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Eine noch aktuelle Entscheidung, über die ich im Rahmen einer gewerberechtlichen Auseinandersetzung über Geieignetheitsbestätigungen zum  Aufstellen von Spielautomaten gestolpert bin.

Oberlandesgericht Hamm,
Urteil vom 22.Februar 2005

4 U 139/04

 

Vorinstanz:

Landgericht Essen, 44 O 228/03

 

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. Mai 2004 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat das beantragte Verbot zu Recht ausgesprochen. Danach ist es der Beklagten verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Medaillen (Spiel-Token), die ein Spieler an Unterhaltungs-Spielgeräten ohne Gewinnmöglichkeit bei einem bestimmten Punktestand erhält, nach einer bestimmten Quote in Geld einzulösen, wenn und soweit der so ausgezahlte Geldbetrag den vom Spieler zuvor zur Durchführung von Spielen geleisteten Geldbetrag übersteigt.

Mit dieser verbotenen Verfahrensweise verstößt die Beklagte gegen § 33 c Gewerbeordnung, wonach Gewinnspielgeräte einer besonderen Erlaubnis bedürfen, die die Beklagte nicht besitzt. Ein solches nach § 33 c Gewerbeordnung verbotenes Verhalten stellt zugleich auch einen Wettbewerbsverstoß dar, und zwar sowohl nach § 1 UWG a. F., wie auch nach §§ 3, 4 Ziffer 11 UWG n. F.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, daß die Beklagte in der Vergangenheit zweimal gegen § 33 c Gewerbeordnung verstoßen hat, nämlich anläßlich der Vorfälle vom 03. Juni und 07. August 2003, auf Grund dessen die für ein Verbot erforderliche Wiederholungsgefahr vermutet wird.

Das Landgericht hat den Verstoß vom 03. Juni 2003 als unstreitig angesehen. Konsequenterweise hat es deshalb nur noch über den Vorfall vom 07. August 2003 Beweis erhoben.

An diese Sicht des Landgerichts hinsichtlich des Vorfalls vom 03. Juni 2003 ist der Senat gebunden. Ausgangspunkt ist § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, wonach das Berufungsgericht bei seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrundezulegen hat, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Landgericht in vertretbarer Weise davon ausgegangen, daß der Vorfall vom 03. Juni 2003 als solcher unstreitig war. Die Beklagte hätte den substantiierten Vortrag der Klägerin, der schon vorprozessual mitgeteilt worden war und den die Beklagte in dem Zusammenhang mit dem Handeln eines vergeßlichen Spielers erklärt hatte, im einzelnen bestreiten müssen. In ihrer Klageerwiderung führt die Beklagte aber lediglich aus, sie bestreite, daß die in der Abmahnung der Klägerin enthaltene und mit der Klagebegründung vorgetragene Sachverhaltsdarstellung vom 03. Januar 2004 (wobei offenkundig in Wahrheit der Vorfall vom 03. Juni 2003 gemeint ist) so zutreffend durch den Zeugen S beobachtet worden sei. Eine genauere Aufklärung sei ihr nach Erhalt der Abmahnung vom 07. Juli 2003  mehr als ein Monat nach dem angeblichen Vorfall  nicht mehr möglich. Sie bestreite dies und den diesbezüglich weiteren Sachvortrag der Klägerin und erwarte mit Spannung, was in diesem Zusammenhang gegebenenfalls der Zeuge S wahr halten werde. Dies gelte auch für sämtlichen in “Besuchsprotokolle” vom 03. Juni 2003 (Anlage K1) niedergehaltenen Inhalt.

Ein solcher pauschaler Vortrag reicht nicht aus, um die detaillierte Schilderung der Klägerin hinreichend substantiiert entsprechend den Anforderungen des § 138 ZPO zu bestreiten, da es um den eigenen Geschäftsbereich der Beklagten geht, hinsichtlich dessen sie sich auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO nicht zurückziehen kann.

Für die Beklagte war auch erkennbar, daß das Landgericht davon ausging, daß dieser Vorfall unstreitig war. Das zeigt der – unbeanstandet gebliebene – Beweisbeschluß vom 25. Februar 2004 (vgl. Bl. 95 d. A.) und die Durchführung der Beweisaufnahme, die sich allein auf den Vorfall vom 07. August 2003 bezog.

Darüber hinaus ist auch die Beweiskraft des Tatbestandes nach § 314 ZPO zu beachten. Im angefochtenen Urteil wird der Vorfall vom 03. Juni 2003 ausdrücklich als unstreitig bezeichnet, ohne daß die Beklagte den Tatbestand hat berichtigen lassen (Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 529 Rdnr. 2 am Ende; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 529, Rdnr. 6 am Ende).

Zu Recht hat das Landgericht auch den Vorfall vom 07. August 2003 als erwiesen angesehen. Die Beweiswürdigung des Landgerichts gibt keinen Anlaß zu einer erneuten Feststellung. Der Umstand, daß die Zeugen B und S anhand der Fotos die relevante Spielhalle nicht erkannt haben, ist vom Landgericht zutreffend bewertet worden. Es besteht insbesondere bei dem Abfassen der Protokolle, in denen die Einzelheiten hinsichtlich des kontrollierten Objekts festgehalten sind, keine Notwendigkeit, sich die Örtlichkeit einzuprägen. Die Charakterisierung der Aufsicht in diesem Protokoll ist auch nicht angegriffen worden, wobei die “Lesebrille” der Zeugin Ramm bestätigt worden ist. Auch der Umstand der erneuten Überprüfung (vgl. Bl. 21 d. A.) zeigt einen in sich schlüssigen Ablauf der Vorgehensweise der Zeugen.

Die Hinweise auf die Lesbarkeit des Displays in der Berufungsbegründung hilft auch nicht weiter, da die Zeugen geschildert haben, daß sie gerade dieses Display genau betrachtet haben.

Die Beklagte hat damit gegen § 1 UWG a. F. verstoßen, indem sie planmäßig gegen die Regelung in § 33 c Gewerbeordnung verstoßen hat, indem sie bei Unterhaltungsspielgeräten, die keinen Gewinnmöglichkeiten dienen, Geldgewinne ausgezahlt hat (vgl. OLG Düsseldorf, WRP 2000, 245; OLG Thüringen, WRP 2000, 246). Ein solcher Verstoß ist auch geeignet gewesen, den Wettbewerb auf dem Markt der Spielhallen wesentlich zu beeinträchtigen, da von einem solchen Verhalten eine erhebliche Anlockwirkung ausgeht, § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG a. F. Nach der zur Zeit der Vorfälle geltenden Fassung des UWG war zwar bei einem Gesetzesverstoß zusätzlich erforderlich, daß dieser Verstoß auch bewußt und planmäßig geschah, um ihn als Wettbewerbsverstoß bewerten zu können. Davon ist hier aber zu Lasten der Beklagten ebenfalls auszugehen. Denn die beiden festgestellten Vorfälle zeigen, daß es sich nicht um lediglich Ausreißer handelt, sondern daß sie der damals bestehenden Verfahrensweise der Beklagten entsprachen, was den Umgang mit dem Tokenerwerb und deren Einlösung betraf.

Die festgestellten Verfahrensweisen stellen zugleich auch einen Verstoß gegen das UWG in seiner jetzt geltenden Fassung dar, was erforderlich ist, um ein in die Zukunft gerichtetes Verbot auszusprechen. Hier liegt ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG vor, wonach unlauter im Sinne des § 3 UWG insbesondere derjenige handelt, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Zu diesen Marktverhaltensregeln zählt auch § 33 c Gewerbeordnung (Baumbach/Hefermehl/Köhler Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 Rdnr. 11.82; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig UWG, § 4 Rdnr. 91). Da die in dieser Vorschrift normierte Erlaubnispflicht nicht nur den Marktzutritt regelt, sondern auch das Marktverhalten u. a. zum Schutze der Verbraucher, aber auch zum Schutze der Mitbewerber, stellt ein Verstoß gegen § 33 c Gewerbeordnung zugleich auch einen Wettbewerbsverstoß dar. Auf eine Planmäßigkeit des Verstoßes kommt es nach der Neufassung des UWG nicht mehr an. Vielmehr reicht auch ein einmaliger Verstoß. Die Grenze wird allein durch die Bagatellgrenze nach § 3 UWG gebildet. Diese ist hier aber aus den oben bereits dargelegten Gründen erkennbar überschritten.

Die Vorwürfe der Beklagten gegen den Bundesverband Automatenvertreter e. V. gehen ins Leere. Mitgliederinteressen der Klägerin sind im vorliegenden Fall berührt. Es ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin dabei rechtsmißbräuchlich vorgeht. Der Freispruch des Geschäftsführers der Beklagten hat keinen Einfluß auf das vorliegende Verfahren. Insbesondere führt er nicht dazu, daß rechtskräftig feststeht, daß ein Vorsprung durch Rechtsbruch nicht zu Grunde gelegt werden kann, wie es nach der früheren Fassung des UWG zur Annahme eines Wettbewerbsverstosses wie dargelegt erforderlich war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 11 ZPO.