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Einleitung: Die wachsende Bedeutung des Influencer-Marketings

Influencer-Marketing hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen und ist zu einem zentralen Bestandteil moderner Werbestrategien geworden. Influencer, also Personen mit hoher Reichweite und besonderem Ansehen in sozialen Netzwerken wie Instagram, TikTok, YouTube, Facebook oder Twitch, nutzen ihre Präsenz, um Produkte und Dienstleistungen scheinbar beiläufig ihren Followern zu präsentieren. Durch ihre persönliche Ansprache genießen sie eine gesteigerte Glaubwürdigkeit, was die Werbewirkung deutlich erhöht. Influencer-Marketing ist dabei eine Unterform des sogenannten „Native Advertising“, bei dem Werbung möglichst unauffällig in redaktionelle Inhalte eingebettet wird

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Formen und Methoden des Influencer-Marketings

Influencer bewerben Produkte auf vielfältige Weise: Neben klassischen Blogs auf eigenen Websites stehen vor allem Postings, kurze Videos („Storys“), „Reels“ oder Live-Videos auf Social-Media-Plattformen im Mittelpunkt. Häufig werden sogenannte „Tags“ oder „Tap Tags“ sowie explizite Links verwendet, die direkt zu den beworbenen Produkten führen. Die Präsentation erfolgt oft so beiläufig, dass der kommerzielle Charakter für die Follower nicht immer sofort erkennbar ist

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Rechtliche Grundlagen und Entwicklung der Kennzeichnungspflichten

Ob Influencer-Marketing einen Wettbewerbsverstoß nach § 5a Abs. 4 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) darstellt, hängt vom Einzelfall ab. Die Rechtsprechung war lange uneinheitlich, insbesondere hinsichtlich der Kennzeichnungspflichten. Mit der Neufassung des § 5a Abs. 4 S. 2, 3 UWG hat der Gesetzgeber versucht, Klarheit zu schaffen:

Maßgeblich ist, ob der Influencer ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung für die Produktpräsentation erhalten hat. Die Beweislast dafür liegt beim Influencer.
Auch Eigenwerbung unterliegt grundsätzlich einer Kennzeichnungspflicht, wenn der werbliche Charakter nicht anderweitig klar erkennbar ist.
Bei unentgeltlichen Empfehlungen ist zu prüfen, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zum Absatz von Produkten besteht. Influencer werden dabei ähnlich wie Medienunternehmen betrachtet, da sie sich regelmäßig über Werbeeinnahmen finanzieren und für Auftraggeber besonders attraktiv sind, wenn sie eine große Reichweite haben
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Kennzeichnungspflichten im Detail

Die Anforderungen an die Kennzeichnung (das „Wie“) hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend sind:

Der Ort der Kennzeichnung im Beitrag,
die Ausgestaltung und optische Hervorhebung,
sowie die konkrete Formulierung.
Hashtags wie „#ad“ oder „#sponsored by“ reichen nicht aus, wenn sie am Ende eines Beitrags stehen und somit leicht übersehen werden können. Die Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit aus Art. 11 der EU-Grundrechtecharta ist bei der Beurteilung stets zu berücksichtigen

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Medienrechtliche Aspekte und Abgrenzung zu anderen Werbeformen

Influencer-Marketing kann auch medienrechtlich relevant sein. Es handelt sich um Werbung, wenn die Darstellung von Produkten oder Dienstleistungen im Vordergrund steht. Ein Fall von Sponsoring liegt vor, wenn ein Video (ganz oder teilweise) durch ein Unternehmen finanziert wurde. Produktplatzierungen sind gegeben, wenn Marken oder Produkte gezielt dargestellt oder erwähnt werden

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Redaktionelle Inhalte und rechtliche Einordnung

Ein zentrales Kriterium ist, ob die Beiträge als „redaktionelle Inhalte“ zu qualifizieren sind. Bei Blogs kann dies grundsätzlich bejaht werden, bei Instagram-Postings oder vergleichbaren Medien ist dies jedoch kritischer zu sehen, da der redaktionelle Charakter oft weniger ausgeprägt ist

 

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Haftungsfragen im Influencer-Marketing

Im Falle unzulässiger Werbung in redaktioneller Form können verschiedene Akteure auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden:

Im Printbereich haften Verlag, verantwortlicher Redakteur, Chefredakteur und Drucker.
Im Rundfunkbereich haftet der Rundfunkanbieter, die Produktionsfirma sowie alle eigenverantwortlich Beteiligten (z. B. Regisseur, Moderator, Hauptdarsteller).
Beim Influencer-Marketing haften neben dem Influencer selbst auch beteiligte Unternehmen oder Agenturen, die die Influencer beauftragen oder unterstützen.
Um Haftungsrisiken zu minimieren, empfiehlt sich der Abschluss von Freistellungsklauseln im Innenverhältnis

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Störerhaftung und Prüfungspflichten

Die Störerhaftung wurde im Wettbewerbsrecht weitgehend aufgegeben. Die Haftung knüpft nunmehr an die Verletzung von Verkehrspflichten und Prüfungspflichten an. Wer sich fremde Inhalte zu eigen macht, haftet nach den allgemeinen Regeln, wobei technische Möglichkeiten wie Hyperlinks und Framing besondere Probleme bereiten können

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Schadensersatz und Auskunftsansprüche

Schadensersatz- und Auskunftsansprüche werden selten geltend gemacht. Das Presseprivileg aus § 9 S. 2 UWG besagt, dass ein Anspruch auf Schadensersatz gegen Verantwortliche periodischer Druckschriften nur bei vorsätzlicher Zuwiderhandlung besteht. § 10 UWG regelt einen Gewinnabschöpfungsanspruch für Verbände unter bestimmten Voraussetzungen

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Haftung des Begünstigten

Die Haftung des Begünstigten (z. B. eines Unternehmens, das von der getarnten Werbung profitiert) ist differenziert zu betrachten:

Der Begünstigte haftet uneingeschränkt, wenn er die getarnte Werbung bewusst herbeigeführt hat, etwa durch Absprachen mit dem Verbreitenden.
Schwieriger ist der Nachweis, wenn keine direkte Absprache vorliegt. Eine Haftung besteht dann, wenn der Begünstigte sein Werbematerial so eingereicht hat, dass er bewusst auf eine getarnte redaktionelle Werbung spekuliert hat.
Auch das Bereitstellen von Bausteinen für redaktionelle Texte, die nur als Werbung verwendet werden können, kann eine Haftung begründen.
Getarnte Werbung kann nicht nur in Presseberichten, sondern auch in Äußerungen vermeintlich neutraler Dritter auftreten, wenn diese tatsächlich bezahlte Werbung sind

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Das Geschäftsmodell Influencer-Marketing im Wandel

Influencer-Marketing hat sich als erfolgreiches Geschäftsmodell etabliert. Im Gegensatz zu klassischen Absatzmittlern sind es hier meist weibliche Persönlichkeiten, die auf Social-Media-Plattformen Accounts betreiben, ihre Selbstdarstellung pflegen und eine große Zahl von Followern um sich scharen. Sie nutzen ihre Bekanntheit, um scheinbar privat Produkte und Unternehmen zu bewerben. Durch „Tagging“ und „Linking“ werden Follower direkt zu den beworbenen Produkten oder Unternehmensaccounts weitergeleitet. Für diese Aktivitäten erhalten Influencer in der Regel ein Entgelt oder andere materielle Vorteile

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Entwicklung der Rechtsprechung und aktuelle Rechtslage

Die Vielzahl an Rechtsfragen rund um Influencer-Marketing hat zu zahlreichen gerichtlichen Entscheidungen geführt. Mittlerweile wurden durch drei Leitentscheidungen und zwei weitere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) wesentliche Fragen geklärt. Die Neuregelungen im UWG, insbesondere die Einfügung des Wortes „unmittelbar“ in § 2 I Nr. 2 und die neuen Sätze in § 5a IV, sollen einen sicheren Rechtsrahmen für Influencer schaffen. Die Beratungspraxis hat sich auf diese geklärte Rechtslage eingestellt. Verträge zwischen Unternehmen und Influencern regeln zunehmend detailliert die Verpflichtung zur angemessenen Kennzeichnung des kommerziellen Zwecks der Posts

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Unterscheidung: Eigenwerbung vs. Fremdwerbung

Für die rechtliche Beurteilung ist die Unterscheidung zwischen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens und zugunsten eines fremden Unternehmens zentral. Nach § 5a IV 2 UWG liegt bei Handlungen zugunsten eines fremden Unternehmens kein kommerzieller Zweck vor, wenn kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung vom fremden Unternehmen gezahlt oder versprochen wurde. Bei Eigenwerbung ist entscheidend, ob der werbliche Charakter für die angesprochenen Verkehrskreise klar erkennbar ist

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Praktische Hinweise für Influencer und Unternehmen

Influencer sollten jede Kooperation mit Unternehmen und jede Gegenleistung transparent kennzeichnen.
Unternehmen sollten in Verträgen mit Influencern klare Regelungen zur Kennzeichnungspflicht treffen und sich im Innenverhältnis absichern.
Die Gestaltung der Kennzeichnung muss so erfolgen, dass der kommerzielle Zweck auf den ersten Blick und ohne Zweifel erkennbar ist.
Bei Unsicherheiten empfiehlt sich die Einholung rechtlicher Beratung, um Abmahnungen und gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden
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Fazit: Aktuelle Herausforderungen und Ausblick

Influencer-Marketing bleibt ein dynamisches Feld, das sich stetig weiterentwickelt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich durch die jüngsten Gesetzesänderungen und Leitentscheidungen des BGH deutlich gefestigt. Die Beziehungen zwischen Unternehmen und Influencern werden zunehmend professioneller und vertraglich detaillierter ausgestaltet. Die Kennzeichnungspflichten sind inzwischen weitgehend klar, sodass größere gerichtliche Auseinandersetzungen künftig seltener werden dürften. Dennoch bleibt die genaue Ausgestaltung der Kennzeichnung und die Abgrenzung zu redaktionellen Inhalten eine Herausforderung, die eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall erfordert