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Nach einer Mitteilung der Bayrischen Landesärztekammer gäbe es Anzeichen für eine neue Abmahnwelle, die die Werbung für Faltenunterspritzung auf Internetangeboten von Zahnärzten und Kosmetikerinnen zum Gegenstand hat. Diese ist auch Zahnärzten mangels ärztlicher Approbation untersagt.

Hierzu eine aktuelle Entscheidung des VG Münster:

 

Verwaltungsgericht Münster, 7 K 338/09

vom 19.04.2011

 

Verwaltungsgericht Münster

 

7. Kammer

Urteil

7 K 338/09

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist approbierte niedergelassene Zahnärztin. Über eine Heilpraktikererlaubnis oder über eine Approbation als Ärztin verfügt die Klägerin nicht. Mit Schreiben vom 16. Januar 2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie beabsichtige, im Rahmen ihrer zahnärztlichen Tätigkeit Faltenunterspritzungen

vorzunehmen, insbesondere folgende Maßnahmen:

 

„1. Mesotherapie im Gesichtsbereich mittels Meso-Injektor (subcutane Injektionstiefe 1-2 mm), gespritzt werden Hyaluronsäure, Vitamine, Mineralstoffe;

2. Mesotherapie im Halsbereich mittels Meso-Injektor (subcutane Injektionstiefe 1-2 mm), gespritzt werden Hyaluronsäure, Vitamine, Mineralstoffe;

3. Mesotherapie im Halsbereich mittels Meso-Injektor (subcutane Injektionstiefe 1-2 mm), gespritzt werden Hyaluronsäure, Vitamine, Mineralstoffe)

4. Injektionslypolyse im Gesichtsbereich ca. 6 mm subcutan per Injektor mit

Phosphatidylcholin-Präparaten;

5. Injektionslypolyse im Halsbereich (ca. 6 mm subcutan per Injektor mit

Phosphatidylcholin-Präparaten;

6. Faltenunterspritzung mit doppeltvernetzter Hyaluronsäure (je nach Indikation in die

oberen oder tieferen Schichten der Dermis);

7. Anwendung von Botolinumtoxin im Gesichtsbereich.“

 

Die Klägerin bat um einen rechtsmittelfähigen Bescheid hinsichtlich dieser Maßnahmen.

 

Mit Schreiben vom 28. Januar 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit,

Faltenunterspritzungen, die über den Lippenbereich hinausgehen, seien gemäß § 1 Abs. 3 Zahnheilkundegesetz (ZHG) von der zahnärztlichen Approbation nicht umfasst und daher für Zahnärzte eine unzulässige Handlung. Welche Mittel dabei unterspritzt würden, sei irrelevant.

 

Die Klägerin hat am 24. Februar 2009 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im

Wesentlichen aus, das Unterspritzen von Falten im Mund- und Naso-Labial-Bereich sei zwar Ausübung der Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz, HPG).

 

Gemäß § 1 Abs. 3 ZHG seien Zahnärzte aber berechtigt, alle Behandlungen

vorzunehmen, die sich auf den Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers

beziehen. Die Lippenaugmentation und die Faltenunterspritzung der perioalen Falten und der Naso-Labial-Falten seien der Zahnheilkunde zuzuordnen. Auch ergebe sich aus Ziff. 41 b) der BEMA-Z bzw. aus Nr. 11 der Gebührenordnung für Zahnärzte, dass extraorale Leitungsanästhesien durch Zahnärzte durchgeführt werden können bzw. müssen. Diese Abrechnungsbestimmungen stünden einer Beschränkung der zahnärztlichen Tätigkeit auf den intraoralen Bereich entgegen. Dies gelte sowohl für die Heilbehandlung von Krankheiten, als auch für kosmetische Maßnahmen. Auch hinsichtlich des Halsbereichs, der den Kiefer umschließe, verfügten Zahnärzte über hinreichende anatomische Kenntnisse zur Behandlung. Schließlich spiegele das aus den 1950er Jahren stammende ZHG die heutigen tatsächlichen Verhältnisse nicht hinreichend wider. So sei zum Beispiel mangels medizinischer Indikation nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 ZHG zweifelhaft, ob das weitverbreitete und von der Beklagten akzeptierte Aufhellen von Zähnen („Bleeching“) unter den Begriff der Zahlheilkunde falle. Schließlich stelle es eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung und somit einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dar, dass Heilpraktiker, aber auch jedweder Arzt die von der Klägerin beabsichtigten Maßnahmen durchführen dürfe, nicht dagegen die insoweit auf

Grund ihres Studiums der Zahnmedizin fachkundigere Klägerin.

 

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, folgende Maßnahmen durchzuführen:

1. Mesotherapie im Gesichtsbereich mittels Meso-Injektor (subcutane Injektionstiefe 1-2

mm), gespritzt werden Hyaluronsäure, Vitamine, Mineralstoffe,

2. Mesotherapie im Halsbereich mittels Meso-Injektor (subcutane Injektionstiefe 1-2 mm),

gespritzt werden Hyaluronsäure, Vitamine, Mineralstoffe,

3. Injektionslypolyse im Gesichtsbereich (ca. 6 mm subcutan per Injektor mit

Phosphatidylcholin-Präparaten),

4. Injektionslypolyse im Halsbereich (ca. 6 mm subcutan per Injektor mit

Phosphatidylcholin-Präparaten),

5. Faltenunterspritzung mit doppeltvernetzter Hyaluronsäure im Gesichts- und

Halsbereich (je nach Indikation in die oberen oder tieferen Schichten der Dermis),

6. Anwendung von Botolinumtoxin im Gesichtsbereich.

 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr Schreiben an die Klägerin vom 28. Januar 2009.  Zudem führt sie aus, extraorale Leitungsanästhesien seien nur deshalb Teil der zahnärztlichen Tätigkeit, weil sie final auf die Behandlung von Krankheiten im Mund ausgerichtet seien. Dies gelte für die von der Klägerin beabsichtigte Tätigkeit nicht. Dass Zahnärzte im Studium medizinische Kenntnisse über Körperteile erlangen, welche nicht zu Zähnen, Mund und Kiefer gehören, berechtige sie angesichts des § 1 Abs. 3 ZHG berufsrechtlich nicht zu entsprechenden Maßnahmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der

Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Die Klage ist als Feststellungklage nach § 43 VwGO zulässig, aber unbegründet.

 

Denn die Klägerin ist mangels ärztlicher Approbation bzw. Heilpraktikererlaubnis nicht berechtigt, die in ihrem Sachantrag benannten Tätigkeiten vorzunehmen.

 

Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich – wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen – um die Ausübung von Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HPG. Diese ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen.

 

Bei der Beurteilung, ob eine solche Ausübung der Heilkunde beabsichtigt ist, kommt es im Wesentlichen auf die Erforderlichkeit medizinischer Fachkenntnisse auf Grund mit der Tätigkeit verbundener Risiken an, vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 25. Juni 2007 – 3 B 82.06 -,  NVwZ-RR 2007, 686; OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2006 – 13 A 2495/03 -,

www.nrwe.de, Rn. 27 ff.

 

Bei den beabsichtigten Injektionen u.a. von Hyaluronsäure bzw. Botolinumtoxin sind medizinische Fachkenntnisse sowohl auf Grund der mit der Injektion als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbundenen Gesundheitsrisiken erforderlich als auch auf Grund der möglichen Nebenwirkungen der Substanzen,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2006 – 13 A 2495/03 -, a.a.O., Rn. 28 ff., 38 ff.; VG Köln, Beschluss vom 2. August 2005 – 9 L 798/05 -, www.nrwe.de, Rn. 27.

 

Zu dieser Heilkundeausübung ist die Klägerin nicht nach § 6 HPG i.V.m. § 1 Abs. 3 ZHG berechtigt. Zwar fällt gemäß § 6 HPG die Ausübung der Zahnheilkunde nicht unter die Bestimmungen des HPG. Aber die streitgegenständlichen Maßnahmen sind keine Ausübung der Zahnheilkunde.

 

Denn gemäß § 1 Abs. 3 ZHG sind Zahnärzte nur berechtigt, alle Behandlunge vorzunehmen, die sich auf den Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers beziehen, vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 13. August 1998 – 13 A 1781/96 -, www.nrwe.de, Rn. 32.

 

Die von der Klägerin beabsichtigten Behandlungen gehen über diesen räumlich abgegrenzten Bereich aber hinaus.

Zwar erscheint es mit der Beklagten als möglich, dass die Lippen als äußere Grenze des  Mundbereichs noch dem Mund im Sinne des § 1 Abs. 3 ZHG zugerechnet werden  können. Vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 21. August 1998 – 2 U 29/97 -, WRP 1999, 288 = juris, Rn. 77)

Das Behandeln des von Mund, Zähnen und Kiefer weiter entfernten Naso-Labial-Bereichs und erst recht von sonstigen Bereichen der Gesichtshaut oder des Halses bezieht sich  dagegen nicht auf Mund, Zähne oder Kiefer.

Ebenso OLG Zweibrücken, Urteil vom 21. August 1998 – 2 U 29/97 -, a.a.O., Rn. 53, 76 bis 79, 85 VG Köln, Beschluss vom 2. August 2005 – 9 L 798/05 -, a.a.O., Rn. 34.

§ 1 Abs. 3 ZHG erfasst nach der Rechtsprechung des OVG NRW nur die Maßnahmen, die ihren unmittelbaren Behandlungsansatz in diesen drei Körperbereichen haben, nicht aber solche, die nur mittelbar damit in Zusammenhang stehen, vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. August 1998 – 13 A 1781/96 -, a.a.O., Rn. 35; ebenso OLG Zweibrücken, Urteil vom 21. August 1998 – 2 U 29/97 -, a.a.O., Rn. 53.

 

Die von der Klägerin beabsichtigten Behandlungen betreffen nicht den Bereich der

Zähne, des Munds oder des Kiefers, selbst ein mittelbarer Zusammenhang ist nicht

erkennbar.

 

Die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, insbesondere  ihr die Ausübung der Tätigkeiten des Zahnarztes regelnder Art. 36, der ebenfalls auf Zähne, Mund und Kiefer und das dazugehörige Gewebe abstellt, führt zu keinem  anderen Ergebnis, vgl. zum entsprechenden Art. 5 der Vorgänger-Richtlinie 78/687/EWG OLG Zweibrücken, Urteil vom 21. August 1998 – 2 U 29/97 -, a.a.O., Rn. 40.

 

Aus den Abrechnungsvorschriften Ziff. 41 b) der BEMA-Z bzw. Nr. 11 der Gebührenordnung für Zahnärzte ergibt sich nichts anderes. Denn Vergütungsregelungen können den Rahmen der aus einer Approbation folgenden Befugnisse nicht ändern, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2010 – 3 B 31.10 -, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2010 – 13 A 2017/07 -, www.nrwe.de, Rn. 46 ff. Im Übrigen ist es sachgemäß, dass Zahnärzte extraorale Leitungsanästhesien vornehmen und abrechnen dürfen, wenn diese auf eine Behandlung innerhalb des Bereichs Zähne, Mund und Kiefer gerichtet ist und eine solche erst ermöglicht, z.B. weil eine intraorale Anästhesie auf Grund einer Kieferklemme nicht möglich ist.

 

Damit sind die von der Kläger beabsichtigten, gar nicht auf eine Behandlung von Zähne, Mund oder Kiefer ausgerichteten Eingriffe nicht vergleichbar.

 

Schließlich stellt die Tatsache, dass Ärzten und Heilpraktikern die von der Klägerin beabsichtigten Maßnahmen heilberufsrechtlich auf Grund ihrer Approbation bzw. der Heilpraktikererlaubnis erlaubt sind, nicht jedoch den über eine ärztliche Approbation oder eine Heilpraktikererlaubnis nicht verfügenden Zahnärzten, keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung entgegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Denn der Bundesgesetzgeber darf bei der Definition der den Zahnärzten erlaubten Ausübung der Zahnheilkunde in § 1 Abs. 3 ZHG zwecks einer klaren räumlichen Grenzziehung der zulässigerweise zu behandelnden Körperteile allein auf den Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer abstellen, ohne weitere Teilbereiche des Gesichts oder des Halses mit aufzunehmen zu  müssen, hinsichtlich derer Zahnärzte auch über hinreichende Sachkenntnisse verfügen

können,  vgl. auch bzgl. § 1 Abs. 2 HPG OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2006 – 13 A 2495/03 -, a.a.O., Rn. 39, 43.

 

Es ist weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt, dass die zahnärztliche

Qualifikation spezifische Kenntnisse hinsichtlich der Hautschichten im Gesicht bzw. im Halsbereich und hinsichtlich der bei der Faltenunterspritzung auftretenden

gesundheitlichen Risiken so umfassend vermittelt, dass es von seiten des Gesetzgebers willkürlich ist, diese Körperteile auszuschließen aus der Definition der Zahnheilkunde in § 1 Abs. 3 ZHG, welche wie erwähnt mit den unionsrechtlichen Regelungen der Richtlinie 2005/36/EG in Einklang steht. Dabei ist auch zu beachten, dass ihre zahnärztliche  Approbation es der Klägerin nicht verwehrt, eine Heilpraktikererlaubnis zu erlangen und nachfolgend die begehrten Tätigkeiten als Heilpraktikerin anzubieten.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

 

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711  ZPO.