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Werbung mit Prominenten: Keine Lizenzgebühr für satirische Namensnennung in Zigarettenwerbung – Der Fall Dieter Bohl ./. Lucky Strike

🔍 Sachverhalt: Prominenter als Objekt humorvoller Werbung

Ein bekannter deutscher Musikproduzent und Autor veröffentlichte im Jahr 2003 ein Buch, dessen Inhalte wegen gerichtlicher Auseinandersetzungen teilweise geschwärzt werden mussten. Die British American Tobacco (Germany) GmbH griff diese Tatsache im Rahmen ihrer bekannten „Lucky Strike“-Werbekampagne auf: In einer Anzeige wurden zwei Zigarettenschachteln und ein Filzstift gezeigt, daneben der (geschwärzte, aber lesbare) Satz:
„Schau mal, lieber D., so einfach schreibt man super Bücher“.
Diese satirische Anspielung erschien in reichweitenstarken Printmedien – ohne Bild oder vollständigen Namen des Prominenten, aber in erkennbarem Kontext.

Der Betroffene verlangte daraufhin eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 100.000 EUR wegen unautorisierter kommerzieller Nutzung seines Vornamens. Die Beklagte verpflichtete sich zwar zur Unterlassung, verweigerte aber die Zahlung.


Entscheidungen der Instanzen:

  • Landgericht Hamburg gab der Klage statt und sprach dem Kläger 100.000 EUR zu. Das Gericht sah eine rechtswidrige Ausnutzung der Prominenz des Klägers zu kommerziellen Zwecken.

  • Hanseatisches Oberlandesgericht erkannte ebenfalls einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, reduzierte aber den Anspruch auf 35.000 EUR. Grund: Es habe sich um einen humorvollen Beitrag gehandelt, der nicht herabwürdigend sei.

  • Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 5.6.2008 – I ZR 223/05) hob die Entscheidung auf und wies die Klage ab:

    • Es liege zwar ein Eingriff in das vermögenswerte Persönlichkeitsrecht vor.

    • Doch die Werbung sei durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckt.

    • Satirische, nicht verunglimpfende Werbung mit Bezug zu einem öffentlichen Ereignis sei zulässig, wenn kein Werbeeffekt durch persönliche Identifikation mit dem Produkt suggeriert wird.


Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Urteil v. 19.02.2015, Nr. 3143/08)

Der Kläger sah sein Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK) verletzt und rief den EGMR an. Dieser entschied jedoch:

  • Keine Verletzung von Art. 8 EMRK:
    Die deutsche Justiz habe eine faire Abwägung vorgenommen.
    Der humorvolle, satirische Charakter der Anzeige, das Fehlen herabwürdigender Inhalte sowie die freiwillige Publikation des Buches durch den Kläger selbst führten zu einer zulässigen Einschränkung seines Rechts auf Namensverwendung.


📌 Fazit: Rechtliche Leitlinien für Werbung mit Prominenten

Die Entscheidung zeigt, dass Werbung mit Prominenten ohne deren Einwilligung unter engen Voraussetzungen zulässig sein kann, sofern:

  • kein Eindruck der Produktidentifikation entsteht,

  • die Darstellung satirisch oder kommentierend erfolgt,

  • ein Bezug zu einem aktuellen öffentlichen Ereignis besteht, und

  • die Werbung nicht herabsetzend ist.

🔎 Für Unternehmen heißt das: Satirische Werbung mit Prominenten ist rechtlich riskant – aber nicht per se verboten. Entscheidend ist eine sorgfältige rechtliche Bewertung im Einzelfall.

👤 Für Prominente bedeutet das Urteil: Das Persönlichkeitsrecht schützt nicht automatisch vor jeder Form der kommerziellen Anspielung, insbesondere dann nicht, wenn ein hohes öffentliches Interesse vorliegt.


📝 Empfehlung für Marken und Werbetreibende

Werbung mit Prominenten sollte immer auf eine ausgewogene Abwägung zwischen kommerziellem Interesse und Persönlichkeitsrecht achten. Namensnennungen, auch in satirischem Kontext, bergen rechtliche Risiken – insbesondere bei politisch oder ethisch sensiblen Produkten wie Tabak oder Alkohol.

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