Kontosperrung ohne Angabe von Gründen bei META
Das Landgericht Berlin II hat mit seiner Entscheidung vom 28.07.2025 (Az. 61 O 99/25 Kart eV) eine für Praxis und Rechtsprechung gleichermaßen bedeutsame Entscheidung im Kontext der Sperrung von Social-Media-Accounts getroffen – und sich dabei ausdrücklich auf die Grundsätze des OLG Düsseldorf (Urteil vom 2. April 2025 (VI-U (Kart) 5/24, juris) gestützt. Die federführende anwaltliche Begleitung erfolgte durch Rechtsanwalt Dr. Moritz Ott, Jüdemann Rechtsanwälte, Berlin.
Kurzüberblick: Sachverhalt und Entscheidung
Der Antragsteller – ein Influencer mit mehreren gewerblich genutzten Instagram-Accounts – verlangte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Meta Platforms Ireland Limited nach Sperrung seines Profils ohne vorherige Anhörung durch Meta. Die Kontosperrung folgte auf drei von Dritten gemeldete angeblichen Urheberrechtsverstöße; ein Einspruch des Antragstellers wurde ohne sachliche Prüfung binnen Minuten abgelehnt. In den Instagram-AGB wurde zwischenzeitlich eine vorherige Anhörungspflicht normiert, jedoch war strittig, ob die neuen Bedingungen Vertragsbestandteil geworden sind.
Das Landgericht stellte fest, dass Meta, als marktbeherrschendes Unternehmen, missbräuchlich handelte (§ 19 GWB), indem es ohne Anhörung das Konto sperrte. Die Kammer bejahte zudem ihre internationale Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, trotz der von Meta behaupteten „Gerichtsstandsvereinbarung für Irland“.
Praxisrelevanz: Deutsche Gerichte sind zuständig!
Das Besondere an dem Fall: Meta verweist regelmäßig auf Gerichtsstandsvereinbarungen innerhalb ihrer AGB, wonach Unternehmer sich mit sämtlichen Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit der Plattform irischen Gerichten unterwerfen. Das LG Berlin folgt hierbei jedoch vollständig der wegweisenden Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, wonach kartelldeliktische Ansprüche – insbesondere wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung – von solchen Vereinbarungen nicht erfasst werden.
Zentrale Argumentation nach OLG Düsseldorf
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 2.4.2025, VI-U (Kart) 5/24 und nachfolgende Entscheidungen) wie auch des LG Berlin ist der Streitgegenstand eines kartellrechtlich geprägten Anspruchs grundsätzlich exterritorial zum Vertragsverhältnis:
Eine Gerichtsstandsvereinbarung, die Ansprüche „aus diesen Nutzungsbedingungen oder aus den Produkten“ sowie solche „im Zusammenhang damit“ erfasst, bezieht sich auf Rechte und Pflichten aus dem Vertrag selbst oder unmittelbar damit verknüpfte Anspruchsgrundlagen.
Kartelldeliktische Ansprüche (wie Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gem. Art. 102 AEUV/§ 19 GWB) folgen jedoch eigenem Rechtsregime und entstehen unabhängig vom Vertrag – wie der BGH in „Wikingerhof/Booking.com“ (KZR 66/17) klar herausgestellt hat.
Die Gerichtsstandsvereinbarung kann solchermaßen weitreichend nicht verstanden werden, auch und gerade weil derartige Missbräuche den Vertragspartnern meist nicht vorhersehbar sind.
Zitat aus dem OLG Düsseldorf
„Denn eine aus den Nutzungsbedingungen oder aus den G.-Produkten, mithin aus den Vertragsprodukten, entstehende Streitigkeit setzt voraus, dass der Streit der Parteien die sich aus dem Nutzungsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten betrifft. […] Gegenstand des Streits der Parteien ist aber vorliegend ein behaupteter, vom Vertrag unabhängiger kartellrechtlicher Anspruch des Klägers auf Unterlassen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. […]
Auch insoweit bietet der Wortlaut aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners des Klauselverwenders keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass mit Ansprüchen ‚im Zusammenhang‘ mit den Vertragsbestimmungen oder den Vertragsprodukten auch der hier geltend gemachte kartelldeliktische Anspruch erfasst sein soll […] ein solcher Anspruch steht aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners nicht ‚im Zusammenhang‘ mit dem Vertrag, sondern ist davon unabhängig und hat mit Rechten und Pflichten aus dem Vertrag nichts zu tun.“
(auszugsweise, vgl. auch OLG Düsseldorf, VI-U (Kart) 5/24 und VI-6 W 1/24 (Kart)).Begl_Abschrift_Produktion_Original_61_O_99_25_Kart_eV_30072025.pdf
Keine wirksame Einbeziehung neuer AGB
Weiter betont das LG Berlin: Selbst wenn die aktuellen Instagram-AGBs (Stand Juli 2025) eine vorherige Anhörung vorsehen, konnte Meta im konkreten Fall nicht nachweisen, dass der Antragsteller dieser AGB-Änderung jemals zugestimmt hat. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes genügt bereits die diesbezügliche Unklarheit, um eine Einbeziehung zu verneinen. Das hat zur Folge, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kontosperrung nach wie vor allein die gesetzlichen Maßstäbe – insbesondere das Diskriminierungsverbot marktbeherrschender Unternehmen – gelten.Begl_Abschrift_Produktion_Original_61_O_99_25_Kart_eV_30072025.pdf
Rechtsfolge und Praxistipp
Die Entscheidung des LG Berlin macht deutlich, dasss bei der Sperrung eines Profils ohne vorherige Anhörung, ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung vorliegt.
Kartellrechtliche Deliktsansprüche sind ausdrücklich vom Gerichtsstandsprivileg für Irland ausgenommen.
Auch Unternehmer (und nicht nur Verbraucher!) können daher vor deutschen Gerichten erfolgreich klagen – unabhängig davon, welche Gerichtsstandsvereinbarungen und welche (neuen) AGB Meta vorzulegen versucht.
Diese Argumentation ist höchst praxisrelevant: Sie sichert Betroffenen effektiven Rechtsschutz am eigenen Gerichtsstand, vereinfacht den Rechtsschutz erheblich und verhindert faktisch die „Flucht“ von Plattform-Betreibern in weniger verbraucherfreundliche Jurisdiktionen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, eröffnet aber eine klare Linie zugunsten von Gewerbetreibenden in Deutschland.
Fazit und Empfehlung von Jüdemann Rechtsanwälte
Kontosperrung bei Instagram oder auf einer anderen Plattform? Lassen Sie sich kompetent beraten. Die aktuelle Rechtsprechung bietet hinreichende Erfolgsaussichten für Unternehmen und Influencer, auch und gerade gegenüber internationalen IT-Giganten wie Meta. Rechtsanwalt Dr. Moritz Ott und das Team von Jüdemann Rechtsanwälte haben die Mandantschaft in dem vorliegenden Verfahren erfolgreich vertreten und verfügen über umfassende Erfahrung im Umgang mit Social-Media-Plattformen, Marktmissbrauch und einstweiligen Verfügungen.
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