Der Anschlussinhaber kann als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er willentlich oder adäquat kausel zur Verletzung beigetragen hat. Diese Haftung setzt voraus, dass Prüfpflichten verletzt wurden, deren Umfang sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben. Im Verhältnis zudem Ehegatten des Anschlußinhabers müssen konkrete Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen vorgelegen haben, die durch zumutbare Maßnahmen hätten verhindert werden können. Einen Generalverdacht zu Lasten des den Anschluss benutzenden Ehepartner gibt es nicht.
Hierzu eine erfreuliche Entscheidung des OLG Frankfurt am Main aus dem März 2013.
OLG Frankfurt am Main · Beschluss vom 22. März 2013 · Az. 11 W 8/13
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§ 91a ZPO
1. Ein Ehepartner kann dem anderen Ehepartner seinen Internetanschluss überlassen, ohne ihn ständig überwachen zu müssen, solange er keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen hat.
2. Stellt sich nach Klageerhebung heraus, dass nicht der beklagte Anschlussinhaber, sondern sein Ehepartner eine Urheberrechtsverletzung begangen hat, in dem er ein urheberrechtlich geschütztes Werk in einer Tauschbörse zum Download angeboten hat, so setzt die Inanspruchnahme des verklagten Anschlussinhabers als Störer voraus, dass der Kläger die Umstände schlüssig darlegt, die eine Störerhaftung des Inanspruchgenommenen begründen.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 3.Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.1.2013– 2/3 O 238/12 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert entspricht der Höhe der Kosten des Rechtsstreits, erster Instanz.
Gründe
I.
Der Kläger hat den Beklagten auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen, da dieser über seinen Internetanschluss urheberrechtlich geschützte Filmwerke des Klägers ohne dessen Zustimmung zum Download angeboten habe. Hierbei ist der Kläger davon ausgegangen, dass sich nach den Regeln des Anscheinsbeweises die Täterschaft des Beklagten ergebe. Jedenfalls sei diesem der Internetanschluss als Gefahrenquelle, über die die Urheberrechtsverletzung erfolgte, zuzuordnen (GA 10). Nachdem die Ehefrau des Beklagten mit Schreiben vom 17.10.2012 eine Unterlassungserklärung abgegeben und sich zur Zahlung verpflichtet hatte, erklärte der Kläger den Rechtsstreit für erledigt. Zugleich berichtigte er seinen Vortrag dahingehend, dass die Ehefrau des Beklagten die in der Klageschrift vorgeworfene Urheberrechtsverletzung begangen und zugegeben habe (GA 117/118). Nachdem der Beklagte auf den Hinweis des Landgerichts gemäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO der Erledigungserklärung des Klägers nicht widersprochen hatte, hat das Landgericht mit Beschluss vom 23.1.2013 die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt (GA 130 – 132). Hiergegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat (GA 138/139). Er ist der Ansicht, der Beklagte hafte jedenfalls als Störer, da die Verletzung über seinen Anschluss begangen wurde. Ein Sachverhalt, wonach die Störereigenschaft nicht vorliege, sei nicht vorgetragen worden.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 91 a Abs. 2 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.
Sie ist jedoch unbegründet.
1. Die Entscheidung nach § 91 a ZPO ist eine Ermessensentscheidung. Da bei der Ausübung des Ermessens der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist, ist ausschlaggebend für die Kostenentscheidung im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang. Danach hat in der Regel derjenige die Kosten zu tragen, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO aufzuerlegen gewesen wären.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die von dem Landgericht vorgenommene Kostenentscheidung nicht zu beanstanden.
2. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass ein Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch des Klägers ausscheidet.
a. Dass der Beklagte als Täter der in Rede stehenden Urheberrechtsverletzung nach §§ 19a, 97 UrhG auf Unterlassung und Schadensersatz haftet, wird von dem Kläger selbst nicht mehr geltend gemacht.
b. Der Beklagte haftet auch nicht als Teilnehmer der durch seine Ehefrau begangenen Urheberrechtsverletzung. Hierzu fehlt es an tatsächlichem Vortrag. Selbst wenn der Beklagte gewusst und gebilligt hätte, dass seine Ehefrau den Internetzugang zur Teilnahme an Peer-to-Peer-Netzwerken nutzte, ergäbe sich daraus noch nicht, dass er von den konkret in Rede stehenden Rechtsverletzungen gewusst hat [vgl. BGH, GRUR 2009, 730 – Halsband; OLG Köln Urt. v. 16.5.2012 – I-6 U 239/11 – Rn. 14 – jeweils veröffentlich bei juris].
c. Der Kläger hat auch nicht schlüssig dargelegt, dass der Beklagte in sonstiger Weise als Störer für die durch seine Ehefrau begangene Urheberrechtsverletzung haftet.
aa. Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Ein solcher Beitrag kann von dem Beklagten dadurch geleistet worden sein, dass er seiner Ehefrau den Zugang zum Internet zur Verfügung gestellt hat. Allerdings setzt die Haftung desjenigen, der selbst weder Täter noch Teilnehmer der Verletzung ist, die Verletzung vor Prüfpflichten voraus. Andernfalls würde die Störerhaftung in nicht hinnehmbarer Weise auf Dritte erstreckt, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben [BGH Urt. v. 18.10.2001 – I ZR 22/99 – Meißner Dekor I; Urt. v. 30.4.2008 – I ZR 73/05 – Internet-Versteigerung II]. Welchen Umfang diese Pflichten haben, richtet sich danach, was nach den gegebenen Umständen von einem Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren erwartet werden kann, um Rechtsverletzungen auszuschließen. Entscheidend ist daher, wie groß die Gefahr von Rechtsverletzungen über seinen Anschluss ist.
bb. Wie der Senat mit Beschluss vom 20.12.2007 – 11 W 58/07– entschieden hat, trifft den Inhaber eines Internetanschlusses, der diesen dritten Personen überlässt, eine Pflicht, diese Nutzer zu instruieren und zu überwachen, nur, soweit für ihn ein konkreter Anlass für die Befürchtung besteht, der Nutzer werde den Anschluss zu Rechtsverletzungen missbrauchen. Solche Anhaltspunkte bestehen grundsätzlich nicht, solange dem Anschlussinhaber keine früheren Verletzungen dieser Art durch den Nutzer oder andere Hinweise auf eine Verletzungsabsicht bekannt sind oder hätten bekannt sein können. Ein Ehemann kann daher seiner Ehefrau, solange er keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen hat, den auf seinen Namen laufenden Internetanschluss überlassen, ohne diese ständig überwachen zu müssen [Senat, a.a.O., Rn. 16; vgl. auch OLG Köln, a.a.O., Rn. 19 – jeweils veröffentlich bei juris]. Sofern der Anschlussinhaber nicht mit einer Rechtsverletzung durch seinen Ehepartner rechnen muss, sind Hinweis-, Aufklärungs- und Überprüfungspflichten diesem gegenüber unzumutbar.
cc. Im Verhältnis des Beklagten zu seiner Ehefrau ist hier keine solche Verletzung zumutbarer Prüfpflichten festzustellen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte wusste oder annehmen musste, sein Ehefrau werde über seinen Internetanschluss Rechtsverletzungen begehen, die er durch zumutbare Maßnahmen hätte verhindern können, sind nicht ersichtlich. Insoweit wäre es Sache des darlegungsbelasteten Klägers gewesen, denjenigen Kausalverlauf schlüssig darzulegen und ggf. zu beweisen, der eine Störerhaftung des Beklagten begründen könnte. Können nämlich schon weitergehende – sekundäre – Darlegungen des Anschlussinhabers als diejenige, dass Hausgenossen selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können, bei der täterschaftlichen Haftung, bei der zudem eine tatsächliche Vermutung gegen den Anschlussinhaber streitet, nicht verlangt werden, kann dies erst recht nicht bei der Verteidigung gegen die Inanspruchnahme als Störer gefordert werden [ebenso LG Köln, Urt. v. 11.9.2012 – 33 O 353/11 m. zust. Anm. von Rathsack, zit. nach juris]. Derartige oder ähnliche wie die in Rede stehenden Rechtsverstöße, die vor dem 29.9.2009 mit Hilfe des Internetanschlusses des Beklagten begangen wurden, hat der Kläger indes nicht vorgetragen.
d. Der Kläger haftet für die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten der vorprozessualen Abmahnung auch nicht wegen schuldhafter Verletzung einer Aufklärungspflicht. Liegt – wie hier – keine Rechtsverletzung vor, wird durch die Abmahnung kein Verhältnis begründet, das zu Erklärungen des Abgemahnten verpflichtet. Der Abgemahnte hat die Wahl, ob er die Abmahnung zurückweisen oder warten will, ob der Gläubiger zur Gericht geht [BGH, GRUR 1995, 167: Kosten bei unbegründeter Abmahnung; Schricker/Wild, UrhR, 4. Aufl., § 97 a Rn. 23]. Aus der Entscheidung des OLG Köln vom 9.9.2010 – 6 W 114/10 – folgt nichts anderes.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da gegen die in Bezug genommene Entscheidung des 6. Zivilsenats des OLG Köln vom 16.5.2012 – soweit ersichtlich – keine Revision eingelegt worden ist.
Quelle: openjur