030 88 70 23 80 kanzlei@ra-juedemann.de

Die Nutzung fremder Werke kann durch Schranken ausnahmsweise erlaubt sein. Hierunter fallen das Zitat, die Parodie, die Karikatur und das Pastiche. In allen Fällen ist sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen – wie in einem aktuell vom Landgericht München entschiedenen Fall, bei dem ein Foto ohne Einwilligung des Rechtseinhabers auf der eigenen Seite verwendet wurde.

LG München I, Endurteil v. 20.06.2022 – 42 S 231/21

Leitsätze des Verfassers

1. Legt ein Fotograf eine Anzahl von Fotonegativen vor, die augenscheinlich aus einer Fotoshooting-Serie stammen, spricht ein erster Anschein dafür, dass er Urheber dieser Fotos ist.

2. In Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat müssen Parodien, Karikaturen und Pastiches wahrnehmbare Unterschiede zum Originalwerk aufweisenem unter die Schrankenbestimmung des § 51a UrhG fallenden Werk muss eine gewisse Eigenständigkeit zukommen, die es rechtfertigt, es als selbständig gegenüber dem benutzten Originalwerk anzusehen – andernfalls wäre eine zitierende Übernahme, der ein für § 51 UrhG notwendiger Zitatzweck fehlt, gem. § 51a UrhG gerechtfertigt.

3. Wer ein fremdes urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen will, muss sich über den Bestand des Schutzes und den Umfang seiner Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen. Derjenige, der von fremden Lichtbildern Gebrauch macht, indem er diese in seinem Internetauftritt veröffentlicht, muss sich vergewissern, dass dies mit Erlaubnis des Berechtigten geschieht

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 11.12.2020, Az. 142 C 7805/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I.
Das Amtsgericht München hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von insgesamt 904,50 Euro (Schadensersatz sowie Aufwendungsersatz) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2020 zu zahlen. Der Schadensersatzanspruch (in Höhe von 358,00 Euro) ergebe sich aus § 97 Abs. 2 UrhG aufgrund der unberechtigten Verwendung des vom Kläger erstellen Lichtbildes. Die Verwendung des streitgegenständlichen Lichtbildes sei insbesondere nicht von § 50 UrhG im Sinne einer Berichterstattung über Tagesereignisse gedeckt gewesen. Auch sei keine gerechtfertigte Verwendung zu Zwecken des Zitats gem. § 51 UrhG gegeben. Daneben wurde dem Kläger Aufwendungsersatz gem. § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG in Höhe von 546,50 Euro zugesprochen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 17.12.2020 zugestellte Urteil am 05.01.2021 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist mit Schriftsatz vom 10.02.2021 begründet.
Die Beklagte greift mit ihrer Berufung das erstinstanzliche Urteil im Umfang ihrer Verurteilung an und verfolgt dessen Aufhebung sowie die Abweisung der Klage. Im Wege der Widerklage macht die Beklagte bereits in erster Instanz einen Zahlungsanspruch in Höhe von 546,50 Euro geltend.
In der Berufungsinstanz macht die Beklagte geltend, das Urteil des Amtsgerichts verstoße gegen Beweislastgrundsätze. Der Kläger trage die Darlegungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass er Urheber des streitgegenständlichen Bildes sei, sondern auch, dass die Beklagte das streitgegenständliche Foto nur unter Verletzung seiner Urheberrechte habe verwenden können. Die Beklagte habe bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass das streitgegenständliche Bild auf diversen F.-Seiten ohne jegliche Einschränkung öffentlich abrufbar gewesen sei (u.a. auf der Seite „bird berlin“). Zudem habe der Kläger das Bild „geteilt“ (auf Twitter) und „teilen“ sei in der Sprache des Internets das Verbreiten von Inhalten zum Zwecke der Weiterverbreitung, weshalb das Amtsgericht hätte Beweis darüber erheben müssen, dass das Bild von der Seite „bird berlin“ entnommen und dort „geteilt“ worden und damit frei verfügbar gewesen sei.
Die Beklagte trägt weiterhin vor, dass sich auch aus den „Richtlinien zur angemessenen Nutzung“ der Internetplattform Twitter ergebe (Anlage B 2), dass eine Nutzung als angemessen (“fair use“) gelte, wenn sie nicht kommerzieller Natur sei bzw. wenn dem Originalwerk etwas zugefügt werde. Dies sei vorliegend der Fall, da das Originalwerk mit einem Kommentar versehen und in einen zusätzlichen Kontext gestellt worden sei.
Die Beklagte ist darüber hinaus der Ansicht, bei dem streitgegenständlichen Lichtbild handele es sich um keine besondere geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG.
Unabhängig davon sei der Berufung auf Grundlage von § 51a UrhG stattzugeben. Aus dem Wortlaut und der Begründung ergebe sich, dass die karikierende oder parodistische Verwendung des streitgegenständlichen Bildes gerechtfertigt sei.
Daneben sei die Klage auch unter Berücksichtigung der Zitierfreiheit gem. § 51 UrhG unbegründet. Die Verwendung des Bildes stelle eine politische Meinungsäußerung dar.
Schließlich handele es sich vorliegend auch um eine Berichterstattung über Tagesereignisse im Sinne des § 50 UrhG. Der politisch motivierte Beitrag des Klägers durch die fotografische Dokumentation der Veranstaltung gegen die sei lediglich zum Gegenstand einer politischen Antwort gemacht worden.
Hilfsweise stützt die Beklagte ihre Berufung auf § 10 UrhG, dessen Anwendbarkeit vom Amtsrichter zu Unrecht verneint worden sei. Als Herausgeber im Sinne des § 10 Abs. 2 UrhG sei vorliegend „bird berlin“ mit seiner F.-Seite anzusehen. § 10 UrhG regele, dass im Zweifel der „Verleger“ die Rechte ausübe, also derjenige, der die Sache letztlich veröffentlicht und als Berechtigter identifziert werden könne. Es könne und solle dem Nutzer eben nicht zugemutet werden, „die Stecknadel im Heuhaufen“ zu suchen. Dieser Rechtsgedanke sei bei der Entscheidung zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
1. Das Urteil des Amtsgerichts München (Az.: 142 C 7805/20) vom 11.12.2020 wird aufgehoben.
2. Die Klage der Berufungsbeklagten wird abgewiesen.
3. Der Kläger und Berufungsbeklagte wird im Wege der Widerklage zur Zahlung von € 546,50 an die Beklagte verurteilt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen. Der Kläger entgegnet, er sei seiner Beweislast hinsichtlich der Urheberschaft an der streitgegenständlichen Aufnahme nachgekommen. Bei dieser handle es sich zumindest um ein Lichtbild im Sinne des § 72 UrhG. Die Beweislast hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verwendung liege bei der Beklagten. Unabhängig davon, dass die Beklagte eingeräumt habe die streitgegenständliche Aufnahme der F.-Seite des Künstlers „bird berlin“ entnommen zu haben, könne man unter „Teilen“ in diesem Kontext keineswegs das Verbreiten zum Zwecke der Weiterverwendung verstehen. Selbst wenn es bei einem Hochladen auf einen Twitter Account denkbar gewesen wäre, dass Dritte die Aufnahme „retweeten“, hätte die Beklagte dies gerade nicht getan, sondern die Aufnahme herunter- und wieder neu hochgeladen.
§ 51 UrhG sei vorliegend nicht einschlägig, da die Aufnahme keine Belegfunktion habe, welche für ein Bildzitat zwingende Voraussetzung sei.
Auch handle es sich vorliegend nicht um eine privilegierte Berichterstattung im Sinne des § 50 UrhG, denn die Berichterstattung bilde gerade keinen Schwerpunkt der Darstellung.
Davon unabhängig hätte auch im Falle der §§ 50, 51 UrhG gem. § 63 UrhG für eine zulässige Nutzung eine Namensnennung des Klägers erfolgen müssen.
Im Übrigen entfällt die Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe

II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache haben die geltend gemachten Rechtsverletzungen gem. § 520 Abs. 3 Nr. 2, 546 ZPO keinen Erfolg.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 UrhG sowie auf Aufwendungsersatz gem. § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG in der erstinstanzlich tenorierten Höhe zu.
1.) Der Kläger ist als Urheber des streitgegenständlichen Lichtbildes aktivlegitimiert.
a.) Wer sich darauf beruft, Urheber eines Werkes zu sein, trägt hierfür grundsätzlich die Beweislast. Vor dem Hintergrund dieser Beweislastverteilung ist das Amtsgericht rechtsfehlerfrei gem. § 286 Abs. 1 ZPO davon ausgegangen, dass der Kläger Urheber der streitgegenständlichen Fotografie ist: Der Kläger hat sein Werk nicht im Sinne des § 10 Abs. 1 UrhG als seines kenntlich gemacht. Er trägt insofern die Beweislast für seine Urheberschaft. Legt ein Fotograf jedoch eine Anzahl von Fotonegativen vor, die augenscheinlich aus einer Fotoshooting-Serie stammen, spricht ein erster Anschein dafür, dass er Urheber dieser Fotos ist. Dies gilt insbesondere, wenn der Prozessgegner keinen Vortrag zu Aspekten, die gegen die Urheberschaft sprechen, leistet, sondern lediglich die Urheberschaft bestreitet (Wandtke/Bullinger, 5. Aufl., UrhG, § 7, Rn. 39 m.w.N.). Vorliegend hat die Beklagte ausgeführt, das streitgegenständliche Bild von der F.-Seite des Künstlers „bird berlin“ heruntergeladen zu haben. Zu Recht hat das Amtsgericht in diesem Vortrag keine ausreichende Entkräftigung des Anscheins, der für die Urheberschaft des Klägers streitet, angenommen.
b.) Für eine Anwendung des § 10 Abs. 2 UrhG, wie von der Beklagten bemüht, ist vorliegend weder dem Wortlaut nach noch in analoger Anwendung Raum.
Möchte der Urheber anonym bleiben, kann er über die Angabe des Herausgebers oder Verlegers auf dem Werkstück erreichen, dass diese Personen als ermächtigt gelten, seine Rechte geltend zu machen (Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 10, Rn. 1). Die Ermächtigung gem. § 10 Abs. 2 UrhG gilt für diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die als Herausgeber auf den Vervielfältigungsstücken des Werks bezeichnet sind. Vorliegend beruft sich die Beklagte darauf, dass für die Beklagte durch die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildes auf der F.-Seite von „bird berlin“ die Person „bird berlin“ als Herausgeber erkennbar war. Dem kann nicht gefolgt werden. Eine für eine Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 UrhG notwendige Bezeichnung als Herausgeber (LG München I, ZUM-RD 2002, 489, 492; LG Stuttgart, GRUR 2004, 325, 328) oder auch die Verlegereigenschaft kann sich aus einer bloßen Veröffentlichung auf einer F.seite ohne weiter Kennzeichnung nicht ergeben.
Gegen eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 2 UrhG mit der Folge, dass im Zweifel derjenige, der die Sache veröffentlicht auch die Rechte ausübt und es dem Nutzer nicht zugemutet werden soll, die „Stecknadel im Heuhaufen zu suchen“, spricht bereits, dass es Sinn und Zweck des § 10 UrhG ist, dem Urheber den Nachweis seiner Urheberschaft zu erleichtern und nicht zu erschweren. Nach § 10 Abs. 2 UrhG soll die Verfolgung von Rechtsverletzungen ermöglicht werden, ohne dass der Urheber seine Anonymität preisgeben muss. § 10 Abs. 2 UrhG heranzuziehen, um den Nutzer von seiner Verpflichtung zu entbinden, den Berechtigten des Werkes zu identifizieren, würde dem Rechtsgedanken desselben – nämlich eine Beweiserleichterung zu Gunsten des Urhebers – diametral entgegenwirken.
2.) Weiterhin ist das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Fotografie eine persönliche geistige Schöpfung des Klägers i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG darstellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass das Lichtbild diesen Erfordernissen nicht gerecht würde, wäre ein gleichartiger urheberrechtlicher Schutz gegenüber unberechtigter Vervielfältigung und Vorführung über § 72 Abs. 1 UrhG gewährleistet, der den Schutz von Lichtbildern normiert.
3.) Die Beklagte hat die streitgegenständliche Fotografie vervielfältigt und auf ihrer F.-Seite öffentlich zugänglich gemacht. Damit hat die Beklagte die Verwertungsrechte des Klägers gem. §§ 15, 16, 19a UrhG verletzt.
a.) Eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG liegt nicht vor. Die Beklagte hat das Lichtbild des Klägers nahezu unverändert übernommen: Lediglich am linken oberen Rand wird ein unwesentlicher kleiner Teil der Fotografie durch einen von der Beklagten angebrachten Schriftzug überdeckt. Zwar kann eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung gemäß § 23 UrhG auch dann vorliegen, wenn das abhängige Werk das benutzte als solches unverändert wiedergibt, denn es ist nicht entscheidend, ob für die Bearbeitung das Original oder ein sonstiges Werkstück in seiner Substanz verändert wurde (BGH, GRUR 2002, 523, 533 – Unikatrahmen; BGH, GRUR 1990, 669, 673 – Bibelreproduktion). In einem derartigen Fall muss jedoch das geschützte Werk in ein neues „Gesamtkunstwerk” derart integriert werden, dass es als dessen Teil erscheint. Vorliegend ist das streitgegenständliche Lichtbild für die Verwendung durch die Beklagte lediglich mit dem Schriftzug „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ überschrieben worden. Dadurch ist es nicht in ein neues „Gesamtkunstwerk“ integriert worden, als Teil dessen es erscheinen könnte.
b.) Die Verwendung der Beklagten stellt keine freie Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG dar. Sie beinhaltet unzweifelhaft keine selbständige Neuschöpfung, bei welcher angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen.
4.) Für die Verwendung des Lichtbildes durch die Beklagte greift keine Schrankenbestimmung.
a.) Die Verwendung ist insbesondere nicht durch die Schrankenbestimmung hinsichtlich der Berichterstattung über Tagesthemen nach § 50 UrhG gedeckt. Zu Recht hat das Amtsgericht in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, im Rahmen von § 50 UrhG stehe die Schilderung einer tatsächlichen Begebenheit und keine Meinungsäußerung im Fokus. Zwar ist nach § 50 UrhG nicht nur der nackte Tatsachenbericht privilegiert, sondern auch die den Hintergrund einbeziehende, wertende und kommentierende Reportage, solange die Information über die tatsächlichen Vorgänge noch im Vordergrund steht (BGH, GRUR 2002, 1050 – Zeitungsbericht als Tagesereignis). Vorliegend verwendet die Beklagte das Lichtbild des Klägers aber nicht, um über die Protestveranstaltung, bei der das streitgegenständliche Lichtbild entstanden ist zu berichten. Vielmehr versucht sie die Gegenveranstaltung durch die Überschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ verächtlich zu machen und dies durch Einbindung des Lichtbildes und des Slogans auf ihrer F.-Seite mit Nutzung ihres Logos als eigene Werbung für sich zu nutzen. Dies hat auch das Amtsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt.
Zudem gestattet § 50 UrhG die Wiedergabe eines geschützten Werks nur dann, wenn es im Verlauf der Vorgänge, über die berichtet wird, wahrnehmbar geworden ist. Nicht privilegiert ist dagegen eine Berichterstattung, die das Werk selbst zum Gegenstand hat (vgl. BGH, GRUR 1983, 25 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe I; BGH, GRUR 1983, 28 – Presseberichterstattung und Kunstwerkwiedergabe II; OLG Frankfurt a.M., GRUR 1985, 380, 382). Genau das ist vorliegend der Fall, denn die von der Beklagten für sich reklamierte Berichterstattung beschränkt sich auf die Wiedergabe des streitgegenständlichen Lichtbildes als geschütztes Werk.
b.) Auch kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, die ungenehmigte Verwendung des Lichtbildes des Klägers sei durch das Zitatrecht gem. § 51 UrhG gerechtfertigt.
Zwar ist die Zitierbefugnis nicht auf die in § 51 S. 2 UrhG ausdrücklich erwähnten wissenschaftlichen Werke, selbständigen Sprachwerke und selbständigen Werke der Musik beschränkt und eben so wenig auf die in dem zugrundeliegenden Art. 5 Abs. 3 lit. d der europäischen RL 2001/29/EG nur beispielhaft genannten Zwecke der Kritik oder Rezension. Vielmehr wird allgemein auch ein Bildzitat als zulässig angesehen. Voraussetzung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Werk genutzt wird, um Aussagen zu erläutern, eine Meinung zu verteidigen oder eine geistige Auseinandersetzung zwischen dem Werk und den Aussagen des Nutzers zu ermöglichen, so dass der Nutzer eines geschützten Werks, der sich auf die Ausnahme für Zitate berufen will, das Ziel verfolgen muss, mit diesem Werk zu interagieren (EuGH, C-516/17, ECLI:ECLI:EU:C:2019:625 Rn. 67 f. – Spiegel Online; EuGH, C-476/17, ECLI:ECLI:EU:C:2019:624, Rn. 70 ff. – Pelham). Das zitierende Werk kann sich mit dem zitierten Werk nur dann auseinandersetzen („in einen Dialog eintreten“), wenn beide voneinander unterscheidbar sind. Nur so lässt sich das Zitat von einem Plagiat abgrenzen (Vorlagebeschluss des BGH, GRUR 2017, 895 – Metall auf Metall III; Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 51 Rn. 3). Diese Unterscheidbarkeit vermag das Gericht – wie auch schon das Amtsgericht – hier nicht festzustellen, denn die Beklagte nutzt das Werk nicht zur Auseinandersetzung mit demselben, sondern es übernimmt es nahezu identisch für eigene Werbezwecke.
c.) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Schrankenbestimmungen des § 51a UrhG berufen.
aa.) Mit dem zum 07.06.2021 in Kraft getretenen § 51a UrhG enthält das deutsche Urheberrecht erstmals eine spezielle Schrankenregelung für Parodien, Karikaturen und Pastiches, um transformative Nutzungen zu gestatten und somit einen Interessenausgleich zwischen den Inhabern von Rechten an bestehenden Werken und denjenigen, die auf Grundlage dieser vorbestehenden Werke Neues schaffen, zu gewährleisten (BT-Drs. 19/27426, 89). Nach § 51 a UrhG ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke der Karikatur, der Parodie und des Pastiches erlaubt. In allen drei Fällen geht es dem Verwender darum, Aufmerksamkeit für die eigene Meinung bzw. künstlerische Aussage dadurch zu erzeugen, dass er mit dieser an ein bekanntes Vorbild anknüpft.
In Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat müssen Parodien, Karikaturen und Pastiches wahrnehmbare Unterschiede zum Originalwerk aufweisen (BT-Drs. 19/27426, 90; LG Berlin, 02.11.2021, 15 O 551/19; OLG Hamburg, 28.04.2022, 5 U 48/05). Dem unter die Schrankenbestimmung des § 51a UrhG fallenden Werk muss eine gewisse Eigenständigkeit zukommen, die es rechtfertigt, es als selbständig gegenüber dem benutzten Originalwerk anzusehen – andernfalls wäre eine zitierende Übernahme, der ein für § 51 UrhG notwendiger Zitatzweck fehlt, gem. § 51a UrhG gerechtfertigt (Glückstein, ZUM-RD 2022, 19, 22). Die Nutzung des vorbestehenden Werkes muss einer inhaltlichen oder künstlerischen Auseinandersetzung des Nutzers mit dem Werk oder einem anderen Bezugsgegenstand dienen und ist insbesondere Ausdruck der Meinungs-, Pressefreiheit oder Kunstfreiheit (BT-Drs. 19/27426, 90). Im konkreten Fall ist stets ein angemessener Ausgleich zwischen den Rechten und Interessen des betroffenen Rechtsinhabers und denen des Nutzers zu gewährleisten, wobei sämtliche Umstände des Einzelfalls, wie etwa der Umfang der Nutzung in Anbetracht ihres Zwecks zu berücksichtigen, sind (a.a.O.).
bb.) Bei dem Begriff der Parodie handelt es sich aufgrund seiner Einführung durch Art. 5 Abs. 3 lit. k InfoSoc-RL um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der als solcher einheitlich auszulegen ist (EuGH, GRUR 2014, 972 – Deckmyn und Vrijheidsfonds / Vandesteen u.a.; BGH, GRUR 2016, 1157 – auf fett getrimmt). Nach der Rechtsprechung des EuGH bestehen die wesentliche Merkmale der Parodie darin, „zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder Verspottung darzustellen“ (EuGH, GRUR 2014, 972 – Deckmyn und Vrijheidsfonds / Vandesteen u.a.). Darüber hinaus macht der EuGH das Eingreifen der Schranke von der weiteren Voraussetzung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interessen und Rechten der Rechteinhaber auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes auf der anderen Seite abhängig (EuGH, GRUR 2014, 972 – Deckmyn und Vrijheidsfonds / Vandesteen u.a.).
Vorliegend ist das streitgegenständliche Lichtbild des Klägers in der Verwendung der Beklagten nahezu identisch übernommen worden. Insofern erinnert die Verwendung der Beklagten nicht an das Originalwerk, sondern übernimmt dieses nahezu vollständig. Dem Original wurde nur die Überschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ hinzugefügt, welche das Lichtbild lediglich am linken oberen Eck geringfügig überdeckt. Dadurch sind keine wahrnehmbaren Unterschiede zwischen der Verwendung der Beklagten als möglicher Parodie und dem parodierten Werk zu erkennen und es fehlt somit an dieser notwendigen Voraussetzung für das Vorliegen der Schrankenbestimmung (vgl. hierzu OLG Köln, 20.04.2018, 6 U 116/17 – TV Pannenshow; LG Berlin, 02.11.2021, 15 O 551/19; OLG Hamburg, 28.04.2022, 5 U 48/05). Der Verwendung durch den Beklagten mangelt es an Eigenständigkeit. Durch die Hinzufügung der Überschrift über dem Lichtbild findet gerade keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Werk statt, sondern das Werk dient nur als Mittel einer Auseinandersetzung.
cc.) Die Beklagte kann sich nicht auf die Stilfigur des Pastiche gem. § 51a UrhG berufen. Der autonome Begriff des Pastiche wird weder im Gesetz, noch in der InfoSoc-RL definiert. Laut der Gesetzesbegründung zu § 51a UrhG wurde der (französische) Begriff des Pastiche in der Literaturwissenschaft und der Kunstgeschichte ursprünglich verwendet, um eine stilistische Nachahmung zu bezeichnen, beispielsweise das Schreiben oder Malen im Stil eines berühmten Vorbilds; wobei weniger die Nutzung konkreter Werke im Vordergrund steht als die Imitation des Stils eines bestimmten Künstlers, eines Genres oder einer Epoche (BT-Drs. 19/27426, 91). Anders als bei der Parodie und der Karikatur, die eine humoristische oder verspottende Komponente erfordern, kann die Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Werk beim Pastiche auch einen Ausdruck der Wertschätzung oder Ehrerbietung für das Original enthalten, etwa als Hommage (a.a.O.). In Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat muss das ursprüngliche Werk derart benutzt werden, dass es in einer veränderten Form erscheint. Da die Schranke der Verwirklichung der Meinungs- und Kunstfreiheit dient, ist ein Mindestmaß eigener Kreativität des Begünstigten erforderlich, ohne dass dabei die für eine Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderliche Schöpfungshöhe erreicht werden muss (Hofmann, GRUR 2021, 895 898; Spindler, WRP 2021, 1111, 1116).
Diese Begrifflichkeit zu Grunde gelegt, stellt die Verwendung durch die Beklagte kein Pastiche im Sinne des § 51a UrhG dar. Es wird gerade kein Stil nachgeahmt, sondern das streitgegenständliche Lichtbild nahezu identisch übernommen und vervielfältigt. Damit erscheint das Original gerade nicht in einer relevant veränderten Form. Das Mindestmaß an Kreativität ist durch das Hinzufügen der Überschrift „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ nicht erreicht.
dd.) Entsprechendes gilt für die Karikatur. Der Begriff der Karikatur ist ebenso wie die Parodie und das Pastiche als autonomer Begriff des Unionsrecht einheitlich und entsprechend der Vorgaben des EuGH in Deckmyn (GRUR 2014, 972) auszulegen. Gemäß der Gesetzesbegründung zu § 51a UrhG beinhaltet eine Karikatur meist eine Zeichnung oder eine bildlichen Darstellung, „die durch satirische Hervorhebung oder überzeichnete Darstellung bestimmter charakteristischer Züge eine Person, eine Sache oder ein Geschehen der Lächerlichkeit preisgibt“. Kennzeichnend ist ein „Ausdruck des Humors beziehungsweise der Verspottung“ zum Zweck der kritischhumorvollen Auseinandersetzung meist mit Personen oder gesellschaftlichpolitischen Zuständen“ (BT-Drs. 19/27426, 91; Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl, § 51a, Rn. 9).
Mangels wahrnehmbarer Unterschiede der Verwendung der Beklagten gegenüber dem Werk des Klägers, welches nahezu identisch vervielfältigt wurde, kann sich die Beklagte auf die Schrankenbestimmung der Karikatur des Originalwerks nicht berufen.
5.) Die Entscheidung des Amtsgerichts verstößt nicht – wie von der Beklagten gerügt – gegen Beweislastgrundsätze, indem es bei der Beklagtenpartei eine Prüf- und Erkundungspflicht im Hinblick auf die Nutzungsberechtigung verortet.
a.) Wer ein fremdes urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen will, muss sich über den Bestand des Schutzes und den Umfang seiner Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen. Derjenige, der von fremden Lichtbildern Gebrauch macht, indem er diese in seinem Internetauftritt veröffentlicht, muss sich vergewissern, dass dies mit Erlaubnis des Berechtigten geschieht (LG Köln, GRUR-RS 2020, 24060). Insofern trägt vorliegend die Beklagte die Beweislast für eine rechtmäßige Verwendung. Ihrer Prüf- und Erkundigungspflicht ist die Beklagte nicht nachgekommen. Dass sie sich um den ausreichenden Erwerb der Nutzungsrechte am streitgegenständlichen Bild bemüht hätte, trägt die Beklagte nicht vor.
b.) Selbst wenn der Kläger das streitgegenständliche Lichtbild auf Twitter „geteilt“ haben sollte, ergibt sich daraus kein anderes Ergebnis. Denn damit hat er keineswegs auf seine urheberrechtlichen Ansprüche verzichtet, und insbesondere nicht in jegliche Weiterverbreitung eingewilligt.
Mit einem „Teilen“ des Lichtbildes auf Twitter ist keine Generaleinwilligung zum Zwecke der Weiterverbreitung verbunden. Es kann dahinstehen, ob die Beklage das vom Kläger bei Twitter geteilte Lichtbild hätte „retweeten“ können, denn dies ist vorliegend nicht geschehen. Die Beklagte hat die streitgegenständliche Fotografie nicht über die „Teilen-Funktion“ weiterverbreitet, sondern von einer anderen Seite, nämlich der F.-Seite des Künstlers „bird berlin“ herunter- und im neuen Kontext auf ihrer eigenen F.-Seite wieder hochgeladen. Das von der Beklagten in ihrer Anlage 1 beschriebene „Teilen“ ist somit irrelevant, denn es beschreibt das weitere Teilen eines bereits bestehenden Inhalts innerhalb eines sozialen Netzwerks, und nicht das Herunter- und Hochladen einer ursprünglich getwitterten Aufnahme bei F..
Die vorgelegte „Richtlinie zur angemessenen Nutzung“ der Internetplattform Twitter (Anlage 2 der Beklagten), nach der für bestimmte Nutzungen keine Genehmigung des Rechteinhabers einzuholen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Richtlinie nimmt Bezug auf das USamerikanische Recht, indem sie ausführt: „In den USA wird dies als `Fair Use` (angemessene Nutzung) bezeichnet.“ Vorliegender Sachverhalt spielt sich bereits nicht in den USA ab, sondern in der Bundesrepublik, und ist nach dem Schutzlandprinzip nach deutschem und nicht nach USamerikanischen Urheberrecht zu beurteilen. Weiterhin stellt die Richtlinie klar, dass gerichtlich entschieden wird, ob es sich bei einer Nutzung um eine „angemessene Nutzung“ handelt und Kriterien wie bspw. kommerzielle Nutzung oder Menge und Anteil des kopierten Werkes nur Argumente sind, welche das Gericht u.a. bei der Prüfung der Angemessenheit der Nutzung berücksichtigen wird. Die Richtlinie ist damit bewusst vage und wenig konkret gehalten, um nur Anhaltspunkte, jedoch keine festen Nutzungskorridore zu definieren.
6.) Das Amtsgericht hat die Beklagte rechtsfehlerfrei zur Zahlung eines Schadenersatzes gem. § 97 Abs. 2 UrhG in Höhe von 358,00 Euro sowie von Aufwendungsersatz in Höhe von 546,50 Euro gem. § 97 Abs. 3 S. 1 UrhG verurteilt.
III.
Die zulässige Widerklage war vorliegend abzuweisen. Auf die Ausführungen unter Ziff. II kann insofern Bezug genommen werden. Die Abmahnung durch den Kläger ist zu Recht erfolgt, so dass die außergerichtlichen Kosten der Beklagten – wie auch so vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt – unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erstattungsfähig sind.
IV.
1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
2. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordern. Die Normierung in § 51a UrhG regelt zwar erstmals ausdrücklich die gesetzliche Erlaubnis einer Nutzung zum Zweck der Parodie, Karikatur und des Pastiche. Grundlage hierfür ist jedoch Art. 5 Abs. 3 lit. k InfoSoc-RL und damit die Anknüpfung an autonome Rechtsbegriffe, die einheitlich auszulegen sind. Insbesondere für die Auslegung der Parodie sind vom EuGH zuletzt in der Entscheidung vom 03.09.2014, C-201/13 – Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen ua, Grundsätze aufgestellt sowie vom BGH in seiner Entscheidung vom 08.07.2016, I ZR 9/15 – auf fett getrimmt, bestätigt worden. Bei der vorliegenden Entscheidung handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung dieser Grundsätze. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht statthaft.