LG München I: Kein Ausschluss des fliegenden Gerichtsstandes nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, wenn der Klageort für den Beklagten kalkulierbar ist.
Beim fliegenden Gerichtsstand hat der Kläger die Möglichkeit an jedem Gericht zu klagen, in dessen Bezirk die streitgegenständliche Handlung begangen wurde. Da bei Handlungen im Internet der Begehungsort und so der Gerichtsort “überall” ist, wurde der fliegende Gerichtsstand im wettbewerbsrecht durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs eingeschränkt. Nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gilt nun für Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien grundsätzlich der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten. Damit soll der Beklagte vor der unkalkulierbaren Vervielfältigung potenzieller Klageorte geschützt werden. Das LG München I entschied mit Urteil vom 08.11.2021 – 33 O 480/21, dass Handlungen im Internet nicht immer den Ausschluss des fliegenden Gerichtsstandes begründen
Die Klägerin und die Beklagte bieten Stromlieferverträge an und stehen dabei miteinander im Wettbewerb. Im Herbst 2020 kündigte die Beklagte stellvertretend für verschiedene Kunden der Klägerin deren mit der Klägerin bestehenden Stromlieferverträge. Dies erfolgte im Zusammenhang mit einem Stromanbieterwechsel der Kunden zu der Beklagten. Im Rahmen des Vertragsabschlusses, hatten die Kunden die Möglichkeit die Beklagte mit der Kündigung ihrer bestehenden Stromlieferverträge zu betrauen
Die Klägerin wies die Kündigung zurück und bat die Beklagte um Übermittlung von Kündigungsvollmachten der Kunden. Nachdem die Beklagte diese nicht für alle Kunden vorlegte, mahnte die Klägerin die Beklagte mangels wirksamer Kündigungsvollmachten ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit dem Ziel, dass sie Kündigungen der mit der Klägerin bestehenden Stromlieferverträge der Letztverbraucher nicht mehr ohne zumindest in Textform erteilte Vollmacht ausspreche. Die Beklagte wies die Ansprüche zurück, so dass die Klägerin am LG München I klagte
Da die Kommunikation zwischen den Parteien auf elektronischem Wege erfolgte, vertrat die Beklagte die Ansicht, das LG München sei aufgrund der Regelung aus § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG örtlich unzuständig.
Dies sah das LG München anders. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergebe sich aus § 14 Abs. 2 S. 2 UWG. Trotz der Erklärung der streitgegenständlichen Kündigungen über das Internet, schließe § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG die örtliche Zuständigkeit nicht aus, da die angegriffenen Handlungen keine „Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ nach dieser Norm darstellen. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht durch teleologische Reduktion der Vorschrift. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung keinen „pauschalen“ Ausschluss des fliegenden Gerichtsstandes in sämtlichen Fällen, in denen das Internet in irgendeiner Weise verwendet werde, bezwecken wollen. Der wegen der Vervielfältigung potenzieller Gerichtsorte als problematisch angesehene fliegende Gerichtsstand solle vielmehr nur in „besonders missbrauchsanfällig“ angesehenen Konstellationen ausgeschlossen werden. Im streitgegenständlichen Fall bestehe die Gefahr einer unkalkulierbaren Vielzahl potenzieller Gerichtsorte nicht. Trotz Übermittlung der Nachrichten über das Internet, haben sich diese ausschließlich und gezielt an die Beklagte gerichtet, so dass der Begehungsort der Zuwiderhandlung, trotz Internet, nicht “überall”, sondern von Anfang an örtlich begrenzt gewesen sei.
Der Klägerin stehe auch der Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG zu.
(Marta Teker)