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Nach Art, Beschaffenheit, Verwendungszweck und Nutzung weisen  ,,Jeans“ und ,,Shirts“ der Widerspruchsmarke ,,Kosmetik“ und ,,echten
Schmuckwaren“ keine hinreichenden Berührungspunkte auf. Die Waren stammen regelmäßig nicht aus denselben Herkunftsbetrieben –  und werden gewöhnlich auch nicht unter der Qualitätskontrolle eines Unternehmens erzeugt. Auch lässt sich eine Warenähnlichkeit nicht mir Vermarktungsstrategien und Lizenzpraktiken begründen, wonach die Waren unter derselben Marke vertrieben werden können.

Hierzu stellte der  Bundesgerichtshof mehrfach fest (vgl. BGH I ZR 172/01 Ferrari Pferd; BGH  I ZR 96-03 tosca blu ) dass allein aus der Erteilung von Lizenzen für andere als diejenigen Waren, für die der Markenschutz gilt, keine Anhaltspunkte für eine Warenähnlichkeit abgeleitet werden können.

Eine an sich bestehende (absolute) Warenunähnlichkeit – ann mit einer solchen Praxis, die auf der Erfahrung beruht, dass sich die positiven Assoziationen, welche bekannte, als exklusiv geltende Marken erwecken, auch für völlig andere Produkte nutzbar machen lassen, nicht überwunden werden.

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BUNDESPATENTGERICHT

24 W (pat) 517/10                              Verkündet am
_______________                                 20. März 2012

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

BPatG 154
05.11
-2-

betreffend die Marke 307 52 464

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 20. März 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters am Oberlan-
desgericht Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 10. August 2007 ist die Wortbildmarke

 

 

ursprünglich für Waren aus den Klassen 3, 14 und 25, nämlich

,,Kosmetik; Schmuck; Unterwäsche“

beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und am 4. April 2008 ent-
sprechend dieser Anmeldung unter der Nr. 307 52 464.7 in das Register eingetra-
gen worden.

Dagegen ist Widerspruch eingelegt worden aus der am 3. Januar 1986 in das
Markenregister eingetragenen Wortmarke Nr. 1 086 187

IMAGINE

die für folgende Waren der Klasse 25 Schutz genießt:

,,Oberbekleidung und Schuhe“.

Bereits im patentamtlichen Verfahren haben die Verfahrensbeteiligten unstreitig
gestellt, dass die Widerspruchsmarke nur für Jeans und Shirts benutzt wird.

Mit Beschluss vom 2. März 2010 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Diens-
tes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts
den Widerspruch zurückgewiesen. Im Bereich der Waren der Klassen 3 und 14
der angegriffenen Marke sei eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr schon
deswegen ausgeschlossen, weil diese Waren den Waren der Widerspruchsmarke
in der Klasse 25 unter keinem Gesichtspunkt ähnlich seien. Warenähnlichkeit be-
stehe nur insoweit, als die angegriffene Marke – damals noch – Schutz für Waren
der Klasse 25 genoss. Auch in Bezug auf diese Warengruppe hat die Prüferin eine
markenrechtliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen mit der Begründung,
dass die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken in Wort und Bild für eine
sichere Unterscheidung auch durch die angesprochenen weitesten Verkehrskreise
ausreichten.

Mit ihrer Beschwerde vom 12. März 2010 gegen den Beschluss vom 2. März 2010
verfolgt die Widersprechende weiter die Löschung der angegriffenen Marke.

Die Widersprechende, die in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, hat
im Laufe des Verfahrens den Schwerpunkt ihrer Argumentation auf eine marken-
rechtliche Verwechslungsgefahr im Bereich der Klasse 25 gelegt, für die – bis zur
Verzichtserklärung der Markeninhaberin – auch die angegriffene Marke Schutz
genoss. Zur Frage nach der Warenähnlichkeit im Bereich der Waren der Klas-
sen 3 und 14, für die nur die angegriffene Marke Schutz genießt, hat sich die
Widersprechende im Wesentlichen auf zwei Beschlüsse des Bundespatentge-
richts berufen. Im Übrigen beansprucht die Widersprechende für ihre Marke durch-
schnittliche Kennzeichnungskraft und meint, dass sich die Vergleichszeichen in
hohem Maße ähnlich seien, weil sich bei markenrechtlicher Betrachtung nur die
identischen Wörter ,,Imagine“ gegenüberstünden. Der Wortbestandteil ,,Imagine“
nehme in der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung ein
und präge deren Gesamteindruck, weil die übrigen Wortbestandteile ,,Dessous &
Cosmetics“ lediglich warenbeschreibend seien und der Verkehr diesen glatt
beschreibenden Elementen keine herkunftsbezeichnende Wirkung beimesse. Der
Bildbestandteil, der hauptsächlich aus einem rosafarbenen Orchideenblütenzweig
bestehe, sei nur dekorativ.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 2. März 2010 aufzuheben und die
Marke Nr. 307 52 464 wegen des Widerspruchs aus der Marke
Nr. 1086187 zu löschen.

Die Anmelderin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung das Warenverzeichnis ihrer Marke be-
schränkt, indem sie auf die Waren der Klasse 25 (,,Unterwäsche“) verzichtet und
die Waren der Klasse 14 beschränkt hat auf ,,echte Schmuckwaren“.
Die Anmelderin meint, dass jedenfalls nach der Beschränkung des Warenver-
zeichnisses ihrer Marke zwischen den Vergleichswaren keine Ähnlichkeit bestehe,
und ist im Übrigen der Auffassung, dass die Unterschiede zwischen den Ver-
gleichszeichen für einen sicheren Ausschluss jeder markenrechtlichen Verwechs-
lungsgefahr genügten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen
zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn zwischen den Ver-
gleichsmarken besteht keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. v. §§ 9
Abs. 1 Nr. 1 und 2 MarkenG, 42, 165 Abs. 2 MarkenG.

Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im jeweiligen
Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der
Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke,
des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen und der bei der Auswahl zu erwartenden
Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl.
EuGH GRUR 1998, 387 – Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 – BAINBRIDGE;
BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 – SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der
genannten Einzelfaktoren s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl.,
§ 9 Rdn. 40, 41). Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren kann dabei nicht
durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen
werden (EuGH GRUR 1998, 922 – Canon; vgl. auch Hacker in: Ströbele/Hacker,
a. a. O., § 9 Rdn. 26, 27, 34, 67, 68 m. w. Nachw.). So verhält es sich hier:

Die für die jüngere Marke (jetzt noch) registrierten Waren ,,Kosmetik“ der Klasse 3
und ,,echte Schmuckwaren“ der Klasse 14 sind Oberbekleidung in der Form tradi-
tioneller Masseartikel, wie es die ,,Jeans“ und ,,Shirts“ der Klasse 25 sind, für die
die Widerspruchsmarke unstreitig nur benutzt wird, unter keinem Gesichtspunkt
ähnlich (zur Ähnlichkeit von Oberbekleidung der Klasse 25 einerseits mit Kosmetik
der Klasse 3 sowie Schmuckwaren der Klasse 14 vgl. bereits BPatG Beschluss
vom    23. Februar 2010,     24 W (pat) 87/08    – Noor./.noor;   Beschluss     vom
20. April 2004, 24 W (pat) 89/03 – Clarisse./.Clarins; Beschluss vom 26. Novem-
ber 2002,     24 W (pat) 39/02     – SUNPOINT./.Sun Island;       Beschluss     vom
13. Juli 1999, 24 W (pat) 134/98 in PAVIS PROMA).

Nach Art, Beschaffenheit, Verwendungszweck und Nutzung weisen die ,,Jeans“
und ,,Shirts“ der Widerspruchsmarke einerseits und die ,,Kosmetik“ und ,,echten
Schmuckwaren“ der angegriffenen Marke andererseits keine hinreichenden Be-
rührungspunkte auf. Die Vergleichswaren stammen regelmäßig nicht aus densel-
ben Herkunftsbetrieben – selbst wenn insoweit nicht nur auf Produktionsstätten im
engeren Sinne abgestellt wird – und werden gewöhnlich auch nicht unter der Qua-
litätskontrolle eines Unternehmens erzeugt. Sofern – wohl eher in Ausnahmefäl-
len – ein gemeinsamer Vertrieb in räumlicher Nähe erfolgen sollte, käme dem für
sich gesehen keine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker,
a. a. O., § 9 Rdn. 88).

Die sich gegenüberstehenden Waren können auch nicht als miteinander konkur-
rierende oder einander ergänzende Erzeugnisse angesehen werden. Selbst wenn
man den Begriff der einander ergänzenden Waren nicht nur in einem funktionalen
Sinn versteht, sondern in den Bereichen der Mode und der Produkte für die Pflege
des äußeren Erscheinungsbildes auch auf ein ästhetisches Ergänzungsverhältnis
abstellt (vgl. EuG GRUR-RR 2007, 347, Nr. 35 bis 37 – TOSCA BLU), kann im vor-
liegenden Fall nicht von Warenähnlichkeit ausgegangen werden. Denn Vorausset-
zung wäre, dass die eine Ware für die Verwendung der anderen so unentbehrlich
oder wichtig ist, dass die Verbraucher es als üblich und normal empfinden, die
fraglichen Erzeugnisse zusammen zu benutzen, und dass sie die Vermarktung
dieser Waren unter derselben Marke als gängig ansehen, was normalerweise
impliziert, dass die jeweiligen Hersteller oder Händler der Produkte großen Teils
dieselben sind (vgl. EuG GRUR-RR 2005, 344, Nr. 63 – SISSI ROSSI). Keine die-
ser Voraussetzungen ist hier gegeben.

Schließlich lässt sich eine markenrechtliche Ähnlichkeit zwischen den Vergleichs-
waren vorliegend nicht allein mit den im Mode- und Luxusgüterbereich – gelegent-
lich – feststellbaren Vermarktungsstrategien und Lizenzpraktiken begründen, wo-
nach ,,Jeans“ und ,,Shirts“ der Klasse 25 einerseits und andererseits ,,Kosmetik“
der Klasse 3, eventuell auch ,,echte Schmuckwaren“ der Klasse 14 unter dersel-
ben Marke vertrieben werden können. Zu dieser Praxis hat der Bundesgerichtshof
mehrfach festgestellt (vgl. GRUR 2004, 594, 596 re. Sp. – Ferrari-Pferd; GRUR
2006, 941, Nr. 12, 14 – TOSCA BLU), dass allein aus der Erteilung von Lizenzen
für andere als diejenigen Waren, für die der Markenschutz gilt, keine Anhalts-
punkte für eine Warenähnlichkeit abgeleitet werden können. Eine an sich beste-
hende (absolute) Warenunähnlichkeit – wie sie vorliegend gegeben ist – kann mit
einer solchen Praxis, die auf der Erfahrung beruht, dass sich die positiven Asso-
ziationen, welche bekannte, als exklusiv geltende Marken erwecken, auch für völ-
lig andere Produkte nutzbar machen lassen, nicht überwunden werden.
Im Übrigen ist die Frage, ob solche Lizenz- und Marketingpraktiken zumindest
eine entfernte markenrechtliche Ähnlichkeit zwischen den betroffenen Waren be-
gründen können, bisher nur im Zusammenhang mit berühmten, jedenfalls aber
bekannten Marken aufgeworfen worden. Dass die Widerspruchsmarke zu dieser
Kategorie gehören würde, hat der Senat nicht feststellen können. Die Widerspre-
chende hat dazu nicht ausdrücklich vorgetragen und ihre Meinung, wonach die
Widerspruchsmarke jedenfalls eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft habe,
nur auf die Tatsachen gestützt, die sie zur Benutzung vorgetragen hat. Danach
sind unter der Widerspruchsmarke in der Zeit vom Jahre 2000 bis zum Jahre 2007
einschließlich mit den Waren ,,Jeans“ und ,,Shirts“ jährliche Umsätze von bis zu
… erzielt worden. Da Jeans und Shirts traditionelle Masseartikel im
Bereich der ­ sportlichen – Oberbekleidung sind, können diese geringen Umsätze
für sich genommen keine allgemeine Bekanntheit der Widerspruchsmarke bele-

gen. Dass die unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Waren exklusiv gewe-
sen wären und die Widerspruchsmarke dadurch eine allgemeine Bekanntheit er-
reicht hätte, hat die Widersprechende nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht
erkennbar.

Diesen Feststellungen stehen auch die Entscheidungen des 27. Marken-Be-
schwerdesenats, auf die sich die Widersprechende berufen hat, nicht entgegen. In
dem Beschluss vom 10. Februar 2004, 27 W (pat) 118/03 – ENZO LAZZARO./.
AZZARO – wird lediglich die Möglichkeit einer entfernten Ähnlichkeit zwischen
Bekleidungsstücken einerseits und Kosmetik andererseits nur für den Fall einer
bekannten Widerspruchsmarke nicht ganz ausgeschlossen. Das ist auf den vor-
liegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil sich nicht feststellen ließ,
dass die Widerspruchsmarke ,,IMAGINE“ den dazu notwendigen Grad der Be-
kanntheit erreicht hätte. In dem nur wenig später ergangenen Beschluss vom
23. November 2004, 27 W (pat) 47/02 – Formel 1./.F Formula 1 – wird unter Hin-
weis auf BGH GRUR 2004, 594 ff. – Ferrari-Pferd – für die Waren ,,Kosmetik“ und
,,Bekleidungsstücken“ Warenunähnlichkeit festgestellt. Soweit im selben Be-
schluss eine Ähnlichkeit zwischen ,,Schmuckwaren“ der Klasse 14 einerseits und
,,Bekleidungsstücken“ der Klasse 25 festgestellt worden ist, gilt diese Feststellung
ausdrücklich nur für ,,Modeschmuck“, den hier die Markeninhaberin durch die For-
mulierung ,,echte Schmuckwaren“ in ihrem Warenverzeichnis nicht beansprucht.

Aus diesen Gründen konnte der Widerspruch auch im Beschwerdeverfahren kei-
nen Erfolg haben.

Dafür, einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeits-
gründen aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG), bestand kein Anlass.

Werner                            Dr. Schnurr                            Heimen

Fa