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Wer eine einstweilige Verfügung beantragt läuft Gefahr, die Kosten tragen, wenn er nicht zuvor abmahnt und der Gegner den Anspruch anerkennt. Anders, wenn er gleichzeitig einen Antrag auf Sequestration stellt.

Aber auch von diesem Grundsatz gibt es wiederum Ausnahmen. So, wenn die Sequestration rechtsmissbräuchlich ist oder nicht die Gefahr besteht, der Schuldner bringe Produkte beiseite. Eine weitere Ausnahme besteht, wenn der Gläubiger die erlassene einstweilige Verfügung nur hinsichtlich der Untersagung, nicht aber hinsichtlich der Sequestration vollzieht, ohne hierfür  eine nachvollziehbare Begründung zu liefern. Entsprechend legte das Kammergericht in seinem Beschluss vom 25. April 2008 (5 W 39/06) dem Gläubiger die Kosten des Verfahrens auf.

Die Entscheidung:

KG · Beschluss vom 25. April 2008 · Az. 5 W 39/06

….

 

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) wird das am 13. Dezember 2005 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin – 103 O 175/05 – wie folgt geändert:

1. Die einstweilige Verfügung der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin vom 14. Oktober 2005 – 103 O 175/05 – wird zu Ziff. 10 wie folgt geändert:

Die Gerichtskosten des Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 2) jeweils zur Hälfte. Die Antragstellerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1). Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2) trägt diese selbst.

2. Die weiteren Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Antragstellerin.

II. Die Antragsgegnerin zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 1.500,–EUR.

Gründe
I.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) ist in entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. OLG Frankfurt GRUR 2006, 264; Wolst in: Musielak, ZPO, 5.Aufl., § 99 RdNr. 9) und zulässig.

II.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO zugunsten der Antragsgegnerin zu 1) zu Unrecht abgelehnt, da die Abmahnung der Antragsgegnerin zu 1) vor Stellung des Eilantrags im vorliegenden Fall nicht entbehrlich war.

Die Antragsgegnerin zu 1) hat Recht, dass in markenrechtlichen Unterlassungsfällen eine Veranlassung zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung regelmäßig erst dann besteht, wenn der Antragsgegner auf eine Abmahnung nicht oder ablehnend reagiert. Eine Abmahnung ist nur dann entbehrlich, wenn sie aus Sicht des Antragstellers zu der Zeit, zu der er entscheiden muss, ob er im betreffenden Einzelfall abmahnt oder dies unterlässt, bei Anlegung eines objektiven Maßstabes unzumutbar ist (OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1064; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 191).

Wird – wie vorliegend – im einstweiligen Verfügungsverfahren neben dem Unterlassungsanspruch ein Sequestrationsanspruch geltend gemacht, kann sich die Unzumutbarkeit der Abmahnung daraus ergeben, dass eine Abmahnung dem Verletzer die Möglichkeit eröffnen könnte, zur Vermeidung wesentlicher Nachteile den vorhandenen angegriffenen Warenbestand beiseite zu schaffen und damit den Anspruch des Verletzten auf Vernichtung der Ware zu unterlaufen (Senat, Beschluss vom 13. Juli 2007, 5 W 29/06; OLG Düsseldorf aaO.; OLG Hamburg aaO.; OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 29; Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26 Aufl., §8 UWG RdNr.1.48; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl. § 18 RdNr.38). Maßgeblich ist, ob die Umstände des konkreten Einzelfalls geeignet sind, bei dem Berechtigten die ernste Besorgnis zu begründen, dass der Unterlassungsschuldner sich bei einer vorherigen Abmahnung um schnelle Beseitigung eines etwa vorhandenen Warenbestandes bemühen werde (Senat aaO., OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 191 aaO.). Diese Besorgnis ist grundsätzlich berechtigt, wenn es sich um einen Fall der Weiterverbreitung schutzrechtsverletzender Ware handelt. In diesen Fällen darf der Unterlassungsgläubiger regelmäßig davon ausgehen, dass der Verletzer die Sequestrierung zu vereiteln versucht um die sich aus einer Sequestrationsanordnung ergebenden wirtschaftlichen Nachteile zu vermeiden (OLG Hamburg GRUR-RR 2004, aaO.).

Dies kann jedoch nicht einschränkungslos gelten. In Fällen der vorliegenden Art könnten Schutzrechtsinhaber sich veranlasst sehen, den Sequestrationsanspruch nur deshalb geltend zu machen, um auf diese Weise die hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs grundsätzlich bestehende Abmahnungsobliegenheit zu umgehen. Um einen solchen Missbrauch bzgl. der Beantragung der Sequestration auszuschließen, ist es notwendig, dass im Einzelfall geprüft wird, ob ein schützenswertes Sicherungsinteresse für die Sequestration tatsächlich bestand. Wird – wie hier unstreitig – die beantragte und vom Landgericht erlassene Sequestrationsanordnung nicht vollzogen, kann es nicht dabei verbleiben, nur allgemein ein objektives Sicherungsinteresse zu verlangen, weil die Antragstellerin gerade nicht entsprechend einem solchen Interesse gehandelt hat. Daher ist zu verlangen, dass von Antragstellerseite schlüssig dargelegt wird, wieso trotz eines bestehenden Sicherungsinteresses gerade im vorliegenden Einzelfall aufgrund von welchen Erkenntnissen auf eine Sequestration verzichtet wurde. Hierzu fehlt jedoch nachvollziehbarer Vortrag der Antragstellerin. Dass die Antragsgegnerin zu 1. die Verfügungsansprüche am 11.11.2005 anerkannt hat, erklärt nicht, weshalb die Antragstellerin zuvor, nachdem ihr die einstweilige Verfügung am 24.10.2005 zugestellt worden war, keinen Auftrag zur Sequestration erteilt hat. Daher kann hier die Unzumutbarkeit der Abmahnung nicht festgestellt werden.

Die Obliegenheit zur Abmahnung entfällt auch nicht deshalb, weil die Antragsgegnerin zu 1) mehrmals die Geschäftsadresse änderte. Nach dem Vortrag der Antragstellerin wurde dies erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung bekannt, daher kann es vorher bei der Beantragung der einstweiligen Verfügung keine Rolle gespielt haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 2 ZPO. Das Obsiegen der Antragsgegnerin zu 1) beruht auf ihrem Beschwerdevorbringen, dass die Antragstellerin von der Sequestrationsanordnung keinen Gebrauch gemacht hat, was die Antragsgegnerin zu 1) bereits im ersten Rechtszug hätte vortragen können. Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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