030 88 70 23 80 kanzlei@ra-juedemann.de

OLG Hamm · Urteil vom 5. Dezember 2013 · Az. 4 U 70/13

…..

Gründe

 

A. Beide Parteien vertreiben Mundspüllösungen, die Chlorhexidin enthalten.

 Die Beklagte vertreibt u. a. die Mundspüllösung Q, die Chlorhexidin in einer Konzentration von 0,12 % enthält, und zwar als kosmetisches Mittel. Das Mittel wird als Mundspülung zur Zahnpflege bezeichnet, das bakteriellen Zahnbelag reduziert und dessen Neubildung hemmt. Wegen der Einzelheiten der hierbei genutzten Verpackung und Umverpackung wird auf die im erstinstanzlichen Tenor enthaltene Abbildung derselben Bezug genommen. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Produkt Q besteht nicht.

Die Klägerin, die Mundspüllösungen von 0,1 % und 0,2 % unter der Marke D als zugelassene Arzneimittel in den Verkehr bringt, mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2006 (Anlage K18) erfolglos ab. Sie machte hierbei geltend, dass die von der Beklagten vertriebene Mundspüllösung ein nicht zugelassenes Arzneimittel sei, weil sie pharmakologisch wirke und in der Lage sei, physiologische Körperfunktionen beim Menschen signifikant zu beeinflussen. Denn sie sei in der Lage, u.a. Gingivitis zu heilen oder zu lindern. Die Klägerin forderte die Beklagte insoweit zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Erstattung anwaltlicher Abmahnkosten i.H.v. 1.880,30 € auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 15.11.2006 (Anlage K19) ab.

 Die Klägerin verfolgt ihr Begehren im Klagewege weiter und verlangt gleichzeitig die Erstattung der Abmahnkosten, wobei sie sich eine 0,65-Gebühr anrechnen lässt.

 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

 Das Landgericht hat es der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel, zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das Präparat Q® 0,12 % Mundspülung zu werben und/oder dieses Präparat zu vertreiben, solange es nicht als Arzneimittel zugelassen ist, insbesondere wenn dies wie in der im Urteilstenor abgebildeten Form erfolgt. Es hat die Beklagte ferner verurteilt, an die Klägerin 950,15 € nebst Zinsen zu zahlen.

 Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

 Die Klage sei begründet.

 Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folge aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 2 Abs. 1, 21 AMG.

Der Vertrieb eines Produktes, das als Arzneimittel einzustufen sei, ohne die notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung, sei unlauter.

 Bei dem streitgegenständlichen Produkt handele es sich um ein Arzneimittel.

 

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 a AMG seien Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden könnten, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Die Fassung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG entspreche dabei Artikel 1 Nr. 2 b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 6. November 2001.

 Nach der Rechtsprechung des EUGH sei der Begriff der pharmakologischen Wirkung aus Artikel 1 Nr. 2 b der Richtlinie 2001/83/EG – unter Berücksichtigung der Leitlinie zur Abgrenzung der Richtlinie 76/768 über kosmetische Mittel von der Richtlinie 2001/83 über Arzneimittel „Guidance Document on the demarcation between the Cosmetic Products Directive 76/768 and the Medicinal Products Directive 2001/83 as agreed between the Commission Services and the competent authorities of Member States“ – dahin auszulegen, dass vom Vorliegen einer pharmakologischen Wirkung einer Substanz im Sinne dieser Bestimmung nicht nur dann ausgegangen werden könne, wenn es zu einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen dieser Substanz und einem zellulären Bestandteil des Körpers des Anwenders komme, sondern dass eine Wechselwirkung zwischen dieser Substanz und einem beliebigen im Körper des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteil genüge. In diesem Sinne wirke das hier streitgegenständliche Produkt der Beklagten aufgrund seiner 0,12 %igen Chlorhexidin-Konzentration pharmakologisch. Unstreitig störe Chlorhexidin in der vorliegenden Konzentration zumindest die bakterielle Zellwand, so dass sich die Bakterien nicht vermehren könnten. Chlorhexidin wirke damit auf einen zellulären Bestandteil im Körper des Menschen – Bakterien – ein und entfalte damit eine pharmakologische Wirkung im Sinne der Definition des EUGH.

 Es fehle insoweit nicht an einer „direct disponse“ im Sinne der Definition des Begriffes „pharmakologische Wirkung“ nach der Leitlinie zur Abgrenzung zwischen kosmetischen Mitteln und Arzneimitteln. Denn gemäß der Definition des EUGH zur pharmakologischen Wirkung reiche die Wirkung auf irgendeine im menschlichen Körper befindliche Zelle aus, um eine menschliche Zelle müsse es sich nicht handeln. Eine direkte Antwort des menschlichen Körpers auf die fragliche Substanz sei nicht notwendig.

 

Das streitgegenständliche Produkt sei geeignet, physiologische Funktionen des menschlichen Körpers nennenswert zu beeinflussen. Dadurch, dass es etwa bei bestehender Zahnfleischentzündung durch die Wirkung des Chlorhexidin zu einer Keimreduktion komme, was dazu führe, dass nicht weitere, neue entzündliche Reize gesetzt würden, werde die Selbstgenerierung des Zahnfleisches unterstützt. Damit liege eine Beeinflussung physiologischer Funktionen vor, die aus Sicht der Kammer auch als nennenswerte Beeinflussung einzuordnen sei.

 

Dem stehe nicht entgegen, dass nach Anhang VI „Liste der Konservierungsstoffe, die in kosmetischen Mitteln enthalten sein dürfen“ der Richtlinie 76/768/EG eine Höchstkonzentration von Chlorhexidin von 0,3 % für kosmetische Mittel zulässig sei. Insoweit gehe es nur um den Fall, dass Chlorhexidin als Konservierungsstoff verwandt werde. Darüber, ob ein konkretes Produkt aufgrund seiner Wirkweise als Arzneimittel einzustufen sei, lasse sich hieraus nichts entnehmen. Dies ergebe sich letztlich auch aus der Entscheidung des EUGH vom 6. September 2012. Die Richtlinie 76/768/EWG und der fragliche Anhang seien im rechtlichen Rahmen des Urteils ausdrücklich aufgeführt. Im Folgenden werde dann aber für das streitgegenständliche Produkt Q 0,12 %, das mit dem Produkt des hiesigen Verfahrens identisch sei, aus der vorgenannten Richtlinie und ihrem Anhang nichts hergeleitet.

 

Die Abmahnkosten könne die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG verlangen.

 

Hiergegen richtet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung wie folgt:

 

Das Landgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben und dabei seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Arzneimittel handele.

 

Das Landgericht habe wesentlichen Sachvortrag der Beklagten nicht zur Kenntnis genommen und damit gegen § 131 Abs. 6 ZPO verstoßen.

 

Die Beklagte habe ausdrücklich vorgetragen, dass eine antibakterielle Wirkung typischerweise zahlreichen als kosmetische Mittel anerkannten Produkte zukomme. Die antibakterielle Wirkung sei lediglich eine kosmetische Wirkung und überschreite damit auch in ihren Auswirkungen nicht die in der Rechtsprechung des EuGH genannte Schwelle der signifikanten Beeinflussung physiologischer Funktionen.

 

Der Gesetzgeber verstehe diese Wirkung von Chlorhexidin in einer Konzentration von bis zu 0,3% als typisch kosmetische Wirkung.

 

Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die Bildung bzw. Neubildung von Zahnbelag keine physiologische Funktion habe. Die antibakterielle Wirkung bei der Reinigung der Mundhöhle beeinflusse damit keine physiologischen Funktionen.

 

Das Landgericht lege seinem Urteil Umstände zugrunde, die weder durch die Parteien vorgetragen worden noch unstreitig seien. Weder die Klägerin noch die Beklagte hätten vorgetragen, dass die Keimreduktion in der Mundhöhle zu einer Unterstützung der „Selbstgenerierung“ des Zahnfleisches führe. Auf diese Tatsache stütze das Landgericht jedoch maßgeblich sein Urteil, wenn es hierin eine „nennenswerte Beeinflussung“ sehe. Tatsächlich unterstütze das streitgegenständliche Produkt nicht die „Selbstgenerierung“ des Zahnfleisches.

 

Die Beklagte habe erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass das in Rede stehende Produkt keinen nennenswerten Einfluss auf den Stoffwechsel und damit auf die Funktionsbedingungen habe. Wenn das Landgericht diesem Beweisantritt nachgegangen wäre, wäre der diesbezügliche Vortrag bestätigt worden. Das Produkt hätte sodann nicht als Arzneimittel qualifiziert werden dürfen.

 

Tatsächlich handele es sich bei dem Produkt nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Kosmetikprodukt. Dies habe das Landgericht verkannt.

 

Zutreffend sei zwar, dass Chlorhexidin auf Bakterien in der Mundhöhle im Rahmen eines antibakteriellen Effekts wirken könne. Eine antibakterielle Wirkung gegen Bakterien in der Mundhöhle begründe gemäß der Entscheidung des EuGH im Verfahren C-308/11 jedoch keine pharmakologische Wirkung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AMG.

 

Nach Art. 1 Abs. 1 RL 76/768/EWG sowie der ab dem 11.07.2013 geltenden VO (EG) Nr. 1223/2009 sei die Anwendung eines Stoffes an Zähnen und an den Schleimhäuten der Mundhöhle eine äußerliche Anwendung. Würden an entsprechenden Stellen Bakterien bekämpft, handele es sich nach den Vorgaben des Gesetzgebers um eine äußerliche Wirkung.

 

Die Wirkung gegen die Bakterien in der Mundhöhle sei daher keine Wirkung gegen Bakterien „im Organismus des Anwenders“ – so die bewusst auf die Vorlage des OLG Frankfurt einschränkende Definition des EuGH im Urteil vom 06.09.2012 im Verfahren C-308/11 -, sondern eben nur eine Wirkung gegen äußerlich auf Zähnen und der Mundschleimhaut befindliche Bakterien. Eine entsprechende Wirkung außerhalb des Organismus sei von der Entscheidung des EuGH gerade nicht erfasst.

 

Schädliche Wirkungen könnten solche Bakterien in der Mundhöhle für sich genommen nicht verursachen. Diese könnten erst dann zu Entzündungen – Gingivitis – führen, wenn sie in den Organismus eindrängen, indem sie z.B. in Wunden gelangten.

 

Eine gegen Bakterien gerichtete Wirkung führe nicht zu einer „direct response“ im Sinne der Definition des Begriffes „pharmakologische Wirkung“ nach der Leitlinie zur Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten bzw. nach der Leitlinie zur Abgrenzung zwischen kosmetischen Mitteln und Arzneimitteln, auf die nach der Entscheidung des EuGH zur Auslegung Bezug genommen werden könne. Denn hierin liege keine direkte Antwort des menschlichen Körpers, da dieser von der Unschädlichmachung der Bakterien zunächst unbeeinflusst bleibe. Eventuelle positive gesundheitliche Auswirkungen würden sich lediglich als Reflex auf die gegen Bakterien gerichtete Wirkung darstellen. Das Landgericht verkenne insoweit die Ausführungen des EuGH, wonach lediglich eine gegen Bakterien im Organismus des Menschen befindliche Wirkung eine pharmakologische sei.

 

Die Wirkung gegen Bakterien sei auch keine Blockierung eines anderen Agens im Sinne des Definitionsbestandteils der Leitlinie zur Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten bzw. im Sinne der Leitlinie zur Abgrenzung zwischen kosmetischen Mitteln und Arzneimitteln. Denn dieser laute: „or which blocks the response to another agent“. Eine solche indirekte Reaktion durch das Blockieren der Reaktion eines anderen Agens finde bei der Unschädlichmachung von Bakterien nicht statt. Denn dies setze voraus, dass ein Stoff – ggf. auch ein „Wechselwirkungsprodukt“ der Wechselwirkung zwischen „zellulären Bestandteilen“ und dem relevanten Stoff – einen Rezeptor blockiere und so das Andocken eines anderen Stoffes an diesen Rezeptor verhindere. Eine solche Wirkung liege nicht vor und sei auch bislang von keiner Partei im gerichtlichen Verfahren behauptet worden.

 

Dass es sich bei einer antibakteriellen Wirkung eines Produktes in der Mundhöhle nicht um eine arzneiliche Wirkung handele, bestätige auch das von der EU herausgegebene „Manual on the scope of application of the Cosmetic Directive 76/768/EEC (Art. 1 (1) Cosmetics Directive)“, Version 9.0 vom Februar 2013, und zwar dort unter Punkt 3.2.2 zur Frage „Is a mouthwash which according to its presentation, is „antiseptic“ or „antibacteriel“ a cosmetic poduct?“.

 

Das Produkt führe auch zu keiner nennenswerten Beeinflussung physiologischer Funktionen. Die Annahme des Landgerichts, dass die keimreduzierende Wirkung des Produktes im Zusammenhang mit bestehenden Zahnfleischentzündungen die „Selbstgenerierung“ des Zahnfleisches unterstütze, sei falsch. Tatsächlich sei das Produkt nicht in der Lage, physiologische Funktionen nennenswert zu beeinflussen.

 

Die Keimreduzierung sei typische Wirkung kosmetischer Mittel und könne damit nicht als nennenswerte Beeinflussung physiologischer Funktionen angesehen werden.

 

Ob eine Wirkung nennenswert bzw. signifikant sei, könne sich nur durch eine vergleichende Betrachtung ergeben. Dies zeige bereits die Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln. Danach sei maßgeblich darauf abzustellen, dass die von bestimmten Stoffen hervorgerufenen Wirkungen nicht arzneilich sein könnten, wenn diese Stoffe in der relevanten Menge auch im Rahmen einer normalen bzw. modifizierten Ernährung zugeführt werden könnten.

 

Dies müsse auch bei der Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und kosmetischen Mitteln berücksichtigt werden. Die Keimreduktion sei das Ziel jeder Hygienemaßnahme und Hygienemaßnahmen seien typischerweise der Anwendungsbereich nicht zu dekorativen Zwecken dienender kosmetischer Mittel. Da die keimreduzierende Wirkung eine typisch kosmetische sei, könne damit weder sie als solche noch die als Reflex auf die Keimreduktion auftretende Folge als „nennenswerte“ bzw. signifikante Beeinflussung physiologischer Funktionen angesehen werden.

 

Dass die Wirkung des Produktes keineswegs zu einer Beeinflussung der physiologischen Funktionen führe, die allein eine Einstufung als Arzneimittel rechtfertigen könne, zeige auch die gesetzgeberische Entscheidung der nationalen wie der ab Sommer 2013 gültigen EU-Kosmetikverordnung (EG) Nr. 1223/2009, Chlorhexidin mit einer Konzentration von 0,3 % zu Konservierungszwecken in kosmetischen Mitteln zuzulassen. Danach könne eine entsprechende Chlorhexidin-Konzentration nicht als arzneilich angesehen werden. Die antibakterielle Wirkung von Chlorhexidin könne nicht davon abhängen, ob Chlorhexidin originär zu Konservierungszwecken oder zu Reinigungszwecken bzw. zur Keimzahlreduktion in der Mundhöhle eingesetzt werde. Chlorhexidin weise seine antibakterielle Wirkung insoweit unabhängig von der Zweckbestimmung auf, mit der es dem Produkt zugesetzt werde. Die Einstufung des streitbefangenen Produktes als Arzneimittel missachte die gesetzgeberische Grundentscheidung. Diese dürfe jedoch nicht ignoriert werden. Der Gesetzgeber habe um die antibakterielle Wirkung von Chlorhexidin, und zwar auch in der Anwendung des kosmetischen Mittels gewusst. Eine Verwendung sei demnach nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Verwendung zu Konservierungszwecken beschränkt.

 

Dass der EuGH in seinem Urteil vom 06.09.2011 in dem Verfahren C-308/11 hierauf nicht eingegangen sei, liege allein daran, dass hierzu in Anbetracht der maßgeblichen Vorlagefragen kein Anlass bestanden habe. Allein aus dem Umstand, dass der EuGH auf diesen Aspekt nicht eingegangen sei, könne folglich nicht gefolgert werden, dass die gesetzgeberische Anordnung für die vorliegend zu entscheidende Abgrenzungsfrage unbeachtlich sei. Tatsächlich ergebe sich aus dem Urteil das Gegenteil, wenn der EuGH ausführe, dass es Aufgabe des vorlegenden Gerichts sei, zu prüfen, ob ein Produkt aufgrund seiner Zusammensetzung einschließlich der Dosierung seiner Wirkstoffe und bei bestimmungsgemäßen Gebrauch physiologische Funktionen des Menschen in signifikanter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen könne. Danach sei die Würdigung der gesetzgeberischen Entscheidung durch das nationale Gericht vorzunehmen. Dies bestätige auch das Urteil des BGH vom 18.10.2012 im Verfahren I ZR 38/12.

 

Die Beklagte beantragt deshalb,

 

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 25.04.2013die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie begründet dies unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:

 

Sie weist zunächst darauf hin, dass nach dem angefochtenen Urteil sowohl das OLG Frankfurt am 20. Juni 2013 – 6 U 109/07 (Anlage K 43) als auch das OLG Köln am 25. Oktober 2013 – 6 U 98/13 (Anlage K 44) entschieden hätten, dass eine Chlorhexidinhaltige Mundspüllösung sowohl in der streitgegenständlichen Konzentration von 0,12 % als auch in einer höher dosierten Konzentration von 0,2 % ein Funktionsarzneimittel sei. Auf der Grundlage des zwischenzeitlichen Urteils des EuGH vom 6. September 2012 gehe nunmehr entgegen seiner früheren Auffassung auch das OLG Frankfurt von einer pharmakologischen Wirkung der streitgegenständlichen Mundspüllösung aus. Es habe die Revision zwar nicht zugelassen. Die Beklagte habe aber eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, so dass das Urteil bislang noch nicht rechtskräftig die Werbung und den Vertrieb des Mittels ohne Zulassung untersagt habe. An der Tatsache, dass damit die Arzneimitteleigenschaft von Mundspüllösungen mit einem Chlorhexidingehalt von über 0,1 % geklärt sein dürfte, könnten aber auch die Ausführungen in der Berufungsbegründung nichts mehr ändern.

 

Das erstinstanzliche Urteil enthalte keine formellen Fehler.

 

Von einem Verstoß gegen § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sei nur dann auszugehen, wenn das Gericht einen Vortrag unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör unberücksichtigt lasse. Ein solcher Fall liege hier ersichtlich nicht vor. Es reiche nicht aus, wenn das Gericht aus dem Sachvortrag der Beklagten nur nicht die erwünschten Schlussfolgerungen gezogen habe. Die Tatsachen, dass auch kosmetische Mittel in typischer Weise eine antibakterielle Wirkung entfalten, und dass die bei einer Reinigung in der Mundhöhle erzielten antibakteriellen Wirkungen keine physiologischen Funktionen beeinflussen könnten, seien nicht entscheidungserheblich. Außerdem gehe auch das Landgericht nicht davon aus, dass eine rein antibakterielle Wirkung für sich schon ausreiche, um körperliche Funktionen signifikant beeinflussen zu können. Entscheidend sei für das Landgericht vielmehr, dass nicht weitere, neue entzündliche Reize gesetzt würden, und damit jedenfalls die Selbstgenerierung des Zahnfleisches unterstützt werde. Maßgeblich sei, dass auch die Reinigung in der Mundhöhle physiologische Funktionen beeinflusse, wenn sie über die Beseitigung der Plaque hinaus pathophysiologische Körperfunktionen wie Karies, Gingivitis oder Parodontitis beeinflussen könne. Dem entspreche es, dass Schiffner in der von der Beklagten vorgelegten Abhandlung ausführe, dass Chlorhexidin wegen seiner verschiedenen Nebenwirkungen nicht als Prophylaktikum empfohlen, sondern bei gezielter Indikation als therapeutischprophylaktische Medikation eingesetzt werde. Ferner widerlege auch die Außendarstellung des Produkts der Beklagten, dass dessen Wirkungen nicht über die Wirkungen eines kosmetischen Produktes hinausgehe. Die Beklagte vergleiche ihr Produkt im Hinblick auf die Wirkung mit sonstigen 0,1 bis 0,2 %igen Chlorhexidinhaltigen Mundspüllösungen, die als Arzneimittel zugelassen seien. Außerdem werde das Präparat auch als 5-Liter-Kanister mit Pumpe für den Einsatz in der Zahnarztpraxis vertrieben. Auch das spreche gegen einen Einsatz des Mittels zum täglichen Gebrauch.

 

Die Annahme des Landgerichts, die Keimreduktion in der Mundhöhle unterstütze die Selbstgenerierung des Zahnfleisches, stelle sich nicht als Verwertung nicht vorgetragener Tatsachen dar. In der im Jahre 1994 veröffentlichten Monografie des Bundesgesundheitsministeriums zur Aufbereitung von Chlorhexidin würden die Anwendung bei bakteriell bedingter Entzündung der Gingiva und die dabei erzielte therapeutische Wirkung ausdrücklich beschrieben. Danach sei der antibakterielle Wirkstoff in Konzentrationen ab 0,1 % in der Lage, die Bildung von Plaque praktisch vollständig zu verhindern, wodurch auch ein bereits begonnener Krankheitsverlauf der Gingivitis gelindert und das Auftreten entzündlicher Prozesse wie Karies oder Gingivitis etwa nach chirurgischen Eingriffen im Mund von vorneherein verhütet würden. Gerade wenn Bakterien in der Plaque bereits zu einer Gingivitis geführt hätten, führe die vollständige Unterdrückung der Bildung bakterieller Zahnbeläge dazu, dass durch die Beseitigung der Ursache auch die Gingivitis geheilt werde. Durch die Herstellung eines Milieus, das frei von Plaque sei, werde die Zellteilung in den Mundschleimhäuten erleichtert, was zu einer Generierung des Zahnfleisches führe. Die heilende Wirkung auf die Gingivitis beruhe auf der signifikanten Keimreduktion, die die Selbstgenerierung des Zahnfleisches ermögliche.

 

Da es sich bei der Frage, ob eine signifikante Beeinflussung physiologischer Funktionen vorliege, um eine von den Gerichten zu beurteilende Rechtsfrage handele, habe das Landgericht auch keine Beweisantritte der Beklagten übergangen.

 

Der von ihr, der Klägerin, vorgetragene Einsatz des Produkts zu „therapeutischen Zwecken“ sei im Übrigen ebenso unstreitig geblieben wie die Tatsache, dass es zwischen den Wirkungen einer 0,2 %igen und einer 0,12 %igen Chlorhexidin-Lösung keinen signifikanten Unterschied gebe. Letzteres lasse sich der Fachkreiswerbung der Beklagten in der Anlage K 32 entnehmen.

 

Auch die Einstufung des streitgegenständlichen Produkts als Funktionsarzneimittel sei zu Recht erfolgt. Der pharmakologischen Wirkung des Produkts stehe insbesondere nicht dessen Einsatz in der Mundhöhle des Anwenders entgegen. Sowohl die Mundhöhle als auch die darin befindlichen Bakterien befänden sich im menschlichen Körper. Aus Art. 1 Abs. 1 der Kosmetikrichtlinie lasse sich nicht ableiten, dass es sich bei der Anwendung in der Mundhöhle um eine äußere Anwendung handele. Die Mittel, die mit Zähnen oder den Schleimhäuten in Berührung kämen, seien vielmehr gesondert und neben den Mitteln zur äußerlichen Anwendung aufgezählt. Der EuGH habe die Vorlagefrage Nr. 2 des OLG Frankfurt nicht eingeschränkt. Es sei danach gefragt worden, ob auch eine Wechselwirkung der fraglichen Substanz und einem zellulären Bestandteil genüge, der nicht Bestandteil des menschlichen Körpers sei.

 

Das habe der EuGH so ausgelegt, dass gefragt werde, ob auch eine Wechselwirkung zwischen dieser Substanz und einem beliebigen im Körper des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteil genügen könne, der nicht Bestandteil des Körpers des Anwenders sei. Die Frage habe der EuGH so beantwortet, dass auch eine solche Wechselwirkung für eine pharmakologische Wirkung genügen könne. Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, dass die Wechselwirkung dann nicht in der Mundhöhle des Menschen stattfinden dürfe. Dem EuGH sei klar gewesen, dass es bei der Mundspüllösung nur um eine Anwendung in der Mundhöhle gehen könne. Hätte er eine solche Anwendung überhaupt nicht im Körper des Anwenders verorten wollen, hätte er die Vorlagefrage nicht positiv beantworten dürfen. Es komme hinzu, dass nach der Kosmetikrichtlinie ohnehin auch eine Anwendung am menschlichen Körper ausreichen müsse. Die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass Bakterien in der Mundhöhle selbst noch keine schädlichen Wirkungen entfalten könnten, sondern dass sie erst in den Körper eindringen müssten, wenn sie beispielsweise in Wunden gelangten. Tatsächlich könne eine Gingivitis bereits durch die bakterielle Zahnplaque selbst entstehen, wie sich aus der Anlage K 45 ergäbe.

 

Auch eine „direct response“ des menschlichen Körpers sei nicht erforderlich, weil dies Erfordernis die EuGH-Rechtsprechung wieder aushebeln würde. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH und des EuGH hätten sowohl das OLG Köln als auch das OLG Frankfurt das Erfordernis einer „direkt response“ des menschlichen Körpers in Fällen der vorliegenden Art abgelehnt, indem es als genügend angesehen worden sei, wenn ein zellulärer Bestandteil des Bakteriums auf das Mittel reagiert.

 

Auch aus dem von der Europäischen Kommission herausgegebenen Manual 76/768 EEC und den dortigen Ziffern 74 und 75 folge nichts anderes. Daraus ergebe sich nur, dass eine antibakterielle Mundspüllösung, die dazu bestimmt sei, in der Mundhöhle mit der Mundschleimhaut und den Zähnen in Kontakt zu kommen, auch ein Produkt sein könne, dass in den Anwendungsbereich der Kosmetikrichtlinie falle. Das Manual ordne solche Produkte nicht generell als Kosmetika ein. Dafür müsse das Produkt vielmehr dazu bestimmt sein, ausschließlich oder überwiegend die genannten kosmetischen Zwecke zu erfüllen, die dazu dienen, die Zähne in einem guten, gesunden Zustand zu halten. Auf eine solche Wirkweise sei aber eine Mundspüllösung mit Chlorhexidin ab einer Konzentration von 0,1 gerade nicht begrenzt.

 

Das Landgericht habe schließlich zutreffend angenommen, dass das streitgegenständliche Produkt zu einer signifikanten Beeinflussung der physiologischen Funktionen des Menschen führe. Auch wenn insoweit eine vergleichende Betrachtung erforderlich sei, ergebe diese, dass die Chlorhexidinhaltige Mundspüllösung Q 0,12 % im Vergleich zu Mundspüllösungen zur täglichen Pflege eine deutlich größere therapeutische Wirkung entfalte. Das Mittel werde auch nach den Feststellungen des BGH in der Entscheidung Mundspüllösung in der streitgegenständlichen Dosierung zur Therapie bei bakteriell bedingten Entzündungen der Gingiva und der Mundschleimhaut ebenso eingesetzt wie nach parodontalchirurgischen Eingriffen. Die Beklagte habe im Verfahren vor dem OLG Frankfurt auch unstreitig gestellt, dass durch die Reduzierung bakteriellen Zahnbelags der Entstehung von Gingivitis wirksam vorgebeugt werde. Das OLG Frankfurt habe zutreffend auf die eigene Werbung der Beklagten verwiesen, nach der ihre 0,12 %ige CHX-Mundspüllösung den gleichen klinischen Nutzen bringe wie eine 0,2 %ige. Einer solchen Mundspüllösung käme aber nach der Monografie aus dem Jahre 1994 eine hinreichende therapeutische Wirkung zu, die weit über eine antibakterielle Reinigungswirkung hinausgehe. Davon ginge auch die Abhandlung von Schiffner aus, nach der der Plaquebefall und die Schwere der Gingivitis um etwa 50 % verringert würden und auch der Kariesbefall gehemmt werde. Die mit der Anlage K 48 vorgelegte Dissertation von C komme zu der Schlussfolgerung, dass der Wirkstoff Chlorhexidin für die Behandlung paradontaler Erkrankungen von entscheidender Bedeutung und heute in seiner Wirksamkeit durch kein anderes antibakterielles Agens ersetzbar sei.

 

Auch der Tatsache, dass Chlorhexidin nach der Kosmetikverordnung in einer Konzentration von 0,3 % zu Konservierungszwecken in kosmetischen Mitteln verwandt werden dürfe, komme keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Diese Argumentation habe die Beklagte bereits erfolglos in den Verfahren vor dem OLG Frankfurt und dem OLG Köln vorgebracht. Beide Gerichte hätten darauf verwiesen, dass Chlorhexidin in dem jeweils streitgegenständlichen Mittel nicht als Konservierungsstoff beigefügt worden sei. Es sollten vielmehr bestimmungsgemäß Mikroorganismen in der Mundhöhle gehemmt werden. Zu einer solchen Verwendung sage die Kosmetikrichtlinie aber nichts aus. Dem sei nur noch hinzuzufügen, dass Chlorhexidin in der MEDDEV-Leitlinie explizit als arzneilicher Stoff genannt werde.

 

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

B.

 

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

 

I.

 

Die Klage ist zulässig.

 

1.

 

Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da mit der bildlichen Wiedergabe des streitgegenständlichen Produktes die konkrete Verletzungshandlung in den Antrag einbezogen worden ist.

 

2.

 

Die Klägerin ist zweifelsohne klagebefugt i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.

 

Das nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG hierfür erforderliche konkrete Wettbewerbsverhältnis setzt voraus, das sich die beteiligten Parteien beim Anbieten oder Nachfragen gleichartiger oder austauschbarer Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises beeinträchtigen, also im Absatz behindern oder stören können, mithin auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig sind (hierzu BGH GRUR 2002, 828, 829 – Lottoschein; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 2 Rn. 106a; Teplitzky, 10. Aufl., Kap. 13 Rn. 5). Insoweit sind im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH GRUR 2004, 877, 878 – Werbeblocker).

 

Die Parteien stehen in diesem Sinne mit dem bundesweiten Angebot von Mundspüllösungen sachlich wie räumlich in einem – wie der vorliegende Rechtsstreit im Übrigen anschaulich zeigt – konkreten Wettbewerbsverhältnis. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Parteien in ihrer Zusammensetzung, insbesondere im Hinblick auf den Gehalt von Chlorhexidin identische Mundspülung vertreiben.

 

II.

 

Die Klage ist vollumfänglich begründet.

 

1.

 

Der aktivlegitimierten Klägerin steht der mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 2, 21 Abs. 1 AMG, 3a S. 1 HWG zu.

 

a)

 

Bei den genannten Bestimmungen des AMG und des HWG handelt es sich um Marktverhaltensregeln i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.119, 11.133). Diese fallen als Vorschriften mit Gesundheitsbezug ausweislich des Erwägungsgrundes 9 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (= UGP-RL) sowie gemäß Art. 3 Abs. 3 UGP-RL nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.6c).

 

b)

 

Der Vertrieb des und die Werbung für das Präparat Q® 0,12% stellen zweifelsohne geschäftliche Handlungen i.S.d. 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

 

c)

 

Die Beklage erfüllt hiermit den Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG.

 

Denn bei dem streitgegenständlichen Produkt handelt es sich um ein Funktionsarzneimittel i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG, das als solches zulassungspflichtig i.S.d. § 21 Abs. 1 AMG ist und dementsprechend ohne eine solche Zulassung weder vertrieben (§ 21 Abs. 1 AMG) noch beworben (§ 3a HWG) werden darf.

 

Das in Rede stehende Präparat erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG.

 

Die durch das Gesetz v 17.07.2009 neu gefasste nationale Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG schließt sich an den – insoweit maßgeblichen (vgl. BGH WRP 2006, 736 – Arzneimittelwerbung im Internet) – einheitlichen europäischen Begriff des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG v. 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/27/EG v 31.03.2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG erfolgten Änderung an. Danach sind (Funktions-)Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Der nationale Arzneimittelbegriff des § 2 AMG ist insoweit richtlinienkonform im Sinne dieser Begriffsbestimmung auszulegen.

 

aa)

 

Bei dem in Rede stehenden Produkt handelt es sich um eine Stoffzusammensetzung, die im Sinne des Art. 1 Nr. 2 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG respektive des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG im menschlichen Körper, und zwar im Mundraum, und damit nicht auf der Außenfläche des Körpers angewendet wird (vgl. u.a. Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 2 Rn. 10).

 

bb)

 

Dem in dem Präparat in einer Konzentration von 0,12% enthaltenen Chlorhexidin kommt eine pharmakologische Wirkung im Sinne des Art. 1 Nr. 2 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG bzw. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG zu.

 

Bei der hier in Rede stehenden Einstufung eines Produktes als Arzneimittel oder als kosmetisches Mittel kann zur Definition des Begriffs „pharmakologische Wirkung“ i.S.d. Art. 1 Nr. 2 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG auf die Definition dieses Begriffs in der von den Dienststellen der Kommission in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erstellte Leitlinie zur Abgrenzung der Richtlinie 76/768 über kosmetische Mittel von der Richtlinie 2001/83 über Arzneimittel („Guidance Document on the demarcation between the Cosmetic Products Directive 76/768 and the Medicinal Products Directive 2001/83 as agreed between the Commission Services and the competent authorities of Member States“), die sog. Leitlinie zur Abgrenzung der Kosmetikmittelrichtlinie von der Arzneimittelrichtlinie zurückgegriffen werden. Wenngleich diese von den Dienststellen der Kommission erarbeitete Leitlinie als solche weder rechtlich bindend ist, noch den Bürgern entgegengehalten werden kann, liefert sie doch ausweislich ihrer Einleitung zweckdienliche Anhaltspunkte für die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des Unionsrechts und trägt damit zu deren einheitlicher Anwendung bei, da sie von einer Gruppe von Experten nationaler Stellen, den Kommissionsdienststellen und den Berufsorganisationen der Industrie erstellt wurde (EuGH EuZW 2012, 783, 784 – M).

 

Ausweislich dieser Leitlinie ist eine Wirkung pharmakologisch, wenn sie auf Grund einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und einem Zellbestandteil (Rezeptor) eintritt, die entweder in einer direkten Reaktion oder in der Blockierung einer Reaktion zu einem anderen Wirkstoff besteht. Dabei muss die Wechselwirkung nicht unmittelbar zwischen Substanz und Körper bestehen. Vielmehr genügt die Wechselwirkung mit anderen im Organismus des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteilen wie Bakterien, Viren oder Parasiten (EuGH EuZW 2012, 783, 784 Rn. 31 – M).

 

Dem hier in Rede stehenden Produkt kommt eine solche pharmakologische Wirkung zu. Es enthält in einer ausreichenden Dosis den Wirkstoff Chlorhexidin, dem unstreitig eine antibakterielle Wirkung zukommt. Hierbei wirkt Chlorhexidin in der Mundhöhle gegenüber den auch Gingivitis auslösenden Bakterien nicht nur bakteriostatisch, sondern unstreitig auch bakterizid.

 

(1)

 

Diese Wirkung entfaltet das Präparat – entsprechend der insoweit maßgeblichen Entscheidung des EuGH EuZW 2012, 783, 784 Rn. 31 – M – auch gegenüber zellulären Bestandteilen „im Organismus“ des Anwenders, wenngleich es unstreitig nicht absorbiert, sondern lediglich adsorbiert wird, mithin an der Oberfläche von Mundschleimhaut und Zähnen verbleibt.

 

Denn zum Organismus zählen die verschiedenen Organsysteme wie z.B. das Verdauungssystem, zu dem die Mundhöhle gehört (vgl. Wikipedia „Organsystem“).

 

Im Übrigen heißt es in der maßgeblichen Entscheidung des EuGH EuZW 2012, 783, 785 Rn. 36 – M, dass es insoweit ausreicht, wenn die Wechselwirkung im Hinblick auf andere in der Mundhöhle und damit im Körper befindliche zelluläre Bestandteile besteht. Der EuGH verwendet insoweit den Begriff „Organismus“ gleichsam synonym mit dem Begriff „Körper“. Die Mundhöhle sollte durch die gewählte Formulierung ersichtlich nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden. Vielmehr wurde hiermit lediglich der Körperbezug im Hinblick auf die anderen zellulären Bestandteile klargestellt.

 

(2)

 

Diese Wirkung gegen Bakterien stellt entgegen der Ansicht der Beklagten eine „direct response“ im Sinne der Leitlinie zur Abgrenzung der Kosmetikmittelrichtlinie von der Arzneimittelrichtlinie dar.

 

Denn diese spricht „lediglich” von einer „…interaction between the molecules of the substance in question and a cellular constituent, usually referred to as a receptor, which either results in a direct response or …“. Es geht insoweit lediglich um die Abgrenzung zur 2. Alternative der Leitlinie. Davon, dass die unmittelbare Wirkung bei einem zellulären Bestandteil des Menschen selbst eintreten muss, ist in der Leitlinie nicht die Rede. Insoweit stellt der EuGH in seiner Entscheidung EuZW 2012, 783, 785 Rn. 29 – M, auch ausdrücklich fest, dass sich weder der Richtlinie 2001/83/EG noch der Leitlinie zur Abgrenzung der Kosmetikmittelrichtlinie von der Arzneimittelrichtlinie entnehmen lässt, dass eine Wechselwirkung zwischen den Molekülen der fraglichen Substanz und einem zellulären Bestandteil des Menschen Voraussetzung für die Einstufung als Substanz mit „pharmakologischer Wirkung“ ist. Vielmehr genüge die Wechselwirkung mit anderen im Organismus des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteilen wie Bakterien.

 

Diese Feststellung des EuGH würde konterkariert, wenn man den Begriff „direct response“ so verstehen würde wie die Beklagte. Auch wenn der Körper nicht unmittelbar von der Unschädlichmachung der Bakterien betroffen wird, genügt eine Wirkungsreihe der vorliegenden Art. Die Bakterien im Mundraum sind betroffen und werden „unschädlich“ gemacht. Dies führt zwangsläufig dazu, dass sich der Zustand der von den Bakterien beeinträchtigten Schleimhaut bessert, und zwar auch dann, wenn bereits eine Gingivitis eingetreten ist. Dadurch, dass deren Ursache beseitigt wird, wird dieser krankhafte Zustand gelindert, wenn nicht sogar geheilt. Diese Wirkung genügt. Im Übrigen werden körperliche Funktionen auch dadurch beeinflusst, dass einer Gingivitis und anderen parodontalen Krankheiten auch dann wirksam vorgebeugt werden kann, wenn infolge von parodontalchirurgischen Eingriffen die Gefahr einer Folgeerkrankung in besonderer Weise droht.

 

(3)

 

Dem steht Art. 1 Abs. 1 der bislang gültigen Richtlinie 76/768/EWG respektive Art. 2 Abs. 1 lit a) der am 13.07.2013 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 nicht entgegen, wenn die dortige Definition für kosmetische Mittel wie folgt lautet: „Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen“.

 

Nach der Systematik dieser Definition stellt die Anwendung eines Stoffes an Zähnen und an den Schleimhäuten nämlich keineswegs eine „äußerliche Anwendung“ dar. Das Adverb „äußerlich“ bezieht sich durch seine allein der Formulierung „Teilen des menschlichen Körpers“ vorangestellten Verwendung nur auf diese Variante. Andernfalls wäre die alternative Konjunktion „oder“ überflüssig. Sofern die Anwendung des Mittels auf Zähnen und Schleimhäuten der Mundhöhle nämlich als äußerlich im Sinne der Verordnung gelten sollte, hätte es genügt, diese beiden Varianten als Teile des menschlichen Körpers in die in Klammern gesetzte beispielhafte Aufzählung aufzunehmen (so auch OLG Köln, Urt. v. 25.10.2013 – 6 U 98/13; Reinhart, in: Meyer/Streinz, LFGB-Kommentar, 2007, § 2 Rdnr. 103).

 

(4)

 

Diese Wertung wird auch nicht durch das von der EU herausgegebene „Manual on the scope of apllication of the Cosmetic Directive 76/768/EEC (Art. 1 (1) Cosmetics Directive), Version 9.0 vom Februar 2013 in Frage gestellt, wenn es dort – nach der von der Klägerin nicht in Frage gestellten Übersetzung der Beklagten – in Bezug auf eine als antibakteriell oder antiseptisch beworbene Mundspülung wie folgt heißt: „Wenn das Produkt dazu bestimmt ist, in der Mundhöhle mit der Mundschleimhaut und den Zähnen in Berührung zu kommen, um ausschließlich oder überwiegend zu reinigen, … und/oder Zähne und Mundhöhle zu schützen oder in einem guten Zustand zu halten, kann das Produkt in den Anwendungsbereich der Kosmetikrichtlinie fallen.“

 

Hieraus wird man allenfalls schließen können, dass die von der Beklagten vertretene Auffassung, wonach das streitgegenständliche Produkt unter die Kosmetikrichtlinie fällt, nicht allein dadurch von vornherein ausgeschlossen ist, dass das Präparat als „antibakteriell“ präsentiert wird. Denn mit der Formulierung „… kann …“ wird allenfalls die Möglichkeit eröffnet, dass eine Mundspülung mit einer solchen Zweckbestimmung in den Anwendungsbereich der Kosmetikrichtlinie fallen kann. Das heißt aber nicht, dass dies ungeachtet der Zweckbestimmung immer und vor allem vorliegend der Fall ist. Vielmehr bedarf es in jedem einzelnen Fall einer entsprechenden Subsumtion der Kriterien des Einzelfalles.

 

cc)

 

Die solchermaßen pharmakologische Wirkung des Präparats ist hier auch dazu geeignet, menschliche physiologische Funktionen zu beeinflussen, und zwar in nennenswerter Weise (zum letztgenannten Erfordernis EUGH GRUR 2008, 271, 273 – Knoblauch-Extrakt-Pulver-Kapseln; GRUR 2009, 511, 513 – M2; GRUR 2009, 790, 791 – BIOS Naturprodukte).

 

(1)

 

Die in Rede stehende Mundspüllösung wird zu therapeutischen Zwecken bei bakteriell bedingter Gingivitis eingesetzt. Dem Präparat kommt hierbei durch die Substanz Chlorhexidin in einer Konzentration von 0,12% unstreitig bakterizide Wirkung zu. Die Keimreduktion in der Mundhöhle reduziert nicht nur die Ansammlung bakterieller Beläge auf der Zahnoberfläche, dem Plaquebefall, sondern führt in Folge zumindest zu einer Verringerung der bakteriell bedingten Gingivitis. Dies gilt ungeachtet der Anwendungszeit in Form der Dauer der Spülung, wenn diese mindestens 30 Sekunden, mithin die Zeit, die in der Regel auch bei vorgelegten Studien vorgegeben wird, beträgt. Dies folgt aus den Anlagen K 21 und K 39 – und es ist insoweit auch von der Beklagten keine Literatur vorgelegt worden, die dies in Frage stellen würde.

 

Hierin liegt die Beeinflussung pathophysiologischer Funktionen, d.h. natürlicher Lebensvorgänge, die im menschlichen Organismus ablaufen (zum Begriff u.a. BVerwG PharmaR 2008, 73 Rn. 28), und zwar auf biochemischen Weg.

 

Die so beschriebene Wirkweise ist letztlich unstreitig.

 

Die Beklagte stellt diese Tatsache in ihrer Berufungsbegründung gar nicht in Frage, auch wenn sie behauptet, das Produkt unterstütze – entgegen der Ausführungen des angefochtenen Urteils – nicht die „Selbstgenerierung“ des Zahnfleisches, und sich insoweit auf den Standpunkt stellt, die antibakterielle Wirkung beeinflusse keine physiologischen Funktionen.

 

Denn sie bestreitet insoweit gar nicht, dass die „Unschädlichmachung von Bakterien“, mithin die bakterizide Wirkung des Präparates, – so ihre Formulierung auf Seite 7 der Berufungsbegründung – „positive gesundheitliche Auswirkungen“ hat. Auch wenn sie diese als „eventuelle“ bezeichnet, räumt sie damit doch ein, dass dem Präparat eine solche Wirkung zukommt. Sie ordnet die Wirkung lediglich anders ein, und zwar als „Reflex“ oder „sekundäre Wirkung“, die ihres Erachtens für die Annahme eines Funktionsarzneimittels nicht genüge. Sie wendet sich damit allein gegen die Formulierung, dass das Produkt die „Selbstgenerierung“ des Zahnfleisches unterstütze, und zwar im Hinblick auf den Gesichtspunkt der nach ihrer rechtlichen Einschätzung erforderlichen „direct response“ im Sinne einer unmittelbaren physiologischen Wirkung. Der Beklagten ist insoweit sicherlich zuzugestehen, dass das in Rede stehende Mittel – wie bereits oben ausgeführt – nicht unmittelbar das Abheilen des von der Gingivitis befallenen Zahnfleisches bewirkt. Vielmehr wird die gewünschte Wirkung allein dadurch erreicht, dass die Bakterien abgetötet werden. Hierin erschöpft sich die unmittelbare Wirkung, ohne dass dem Präparat darüber hinaus eine im Hinblick auf die betroffene Gingiva gleichsam „wundheilende“ Wirkung zukäme. Dies ist jedoch unstreitig. Die sich hieran anschließende Frage, ob hierin eine unmittelbare Beeinflussung physiologischer Funktionen liegt, ist sodann jedoch eine Frage der Subsumtion, mithin eine dem Beweis nicht zugängliche Rechtsfrage.

 

Im Übrigen wäre ein Bestreiten der Wirkweise kaum damit zu vereinbaren, dass die Beklagte das Präparat ursprünglich auf ihrer Internetseite unter der Überschrift „Spezialpflege bei Zahnfleischentzündungen“ als „spezielle medizinische Mundspüllösung (Chlorhexidin)“ (Anlage K17) bewirbt und in der als Anlage K32 von der Klägerin zu den Akten gereichten Anzeige sowie in einem als Anlage K27 zu den Akten gereichten Flyer das streitgegenständliche Produkt damit bewirbt, dass es die gleiche klinische Wirksamkeit wie eine 0,2%ige CHX-Lösung, die ausweislich der von der Klägerin als Anlage K8 zu den Akten gereichten Monographie maßgebliche therapeutische Wirkung zukommt, aufweise.

 

Die von der Beklagten selbst als Anlage BK30 vorgelegte Dissertation von K bestätigt diese Wirkweise auf Seite 28 durch die Bezugnahme auf eine klinisch kontrollierte Studie mit drei aktiven Mundspülungen, und zwar u.a. mit Chlorhexidin 0,2% und Chlorhexidin 0,1 %, bei denen sich die Gingivitisbefunde der teilnehmenden Probanden deutlich besserten.

 

(2)

 

Die streitgegenständliche Mundspüllösung nimmt durch die so beschriebene Wirkweise mit ihrer therapeutischen Eignung in nennenswerter Weise auf physiologische Funktionen Einfluss (vgl. u.a. BVerwG Pharma Recht 2008, 78 Rn. 18 unter Bezugnahme auf EuGH BeckRS 2004, 72425 – van Bennekom).

 

Diese Wertung wird insbesondere nicht durch den von der Beklagten gezogenen Vergleich mit typischerweise antibakteriell wirkenden kosmetischen Mitteln relativiert.

 

Der von der Beklagten in dieser Hinsicht gezogene Vergleich hinkt insoweit, als es nur darum gehen kann, ob auch auf anderem Wege, insbesondere mithilfe der üblichen mechanischen Mundhygiene wie dem Zähneputzen oder sonstigen reinigenden Mundspülungen, mithin vor allem ohne den Einsatz von Arzneimitteln allein durch kosmetische Mittel mit antibakterieller Wirkung, die gleiche – über die bloße Erhaltung des gesunden Zustands der Mundhöhle hinausgehende – Wirkung hinsichtlich der Linderung einer bakteriellen Gingivitis in der Mundhöhle oder der Vorbeugung von drohenden Erkrankungen nach parodontalchirurgischen Eingriffen erzielt werden könnte. Gerade hiervon wird man auch in Anbetracht der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht ausgehen können. Die Klägerin weist insoweit zu Recht darauf hin, dass vor allem der als Anlage BK31/BK33 von der Beklagten vorgelegten Abhandlung von Schiffner zu entnehmen ist, dass „in therapeutisch geprägten Situationen, vorwiegend zur kurzfristigen Anwendung Chlorhexidin das Mittel der Wahl darstellt“. Unter 4.1 der Abhandlung heißt es: „CHX verringert den Plaquebefall und die Schwere von Gingivitis um ca. 50%.“. Die Beklagte selbst spricht in ihrer Werbung auf ihrer Internetseite (Anlage K17) von einer „zusätzlich zur täglichen Mundpflege“ zu verwendenden „medizinischen Mundspüllösung“. Es ist keine Literatur vorgelegt worden, die insoweit zu einem anderen Ergebnis käme.

 

(3)

 

Der Einordnung des streitgegenständlichen Produktes als Arzneimittel steht auch nicht entgegen, dass Chlorhexidin in einer Konzentration von bis zu 0,3% im ANHANG V (LISTE DER IN KOSMETISCHEN MITTELN ZUGELASSENEN KONSERVIERUNGSSTOFFE) der seit dem 13.07.2013 gültigen VERORDNUNG (EG) Nr.1223/2009 über kosmetische Mittel unter Nr. 42 aufgeführt ist.

 

Denn Art. 2 Abs. 1 lit. l) der Verordnung definiert Konservierungsstoffe als Stoffe, die in kosmetischen Mitteln ausschließlich oder überwiegend die Entwicklung von Mikroorganismen hemmen sollen.

 

Demnach ist die von der Beklagten angeführte Zulassung für die vorliegend in Rede stehende Verwendung von Chlorhexidin schon nicht einschlägig. Denn der Wirkstoff ist dem Präparat der Beklagten gerade nicht als Konservierungsstoff im vorgenannten Sinne, d.h. zur Hemmung von Mikroorganismen im Produkt selbst, sondern zur Bekämpfung von Bakterien in der Mundhöhle zugesetzt.

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Aufnahme von Chlorhexidin in einer Konzentration von 0,3% in den Anhang der Verordnung nicht verallgemeinernd entnommen werden, dass der Wirkstoff damit insoweit nicht als arzneilich anzusehen sein kann. Der Regelung ist allenfalls zu entnehmen, dass der Wirkstoff in seiner ausschließlichen oder überwiegenden Verwendung als Konservierungsstoff in einem Kosmetikprodukt zulässig ist. Die Verordnung knüpft damit ausdrücklich an den konkreten Verwendungszweck des Wirkstoffes an, der hier gerade fehlt.

 

Dies entspricht auch der Wertung der MEDDEV-Borderline-Leitlinie, in der unter A.2.1.2 Chlorhexidin als Beispiel einer medizinischen Substanz, die als Hauptzweck örtlich antibakterielle Wirkung erzielen soll, genannt ist.

 

Wenn die Beklagte darauf abstellt, dass Chlorhexidin sowohl „nach innen“ als auch in seiner Anwendung antibakteriell wirken könne, gilt dies nicht für das streitgegenständliche Produkt und ist damit vorliegend unerheblich.

 

Ob im Übrigen dem Umstand, dass der EuGH in seiner Entscheidung EuZW 2012, 783 – M, keine Ausführungen dazu macht, dass sich Chlorhexidin als Konservierungsstoff im Anhang VI der damals noch gültigen Richtlinie 76/768/EG findet, entnommen werden kann, dass dieser Umstand unerheblich ist, kann damit dahinstehen. Allerdings wäre es tatsächlich mehr als befremdlich, wenn der EuGH tatsächlich davon ausginge, der Einordnung des Präparates als Arzneimittel stünde von vorneherein die Wertung der Kosmetikverordnung entgegen, und dies nicht wenigstens in einem obiter dictum erwähnt hätte. Denn der EuGH kannte den Sachverhalt genau und hätte sich in diesem Fall längere Ausführungen sparen können.

 

dd)

 

Auch die bei der Einordnung als Arzneimittel weiter zu berücksichtigenden Merkmale des Erzeugnisses, insbesondere die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann (vgl. EuGH EuZW 2012, 783 – M; EuZW 2009, 545 – BIOS Naturprodukte), sprechen für die Einordnung des streitgegenständliches Präparates als Arzneimittel.

 

Der auf der derzeitigen Umverpackung abgedruckte Hinweis „Vor längeren Anwendungen den Zahnarzt befragen.“ und erst Recht der frühere Hinweis „Nur kurzzeitig anwenden (2 Wochen). Vor längeren Anwendungen den Zahnarzt befragen.“ (Anlage K35) weisen weit eher auf ein Arzneimittel hin als auf eine kosmetische Mundspülung zur täglichen Mundhygiene. Denn eine solche wird üblicherweise dauerhaft verwendet. Dazu passen die Ausführungen in der von der Beklagten als Anlage BK 31 vorgelegten Abhandlung von Schiffner, in denen wegen der verschiedenen Nebenwirkungen von Chlorhexidin, insbesondere der Verfärbung der Zähne und dem Taubheitsgefühl der Zunge, von einer Verwendung als Prophylaktikum und solchermaßen zur täglichen Mundhygiene abgeraten wird. Auch die Einordnung des Stoffes durch das Bundesgesundheitsamt in der als Anlage K8 zu den Akten gereichten Monografie entspricht dem.

 

Die Beklagte stellt zudem das von ihr beworbene Produkt – wie die als Anlage K17, K27, K30, K31 vorgelegte Werbung zeigt – in Fachkreisen im Hinblick auf die Wirkweise mit arzneilichen Chlorhexidinhaltigen Mundspüllösungen gleich und bezeichnet dieses sogar als „medizinische Mundspüllösung“. Sie bietet das Präparat zudem gezielt für Zahnarztpraxen in Großflaschen von 5 Litern an.

 

Letztlich wird der einschlägige Markt – so die Anlagen K4 und K5 – von Präparaten dominiert, die als Arzneimittel zugelassen sind.

 

ee)

 

Damit kann letztlich offen bleiben, ob das streitgegenständliche Präparat hierneben auch unter die Kosmetikverordnung subsumiert werden kann. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, griffe jedenfalls die „Zweifelsregelung“ des Art 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG ein. Danach gilt in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, dass dem strengeren Arzneimittelrecht Vorrang zukommt.

 

d)

 

Der Rechtsbruch ist als Verstoß gegen Vorschriften zum Schutze der Gesundheit zweifelsohne geschäftlich relevant i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn.11.58a).

 

e)

 

Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet (Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 8 UWG, Rn. 1.33). Eine wettbewerbliche Unterwerfungserklärung seitens der Beklagten liegt nicht vor.

 

2.

 

Der Klägerin steht darüber hinaus der mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachte Zahlungsanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1, 250 S. 2 BGB nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus § 291 BGB zu. Dieser ist der Höhe nach unstreitig.

 

Der Klägerin stand zunächst gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Freistellung von den für die Abmahnung erforderlichen Kosten nach § 257 S. 1 BGB zu. Denn die streitgegenständliche Abmahnung war nach den Ausführungen zu 1. berechtigt (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG).

 

Die Klägerin kann die Beklagte unter den gegebenen Umständen statt auf Freistellung nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG direkt auf Zahlung in Anspruch nehmen, nachdem die Beklage mit dem Schreiben vom 15.11.2006 auf die vorangegangene Abmahnung vom 31.10.2006 den Freistellungsanspruch der Klägerin grundsätzlich in Abrede gestellt hat.

 

C.

 

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 709 Nr. 10, 711 ZPO.

 

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.