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In dem aktuellen Fall, der sich um die Urheberrechte an Handpans (auch “Hang” genannt) dreht, hat das Obergericht Bern mit Urteil vom 2. Juli 2024 – HG 20 117 eine wegweisende Entscheidung getroffen, die für Hersteller und Händler von Musikinstrumenten von großer Bedeutung ist. Die Entscheidung beleuchtet zentrale Aspekte des Urheberrechts und dessen Anwendung auf angewandte Kunst.

Volltext: https://panart.ch/files/images/OGer-BE-Urteil-Urheberrechtsschutz-HANG_2024-07-16-153539_rlll.pdf

Sachverhalt

Die Kläger, eine Gruppe von Händlern und Herstellern, die Handpans vertreiben, haben Klage erhoben, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass ihre Produkte nicht urheberrechtlich geschützt sind und dass sie keine Urheberrechtsverletzungen begehen. Die Beklagten hingegen beanspruchen Urheberrechte an den ursprünglichen “Hang”-Instrumenten und haben öffentlich erklärt, rechtliche Schritte gegen Händler einzuleiten, die Kopien ihrer Instrumente vertreiben.

Entscheidungsgründe

Da die Kläger in verschiedenen Ländern tätig sind (Schweiz, Deutschland und Niederlande), ist es wichtig zu beachten, dass das Urheberrecht international unterschiedlich geregelt ist. In Bezug auf das deutsche Urheberrecht stellte das Gericht fest, dass der urheberrechtliche Schutz in Deutschland gemäß § 2 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) das Vorliegen eines Werks voraussetzt. Geschützte Werke umfassen insbesondere bildende Kunst, Baukunst und angewandte Kunst. Angewandte Kunst verfolgt einen Gebrauchszweck, während bildende Kunst freie künstlerische Ziele anstrebt. Für Gebrauchsgegenstände ist eine gewisse Gestaltungsfähigkeit erforderlich, um Urheberrechtsschutz zu erhalten.

  1. Persönliche geistige Schöpfung: Das Gericht betonte, dass ein Werk eine persönliche geistige Schöpfung darstellen muss, deren ästhetischer Gehalt als “künstlerisch” anerkannt wird. Der Schutz basiert auf der künstlerischen Leistung und deren Ausdruck.
  2. Gestaltungshöhe: Die Anforderungen an die Gestaltungshöhe sind bei angewandter Kunst nicht höher als bei zweckfreier Kunst; jedoch kann der Gebrauchszweck den gestalterischen Spielraum einschränken. Es wurde festgestellt, dass der gestalterische Spielraum im vorliegenden Fall ausreichend war und keine engen Vorgaben existierten.
  3. Technische Merkmale: Das Gericht stellte klar, dass technische Merkmale, die für die Funktion eines Gegenstands unerlässlich sind oder aus technischen Gründen gewählt werden, keinen Urheberrechtsschutz begründen können, wenn ihre Gestaltung ausschließlich auf technischen Erfordernissen beruht. In diesem Fall konnten die Kläger nicht nachweisen, dass technische Zwänge die künstlerische Gestaltung des „Hang“ einschränkten.
  4. Kreative Entscheidungen: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bereits in früheren Entscheidungen betont, dass aus der bloßen Existenz von Gestaltungsalternativen nicht automatisch eine schöpferische Gestaltungshöhe abgeleitet werden kann. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten kreative Entscheidungen getroffen und ein Produkt geschaffen, das sich von bestehenden Designs abhebt.
  5. Schutzfähigkeit des „Hang“: Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das „Hang“ als Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt ist. Dies gilt auch für die Prototypen 4 und 5 der Beklagten aufgrund ihrer innovativen Kombinationen strittiger Elemente.

Fazit

Die Entscheidung des Obergerichts Bern stellt einen wichtigen Präzedenzfall dar und verdeutlicht die Komplexität des Urheberrechts im Bereich der angewandten Kunst. Hersteller und Händler sollten sich bewusst sein, wie wichtig es ist, ihre Designs sorgfältig zu prüfen und sicherzustellen, dass sie über ausreichende kreative Elemente verfügen, um urheberrechtlichen Schutz zu genießen.

Für Unternehmen in diesem Sektor empfiehlt es sich:

  • Eine umfassende rechtliche Prüfung ihrer Produkte durchzuführen.
  • Dokumentationen über den Entstehungsprozess ihrer Designs anzufertigen.
  • Bei Unsicherheiten rechtlichen Rat einzuholen.

Diese Maßnahmen können helfen, rechtliche Konflikte zu vermeiden und eine klare Position im Hinblick auf mögliche Urheberrechtsansprüche zu wahren.

 

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Dr. Moritz Ott