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Bei der Auslegung einer Äußerung muss diese als zusammenhängendes Ganzes gewürdigt werden. Dabei sind auch Kontext der Äußerung und Eigentümlichkeiten des gewählten Mediums aus der Perspektive der Empfänger der Äußerung zu berücksichtigen.  Etwas was auf den ersten Blick wie eine Meinungsäußerung aussieht, die durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt ist, kann durch das Einflechten zusätzlicher Informationen an anderer Stelle als Tatsachenbehauptung zu werden sein.

In einem aktuellen Fall hatte ein Facebook Nutzer sich auf seinem Profil implizit aber für Teilnehmer des Facebookforums unmissverständlich die Behauptung aufgestellt, ein Amateur Team habe einen erheblichen Teil ihrer 22.000 Facebook-Fans gekauft und nicht durch ihr positives Image erworben.

 

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OLG Frankfurt

Beschluss vom 25.04.2013

16 W 21/13

 

…..

Gründe


I.

 Die Antragstellerin wendet sich gegen Textveröffentlichungen des Antragsgegners im Internet auf der Plattform Facebook. Beide Parteien unterhalten dort ein Nutzerprofil, die Antragstellerin unter der Bezeichnung „E“, der Antragsgegner unter seinem Namen. Die Parteien sind ferner im …sport aktiv und bestreiten Rennen im A1 und A2 Deutschland. Die Antragstellerin nimmt an diesen Rennen seit 2012 unter der Bezeichnung „D“ teil und betreibt unter dieser Bezeichnung auch einen Onlineshop mit Fanclub, Neuigkeiten und Terminen. Auf die Anlage ASt 3, Bl. 66 d.A. wird Bezug genommen. Im Internet und der Presse war Ende Januar des Jahres 2013 eine Debatte über die möglicherweise unlauteren Praktiken bei der Facebook-Fanwerbung der Teilnehmerin „…“ der Sendung „Dschungelcamp“ im Fernsehen geführt worden. Dieser war der „Kauf von Fans“ zum Vorwurf gemacht worden. Auf ASt 6 bis 8 (Bl. 70 – 78 d.A.) wird Bezug genommen. JurPC Web-Dok.

149/2013, Abs. 1

Am 5. Februar 2013 äußerte sich der Antragsgegner auf der Internet-Plattform Facebook zu der Entwicklung der Zahl der sog. „Facebook-Fans“ der Antragstellerin wie im Ausdruck der Anlage ASt 1 der Antragsschrift ersichtlich. Auf Bl. 61 – 64 d.A. wird Bezug genommen. In der Folgezeit bis zum 7. Februar 2013 tauschten sich zahlreiche weitere Mitglieder von Facebook über diese Äußerungen aus. Auch die Antragstellerin nahm hierzu ab dem 7. Februar 2013 dort Stellung. Am späten Abend des 7. Februar 2013 äußerte sich der Antragsgegner zu der Diskussion schließlich in beschwichtigender Form und teilte unter anderem mit: „Es war einfach nur Spaß…nicht mehr und nicht weniger! Wenn E damit nichts zu tun hat, dann ist doch alles okay…ein wenig Ironie unter Erwachsenen Menschen sollte doch wohl kein Problem sein, oder? Bis zu diesem Zeitpunkt fiel kein böses Wort von mir […] Dafür von meiner Seite ausdrücklich SORRY! […].“ Auf Anlage ASt 14 (Bl. 85 d.A.) wird Bezug genommen. 

Mit Anwaltsschreiben vom 22. Februar 2013 ließ die Antragstellerin – die seit dem 5. Februar 2013 Kenntnis von den Äußerungen hatte – den Antragsgegner abmahnen und unter Fristsetzung bis zum 4. März 2013 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Dies wies der Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 28. Februar 2013 zurück. Am 8. März 2013 stellte die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Frankfurt. 

Das Landgericht hat die begehrte einstweilige Verfügung nicht erlassen und die darauf gerichteten Anträge durch Beschluss vom 19. April 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die beanstandeten Äußerungen bei kontextbezogener Auslegung noch im Rahmen der nach Art. 5 Abs. 1GG geschützten Meinungsäußerung bewegen würden. Es handele sich nicht um dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsachenbehauptungen, sondern seien noch als Mutmaßungen des Antragsgegners einzustufen. Dieser habe mit seinen Äußerungen lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass es sich bei der hohen Zahl von über 22.000 „Facebook“-Fans hinsichtlich der Antragstellerin um Zahlen handele, die künstlich in die Höhe getrieben worden sein dürften. Einem unbefangenen Dritten erschließe sich im Übrigen der von der Antragstellerin dargelegte Unterscheid zwischen dem „Kauf“ von „Facebook“-Fans und der kostenpflichtigen Schaltung einer Werbeanzeige nicht. Da die Äußerung hier vor dem Hintergrund der bestimmten tatsächlichen Konstellation mehrere Deutungen zulasse, sei der Deutung der Vorzug zu geben, die nicht zu einem Verbot führe. Auf die Entscheidung des Landgerichts Bl. 108 -111 d.A. wird im Übrigen Bezug genommen. 

Der Beschluss des Landgerichts Frankfurt vom 19. März 2013 ist der Antragstellerin am 20. März 2013 zugestellt worden. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist am 2. April 2013 bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde gemäß Beschluss vom 4. April 2013 (Bl. 126 d. A.) nicht abgeholfen. 

Die Antragstellerin verfolgt ihre ursprünglich gestellten Anträge weiter. Sie ist der Auffassung, dass der Antragsgegner mit den beanstandeten Äußerungen behauptet habe, die Antragstellerin habe ihre Facebook-Fans gekauft, was nicht zutreffe. 

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2013 (Az.: 2-03-O 98/13) aufzuheben und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 8. März 2013 stattzugeben. 

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Landgerichts.

Er ist der Ansicht, die einstweilige Verfügung sei schon mangels Dringlichkeit nicht zu erlassen. Mit dem erst am 8. März 2013 gestellten Antrag habe die Antragstellerin ohne zwingende Gründe seit dem Vorfall mehr als vier Wochen verstreichen lassen. 

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. 

 

II.

 

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Antragstellerin kann nach Auffassung des Senats die Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung vom Antragsgegner im einstweiligen Verfügungsverfahren nach §§ 935, 936 i.V.m.916 ff ZPO verlangen. Es fehlt hier entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht an der Dringlichkeit für den Erlass der begehrten Regelung. Für die Frage, ob ein Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Regelung vorliegt, lassen sich keine festen Fristen vorgeben. Denn die Eilbedürftigkeit geht nicht verloren, wenn sich der Betroffene – wie hier – zunächst um eine außergerichtliche Erledigung der Streitigkeit bemüht (Wenzel, Das Recht der Wort und Bildberichtserstattung, Kap. 12 Rz 144). Zudem hängt es auch von der Art der Verletzungshandlung und den Gesamtumständen, unter denen die Äußerung erfolgte, ab, wie lange der Betroffene zuwarten kann, bis er gegen die Äußerung im Wege des Eilrechtsschutzes vorgeht. Die Antragstellerin kannte die beanstandete Äußerung zwar bereits bei deren Abgabe am 5. Februar 2013. Sie hat die Tragweite der aufgestellten Behauptung und damit die Schwere des Eingriffs in ihre Sozialsphäre erst im Verlauf der hierdurch ausgelösten Debatte erkannt. Denn die Angriffe auf ihre Person und ihren Internetauftritt intensivierten sich erst im Verlauf der Diskussion auf dem Facebook-Forum. Dass sie sich danach zunächst noch anwaltlichen Rates versicherte und sich – so beraten – für eine anwaltliche außergerichtliche Abmahnung vom 22.02.2013 unter Fristsetzung auf den 4. März 2013 entschied, ist nicht zu beanstanden. Der Verfügungsantrag vom 8. März 2013 wahrte dabei allerdings gerade noch die Grenze dessen, was von der Antragstellerin hier unter dem Gesichtspunkt der Dringlichkeit zu erwarten war. 

Es liegt auch ein Verfügungsanspruch vor. Die Antragstellerin kann von dem Antragsgegner aus §§ 1004 . 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1GG die Unterlassung der beanstandeten Äußerungen wie beantragt verlangen. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Äußerungen auf der Internetplattform Facebook – wie in ASt 1 gezeigt – vom Antragsgegner stammten und sich auf ihre Person und ihren Auftritt „D“ bezogen. Dies wurde im Beschwerdeverfahren auch nicht bestritten. Die beanstandeten Äußerungen verletzen die Antragstellerin rechtswidrig in ihrem als Sozialsphäre geschützten Persönlichkeitsrechts. Denn der Antragsteller hat mit Abfolge seiner Äußerungen vom 5. Februar 2013 implizit aber für Teilnehmer des Facebookforums unmissverständlich die Behauptung aufgestellt, die Antragstellerin habe einen erheblichen Teil ihrer 22.000 Facebook-Fans gekauft und nicht durch ihr positives Image erworben. Der Senat teilt nicht die Einschätzung des Landgerichts, es handele sich bei den verfahrensgegenständlichen Äußerungen um eine reine Meinungsäußerung. Bei der Auslegung der Äußerung muss diese als zusammenhängendes Ganzes gewürdigt werden. Dabei sind ferner die Begleitumstände der Äußerung und die Eigengesetzlichkeit des gewählten Mediums aus der Perspektive der Erklärungsempfänger mit in Betracht zu ziehen. 

Gleich zu Beginn seiner Äußerung stellt der Antragsgegner den Erfolg der Antragstellerin bei ihrer Fanwerbung in einem gedanklichen Dreischritt mit der Wendung

„…Und dann sehe ich ein 2012 erstmals im A2 angetretenes Amateurteam (Namen nenne ich nicht…), das über 22.000 FB-Fans verfügt!!!?“

den Fanerfolgen der offenbar schon länger eingeführten Teams

„B1“ mit „ca. 450 FB-Fans“

und Abs. 21

„A3“ mit „ca. 1.150 … beide immerhin schon amtierende Meisterteams im A1“

kritisch gegenüber. Durch die Frageform und die Wortwahl wird dabei deutlich die Frage aufgeworfen, wie denn dieses noch ganz neue Team diese 22.000 Fans redlich geworben haben kann, wenn selbst die eingeführten bekannten Teams im …sport trotz ihres positiven Images entweder nur bei 450 (B1) oder bei 1.150 (A3) Facebook-Fans liegen. Den Charakter einer Tatsachenbehauptung gewinnt die Gesamtwendung dann endgültig durch den anschließenden Satz, indem die gestellte Frage beantwortet wird:

“ Tja, spätestens seit dem Dschungelcamp weiß man ja, wie man zu vielen FB-Freunden kommt!;-)))“.

Diese Äußerung bezieht sich für die durchschnittlichen Leser und Teilnehmer des Internetforums Facebook unmissverständlich auf die Berichterstattung vom Januar 2013 über „…“, eine der sog. „Prominenten“ der Sendung „Dschungelcamp“ im Privatfernsehen. Damals wurde – dies blieb zwischen den Parteien unstreitig – von breiten Teilnehmerkreisen im Internet der Vorwurf erhoben, besagte „…“ habe 70.000 Facebook-Fans gekauft, davon sogar Tausende aus Vietnam. Dies wurde im Internet und der Presse über lange Zeit intensiv diskutiert und kritisiert. Die Geschäftspraktiken bei der Fanwerbung von Facebook-Teilnehmern waren seitdem, dies hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, Gegenstandes eines intensiven Austauschs. Die nachfolgenden Äußerungen vertiefen nach Auffassung des Senats letztlich diese Bewertung. Mit der Wendung

„Die meisten Fans kommen aus Stadt1 und sind 13 – 17 Jahre alt…ich hau mich grad weg hier…..;)))))“

wird zugleich erklärt, dass für diese Fangruppe bereits alters- und herkunftsbedingt keine tatsächliche Möglichkeit bestand, mit lauteren Mitteln als Fan der Antragstellerin geworben zu werden. Mit der abschließenden Wendung, die sich zugleich direkt auf die Werbeanzeige in der Mitte der Bildschirmdarstellung bezieht

„Ist ja fast ein Schnäppchen …. 20.000 internationale Fans für EUR 359,90…. Da kann der eine oder andere ja schon mal in Versuchung geraten….;-)))“.

wird abschließend nochmals die Gesamtaussage des Dialoges zusammengefasst und verstärkt. Dies lenkt zugleich die Assoziation des Lesers zu dem eigentlichen hinter den einzelnen Äußerungen stehenden Tatsachenkern: Das neue Team mit den bereits 22.000 Fans muss seine Fans gekauft und nicht mit lauteren Mitteln erworben haben, wie die übrigen beiden genannten gut eingeführten Teams. Aus Sicht des Senats ergibt sich aus dem inhaltlichen Kontext der Äußerungen auch keine andere Bewertungsmöglichkeit. Denn besonders durch den letzten Satz bleibt aus Sicht des Senats kein Zweifel offen, dass der Antragsgegner mit der Abfolge seiner sich zuspitzenden Bemerkungen den Leser gedanklich nur zu der eigenen Schlussfolgerung bringen will, wenn 20.000 Fans für EUR 359,90 gekauft werden können und alte eingeführte Teams nur max. 1350 Fans haben, dann kann das neue Team seine 20.000 Fans tatsächlich nur gekauft haben. Diese Gesamtaussage wird durch den vom Antragsgegner gewählten optischen Bezug zu der Werbeanzeige in der Bildmitte noch verstärkt. Die soeben beschriebenen Äußerungen erscheinen am rechten Bildrand des Bildschirmausdrucks vom 5. Februar 2013 (ASt 1) wie ein Randkommentar oder eine Erläuterung zu der im Mittelpunkt gezeigten Grafik, die den Kauf von 20.000 Facebook-Fans für EUR 359,90 werblich anpreist.

Dass sich die Äußerung des Antragsgegners auch ohne Namensnennung auf die Antragstellerin bezog und die angesprochenen Verkehrskreise dies so verstehen mussten, war im Beschwerdeverfahren unstreitig. Tatsächlich wurde die Behauptung im Verlauf der Diskussion dann ja auch nur auf die Antragstellerin bezogen. Mit dieser Tatsachenbehauptung verletzt der Antragsgegner rechtswidrig die Sozialsphäre der Antragstellerin. Es wäre dabei Sache des Antragsgegners, darzulegen und zu beweisen, dass die aufgestellte Tatsachenbehauptung wahr ist. Auf das Feld der Ironie kann er sich im Hinblick auf die hier vorliegende Zuspitzung der Äußerung auf einen klaren Tatsachenkern im Verlauf der dialogischen Äußerung nicht zurückziehen.

Es besteht auch Wiederholungsgefahr. Denn auch im Bereich des deliktischen Äußerungsrechts ist davon auszugehen, dass die Wiederholungsgefahr fortbesteht, bis der Behauptende eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Dies hat der Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 28. Februar 2013 abgelehnt. Die Entschuldigung des Antragsgegners bei der Antragstellerin am Abend des 7. Februar 2013 in seiner Stellungnahme auf dem Facebook-Forum beseitigt die Wiederholungsgefahr nicht. Denn diese Erklärung enthält keinen eindeutigen Widerruf oder eine unmissverständliche Richtigstellung der Behauptung. Mit der Bemerkung „Wenn E damit nichts zu tun hat, dann ist doch alles okay…“ macht der Antragsgegner zugleich deutlich, dass er die von ihm ausgelöste Diskussion über die rasche Zunahme der Zahl der Fans der Antragstellerin im Ergebnis noch immer für gerechtfertigt hält und es nach seiner Auffassung die Pflicht der Antragstellerin war, hierfür eine Erklärung anzubieten. Eine eindeutige Distanzierung von dem vom eigentlichen Inhalt seiner Behauptung in der Sache enthält die Stellungnahme nicht. Sie wird vom Antragsgegner lediglich als nur ironisch gemeinte Bemerkung neu interpretiert. Abs. 31

Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 1 und 2 ZPO. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.