Deutet ein selektives Vertriebssystem auf ein gewisses Luxus-Image hin?
OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.6.2023 – 20 U 278/20 Calvin Klein
Links zur Entscheidung : https://openjur.de/u/2478754.html
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2023/20_U_278_20_Urteil_20230629.html
Der markenrechtliche Erschöpfungsgrundsatz (§ 24 MarkenG; Art. 15 UMV) steht immer wieder im Blickpunkt der Gerichte. Wurde eine Ware unter einer Marke in den Europäischen Wirtschaftsraum gebracht, kann der Inhaber der Marke die Benutzung nicht untersagen, sofern sie durch ihn oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde (sog. Erschöpfung) . Trifft dies zu, kann sich der Inhaber der Rechte an der Marke nur aus berechtigten Gründen gegen den weiteren Vertrieb wiedersetzen. Zwar soll der Markeninhaber selber entscheiden können, in welchem Umfang seine Waren vertrieben werden, dies gilt aber nicht unbeschränkt Die „berechtigten Gründe“ sind gesetzlich nicht abschließend geregelt und damit immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung.
So auch im Urteil des OLG Düsseldorf, in dem es um den Verkauf von Parfums der Marken „Calvin Klein“ und „JOOP“ in einer Aldi-Süd Filiale geht. Geklagt hatte der Coty Konzern, der die aufgeführten Parfums (neben zahlreichen anderen Marken) durch ein selektives Vertriebssystem über ausgewählte Depositäre an beispielweise Parfümerien und spezielle Kosmetikeinzelhändler vertreibt. Die Parfums wurden in der Aldi-Süd-Filiale in Glasvitrinen inmitten verschiedenster anderer Produkte und „Wühlkisten“ vertrieben. In dieser Bewerbung und dem Vertrieb sah der Coty Konzern eine Verletzung des Prestigewerts der Klagemarken und damit einen berechtigten Grund i.S.d. Art. 15 II UMV, der zu einer Ausnahme des Erschöpfungsgrundsatzes führen müsse.
In erster Instanz lehnte das LG Düsseldorf diese Argumentation ab und stützte sich darauf, dass es sich bei den Klagemarken bereits um keine „Luxuswaren“ handele, deren Luxusimage verletzt sein könnte. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein und bekam vom OLG Düsseldorf teilweise Recht.
Im Mittelpunkt des Urteils des OLG Düsseldorf stand die Frage, ob durch den Verkauf der Parfums der Luxus- und Prestigecharakter der Marke sowie die von ihr ausgehende luxuriöse Ausstrahlung beeinträchtigt wurde. Dafür musste sich das Gericht zunächst damit beschäftigen, ob von den Klagemarken überhaupt eine luxuriöse Ausstrahlung ausgeht. Das Gericht gestand den Klagemarken eine gewisse luxuriöse Ausstrahlung zu und argumentierte vorrangig damit, dass sie über ein selektives Vertriebssystem vermarktet werden. Auch der Umstand, dass die Waren lediglich einer mittleren Preiskategorie zugeordnet werden, spreche nicht gegen ein gewisses Luxusimage.
Folglich sah das OLG Düsseldorf in der Präsentation der Parfums in einer Schütte und einem Glaskasten neben völlig verschiedenen anderen Produkten eine Beeinträchtigung des Rufes der Klagemarken, da die Waren nicht hervorgehoben werden und gegenüber den danebenliegenden Waren keine Exklusivität hergestellt wird.
Die Richter*innen bejahten, dass eine bestehende luxuriöse Ausstrahlung der Marken durch die konkrete Präsentation beeinträchtigt wurde. Dabei stellten sie aber keine klaren Grundsätze auf, sondern wogen im Fall einer einzelfallabhängigen Abwägung zwischen dem Grad des Prestiges der Klagemarke und dem Grad der Beeinträchtigung ab. Somit öffneten sie den Bereich des Prestigecharakters also auch für Nicht-Luxusmarken.
Weitere Ausschlussgründe können Produktänderungen, das Wiederbefüllen oder Umverpacken sein oder aber die Veränderung von Kennzeichen.
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Kai Jüdemann
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Die Entscheidung:
A. Leitsätze KJ
1. Wenn die Voraussetzungen für eine Erschöpfung des Markenrechts nach Art. 15 Abs. 1 UMV vorliegen, weil die angebotenen Waren mit der Zustimmung des jeweiligen Markeninhabers bzw. Lizenznehmers in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht worden sind, kann der Markeninhaber den Weitervertrieb nur unter den Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 UMV untersagen, d.h. wenn berechtigte Gründe dies rechtfertigen, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.
2. Da die Aufzähung in Art. 15 Abs.2 UMV nicht abschließend ist, sondern nur beispielhaft, kann ein ein berechtigter Grund i.S.d. Art. 15 Abs. 2 UMV auch die Schädigung des Rufs der Marke sein.
3. Bei Waren mit Luxus- und Prestigecharakter muss der Wiederverkäufer darauf bedacht sein, die Wertschätzung der Marke nicht dadurch zu beeinträchtigen, dass er den Luxus- und Prestigecharakter der betreffenden Waren sowie die von ihnen ausgehende luxuriöse Ausstrahlung beeinträchtigt. Eine erhebliche Schädigung der Marke kann dann vorliegen, wenn die Marke in einer Umgebung erscheint, die das Image, das der Inhaber seiner Marke hat verschaffen können, erheblich beeinträchtigen könnte
4. Der Inhaber einer sehr exklusiven Luxusmarke, die gerade durch die häufig künstliche Verknappung den hohen Preis der mit der Marke gekennzeichneten Waren erzielt, kann sich unter Umständen schon dem Vertrieb durch einen Discounter generell widersetzen, während bei weniger exklusiven Prestigemarken die konkrete Art der Warenpräsentation in den Blick zu nehmen sein wird.
5. Die Errichtung eines selektiven Vertriebssystems kann und wird vielmehr häufig vor allem dazu dienen sicherzustellen, dass die Waren in den Verkaufsstellen in einer ihren Wert angemessen zur Geltung bringenden Weise dargeboten werden. Für dieses Ziel spielt die Anzahl der Verkaufsstellen keine Rolle.
B.
(…)
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 09.09.2020 verkündete Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.01.2021 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, zu unterlassen,
b) Parfumprodukte der Marken „Calvin Klein“ und/oder „Joop!“ in „ALDI“-Filialen anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn dies geschieht wie folgt:
aa. wie auf S. 23 der Klageschrift eingeblendet;
und/oder
bb. wie in Anlage K 34
und/oder
cc. wie in Anlage K 35
und/oder
dd. wie in Anlage K 36;
2. dem Calvin Klein Trademark Trust bezüglich der Marke „Calvin Klein“ und der Coty B.V. bezüglich der Marke „Joop!“ Auskunft über die Menge zu erteilen, in der sie „Calvin Klein“- bzw. „Joop!“-Parfumprodukte gemäß Ziff. I. 1. b. vertrieben hat bzw. vertreiben hat lassen, unter Vorlage von Rechnungen, Lieferscheinen und/oder Belegen;
3. an die Klägerin einen Betrag von 6.364,70 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 03.03.2018 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
seit dem 07.07.2018 über einen Betrag in Höhe von 1.752,90 EUR,
seit dem 23.01.2019 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR
zu zahlen;
II. die Beklagte zu 2) wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, zu unterlassen,
b. Parfumprodukte der Marken „Calvin Klein“ und/oder „Joop!“ in „ALDI“-Filialen anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn dies geschieht wie auf S. 23 der Klageschrift eingeblendet;
2. dem Calvin Klein Trademark Trust bezüglich der Marke „Calvin Klein“ und der Coty B.V. bezüglich der Marke „Joop!“ Auskunft über die Menge zu erteilen, in der sie „Calvin Klein“- bzw. „Joop!“-Parfumprodukte gemäß Ziff. II. 1. b. vertrieben hat bzw. vertreiben hat lassen, unter Vorlage von Rechnungen, Lieferscheinen und/oder Belegen;
3. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.058,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 03.03.2018 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
seit dem 07.07.2018 über einen Betrag in Höhe von 1.752,90 EUR,
zu zahlen;
III. die Beklagte zu 3) wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, zu unterlassen,
Parfumprodukte der Marke „Calvin Klein“ in „ALDI“-Filialen anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn dies geschieht:
a. wie in Anlage K 35
und/oder
b. wie in Anlage K 36;
2. dem Calvin Klein Trademark Trust Auskunft über die Menge zu erteilen, in der sie „Calvin Klein“-Parfumprodukte gemäß Ziff. III. 1. vertrieben hat bzw. vertreiben hat lassen, unter Vorlage von Rechnungen, Lieferscheinen und/oder Belegen;
3. an sie einen Betrag in Höhe von 4.611,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 13.11.2018 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
seit dem 23.01.2019 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
zu zahlen;
IV. die Beklagte zu 4) wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, zu unterlassen,
Parfumprodukte der Marke „Calvin Klein“ in „ALDI“-Filialen anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlage K 34;
2. dem Calvin Klein Trademark Trust Auskunft über die Menge zu erteilen, in der sie „Calvin Klein“-Parfumprodukte gemäß Ziff. IV. 1. vertrieben hat bzw. vertreiben hat lassen, unter Vorlage von Rechnungen, Lieferscheinen und/oder Belegen;
3. an sie einen Betrag in Höhe von 4.611,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 14.11.2018 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
seit dem 23.01.2019 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
zu zahlen;
V. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 4) wie folgt zum Schadensersatz verpflichtet werden:
1. Die Beklagten zu 1) und zu 2) haben dem Calvin Klein Trademark Trust bezüglich der Marke „Calvin Klein“ und der Coty B.V. bezüglich der Marke Joop! sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesen jeweils aus dem Vertrieb von „Calvin Klein“- bzw. „Joop!“-Parfumprodukten in „ALDI“-Filialen gemäß Antrag zu Ziff. I. 1. b. (im Falle der Beklagten zu 1)) bzw. Ziff. II. 1. b. (im Falle der Beklagten zu 2)) entstanden ist, wobei diese Verpflichtung bezüglich der dem Verantwortungsbereich der Beklagten zu 2) unterliegenden „ALDI“-Filialen für die Beklagte zu 1) und Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch besteht;
2. Die Beklagten zu 3) und zu 4) haben dem Calvin Klein Trademark Trust jeweils sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Vertrieb von Parfumprodukten der Marke „Calvin Klein“ gemäß Antrag zu Ziff. III. 1 (im Falle der Beklagten zu 3)) bzw. Ziff. IV. 1. (im Falle der Beklagten zu 4)) entstanden ist, wobei diese Verpflichtung jeweils gesamtschuldnerisch im Verhältnis zu der jeweils entsprechenden Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 1) gemäß Ziff. V. 1. besteht.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagte zu 1) zu 46%, die Beklagte zu 2) zu 22% und die Beklagten zu 3) und 4) zu jeweils 16%. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung der Klägerin aus Ziffer I.1. durch Sicherheitsleistungoder Hinterlegung in Höhe von 200.000,00 Euro, aus Ziffer I.2. in Höhe von 15.000,00 Euro, aus Ziffer II.1. in Höhe von 100.000,00 Euro, aus Ziffer II.2. in Höhe von 5.000,00 Euro, aus Ziffer III.1. in Höhe von 75.000,00 Euro, aus Ziffer III.2. in Höhe von 5.000,00 Euro, aus Ziffer IV.1. in Höhe von 75.000,00 Euro und aus Ziffer IV.2. in Höhe von 5.000,00 Euro abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen bleibt den Beklagten nachgelassen, eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
A)
Die Klägerin gehört zum Coty-Konzern, der seit über 100 Jahren Parfums zahlreicher Marken herstellt und im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems über ausgewählte Depositäre, insbesondere über Parfümerien, spezielle Kosmetikeinzelhändler, Warenhäuser oder Absatzstätten mit spezieller Kosmetik- oder Parfümerieabteilung, vertreibt. Zu ihrem „Coty Luxury“-Portfolio zählen unter anderem Eau-de-Toilette-Parfumprodukte und Eau-de-Parfums der Marken „Calvin Klein“ und „JOOP!“. Unter anderem vertreibt die Klägerin die Parfums „Calvin Klein ckIN2U“ und „JOOP! Jump“.
Die CALVIN KLEIN TRADEMARK TRUST ist Inhaberin der unter der Registernummer 000079707 mit Priorität vom 01.04.1996 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragenen Unions-Wort-/Bildmarke „ “ (Klagemarke 1), die unter anderem für „Parfümeriewaren“ Schutz genießt. Die Coty B.V. ist Inhaberin der Unions-Wortmarke „JOOP!“ (Klagemarke 2) unter der Registernummer 002786713 mit Priorität vom 24.07.2002, die unter anderem für „Parfümerien; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ geschützt ist. Die Klägerin ist Lizenznehmerin der Klagemarken und wurde von den Markeninhaberinnen jeweils ermächtigt, Ansprüche aus diesen im eigenen Namen geltend zu machen.
Die Beklagte zu 1) ist eine Gesellschaft der Unternehmensgruppe „ALDI SÜD“ und deren Einkaufs- und Servicegesellschaft. Die Beklagten zu 2) bis 4) sind drei der insgesamt 30 Regionalgesellschaften der Unternehmensgruppe. Die Beklagte zu 1) ist zudem für den Internetauftritt unter der Domain „aldi-sued.de“ und für den für sämtliche „ALDI SÜD“-Filialen geltenden und wöchentlich erscheinenden Werbeprospekt verantwortlich.
Die Beklagten bezogen Ende 2017 eine Lieferung von Parfums „JOOP! Jump“ und „Calvin Klein ckIN2U“ und boten diese zum Verkauf an. Im Februar 2018 bewarben sie diese Parfums in dem wöchentlichen ALDI-SÜD Prospekt, hinsichtlich dessen Gestaltung auf die Anlage K33 Bezug genommen wird.
Zu dieser Zeit wurden die Parfums in einer Filiale der Beklagten zu 2) in Bergisch-Gladbach zum Kauf angeboten, indem diese neben dem Warenförderband an der Kasse, wie aus der Abbildung auf S. 23 der Klageschrift ersichtlich (Bl. 23 GA), präsentiert wurden.
Im Oktober 2018 wurde das Parfum „Calvin Klein ckIN2U“ in den Filialen der Beklagten zu 3) und zu 4) wie folgt vertrieben:
In der Filiale der Beklagten zu 4) in der Löhestraße in Hennef (Sieg) wurden Parfums der Marke „Calvin Klein ckIN2U“ in einer Glasvitrine inmitten der Filiale neben den sich dort befindenden „Wühlkisten“ präsentiert, in welchen sich andere Aktionsware, unter anderem in Plastik verpackte Matratzen, befand, wie es sich aus den Abbildungen der Anlage K 34 ergibt. In der Glasvitrine befanden sich unter anderem Multimedia-Geräte, USB-Sticks, Radios und Zahnbürsten. Eine Seite des Glaskastens stand, wie aus der Anlage K 34 ersichtlich, unmittelbar neben einem sich auf einer Palette befindenden großen Pappkarton.
In der Kölner Filiale Grüner Weg der Beklagten zu 3) wurden ebenfalls Parfums unter der Bezeichnung „Calvin Klein ckIN2U“ in einer Glasvitrine präsentiert, die sich neben „Wühlkisten“ mit anderweitigen Produkten befand, wie aus den Abbildungen der Anlage K 35 ersichtlich. In der Glasvitrine, die mit Geschenkband-Schleifen dekoriert war, befanden sich unter anderem weitere Produkte aus dem Multimedia-Bereich. Unmittelbar an dem Glaskasten lehnten in Plastik verpackte Schlafanzüge.
In der Kölner Filiale der Beklagten zu 3) in der Venloer Straße wurden Parfumprodukte unter der Bezeichnung „Calvin Klein ckIN2U“ in einer Glasvitrine präsentiert, wie aus den Abbildungen der Anlage K 36 ersichtlich. In der Glasvitrine befanden sich neben den Parfums, die auf einer Motiv-Papierserviette drapiert waren, weitere Produkte, unter anderem aus dem Multimedia-Bereich, sowie Bewegungsmelder. Unmittelbar neben der Glasvitrine befand sich in Plastik verpackte Kleidung.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Bewerbung und der Vertrieb in der beschriebenen Form stelle eine Verletzung der Klagemarken dar, weil sich die Beklagten nicht darauf berufen könnten, dass es sich – unstreitig – um erschöpfte Ware gehandelt habe. Die Präsentation im „ramschigen“ Verkaufs- und Werbeumfeld eines Billig-Discounters verletze den Prestigewert der Klagemarken.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.01.2021 hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die auf Unterlassung und Folgeansprüche gerichtete Klage abgewiesen.
Das Landgericht hat angenommen, es liege keine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz gemäß Art. 15 Abs. 2 UMV vor. Der hier streitgegenständliche Vertrieb und das Bewerben in dem dargelegten Verkaufsumfeld in den Filialen der Beklagten sei im Ergebnis bereits deshalb nicht geeignet, das Luxusimage der von der Klägerin unter den Klagemarken vertriebenen Waren erheblich zu beeinträchtigen, da nicht ersichtlich sei, dass es sich bei den streitgegenständlichen konkreten Parfumprodukten um „Luxusware“ handele, der ein „Luxusimage“ zukomme.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, es gäbe keine absolute Luxusschwelle. Vielmehr könne sich der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb nach Art. 15 Abs. 2 UMV widersetzen, wenn die Umstände geeignet seien, das Prestige der Marke zu beeinträchtigen. Entgegen dem Landgericht komme es auch nicht auf den Luxuscharakter der konkreten Waren an, sondern auf das Image der Marke. Dieses sei bei den Klagemarken hoch. Durch eine vereinzelte Präsenz der Produkte außerhalb ihres selektiven Vertriebssystems werde das Image der Klagemarken nicht beeinträchtigt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Vertrieb über einen langen Zeitraum von fast einem Jahr erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
Das angefochtene Urteil abzuändern und
I. die Beklagte zu 1) zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, zu unterlassen,
a) Parfumprodukte der Marken „Calvin Klein“ und/oder „Joop!“ in „ALDI“-Werbeprospekten zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlage K 33;
b) Parfumprodukte der Marken „Calvin Klein“ und/oder „Joop!“ in „ALDI“-Filialen anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn dies geschieht wie folgt:
aa. wie auf S. 23 der Klageschrift eingeblendet;
und/oder
bb. wie in Anlage K 34
und/oder
cc. wie in Anlage K 35
und/oder
dd. wie in Anlage K 36;
2. dem Calvin Klein Trademark Trust bezüglich der Marke „Calvin Klein“ und der Coty B.V. bezüglich der Marke „Joop!“ Auskunft über die Menge zu erteilen, in der sie „Calvin Klein“- bzw. „Joop!“-Parfumprodukte gemäß Ziff. I. 1. b. vertrieben hat und/oder gemäß Ziff. I. 1. a. beworben hat bzw. vertreiben und/oder bewerben hat lassen, unter Vorlage von Rechnungen, Lieferscheinen und/oder Belegen;
3. an die Klägerin einen Betrag von 6.364,70 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 03.03.2018 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
seit dem 07.07.2018 über einen Betrag in Höhe von 1.752,90 EUR,
seit dem 23.01.2019 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR
zu zahlen;
II. die Beklagte zu 2) zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, zu unterlassen,
a) Parfumprodukte der Marken „Calvin Klein“ und/oder „Joop!“ in „ALDI“-Werbeprospekten zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlage K 33;
b. Parfumprodukte der Marken „Calvin Klein“ und/oder „Joop!“ in „ALDI“-Filialen anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn dies geschieht wie auf S. 23 der Klageschrift eingeblendet;
2. dem Calvin Klein Trademark Trust bezüglich der Marke „Calvin Klein“ und der Coty B.V. bezüglich der Marke „Joop!“ Auskunft über die Menge zu erteilen, in der sie „Calvin Klein“- bzw. „Joop!“-Parfumprodukte gemäß Ziff. I. 1. b. vertrieben hat und/oder gemäß Ziff. I. 1. a. beworben hat bzw. vertreiben und/oder bewerben hat lassen, unter Vorlage von Rechnungen, Lieferscheinen und/oder Belegen;
3. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.058,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 03.03.2018 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
seit dem 07.07.2018 über einen Betrag in Höhe von 1.752,90 EUR,
zu zahlen;
III. die Beklagte zu 3) zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, zu unterlassen,
Parfumprodukte der Marke „Calvin Klein“ in „ALDI“-Filialen anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn dies geschieht:
a. wie in Anlage K 35
und/oder
b. wie in Anlage K 36;
2. dem Calvin Klein Trademark Trust Auskunft über die Menge zu erteilen, in der sie „Calvin Klein“-Parfumprodukte gemäß Ziff. III. 1. vertrieben hat bzw. vertreiben hat lassen, unter Vorlage von Rechnungen, Lieferscheinen und/oder Belegen;
3. an sie einen Betrag in Höhe von 4.611,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 13.11.2018 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
seit dem 23.01.2019 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
zu zahlen;
IV. die Beklagte zu 4) zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, zu unterlassen,
Parfumprodukte der Marke „Calvin Klein“ in „ALDI“-Filialen anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlage K 34;
2. dem Calvin Klein Trademark Trust Auskunft über die Menge zu erteilen, in der sie „Calvin Klein“-Parfumprodukte gemäß Ziff. IV. 1. vertrieben hat bzw. vertreiben hat lassen, unter Vorlage von Rechnungen, Lieferscheinen und/oder Belegen;
3. an sie einen Betrag in Höhe von 4.611,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 14.11.2018 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
seit dem 23.01.2019 über einen Betrag in Höhe von 2.305,90 EUR,
zu zahlen;
V. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 4) wie folgt zum Schadensersatz verpflichtet werden:
1. Die Beklagten zu 1) und zu 2) haben dem Calvin Klein Trademark Trust bezüglich der Marke „Calvin Klein“ und der Coty B.V. bezüglich der Marke Joop! sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesen jeweils aus dem Vertrieb von „Calvin Klein“- bzw. „Joop!“-Parfumprodukten in „ALDI“-Filialen gemäß Antrag zu Ziff. I. 1. b. (im Falle der Beklagten zu 1)) bzw. Ziff. II. 1. b. (im Falle der Beklagten zu 2)) und der Bewerbung von „Calvin Klein“- bzw. „JOOP!“-Parfumprodukten gemäß Antrag zu Ziff. I. 1. a. (im Falle der Beklagten zu 1)) bzw. Ziff. II. 1. a. (im Falle der Beklagten zu 2)) entstanden ist, wobei diese Verpflichtung bezüglich der dem Verantwortungsbereich der Beklagten zu 2) unterliegenden „ALDI“-Filialen für die Beklagte zu 1) und Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch besteht;
2. Die Beklagten zu 3) und zu 4) haben dem Calvin Klein Trademark Trust jeweils sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Vertrieb von Parfumprodukten der Marke „Calvin Klein“ gemäß Antrag zu Ziff. III. 1 (im Falle der Beklagten zu 3)) bzw. Ziff. IV. 1. (im Falle der Beklagten zu 4)) entstanden ist, wobei diese Verpflichtung jeweils gesamtschuldnerisch im Verhältnis zu der jeweils entsprechenden Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 1) gemäß Ziff. V. 1. besteht.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und machen im Wesentlichen geltend, den Klagemarken und den unter diesen vertriebenen Produkten komme schon kein Luxusimage zu. Es handele sich um normale Parfums in allenfalls mittlerer Preiskategorie. Im Übrigen werde ein etwaiges Prestige der Marken aber auch nicht durch die Art der Präsentation beeinträchtigt. Die Verbraucher seien es gewohnt, im Rahmen von Aktionen bei ihnen auch hochwertige Luxus-Markenartikel erwerben zu können.
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
B)
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg, soweit sie sich gegen das streitgegenständliche Angebot der Parfums in den jeweiligen Filialen der Beklagten wendet. Sie bleibt ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die Bewerbung in dem Prospekt gemäß Anlage K33 wendet, denn diese Werbung ist nicht geeignet, das Image der Klagemarken zu beeinträchtigen.
I.
Der Unterlassungsanspruch steht der Klägerin nach Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 lit. a, 130 Abs. 2 UMV in dem zuerkannten Umfang zu.
1.
Die Klägerin ist unstreitig als ausschließliche Lizenznehmerin der Klagemarken, die von den Markeninhaberinnen ermächtigt worden ist, die Rechte aus den Klagemarken in eigenem Namen gerichtlich geltend zu machen.
2.
Gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a) UMV kann der Inhaber einer Unionsmarke Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist.
a) Unstreitig haben die Beklagten Parfumprodukte unter den Klagemarken in ihren bzw. in den ihnen unterstellten Filialen angeboten und vertrieben. Darin liegt grundsätzlich eine markenmäßige Verwendung der Klagemarken ohne Zustimmung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr.
b) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Voraussetzungen für eine Erschöpfung des Markenrechts nach Art. 15 Abs. 1 UMV vorliegen, weil die von den Beklagten angebotenen Parfums mit der Zustimmung des jeweiligen Markeninhabers bzw. Lizenznehmers in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht worden sind.
Die Klägerin kann den Weitervertrieb daher nur unter den Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 UMV untersagen, d.h. wenn berechtigte Gründe dies rechtfertigen, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.
aa) Eine Veränderung der Waren selbst ist unstreitig nicht erfolgt.
bb) Wie sich aus dem Begriff „insbesondere“ ergibt, ist die Aufzählung indes nicht abschließend, sondern nur beispielhaft. Ein berechtigter Grund i.S.d. Art. 15 Abs. 2 UMV kann daher auch die Schädigung des Rufs der Marke sein (EuGH, Urteil vom 04.11.1997, C-337/95 Rn. 43 – Dior/Evora). Abzuwägen ist das berechtigte Interesse des Markeninhabers daran, gegen Wiederverkäufer geschützt zu sein, die seine Marke zu Werbezwecken in einer Weise benutzen, die den Ruf der Marke schädigen könnte, gegen das Interesse des Wiederverkäufers, die betreffenden Waren unter Verwendung der für seine Branche üblichen Werbeformen weiterverkaufen zu können (EuGH, a.a.O., Rn. 44).
aaa) Bei Waren mit Luxus- und Prestigecharakter muss der Wiederverkäufer darauf bedacht sein, die Wertschätzung der Marke nicht dadurch zu beeinträchtigen, dass er den Luxus- und Prestigecharakter der betreffenden Waren sowie die von ihnen ausgehende luxuriöse Ausstrahlung beeinträchtigt (EuGH, a.a.O., Rn. 45). Allerdings stellt der Umstand, dass ein Wiederverkäufer, der gewöhnlich Artikel gleicher Art, aber nicht unbedingt gleicher Qualität vertreibt, für die mit der Marke versehenen Waren in seiner Branche übliche Werbeformen benutzt, selbst wenn diese nicht denen entsprechen, die der Markeninhaber selbst oder die von ihm ausgewählten Wiederverkäufer verwenden, keinen berechtigten Grund dar, der es rechtfertigt, dass der Inhaber sich dieser Werbung widersetzt, sofern nicht erwiesen ist, dass die Benutzung der Marke in der Werbung des Wiederverkäufers den Ruf der Marke im konkreten Fall erheblich schädigt (EuGH, a.a.O., Rn. 46). Eine solche erhebliche Schädigung kann dann vorliegen, wenn die Marke in einer Umgebung erscheint, die das Image, das der Inhaber seiner Marke hat verschaffen können, erheblich beeinträchtigen könnte (EuGH, a.a.O., Rn. 47).
Bei der Frage, ob der Verkauf von Prestigewaren durch einen Lizenznehmer an einen Discounter die luxuriöse Ausstrahlung der Prestigewaren schädigt und damit deren Qualität beeinträchtigt, sind insbesondere die Art der mit der Marke versehenen Prestigewaren, der Umfang und der systematische oder aber sporadische Charakter der Verkäufe dieser Waren durch den Lizenznehmer an Discounter und andererseits die Art der von diesen Discountern üblicherweise vertriebenen Waren und die in deren Branche üblichen Vertriebsformen zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 23.04.2009, C-59/08, Rn. 32 – Dior/Copad – zu den Rechten des Lizenzgebers gegen den Lizenznehmer). Ob durch den Weiterverkauf durch den Discounter das Ansehen der Marke geschädigt wird, hängt insbesondere vom Adressatenkreis, an den die Waren weiterverkauft werden sollen, und von den spezifischen Umständen des Verkaufs von Prestigewaren ab (a.a.O., Rn. 57 f., betreffend die markenrechtlichen Ansprüche gegen den Discounter).
Von Bedeutung ist auch, ob die besonderen Umstände dem Markeninhaber zugeordnet werden oder nicht. Denn einen erheblichen Einfluss auf das Image der Marke kann ein Umstand nur haben, der dem Markeninhaber zugeordnet wird (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 24 Rn. 77).
Die Frage, ob das Markenimage eine abstrakt bestimmbare „Luxushöhe“ erfordert (so wohl LG Hamburg, Urt. v. 27.02.2020 – 416 HKO 178/19 – Michael Kors bei Lidl, GRUR-RS 2020, 5676 Rn. 25) oder ob es ausreicht, dass der Ruf einer Marke durch die konkrete Art der Präsentation erheblich beeinträchtigt werden kann (OLG Stuttgart, Urt. v. 31.03.2022 – 2 U 321/20, GRUR-RS 2022, 14672 Rn.48), bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn auch das Landgericht Hamburg geht davon aus, dass die Frage, wie hoch die Hürde sein muss, nicht abstrakt, sondern im Hinblick auf die drohende Beeinträchtigung beantwortet werden muss (LG Hamburg, a.a.O. Rn. 29). So wird der Inhaber einer sehr exklusiven Luxusmarke, die gerade durch die häufig künstliche Verknappung den hohen Preis der mit der Marke gekennzeichneten Waren erzielt, sich unter Umständen schon dem Vertrieb durch einen Discounter generell widersetzen können (vgl. Senat, Urt. v. 06.03.2018, I-20 U 113/17, GRUR-RR 2018, 335 – Japanischer Kosmetikhersteller), während bei weniger exklusiven Prestigemarken die konkrete Art der Warenpräsentation in den Blick zu nehmen sein wird.
bbb) Nach diesen Grundsätzen kommt den Klagemarken eine gewisse luxuriöse Ausstrahlung zu, die je nach den konkreten Umständen des Weitervertriebs Schaden nehmen kann.
Zwar kommt es auf das Image der Marken als solcher an; dieses ist aber wiederum in hohem Maße abhängig von dem Image der unter der Marke vertriebenen Produkte. Zugleich ist schwer vorstellbar, dass sich eine Rufschädigung eines einzelnen Produktes nicht zugleich auf den Ruf der Marke auswirkt.
Für eine luxuriöse Ausstrahlung spricht bereits der Umstand, dass die Klägerin die unter den Klagemarken angebotenen Parfüms – jedenfalls in Deutschland – unstreitig über ein selektives Vertriebssystem vermarktet. Bestritten haben die Beklagten insoweit lediglich, dass die Produkte auch unionsweit über ein selektives Vertriebssystem vertrieben werden.
Die Klägerin muss sich auch nicht den Vorwurf gefallen lassen, sie gehe nicht konsequent gegen Verstöße gegen das selektive Vertriebssystem vor. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere spricht der Vertrieb der streitgegenständlichen Parfums über die Drogerieketten Rossmann und dm nicht für diese Behauptung, denn die Klägerin versucht auch in diesen Fällen zu klären, über welchen Depositär die Ware bezogen wurde. Dass sie gegen die Drogerieketten Rossmann und dm nicht vorgeht, ist nachvollziehbar, da die Parfums dort – anders als bei den Beklagten – jedenfalls in einer eigenen „Abteilung“ zusammen mit anderen Markenparfums angeboten werden und sich die ganze Warenpräsentation deutlich von derjenigen abhebt, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist.
Dass die Anforderungen eines Selektivvertriebs an die Qualität der Verkaufsumgebung sich positiv auf das Prestige einer Marke auswirken kann, liegt auf der Hand.
Gegen die Einstufung der Marken im „mittleren“ Premiumsortiment mit einer luxuriösen Ausstrahlung spricht nicht, dass die Parfümerie Douglas als Depositär der Klägerin die Klagemarken nicht in der Kategorie „Luxusparfum“ führt, sondern diese Kategorie deutlich hochpreisigeren Parfums vorbehält. Dass Parfums der Klagemarken nicht zur teuersten Kategorie von Parfums gehören, ist unstreitig. Gleichwohl können sie noch eine luxuriöse Ausstrahlung genießen, die durch die Art und Weise der Präsentation bei der Beklagten beschädigt werden kann.
Gegen ein luxuriöses Markenimage lässt sich auch nicht anführen, dass Parfums der Klagemarken auch in den Märkten der Drogerieketten Rossmann und dm vertrieben werden. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang die genannten Drogerieketten diese Parfums in ihrem Angebot haben. Denn selbst wenn insoweit ein nicht unerheblicher Graumarkt bestehen sollte, beschränkt sich dieser auf Drogeriemärkte, in denen Parfums in einem abgetrennten Parfümeriebereich angeboten werden. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass die luxuriöse Ausstrahlung der klägerischen Marken, die durch das selektive Vertriebssystem gefördert wird, durch die Angebote der Parfums auch bei den Drogeriemärkten Rossmann und dm wesentlich beschädigt worden ist und nicht mehr besteht.
Eine luxuriöse Ausstrahlung der Klagemarken fehlt auch nicht deshalb, weil die unter den Marken angebotenen Produkte über ein gut ausgebautes Filialnetz großer Depositäre der Klägerin vertrieben werden, so dass sie praktisch überall erhältlich sind. Zwar spricht eine künstliche Verknappung für ein entsprechendes Luxusimage, es ist aber nicht zwingende Voraussetzung. Die Errichtung eines selektiven Vertriebssystems kann und wird vielmehr häufig vor allem dazu dienen sicherzustellen, dass die Waren in den Verkaufsstellen in einer ihren Wert angemessen zur Geltung bringenden Weise dargeboten werden (EuGH, Urteil vom 23.04.2009, C-59/08, Rn. 29 – Dior/Copad). Für dieses Ziel spielt die Anzahl der Verkaufsstellen keine Rolle.
Wie bereits ausgeführt, spricht der Umstand, dass die streitgegenständlichen Parfums – wie auch die weiteren unter den Klagemarken vertriebenen Parfums – ehr einer mittleren Preiskategorie zuzuordnen sind und es viele Parfums gibt, die erheblich teurer sein, nicht gegen ein gewisses Luxusimage. Die von den Depositären üblicherweise geforderten Preise sind auch nicht so niedrig, dass der Gedanke an eine „Billigmarke“ naheliegen würde.
ccc) Die streitgegenständliche Warenpräsentation in den Märkten der Beklagten – nicht aber die einmalige Bewerbung im Prospekt – ist geeignet, den Ruf der Klagemarken erheblich zu beeinträchtigen.
Insoweit ist zunächst erheblich, dass es sich aus Sicht der Verbraucher nicht um eine typische Aktionsware gehandelt hat, denn unstreitig wurden die Parfums seit Dezember 2017 angeboten, aber erst anlässlich des Valentinstags im Februar 2018 einmalig im Prospekt beworben und waren bis Oktober 2018 im Angebot. Damit unterscheidet sich das Angebot aus Kundensicht deutlich von Aktionsware, die typischerweise als solche beworben wird und typischerweise binnen kurzer Zeit abverkauft ist. Dem Kunden, dem die Parfums über einen längeren Zeitraum und ohne eine besondere Herausstellung in der Werbung und Präsentation gegenüber treten, erscheinen diese als zum Sortiment gehörig. Dies mag nicht in der Absicht der Beklagten gelegen haben. Darauf kommt es für die Eignung zur Rufschädigung indes nicht an. Der Verbraucher wird vielmehr annehmen müssen, die Klägerin sei mit dem in dieser Weise erfolgenden Angebot einverstanden.
Der Warenpräsentation fehlt es an jeglicher „Exklusivität“, die dem Prestigecharakter der Marken gerecht werden würde. Dies schon deshalb, weil die Beklagten die Parfums nicht in einer eigenen Parfumabteilung anbieten, sondern ohne Trennung vom übrigen Angebot in einer Schütte oder einem Glaskasten.
Die angegriffene Warenpräsentation in einer „Schütte“ neben diversen Spirituosen macht dies besonders deutlich. Es erfolgt keinerlei Hervorhebung der Ware gegenüber der buchstäblich daneben liegenden „Allerweltsware“. Dem kann von den Beklagten auch nicht entgegen gehalten werden, dass die Parfums hier zusammen mit Spirituosen der Marke „Jägermeister“ feilgeboten wurden. Es mag sich bei „Jägermeister“ um eine „Kultmarke“ handeln. Einen „Prestigewert“ und ein exklusives Image kommt der Marke indes nicht zu.
Aber auch die Präsentation im „Glaskasten“ wird dem Image der Klagemarken nicht gerecht. Die Präsentation im Glaskasten ist dem Kunden der Beklagten vor allem als Diebstahlsschutz bekannt. Auch hier werden die Parfums der Klagemarken nicht neben ähnlich luxuriös anmutenden Markenprodukten dargestellt, sondern wahllos zwischen Computer-Zubehör und vergleichbaren Gegenständen. Auch die Glasvitrine selber macht nicht etwa einen besonders herausgehobenen Eindruck, sondern fügt sich in die auf Zweckmäßigkeit ausgerichtete Ladeneinrichtung der Beklagten ein.
Bei der erforderlichen Abwägung der berechtigten Interessen der beiden Parteien, auf der Seite der Klägerin das Interesse, gegen Discounter geschützt zu sein, die nicht dem selektiven Vertriebsnetz angehören und die die klägerischen Marken zu geschäftlichen Zwecken in einer Weise benutzen, die deren Ruf schädigen können, auf der Seite der Beklagten das Interesse, die betreffenden Waren unter Verwendung der für ihre Branche üblichen Vertriebsformen weiterverkaufen zu können, überwiegen die Interessen der Klägerin deutlich, denn die Klägerin ist darauf angewiesen, das Image ihrer Marken hoch zu halten, um ihr Geschäftsmodell – den Verkauf von Luxuskosmetika – weiter betreiben zu können. Das Interesse der Beklagten als Discounter daran, ihren Kunden auch die streitgegenständlichen Markenparfums anbieten zu können, wiegt hingegen deutlich geringer, denn der Kunde erwartet derartige Markenprodukte bei den Beklagten mit ihrem schwerpunktmäßig im Lebensmittelbereich liegenden Vollwarensortiment nicht. Damit bleibt im Wesentlichen nur das Interesse der Beklagten, ihr Discounter-Image mit Hilfe prestigeträchtiger Markenprodukte aufzubessern. Dieses Interesse der Beklagten wiegt geringer als das Interesse der Klägerin, das Image ihrer Marken hoch zu halten.
3.Demgegenüber kann eine Eignung zur Rufbeeinträchtigung durch die Bewerbung im Prospekt nicht festgestellt werden.
1Der streitgegenständliche Werbeprospekt folgt der üblichen Aufmachung derartiger Prospekte von Discountmärkten. Das einzelne Werbefeld für die Parfüm-Angebote ist mehrfarbig und ansprechend gestaltet. Das gemeinsame Angebot der streitgegenständlichen Parfums mit einem weiteren Parfum unter einem einheitlichen Preis ist unbedenklich, weil es sich bei dem anderen Parfum ebenfalls um ein hochpreisiges Markenprodukt handelt. Das Werbefeld für die Parfüm-Angebote fügt sich sachlich in die weiteren Angebote auf der Seite des Werbeprospektes ein. Die ebenfalls angebotenen Kosmetikspiegel und die Haarschneide-Sets betreffen gleichfalls die Körperpflege. Das Parfüm-Angebot ist zudem als “Geschenk-Tipp zum Valentinstag” deutlich hervorgehoben und damit auch in einem gewissen Umfang von den genannten weiteren Angeboten inhaltlich abgesetzt. Dass der Prospekt im Übrigen eine Vielzahl von Waren betrifft, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Vielzahl beworbener Produkte entspricht der üblichen Werbung von Discountmärkten für Wochen-Verkaufsaktionen zu günstigen Preisen. Unter diesen Umständen kann vorliegend nicht von einer erheblichen Schädigung des Prestigecharakters der von der Antragstellerin verteidigten Unionsmarke ausgegangen werden (vgl. KG Berlin, Urt. v. 18. Oktober 2022 – 5 U 1046/20 –, Rn. 80, zitiert nach juris zur gleichen Werbung).
II.
Die jeweilige Markeninhaberin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Auskunftserteilung gem. Art. 129 Abs. 2 UMV, § 125 b, 19 Abs. 1 MarkenG sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß Art. 129 Abs. 2 UMV, § 125 b, § 14 Abs. 6 MarkenG, soweit vorstehend eine Rechtsverletzung festgestellt worden ist, denn die Beklagten hätten auch erkennen können und müssen, dass sich die Klägerin dem Vertrieb unter den hier streitgegenständlichen Bedingungen widersetzen kann und handelten deshalb auch schuldhaft.
III.
Soweit der Unterlassungsanspruch begründet ist, sind auch die Kosten für die Abmahnung und für das Abschlussschreiben nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähig. Dies führt vorliegend zu einem Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten, obwohl hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) die Abmahnung bezüglich des Prospektes unbegründet war. Insoweit ist davon auszugehen, dass wirtschaftlich dem Verbot der Prospektwerbung kein erheblicher zusätzlicher Wert zukommt, wenn denn – wie hier – letztlich der Vertrieb der streitgegenständlichen Waren verboten wird. Dass die Klägerin dies so bewertet, zeigt sich daran, dass sie den Abmahnungen der Beklagten zu 3) und 4) den gleichen Streitwert zu Grunde gelegt hat wie derjenigen der Beklagten zu 1) und 2). Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Kosten erhebt die Beklagte nicht.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1,§ 92 Abs. 2 S. 1, § 100 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Hinsichtlich der Kostenentscheidung wird auf die vorstehenden Ausführungen zu den Abmahnkosten verwiesen.
Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 17.05.2023 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
Streitwert: 580.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)