht, bezogen auf die Gesamtheit seines Werkschaffens (hier: Unterschieben im Stile und nach Motiven Emil Noldes gemalter und mit seinem Namenszug versehener Aquarelle).
2. Anspruch auf Beseitigung einer gefälschten Signatur auf einer Bildfälschung. – Der postmortale Persönlichkeitsschutz eines bekannten Malers ist 30 Jahre nach dessen Tod noch nicht entfallen (Emil Nolde).
3. Der nach §§ 823 I, 1004 BGB i. V. mit Art. 1 I GG begründete Beseitigungsanspruch rechtfertigt grundsätzlich nur eine Entfernung der Signatur und nicht auch eine durch einen Gerichtsvollzieher vorzunehmende – nicht entfernbare – Kennzeichnung der Bilder als Fälschungen.
Tatbestand:
Der Kläger ist Eigentümer zweier Aquarelle, die im Stile des 1956 verstorbenen Expressionisten Emil Nolde gemalt und mit dessen Namen signiert sind. Nach dem Vorbringen des Klägers hat er die Bilder im März 1985 von einem Freund mit der Maßgabe käuflich erworben, sie im Falle der Unechtheit unter Rücktritt vom Vertrag zurückgeben zu können.
Anfang April 1985 überließ der Kläger die beiden Aquarelle der beklagten Stiftung mit der Bitte um Erteilung einer Echtheitsbestätigung, die er – wie er mit Schreiben vom 14. April 1985 hervorhob – benötigte, um die Bilder dem Kunsthandel anbieten zu können. Der Direktor der Beklagten, zu deren Aufgabe die Pflege und Verwaltung des Nachlasses des Stifters Nolde gehört, erstellte die Expertisen. Er vermerkte jeweils auf der Rückseite von Fotos der Aquarelle nach einer Kurzbeschreibung der Bilder:
“Meine Untersuchungen haben ergeben, daß das Blatt nicht von der Hand des Malers Emil Nolde (1867 bis 1956) stammt. Es ist eine Fälschung. Die Zeichnung, Umgang mit den Farben, die Art der Darstellung stehen in Widerspruch zur Kunst Noldes. Die Signatur stimmt mit dem eigenhändigen Schriftzug des Künstlers nicht überein«.
Diese Fotos übersandte die Beklagte dem Kläger. Die Aquarelle hielt sie zurück. Das Herausgabeverlangen des Klägers lehnte sie mit Schreiben vom 9. Mai 1985 unter Berufung auf das von ihr wahrgenommene Namens- und Persönlichkeitsrecht des Malers ab. Sie wies darauf hin, daß die Entfernung des Schriftzuges »Nolde« für sich allein nicht ausreiche, um Täuschungen eines Nichtfachmanns auszuschließen; es sei daher an einen nicht entfernbaren, deutlich sichtbaren Stempelaufdruck »Fälschung« über dem Schriftzug zu denken; andernfalls bliebe nur die Vernichtung der Bilder übrig.
Der Kläger hat die Beklagte auf Herausgabe verklagt. Er hat die Unechtheit der Aquarelle bestritten, die er erneut begutachten lassen wolle. Er hat geltend gemacht, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß er oder – bei Rückabwicklung seines eigenen Kaufs – sein Verkäufer die Bilder weiterveräußern würde, ohne auf die Begutachtung durch die Beklagte sowie weitere Gutachten hinzuweisen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. In der Berufungsinstanz hat sie Widerklage
erhoben mit dem Antrag,
den Kläger zu verurteilen, in die Vernichtung der beiden Bilder einzuwilligen,
hilfsweise in ihre Kennzeichnung als Fälschung durch einen Gerichtsvollzieher.
Sie hat sich darauf berufen, von der Witwe des Malers Emil Nolde ermächtigt worden zu sein, alle aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Malers, insbesondere aus seinem Namensrecht, fließenden Rechte und Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Sie hat im übrigen vorgetragen, ihr seien immer wieder – vor allem im letzten Jahrzehnt – Bilder, gemalt im Stile Noldes und mit seinem Namen gekennzeichnet, zugänglich gemacht worden, die sich als unecht herausgestellt hätten. Trotz Attestierung als Fälschung seien nach Rückgabe an den jeweiligen Eigentümer viele dieser Bilder wieder als eigenständige Werke Noldes im Kunsthandel angeboten und auch veräußert worden.
Das Landgericht hat der Herausgabeklage stattgegeben.11Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Widerklage abgewiesen (OLG Schleswig GRUR 1987, 516 ff.).12Die Revision, mit der die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und den Hilfsantrag aus der Widerklage weiterverfolgte, blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Herausgabeklage sowohl aus Vertrag als auch aus Eigentum für begründet erachtet. Es hat ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten verneint und dazu ausgeführt: Die Geltendmachung eines solchen Rechts sei vor allem dann ausgeschlossen, wenn zwischen den Parteien – wie hier – ein Treuhandverhältnis bestehe. Ein solches Verhältnis sei bei der Überlassung von Bildern zur Erstellung einer Expertise anzunehmen. Auch sei die nach § 273 Abs. 1 BGB erforderliche Konnexität fraglich. In jedem Falle fehle es aber an dem notwendigen Gegenanspruch.
Die mit der Widerklage geltend gemachten Gegenansprüche seien unbegründet. Es könne dahinstehen, ob es sich bei den streitgegenständlichen Bildern um Fälschungen handele. Für den Hauptanspruch auf Vernichtung fehle es an einer Anspruchsgrundlage; der Beseitigungsanspruch reiche jedenfalls nicht weiter als es zur Aufhebung oder Minderung der Beeinträchtigung erforderlich sei. Dazu genüge hier bereits die Entfernung des Namens »Nolde« auf den Bildern oder allenfalls ihre Kennzeichnung als Fälschung. Der im Wege gewillkürter Prozeßstandschaft geltend gemachte Hilfsanspruch auf Kennzeichnung sei jedoch weder aus dem Namensrecht noch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Emil Noldes begründet.
Auf das Namensrecht könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil dieses mit dem Tode des Malers erloschen sei. Das Persönlichkeitsrecht überdauere dagegen den Tod. Es gewähre aber nur einen Schutz des fortbestehenden Lebensbildes gegen grobe Entstellungen. Daran würde es bei einer Weitergabe gefälschter Aquaralle durch den Kläger an den Kunsthandel fehlen. In Betracht komme lediglich die Gefahr einer gewissen »Verwässerung« des Persönlichkeitsbildes. Dagegen gebe aber der eingeschränkte postmortale Persönlichkeitsschutz keine Handhabe; er nehme zudem mit zunehmendem Zeitablauf ab.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
II. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht für begründet erachtet. Der Kläger kann die Herausgabe der beiden Aquarelle sowohl aus seinem Eigentum (§ 985 BGB) als auch aus dem als Werkvertrag zu beurteilenden Gutachterauftrag (vgl. BGHZ 67, 1, 4) [BGH 10.06.1976 – VII ZR 129/74], der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 675, 667 BGB), verlangen.
Der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs steht nicht entgegen, daß es sich nach dem – für die Prüfung in der Revisionsinstanz zu unterstellenden – Vorbringen der Beklagten bei den streitgegenständlichen Aquarellen um Fälschungen handelt. Die Beklagte kann daraus kein Zurückbehaltungsrecht herleiten. Es fehlt schon an einem eigenen Gegenanspruch der Beklagten im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB. Soweit sie sich auf eine Verletzung des Namens- und Persönlichkeitsrechts Emil Noldes beruft, stehen die in Betracht kommenden Ansprüche nicht der Beklagten zu; sie klagt insoweit in gewillkürter Prozeßstandschaft (vgl. nachfolgend unter III. 1. a). Soweit diese Ansprüche mit der Widerklage geltend gemacht werden, erweisen sie sich überdies als unbegründet. Dies gilt auch für die auf UWG gestützten eigenen Ansprüche der Beklagten (nachfolgend unter III. 2.).
Damit entfällt auch ein mögliches Gegenrecht aus § 242 BGB, auf das die Revision sich ergänzend beruft.
III. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch der Widerklage den Erfolg versagt. Insoweit geht es in der Revisionsinstanz nur noch um den Hilfsantrag auf Kennzeichnung der Aquarelle als Fälschungen. Die Abweisung der Widerklage mit dem Hauptantrag auf Vernichtung der Bilder wird von der Revision hingenommen.
1. Der noch zur Entscheidung anstehende Beseitigungsanspruch läßt sich weder aus einer Verletzung des Namens – noch des Persönlichkeitsrechts Emil Noldes herleiten.
a) Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Prozeßführungsbefugnis der Beklagten für die Widerklage bejaht. Zwar handelt es sich bei den geltend gemachten Rechten nicht um eigene der Beklagten; sie sind höchstpersönlicher Natur und daher grundsätzlich nicht übertragbar. Das Berufungsgericht hat die Beklagte jedoch zu Recht für befugt gehalten, diese Rechte aufgrund der schriftlichen Ermächtigung der Witwe des Malers vom 7. November 1985 im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft geltend zu machen. Allerdings ist die Ermächtigung zur Prozeßführung, das heißt die Übertragung der Befugnis, ein fremdes materielles Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen (gewillkürte Prozeßstandschaft), für unzulässig gehalten worden, wenn das einzuklagende Recht höchstpersönlichen Charakter hat und mit dem Rechtsinhaber, in dessen Person es entstanden ist, so eng verknüpft ist, daß die Möglichkeit, eine gerichtliche Geltendmachung einem Dritten im eigenen Namen zu überlassen, dazu in Widerspruch stünde (BGH Urt. vom 17. Februar 1983 – I ZR 194/80, GRUR 1983, 379, 381, – Geldmafiosi m. w. Nachw.). Dies gilt aber dann nicht, wenn der ursprüngliche Rechtsträger verstorben ist. Für derartige Fälle ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß in erster Linie der vom Verstorbenen zu Lebzeiten Berufene und daneben seine nahen Angehörigen als Wahrnehmungsberechtigte anzusehen sind (vgl. BGHZ 50, 133, 137 ff., 140 – Mephisto). Auch die Ermächtigung eines Dritten durch – wie hier – einen nahen Angehörigen muß danach für zulässig erachtet werden, vorausgesetzt, der Ermächtigte hat an der Rechtsdurchsetzung ein eigenes schutzwürdiges Interesse. Dem steht vorliegend nicht entgegen, daß die ermächtigte Beklagte eine Stiftung ist (vgl. BGH Urt. vom 17. Mai 1984 – I ZR 73/82, GRUR 1984, 907, 909 – Frischzellenkosmetik: Zur Ermächtigung eines gewerblichen Unternehmens). Das eigene Interesse der beklagten Stiftung ergibt sich aus § 2 Abs. 1 ihrer Satzung, wonach sie im Sinne von Noldes Testament die Aufgabe hat, dem allgemeinen Nutzen durch Förderung der Liebe zur Kunst zu dienen und den Nachlaß des Stifters gebührend zu pflegen und zu verwalten.
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht einen Beseitigungsanspruch aus dem Namensrecht
(§ 12 BGB) Emil Noldes verneint. Es hat sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen, wonach das Namensrecht grundsätzlich mit dem Tode erlischt (BGHZ 8, 318, 324). Dies schließt allerdings die Möglichkeit nicht aus, daß die Witwe des Malers aus eigenem Recht gegen den Mißbrauch des Familiennamens vorgehen kann (BGHZ 8, 318, 329 f., 324). Dem braucht hier indessen nicht nachgegangen zu werden, weil es nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bereits an einer Ermächtigung der Beklagten zur Wahrnehmung auch des eigenen Namensrechts der Witwe fehlt.
Ob an der Rechtsprechung, daß das Namensrecht mit dem Tode erlösche, festzuhalten ist oder ob – wie die Revision meint (ebenso v. Gamm, Wettbewerbsrecht 5. Aufl. Kap 53 Rdn. 20; Schack Anm. zu BGH JZ 1987, 774, 776) – das Namensrecht des § 12 BGB als Ausschnitt aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht mit seinen persönlichkeitsrechtlichen Schutzwirkungen auch über den Tod des Namensträgers hinaus fortwirken kann, kann hier dahinstehen. Denn den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen läßt sich schon nicht entnehmen, daß der Kläger den Namen des Malers gebraucht hat. Seine Eigentümerstellung und sein früherer Besitz an den mit der Signatur des Malers versehenen Bildern reicht dazu nicht aus.
Darüber hinaus würde selbst eine Verletzung des Namensrechts den Beseitigungsanspruch in der beantragten Form nicht rechtfertigen. Grundsätzlich kann die Führung des Namens nur in der konkret benutzten Form untersagt werden (vgl. BGH Urt. vom 24. Juli 1957 – I ZR 21/56, GRUR 1958, 189, 195 f. – Zeiß). Das würde im Streitfall für den Beseitigungsanspruch bedeuten, daß die Beklagte lediglich die Entfernung der sich rechts unten auf den Bildern befindlichen Signatur »Nolde« verlangen könnte. Einen Antrag auf Entfernung der Signatur hat die Beklagte aber nicht gestellt. Er ist auch nicht als Minus in dem Antrag auf Kennzeichnung der Bilder als Fälschung enthalten (dazu nachfolgend unter III. 1. e).
c) Entgegen der Annahme der Revision läßt sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus § 13 Satz 1 UrhG herleiten. Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft am Werk bezieht sich als urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnis nach § 11 UrhG allein auf die geistigen und persönlichen Beziehungen des Urhebers zu einem von ihm stammenden konkreten Werk (vgl. BGH Urt. vom 2. Februar 1960 – I ZR 137/58, GRUR 1960, 346, 347 – Der Nahe Osten rückt näher: Krüger-Nieland, Festschrift für Hauß, 1978, S. 215, 219 f.). An einem solchen konkreten Werk Noldes als Gegenstand eines Urheberpersönlichkeitsschutzes fehlt es hier. Die Anlehnung an Stilmerkmale und Motive eines anderen Malers sowie die Verwendung seiner Signatur kann im Falle von Identitätsverwirrungen allerdings zu persönlichkeitsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen führen. Aber auch solche Ansprüche scheiden vorliegend nach den noch zur Entscheidung stehenden Anträgen aus.
d) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Widerklage auch insoweit abgewiesen, als die Beklagte sie auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Noldes gestützt hat (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG). Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß der rechtliche Schutz der Persönlichkeit gemäß Art. 1 Abs. 1 GG zwar nicht mit dem Tode endet. Vielmehr besteht der allgemeine Wert- und Achtungsanspruch fort, so daß das fortwirkende Lebensbild eines Verstorbenen weiterhin gegen schwerwiegende Entstellungen geschützt wird (vgl. BGHZ 50, 133, 136 ff. – Mephisto; BGH Urt. vom 4. Juni 1974 – VI ZR 68/73, GRUR 1974, 797, 798 – Fiete Schulze; BGH Urt. vom 17. Mai 1984 – I ZR 73/82, GRUR 1984, 907, 98 – Frischzellenkosmetik; auch BVerfGE 30, 173, 194 f. – Mephisto). Weiter hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß eine Fälschung von Bildern grundsätzlich den geschützten Persönlichkeitsbereich des Künstlers, bezogen auf die Gesamtheit seines Werkschaffens, verletzen kann (vgl. auch BVerfGE 54, 148, 154 – Eppler: für das Unterschieben nicht getaner Äußerungen). Fälschungen sind – unabhängig von ihrer Qualität – geeignet, durch Verzerrung des Gesamtwerks das als Ausstrahlung des Persönlichkeitsrechts auch nach dem Tode des Künstlers fortbestehende künstlerische Ansehen und seine künstlerische Wertschätzung zu beeinträchtigen.
Allerdings stellt die bloße Existenz gefälschter Bilder in privater Hand nicht ohne weiteres eine Beeinträchtigung der Künstlerpersönlichkeit dar. Die Fälschungen können für den jeweiligen Besitzer als künstlerisches Anschauungsobjekt durchaus ihren Wert haben (vgl. BGH Urt. vom 9. August 1988 – 1 StR 257/88, JZ 1988, 936). Solange er die Fälschungen ausschließlich in seinem Privatbereich hält und sie nicht als echte Werke in Verkehr bringt oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich macht, wird die Privatsphäre des Künstlers in aller Regel jedenfalls nicht so nachhaltig berührt, daß es gerechtfertigt wäre, die Bilder deutlich sichtbar als Fälschungen zu kennzeichnen. Ob dies auch für die Entfernung der gefälschten Signatur des Künstlers zu gelten hat, bei der es sich immerhin um eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB handelt (vgl. BGH Urt. vom 9. August 1988 – 1 StR 257/88, aaO), kann hier offenbleiben, da es an einem dahingehenden Antrag fehlt (vgl. nachfolg.unter e).
Im Streitfall wäre aber entgegen der Annahme des Berufungsgerichts eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Künstlerpersönlichkeit Noldes zu bejahen, wenn die Befürchtung der Beklagten gerechtfertigt wäre, der Kläger könnte die Bilder als Originalwerke Noldes auf den Markt bringen. Davon ist aufgrund der Unterstellung des Berufungsgerichts, der Kläger würde die Bilder an den Kunsthandel weitergeben oder sie öffentlich darbieten, für die Prüfung in der Revisionsinstanz auszugehen. Der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht, ein solches Verhalten würde allenfalls die Gefahr einer gewissen »Verwässerung« des Persönlichkeitsbildes begründen, kann nicht beigetreten werden. Das Inverkehrbringen gefälschter Bilder ist grundsätzlich geeignet, das künstlerische Gesamtbild nachhaltig zu verzerren.
Auch die vom Berufungsgericht geäußerten Zweifel, ein Schutz könnte inzwischen wegen Zeitablaufs, nachdem mehr als 30 Jahre seit dem Tod Emil Noldes vergangen sind, entfallen sein, sind unbegründet. Die Dauer des postmortalen Persönlichkeitsschutzes läßt sich nicht generell festlegen. Sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei wird es neben der Intensität der Beeinträchtigung vor allem auf die Bekanntheit und Bedeutung des durch das künstlerische Schaffen geprägten Persönlichkeitsbildes ankommen. Das Schutzbedürfnis schwindet in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblaßt und im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes abnimmt (vgl. BGHZ 50, 133, 140 f. – Mephisto; BVerfGE 30, 173, 196 – Mephisto). Anders als bei einem ausübenden Künstler, der z. B. als Theaterschauspieler oder -regisseur in der Regel nur seinen Zeitgenossen in Erinnerung bleiben wird, kann das künstlerische Ansehen und die künstlerische Wertschätzung bei einem bildenden Künstler, der seiner Nachwelt ein bleibendes Werk hinterläßt, noch Jahrzehnte nach dem Tode fortbestehen, ohne daß der erforderliche Bezug zur Person des Verstorbenen verlorengeht. Bei einem Maler, der – wie Emil Nolde – zu den namhaften Vertretern des deutschen Expressionismus zählt, ist auch rund drei Jahrzehnte nach dem Tode noch ein fortbestehendes Schutzbedürfnis anzuerkennen. Die zur Wahrung des Persönlichkeitsschutzes berufene Beklagte ist daher auch heute noch berechtigt, sich gegen eine Verfälschung des Gesamtwerkes Emil Noldes zur Wehr zu setzen.
e) Der Beklagten steht daher grundsätzlich ein Beseitigungsanspruch gegen den Kläger gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG zu, sofern es sich bei den streitgegenständlichen Bildern um Fälschungen handelt und zu befürchten steht, der Kläger könne die Fälschungen als Originalwerke Noldes dem Kunstmarkt zugänglich machen. Auf eine Aufklärung dieser vom Berufungsgericht offengelassenen Fragen kommt es hier jedoch nicht an, da der Beseitigungsanspruch jedenfalls nicht die mit der Widerklage begehrte Einwilligung in die Kennzeichnung der Bilder als Fälschungen rechtfertigt.
Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, reicht der Beseitigungsanspruch nicht weiter, als es zur Aufhebung oder Minderung der Beeinträchtigung erforderlich ist. Die erforderlichen Beseitigungsmaßnahmen bestimmen sich daher nach der Art und dem Umfang der Beeinträchtigung (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht 15. Aufl. Einl. UWG Rdn. 290). Im Streitfall ist die Beeinträchtigung darin zu sehen, daß die Bilder mit der Signatur »Nolde« versehen sind und daß diese Fälschungen – wie zu unterstellen ist – dem allgemeinen Kunstmarkt als echte Nolde-Werke zugeführt werden sollen. Anders als die Beklagte meint, liegt eine Beeinträchtigung aber nicht auch darin, daß die Bilder im Stile und nach Motiven Noldes gemalt worden sind. Solche abstrakten Eigenschaften eines Werkes sind im Interesse der allgemeinen künstlerischen Entwicklung als gemeinfrei anzusehen (st. Rspr., vgl. BGHZ 5, 1, 4 [BGH 22.01.1952 – I ZR 68/51] – Hummelfiguren I). Sie können von einem Künstler grundsätzlich nicht für sich monopolisiert werden.
Daraus folgt, daß vorliegend zur Beseitigung der Beeinträchtigung die Entfernung der Nolde-Signatur ausreichend ist. Eine äußere – nach den Vorstellungen der Beklagten durch einen Gerichtsvollzieher vorzunehmende – Kennzeichnung der Bilder als Fälschungen kann nicht verlangt werden. Es bleibt jedem Eigentümer eines Bildes, selbst wenn es in Anlehung an Stilmerkmale und Motive eines anderen Malers geschaffen worden ist, unbenommen, mit dem Bild – ohne durch einen Fälschungsvermerk in der Werknutzung beeinträchtigt zu werden – nach Belieben zu verfahren, sofern es nicht aufgrund der Signatur fälschlich einem anderen Maler zugerechnet wird.
Einen Antrag auf Einwilligung in die Entfernung der Signatur hat die Beklagte aber mit ihrer Widerklage nicht gestellt. Er ist auch nicht als ein Weniger in dem Antrag auf Einwilligung in die Kennzeichnung der Bilder als Fälschung enthalten. Es handelt sich insoweit um etwas anderes als beantragt (§ 308 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hält nach ihrem eigenen Vorbringen eine Entfernung des Namenszuges nicht für ausreichend und will mit ihrem Antrag erreichen, daß die Bilder deshalb als Fälschungen gekennzeichnet werden (z. B. durch einen nicht entfernbaren, deutlich sichtbaren Stempelaufdruck über dem Schriftzug oder durch eine Perforierung), weil der Verkehr sie unabhängig von der Signatur aufgrund des »Nolde-Stils« und der »Nolde-Motive« auch als von Nolde stammend ansehen könnte. Diesen anders gearteten Schutz, der sich auf abstrakte Eigenschaften erstrecken soll, die allgemein zugänglich bleiben müssen, kann die Beklagte nicht verlangen.
Danach kommt im Streitfall nur ein hier nicht geltend gemachter Anspruch auf Einwilligung in die Entfernung der Signatur in Betracht; für diesen Anspruch wäre der Kläger zwar nicht im Hinblick auf die nicht von ihm stammende Fälschung als solche, wohl aber im Hinblick auf die zu unterstellende Verkaufsabsicht als Störer anzusehen. Entgegen der Annahme der Revision kann die Beklagte auch aus diesem Anspruch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB herleiten. Denn das Zurückbehaltungsrecht setzt – wie vorstehend unter II, dargelegt – einen eigenen Gegenanspruch voraus. Daran fehlt es hier. Der postmortale Persönlichkeitsschutz wird von der Beklagten nur in Prozeßstandschaft geltend gemacht (oben III. 1. a).
2. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht der Beklagten aber auch einen aus eigenem Recht geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch (§§ 1, 3 UWG) versagt. Nach den vom Berufungsgercith getroffenen Feststellungen, die keinen Rechtsverstoß erkennen lassen, fehlt es schon an einem Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein etwaiger Verkauf der Bilder außerhalb des privaten Bereichs erfolgen sollte und dass die Parteien hinsichtlich des Verkaufs von Bildnern in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Die gegenteilige Annahme der Revision wird von den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen.
Darüber hinaus könnte die Beklagte auch auf dem Wege über einen wettbewersbrechtlichen Beseitigungsanspruch nicht das mit der Widerklage verfolgte Ziel einer Kennzeichnung der Bilder als Fälschungen erreichen.
IV. DIe Revision hat nach alledem keinen Erfolg. Sie ist mit der Kostenfolge aus § 97 Abs.1 ZPO zurückzuweisen.
(…)