Eine neue Entscheidung des EuGH führt zu einer erweiterten Prüfungspflicht im Rahmen der Beratung zu Markenanmeldungen. Gerne benutzt man bei der Anmeldung die Oberbegriffe aus dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis. Das dies zu einem Scheitern der Markeneintragung führen kann, zeigt ein aktueller Fall, der vor dem EuGH verhandelt wurde.
Die Marke “IP Translator” sollte für “Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten” angemeldet werden. Hierzu gehören aber auch Übersetzungsdienstleistungen. Da Translator ein Übersetzer ist, ist die Marke beschreibend und damit nicht eintragungsfähig.
Richtigerweise müsste die Anmeldung dann auf “Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten mit Ausnahme von Übersetzungsdienstleisten lauten”.
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Pressemitteilung des EuGH vom 19.6.2012
Urteil in der Rechtssache C-307/10
Chartered Institute of Patent Attorneys / Registrar of Trade Marks
Der Gerichtshof konkretisiert die Anforderungen an die Angabe der Waren und Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird
Diese Waren oder Dienstleistungen müssen vom Anmelder so klar und eindeutig angegeben
werden, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage
den Umfang des Markenschutzes erkennen können
Die beiden wesentlichen Bestandteile der Eintragung einer Marke sind zum einen das Zeichen und
zum anderen die Waren und Dienstleistungen, die dieses Zeichen bezeichnen soll. Zusammen
genommen ermöglichen es diese Bestandteile, den genauen Gegenstand und den Umfang des
Schutzes zu bestimmen, den die eingetragene Marke ihrem Inhaber gewährt.
Nachdem der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung schon die Voraussetzungen benannt hat, die
ein Zeichen erfüllen muss, damit es eine Marke sein kann, befasst er sich in der vorliegenden
Rechtssache mit den Anforderungen an die Angabe der Waren oder Dienstleistungen, für die
Markenschutz beantragt wird. Diese Frage ist zu einem Zeitpunkt, da sich die Praxis der
nationalen Markenämter und des HABM (Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt)
auseinanderentwickelt, was zu unterschiedlichen, den mit der europäischen Markenrichtlinie
verfolgten Zielen zuwiderlaufenden Voraussetzungen für die Eintragung führt, von besonderer
Bedeutung .
Auf internationaler Ebene ist das Markenrecht durch die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz
des gewerblichen Eigentums geregelt. Diese Verbandsübereinkunft diente als Grundlage für die
Annahme des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken4. Seit dem 1. Januar 2002 sieht die Nizzaer
Klassifikation eine Klasseneinteilung in 34 Warenklassen und 11 Dienstleistungsklassen vor. Jede
Klasse ist mit einem oder mehreren für gewöhnlich ,,Klassenüberschrift” genannten Oberbegriffen
bezeichnet, die allgemein die Bereiche angeben, zu denen die Waren oder Dienstleistungen dieser
Klasse grundsätzlich gehören. Die alphabetische Liste der Waren und Dienstleistungen umfasst
etwa 12 000 Eintragungen.
Am 16. Oktober 2009 meldete das Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) die Bezeichnung
,,IP TRANSLATOR” als nationale Marke an. Zur Angabe der von dieser Anmeldung erfassten
Dienstleistungen verwendete das CIPA die Oberbegriffe der Überschrift einer Klasse der Nizzaer
Klassifikation, nämlich ,,Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten”.
Mit Entscheidung vom 12. Februar 2010 wies der Registrar of Trade Marks (Markenamt des
Vereinigten Königreichs) diese Anmeldung gestützt auf nationale Vorschriften zur Umsetzung der
Markenrichtlinie zurück. Der Registrar legte die Anmeldung nämlich im Einklang mit einer
Mitteilung des HABM5 im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aus. Er kam zu dem Ergebnis, dass
sie nicht nur die Dienstleistungen der vom CIPA genannten Art, sondern auch alle anderen
Dienstleistungen dieser Klasse der Nizzaer Klassifikation einschließlich
Übersetzungsdienstleistungen erfasse. Daher fehle es der Bezeichnung ,,IP TRANSLATOR” für die
letztgenannten Dienstleistungen an Unterscheidungskraft, und sie sei beschreibend. Außerdem
gebe es keinen Beweis dafür, dass das Wortzeichen ,,IP TRANSLATOR” vor dem Zeitpunkt der
Anmeldung infolge seiner Benutzung Unterscheidungskraft für Übersetzungsdienstleistungen
erworben habe. Das CIPA habe auch nicht beantragt, solche Dienstleistungen von seiner
Markenanmeldung auszunehmen.
Das CIPA legte gegen diese Entscheidung Rechtsmittel ein und trug vor, dass
Übersetzungsdienstleistungen in seiner Anmeldung nicht erwähnt und daher von ihr nicht erfasst
würden. Deshalb seien die Einwände des Registrar gegen die Eintragung unzutreffend, und die
Anmeldung des CIPA sei zu Unrecht zurückgewiesen worden.
Der mit dem Rechtsstreit befasste High Court of Justice (Vereinigtes Königreich) befragt den
Gerichtshof zu den Erfordernissen der Klarheit und der Eindeutigkeit für die Angabe der Waren
oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, und über die Möglichkeit, zu diesem
Zweck Oberbegriffe der Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation zu verwenden.
Mit seinem Urteil von heute betont der Gerichtshof erstens, dass die Markenrichtlinie dahin
auszulegen ist, dass die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, vom
Anmelder so klar und eindeutig anzugeben sind, dass die zuständigen Behörden und die
Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den Umfang des Markenschutzes bestimmen
können.
Denn zum einen müssen die zuständigen Behörden hinreichend klar und eindeutig die von einer
Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen erkennen können, damit sie in der Lage sind, ihren
Verpflichtungen in Bezug auf die Vorprüfung der Markenanmeldungen sowie auf die
Veröffentlichung und den Fortbestand eines zweckdienlichen und genauen Markenregisters
nachzukommen. Zum anderen müssen die Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein, klar und
eindeutig in Erfahrung zu bringen, welche Eintragungen oder Anmeldungen ihre gegenwärtigen
oder potenziellen Wettbewerber veranlasst haben, und auf diese Weise einschlägige
Informationen über die Rechte Dritter zu erlangen.
Zweitens entscheidet der Gerichtshof, dass die Richtlinie der Verwendung der Oberbegriffe, die in
den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation enthalten sind, zur Angabe der Waren und
Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, nicht entgegensteht. Eine solche Angabe
muss jedoch so klar und eindeutig sein, dass die zuständigen Behörden und die
Wirtschaftsteilnehmer den beantragten Schutzumfang bestimmen können. In diesem
Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass einige der Oberbegriffe in den
Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation für sich gesehen hinreichend klar und eindeutig
sind, während andere zu allgemein formuliert sind und zu unterschiedliche Waren oder
Dienstleistungen abdecken, als dass sie mit der Herkunftsfunktion der Marke vereinbar wären.
Daher ist es Sache der zuständigen Behörden, im Einzelfall nach Maßgabe der Waren oder
Dienstleistungen, für die der Anmelder den Markenschutz beantragt, zu beurteilen, ob diese
Angaben den Erfordernissen der Klarheit und der Eindeutigkeit genügen.
Schließlich stellt der Gerichtshof klar, dass der Anmelder einer nationalen Marke, der zur Angabe
der Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, alle Oberbegriffe der
Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation verwendet, klarstellen muss, ob
sich seine Anmeldung auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste dieser Klasse
aufgeführten Waren oder Dienstleistungen bezieht. Falls sie sich nur auf einige Waren oder
Dienstleistungen beziehen soll, hat der Anmelder anzugeben, welche Waren oder Dienstleistungen
dieser Klasse beansprucht werden.
Deshalb ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob das CIPA, als es alle
Oberbegriffe der Überschrift einer Klasse der Nizzaer Klassifikation verwendet hat, in seiner
Anmeldung klargestellt hat, ob mit ihr alle Dienstleistungen dieser Klasse erfasst und ob mit ihr
insbesondere Übersetzungsdienstleistungen beansprucht werden.
1
Urteil des Gerichtshofs vom 12. Dezember 2002, Sieckmann (C-273/00).
2
Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25).
3
Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, unterzeichnet in Paris am 20. März 1883, zuletzt
revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 (Recueil des traités des Nations unies,
Bd. 828, Nr. 11851, S. 305). Alle Mitgliedstaaten haben diese Verbandsübereinkunft unterzeichnet.
4
Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von
Marken, in der diplomatischen Konferenz von Nizza am 15. Juni 1957 angenommen, letztmalig revidiert am 13. Mai 1977
in Genf und geändert am 28. September 1979 (Recueil des traités des Nations unies, Bd. 1154, Nr. I-18200, S. 89).
5
Mitteilung Nr. 4/03 des Präsidenten des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle)
(HABM) vom 16. Juni 2003 über die Verwendung von Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren und
Dienstleistungen für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und -eintragungen (ABl. HABM, 9/03, S. 1647).