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Geldentschädigung im Presserecht: Anspruch, Voraussetzungen und Bedeutung

Das Presserecht steht im Zentrum eines Spannungsfelds zwischen der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit und dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht. Kommt es im Zuge medialer Berichterstattung zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts, stellt sich die Frage nach einem angemessenen Ausgleich für die Betroffenen. Die Geldentschädigung bildet dabei eine herausragende, aber restriktiv gehandhabte Anspruchsgrundlage. Im Folgenden werden die rechtlichen Grundlagen, die Voraussetzungen und die praktische Bedeutung der Geldentschädigung im Presserecht ausführlich dargestellt.

 

1. Die rechtliche Einordnung der Geldentschädigung

1.1. Gewohnheitsrechtliche Entwicklung und Verfassungsbezug

Der Anspruch auf Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, sondern wurde von der Rechtsprechung entwickelt und ist heute gewohnheitsrechtlich anerkannt. Seine verfassungsrechtliche Legitimation findet er im Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz. Die Gerichte leiten den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ab.

1.2. Funktion der Geldentschädigung

Die Geldentschädigung hat zwei zentrale Funktionen:

·         Genugtuung: Sie soll dem Opfer einen Ausgleich für das erlittene Unrecht verschaffen, insbesondere wenn andere Rechtsbehelfe nicht ausreichen.

·         Prävention: Sie soll potentielle Rechtsverletzer abschrecken und künftige Persönlichkeitsrechtsverletzungen verhindern.

Im Vordergrund steht jedoch die Genugtuungsfunktion. Die Präventionsfunktion tritt ergänzend hinzu, insbesondere bei besonders rücksichtslosen oder eigennützigen Handlungen des Verletzers.

 

2. Voraussetzungen für den Anspruch auf Geldentschädigung

Die Rechtsprechung hat klare und restriktive Voraussetzungen für die Gewährung einer Geldentschädigung entwickelt. Nur wenn diese kumulativ vorliegen, kann ein Anspruch bestehen.

2.1. Schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung

Eine Geldentschädigung kommt nur bei schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts in Betracht. Die Schwere der Beeinträchtigung ist anhand einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

·         Art und Schwere der Beeinträchtigung: Wie intensiv ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht?

·         Bedeutung und Tragweite des Eingriffs: Wie groß ist die Verbreitung der Veröffentlichung? Wie nachhaltig und dauerhaft ist die Rufschädigung?

·         Grad des Verschuldens: Liegt ein leichtes oder schweres Verschulden vor? Auch ohne schweres Verschulden kann die Schwere des Eingriffs gegeben sein, etwa durch die Art der Berichterstattung.

·         Anlass und Beweggrund des Handelns: War das Verhalten des Verletzers besonders rücksichtslos oder eigennützig?

Bereits ein einziger dieser Umstände kann ausreichen, um die Schwere des Eingriffs zu begründen. Typische Beispiele für schwere Eingriffe sind die Veröffentlichung von intimen Details, unwahre Tatsachenbehauptungen mit erheblicher Rufschädigung oder massive Herabwürdigungen der Person.

2.2. Fehlende anderweitige Ausgleichsmöglichkeit

Eine Geldentschädigung wird nur gewährt, wenn keine anderen presserechtlichen Ansprüche – wie Gegendarstellung, Unterlassung, Berichtigung oder materieller Schadensersatz – einen ausreichenden Ausgleich bieten können. Die Geldentschädigung schließt die Lücke, die bleibt, wenn der Rechtsschutz der Persönlichkeit sonst lückenhaft wäre.

Gerade bei Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre fehlt es regelmäßig an alternativen Ausgleichsmöglichkeiten. Ist die Privatsphäre einmal verletzt, kann sie durch Gegendarstellung oder Widerruf nicht wiederhergestellt werden. In solchen Fällen ist ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich gegeben.

2.3. Verschulden des Verletzers

Der Anspruch auf Geldentschädigung setzt ein schuldhaftes Verhalten des Verletzers voraus. Ein schweres Verschulden im Sinne von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Auch ein geringeres Verschulden kann genügen, wenn die übrigen Umstände die Schwere des Eingriffs begründen.

Umgekehrt kann das Fehlen eines Verschuldens bei der Gesamtabwägung dazu führen, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung zu verneinen ist. Liegt allerdings ein besonders schweres Verschulden vor, kann dies die Schwere des Eingriffs zusätzlich unterstreichen.

2.4. Unabwendbares Bedürfnis für finanziellen Ausgleich

Die Gewährung einer Geldentschädigung setzt voraus, dass ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich besteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Angriff gegen die Grundlagen der Persönlichkeit gerichtet ist, das Schamgefühl berührt oder ein Gefühl des Ausgeliefertseins hervorruft.

Die Geldentschädigung ist somit kein Automatismus bei jeder Persönlichkeitsrechtsverletzung, sondern bleibt auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen ein anderweitiger Ausgleich nicht möglich oder nicht ausreichend ist.

3. Die Bemessung der Geldentschädigung

3.1. Maßgebliche Kriterien

Die Höhe der Geldentschädigung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebliche Kriterien sind:

·         Intensität und Form des Eingriffs: Wie gravierend war die Persönlichkeitsrechtsverletzung? Wie groß war die Reichweite der Veröffentlichung?

·         Persönliche und gesellschaftliche Stellung des Betroffenen: Welchen Einfluss hat die Verletzung auf das öffentliche Ansehen und die persönliche Integrität?

·         Folgen für den Betroffenen: Welche physischen, psychischen oder sozialen Auswirkungen hatte die Verletzung?

·         Verschuldensgrad des Verletzers: War das Verhalten vorsätzlich, grob fahrlässig oder lediglich fahrlässig?

·         Anlass und Beweggrund des Handelns: Gab es besondere Motive, etwa Sensationslust oder wirtschaftliches Eigeninteresse?

3.2. Genugtuungs- und Präventionsfunktion

Bei der Bemessung steht die Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Die Präventionsfunktion wird insbesondere dann berücksichtigt, wenn das Verhalten des Verletzers besonders rücksichtslos war oder Wiederholungsgefahr besteht.

3.3. Keine Kumulation bei Wortberichterstattung

Der sogenannte Kumulationsgedanke – also die Addition einzelner Verletzungshandlungen zu einem Anspruch – findet grundsätzlich nur bei Bildnisveröffentlichungen Anwendung. Bei fortgesetzter Wortberichterstattung ist jede Veröffentlichung einzeln zu prüfen. Nur wenn mehrere Wortberichterstattungen in gleichartiger Weise und nicht in völlig unterschiedlichem Kontext erscheinen, kann ausnahmsweise eine Kumulation erfolgen.

4. Die praktische Bedeutung der Geldentschädigung

4.1. Ausnahmecharakter und Schutzlücke

Die Geldentschädigung ist im Presserecht der Ausnahmefall. Sie dient dazu, eine Schutzlücke zu schließen, die andernfalls bestehen würde. Ohne diesen Anspruch würde der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit oft ins Leere laufen, da ideelle Schäden nicht durch andere Ansprüche kompensiert werden können.

4.2. Typische Anwendungsfälle

·         Massive Eingriffe in die Privatsphäre (z.B. Veröffentlichung intimer Details)

·         Unwahre Tatsachenbehauptungen mit erheblicher Rufschädigung

·         Schmähkritik oder gezielte Herabwürdigung der Person

·         Sensationsberichterstattung ohne berechtigtes öffentliches Interesse

4.3. Bedeutung für die Medienpraxis

Für Medienunternehmen bedeutet die Möglichkeit der Geldentschädigung ein erhebliches Haftungsrisiko. Die Gerichte prüfen jedoch streng, ob die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Die Pressefreiheit bleibt ein hohes Gut, muss aber im Einzelfall hinter dem Persönlichkeitsschutz zurücktreten, wenn schwerwiegende Verletzungen vorliegen und kein anderer Ausgleich möglich ist.

 

5. Fazit

Die Geldentschädigung im Presserecht ist ein wichtiges Instrument zum Schutz des Persönlichkeitsrechts. Sie kommt nur bei schwerwiegenden, nicht anders ausgleichbaren Verletzungen in Betracht und setzt ein schuldhaftes Verhalten des Verletzers voraus. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls und dient in erster Linie der Genugtuung des Opfers sowie der Prävention weiterer Rechtsverletzungen.

Die restriktive Handhabung durch die Rechtsprechung stellt sicher, dass der Anspruch auf Geldentschädigung nicht zu einer Routineforderung wird, sondern auf die Fälle beschränkt bleibt, in denen der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit andernfalls lückenhaft wäre. Damit wird ein angemessener Ausgleich zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz gewährleistet.

Jüdemann Rechtsanwälte