Verdachtsberichterstattung – wann kann ich mich dagegen wehren?
Eine der Hauptaufgaben der Presse ist es, Straftaten und Missstände aufzuklären und darüber zu berichten. Hierbei trifft die Presse und auch Blogger eine erhöhte Prüfungspflicht hinsichtlich Wahrheit, Inhalt und Herkunft des Verdachts. Nach der Rechtsprechung zur Verdachtsberichterstattung ist auch bei einer die Identifizierung des Betroffenen ermöglichenden Berichterstattung besondere Zurückhaltung geboten.
Drohende Rufschädigung
Wegen der Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bereits mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb auch bei einer späteren Einstellung eines Verfahrens nicht auszuschließen ist, dass der Schuldvorwurf als trotzdem richtig eingesturft wird, sind erhöhte Anforderungen an die publizistische Sorgfaltspflicht zu stellen.
Die Gericht, nicht zuletzt der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1999 – VI ZR 51/99), haben für die Zulässigkeit der Verdachtsberichterstattung Kriterien aufgestellt: ein Mindestmaß an Beweisen, es darf nicht zu einer Vorverurteilung führen. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Und last not least: es muss sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.
Voraussetzung: Mindestmaß an Beweisen
Eine Verdachtsberichterstattung über eine laufende polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlung ist nur zulässig, wenn ein Mindestbestand an Beweistatsachen gegeben ist, der für den Wahrheitsgehalt der Information spricht und ihr damit Öffentlichkeitswert verleiht (u.a. .OLG Dresden, Urteil vom 21. August 2018 – 4 U 255/18) Nach der Rechtsprechung sind die Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens reicht hierfür nicht aus, da die Ermittlungen auch aufgrund haltloser Vorwürfe eingeleitet worden sein können. Anders wenn ein Haftbefehl vorliegt, oder einer Anklageerhebung. In dem Fall eines Haftbefehls oder der Anklageerhebung dürfen sich die Medien darauf verlassen, dass das geforderte Mindestmaß an Beweismitteln vorliegt.
Voraussetzung: Keine Vorverurteilung des Betroffenen
Da die Unschuldvermutung gilt, darf die Berichterstattung keine Vorverurteilung des Betroffenen darstellen, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei bereits überführt. Dies spiegelt sich auch in Ziffer 13 des Pressecodexes wieder, der allerdings nur eine Selbstverpflichtung darstellt. In der Richtlinie heisst es unter 13.1. “Die Berichterstattung über Ermittlungs- und Gerichtsverfahren dient der sorgfältigen Unterrichtung der Öffentlichkeit über Straftaten und andere Rechtsverletzungen, deren Verfolgung und richterliche Bewertung. Sie darf dabei nicht vorverurteilen. Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind.”
Voraussetzung: Keine auf Sensation abzielende, bewusst einseitige oder verfälschte Darstellung
Eine auf Sensation abzielende, bewusst einseitige oder verfälschte Darstellung ist unzulässig. Auch die zur Verteidigung des Betroffenen vorgetragenen Tatsachen und Argumente müssen berücksichtigt werden, was regelmäßig die Einholung einer Stellungnahme des Verdächtigen erforderlich macht.
Es muss sich zudem um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (BGH ZUM 2000, 397 f.; Senat NJW 2004, 1181 ff., 1182). Straftaten gehören zum Zeitgeschehen; über sie zu berichten ist originäre Aufgabe der Medien. Bei schweren Straftaten ist auch eine identifizierende Berichterstattung grundsätzlich zulässig (BGH ZUM 2006, 323). Das gilt in gewissem Maße auch, soweit es lediglich um den Verdacht einer Straftat geht. Dürften die Medien nur Informationen verbreiten, die ernsthaft nicht zu bezweifeln sind, könnten sie ihre Funktion, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen und Fehlentwicklungen in Staat und Gesellschaft zu beobachten, nicht hinlänglich wahrnehmen (BGH NJW 1977, 1288 ff.; OLG Köln AfP 2001, 524).
(ZUM-RD 2019, 529, beck-online)
Voraussetzung: die betroffenen Person muss angehört werden
Folgen unzulässiger Verdachtsberichterstattung
Soferm die Verdachtsberichterstattung unzulässig ist, kann dagegen mit einer Abmahnung vorgegangen werden, in der Ansprüche auf Unterlassung durchgesetzt werden. Diese richtet sich üblicherweise gegen die Identifzierbarkeit der betroffenen Person, nicht gegen die Berichterstattung als solche. Bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen besteht die Möglichkeit, Schmerzensgeld zu verlangen. Hierfür sind allerdings hohe Anforderungen gesteckt – allein die “normale” Berichterstattung löst keine Ansprüche aus.
Unsere auf Medienrecht spezialisierten Anwälte helfen Ihnen gerne zu allen Fragen der Verdachtsberichterstattung sowie zu allen anderen medienrechtliche Sachverhalten
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für Strafrecht