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In der Beratungspraxis sind Fälle wie der der „gewerbezentrale“ der aktuell veröffentlicht wurde, schwierig einzuschätzen, da der Begriff selber lexikalisch nicht feststellbar ist. Daher sind umfangreiche Recherchen notwendig, um die Chancen einer Eintragung abschätzen zu können.

 

Wortmarken haben dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die -etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien -stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden). Dabei gälte, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung sei, desto eher werde er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung träte.

Der Umstand, dass die Wortkombination „gewerbezentrale“ lexikalisch nicht nachweisbar ist, ändert nichts an ihrer Schutzunfähigkeit für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Denn auch wenn ein Wortzeichen bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde – wie hier – oder es sich um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, reicht es aus, dass es in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann

Der Umstand, dass die Wortkombination „gewerbezentrale“ lexikalisch nicht nachweisbar sei ändert nichts an ihrer Schutzunfähigkeit für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Denn auch wenn ein Wortzeichen bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde – wie hier – oder es sich um eine sprachliche Neuschöpfung handele, reiche es aus, dass es in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen könne.

 

Die Entscheidung:

 

Bundespatentgericht

9. Februar 2011

29 W (pat) 54/10

 

BESCHLUSS

 

In der Beschwerdesache

 

 

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 012 151.3

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Dorn

BPatG 154

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

 

I.

Das Wortzeichen

gewerbezentrale

ist am 25. Februar 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden (nach Beanstandung geändertes Verzeichnis vom

2. Juli 2008, Bl. 6 f. u. 14 VA):

Klasse 9:

Hardware und Programme für die Datenverarbeitung (Software) einschließlich der dazugehörigen Benutzerdokumentationen im elektronischen Format;

Klasse 35:

Werbung; Büroarbeiten; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung;

 

Klasse 38:

Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet und/oder Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken, insbesondere Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken mit Informationen über Unternehmen und/oder touristische Ziele und Einrichtungen und/oder andere Einrichtungen;

 

Klasse 42:

Erstellen, Installation und Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); technische Beratung für den Einsatz, die Anwendung und die Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); Erstellen von technologischen Lösungen im Bereich der Informationstechnologie; Entwickeln von System-Integrationslösungen.

Mit Beschlüssen vom 25. Juli 2008 und 12. Februar 2009, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1 und 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das Gesamtwort „gewerbezentrale“ nur auf den Inhalt und nicht auf den Erzeuger der Waren bzw. den Erbringer der Dienstleistungen hinweise. So könnten Hard-und Software bzw. diesbezügliche Wartungsdienstleistungen speziell von einer zentralen Einrichtung erstellt, herausgegeben und entwickelt werden und sich dabei inhaltlich mit dem Gewerbe auseinandersetzen. Es sei auch nicht unüblich, dass Werbe-und Beratungsdienstleistungen zentral angeboten würden, um das ansässige Gewerbe mit diesen Dienstleistungen zu unterstützen. Dass der angemeldete Begriff relativ allgemein gehalten sei und das Aufgabenspektrum nicht näher konkretisiere, begründe nicht seine Schutzfähigkeit. Da es sich um Gewerbe unterschiedlicher Art handeln könne, liege es nahe, darunter im Sinne einer Sammelbezeichnung auch sehr unterschiedliche Dienstleistungen zur Unterstützung anzubieten. Es sei auch nicht widersprüchlich, dass mit „gewerbezentrale“ einerseits eine Zentrale im Sinne eines Dachverbandes und andererseits eine zentrale dienstleistungsanbietende Stelle bezeichnet werde.

 

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle 35 des Deutschen Patent-und Markenamtes vom 25. Juli 2008 und 12. Februar 2009 aufzuheben und anzuordnen, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Zur Begründung trägt sie vor, der Begriff „gewerbezentrale“ enthalte weder einen Oberbegriff für Waren oder Dienstleistungen, noch sei nachvollziehbar, für welchen Bereich Waren oder Dienstleistungen angeboten würden. Die Vielzahl der Treffer im Rahmen einer Google-Recherche nach „gewerbezentrale“ liefere nur Hinweise auf sie bzw. ein befreundetes Unternehmen (BGZ gewerbliches Internetmarketinge. K.), aber keine Fundstellen, in denen das Zeichen sachbeschreibend verwendet würde. Das angemeldete Zeichen sei kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, weil es lexikalisch nicht nachweisbar sei. Für die Verkehrskreise sei vollkommen unklar, was eine Gewerbezentrale sein oder tun solle.

Der Wortbestandteil „Gewerbe“ beziehe sich grammatikalisch auf „zentrale“, so dass es sich um ein Determinativkompositum handele, bei dem das Zweitglied „zentrale“ durch das Erstglied „Gewerbe“ begrifflich eingeschränkt werde. Daher würden die angesprochenen Verkehrskreise den Gesamtbegriff keineswegs dahingehend verstehen, dass die darunter vertriebenen Waren und Dienstleistungen (nur) auf das Gewerbe ausgerichtet seien. Zudem würden sich etwaige Bedeutungen des Wortes „Gewerbezentrale“ widersprechen, weil eine zentrale Stelle des Gewerbes (Dachverband) etwas ganz anderes sei als eine zentrale Stelle für das Gewerbe (Anbieter von entsprechenden Waren/Dienstleistungen für Gewerbe) oder eine Zentrale über das Gewerbe (Bereitstellen von entsprechenden Informationen).

Daher eigne sich das Zeichen auch nicht zu einem feststehenden, von den Mitbewerbern zur beschreibenden Verwendung benötigten Fach-oder Sachbegriff. Aufgrund der mindestens drei Bedeutungsvarianten verfüge das Anmeldezeichen über ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

 

1. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „gewerbezentrale“ als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung versagt.

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 -FUSSBALL WM 2006; 2008, 1093, 1094 Rdnr. 13 -Marlene-Dietrich-Bildnis I). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 -Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 -BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 -EUROHYPO; BGH a. a. O. -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard; GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 -VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 -My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. -FUSSBALL WM 2006; a. a. O. -Marlene-Dietrich-Bildnis I;GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 -STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 -Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 -My World). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 -SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 -Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. -FUSSBALL WM 2006).

Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 -Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 -Postkantoor; BGH a. a. O. -marktfrisch; GRUR 2001, 1153 -anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 19 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 -DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die -etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien -stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 -Gute Zeiten -Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 -Cityservice; a. a. O. -FUSSBALL WM 2006). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. -FUSSBALL WM 2006). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt (BPatG GRUR 2007, 58, 60 -BuchPartner). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21 -Companyline; GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 -DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 97 -Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 38 -BIOMILD); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung -etwa syntaktischer oder semantischer Art -hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung ihrer schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 -Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. -BIOMILD; a. a. O. Rdnr. 28 -SAT 2; a. a. O. Rdnr. 29 -BioID; MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. -CELLTECH).

b)

Das angemeldete Zeichen hat nur einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt.

aa)

Die Wortkombination „gewerbezentrale“ lässt sich lexikalisch nicht nachweisen (WAHRIG Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006, Anlage 1, Bl. 46 -48 GA). Dennoch kann dem aus zwei -im deutschen Sprachgebrauch geläufigen -Begriffen zusammengesetzten Wort ein verständlicher Sinngehalt entnommen werden. Unter „Gewerbe“ wird eine auf Erwerb gerichtete Berufstätigkeit sowie die Gesamtheit der produzierenden Betriebe, Handwerksbetriebe, Handelsunternehmen und Dienstleistungsbetriebe verstanden (WAHRIG Deutsches Wörterbuch, a. a. O.). Das weitere Element  „Zentrale“ ist mit der Bedeutung Mittelpunkt, Ausgangspunkt, Hauptgeschäftstelle oder Teil eines Unternehmens, in dem bestimmte Arbeitsgänge zusammenlaufen, geläufig (WAHRIG Deutsches Wörterbuch a. a. O.). Wortverbindungen aus zwei (oder mehreren) Substantiven mit der Endung „-zentrale“ sind in der deutschen Sprache üblich. So lassen sich u. a. die Wortverbindungen Agentenzentrale, Blutspendezentrale, Handelszentrale, Nachrichtenzentrale oder Verwaltungszentrale finden, bei denen die Endung auf eine zentrale Stelle hinweist, die für einen bestimmten Bereich die Funktion der Leitung, Verwaltung, Überwachung oder Versorgung innehat (DWDS Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, Anlage 2, Bl. 49 GA). Weitere belegte Wortkombinationen wie Fernsprechzentrale, Schaltzentrale, Telefonzentrale oder Überlandzentrale bezeichnen mit ihrer Endung eine zentrale Stelle oder Anlage, durch die etwas vermittelt oder weitergeleitet wird (DWDS Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache a. a. O.). Der Begriff „Gewerbezentrale“ ist vom Bedeutungsgehalt her der ersten Gruppe zuzuordnen.

bb)

Vor diesem Hintergrund kann dem Gesamtbegriff „gewerbezentrale“ die Bedeutung einer zentralen Stelle beigemessen werden, welche die Funktion der Leitung, Verwaltung, Koordination oder Versorgung im Hinblick auf produzierende Betriebe, Handwerksbetriebe, Handelsunternehmen und Dienstleistungsbetriebe innehat. Aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist der Begriff „gewerbezentrale“ daher vom Bedeutungsgehalt vergleichbar mit einem Dachverband, Zentralverband oder Gewerbeverein, der dazu eingerichtet ist, unterschiedliche Funktionen, beispielsweise Verwaltungs-, Unterstützungs-und Koordinierungsaufgaben, für das Gewerbe bzw. einzelne Gewerbetreibende zu übernehmen und hierfür erforderliche Waren und Dienstleistungen anzubieten. Unter einer „gewerbezentrale“ ist in diesem Zusammenhangdaher zwanglos eine „zentrale Stelle des Gewerbes und für das Gewerbe“ zu verstehen. Der Ansicht der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, der Bestandteil „Gewerbe“ beziehe sich auf den zweiten Wortbestandteil „zentrale“ mit der Folge, dass nicht nachvollziehbar sei, für welchen Bereich Waren oder Dienstleistungen unter dem Anmeldezeichen angeboten werden sollten. Die Wortkombination „gewerbezentrale“ ist entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin auch nicht vergleichbar mit der Zeichenkombination „BuchPartner“, die der Entscheidung des Senats vom 27. September 2006 (GRUR 2007, 58) zugrunde lag, da es sich vorliegend nicht um eine Wortverbindung von Gegenstands-und Personenbezeichnung handelt. Vielmehr ist die angemeldete Wortkombination vergleichbar mit den in der deutschen Sprache geläufigen Wortverbindungen „Handelszentrale“ oder „Verwaltungszentrale“ mit dem bereits beschriebenen Bedeutungsinhalt der Endung „-zentrale“.

aaa) Die Internetrecherche des Senats ergab, dass verschiedene Zentralverbände für ihre Mitglieder koordinierte Werbemaßnahmen organisieren, um die Erreichbarkeit des Publikums zu erhöhen und Kosten zu senken, so der „Zentralverband Sanitär Heizung Klima“ (www.wasserwaermeluft.de, Anlage 17, Bl. 69 -77 GA) und der „DTV Deutscher Textilreinigungsverband“ (www.dtvbonn.de, Anlage 17 letzte Seite, Bl. 78 GA). Auch wird von mehreren Zentralverbänden eine Beratung ihrer Mitglieder bei betriebswirtschaftlichen oder organisatorischen Fragestellungen angeboten, so u. a. vom „ZDH Zentralverband des Deutschen Handwerks“ (www.zdh.de, Anlage 21, Bl. 79 GA), vom „Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V.“ (Broschüre des Zentralverbandes, Anlage 22, Bl. 80 f. GA) oder vom „ZFD -Zentralverband der Podologen und Fußpfleger Deutschlands e. V., Landesverband Nordrhein-Westfalen e. V.“ (www.zfd-lv-nrw.de, Anlage 25, Bl. 82 f. GA). Durch die Bezeichnung „gewerbezentrale“ werden die in Klasse 35 angemeldeten Dienstleistungen „Werbung“ und „betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung“ daher insoweit beschrieben, als sie von einer zentralen Stelle im Sinne eines Zentralverbandes erbracht werden und sich an Gewerbetreibende richten können. Die weiter beanspruchten „Büroarbeiten“ stehen mit den vorgenannten Dienstleistungen in einem engen funktionalen Zusammenhang, so dass das Anmeldezeichen auch insoweit vom Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rdnr. 23 -TOOOR!).

 

bbb) Die nachfolgend aufgeführten Rechercheergebnisse zeigen, dass zentrale Gewerbestellen in ihren Internetauftritten bzw. Internetportalen den Zugriff auf unterschiedliche Informationen bzw. Datenbanken bereitstellen, wobei solche Dienstleistungen auch für das Touristikgewerbe angeboten werden:

(1)

Die „BauGewerbe-Zentrale“ bietet auf ihrem Internetportal Informationen zu den Themenbereichen Bauen, Renovieren, Kaufen und Finanzieren sowie eine umfangreiche Anbieter-und Firmendatenbank sowie eine Urteilsdatenbank an (www.bau-gewerbe.de, Anlage 8, Bl. 57 GA).

(2)

Der „ZDH Zentralverband des Deutschen Handwerks“ stellt ein Internetportal „Handwerk und Tourismus“ zur Verfügung, welches Informationen über touristische Ziele und dort ansässige Handwerksbetriebe miteinander verknüpft (www.zdh.de, Anlage 16, Bl. 68 GA).

So können die hier beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 38 „Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet und/oder Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken, insbesondere Bereitstellen von Internetportalen und/oder Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken mit Informationen über Unternehmen und/oder touristische Ziele und Einrichtungen und/oder andere Einrichtungen“ ebenfalls von einer zentralen Stelle des Gewerbes erbracht werden und sich an Gewerbetreibende richten.

ccc) Zentralverbände stellen im Internet auch für bestimmte Gewerbebereiche spezialisierte Software bereit. In diesem Zusammenhang lassen sich folgende Angebote finden:

 

(1)

Der „Zentralverband Sanitär Heizung Klima“ bietet auf seinem Onlineshop EDV-Programme, wie die Software „Bankengerechte Unternehmenspräsentation“ an (www.wasserwaermeluft.de, Anlage 10, Bl. 59 GA).

(2)

Der „Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks“ bietet eine spezielle Kassensoftware für den Bäckereifachverkauf an (Online-Artikel der Allgemeinen Bäckerzeitung vom 29. April 2008, Anlage 14, Bl. 64 f. GA).

(3)

Der „Zentralverband Deutsches Baugewerbe“ stellt seinen Mitgliedsunternehmen ein branchenspezifisches Softwaretool zum strategischen Chancen-und Risikomanagement für die Bauwirtschaft zur Verfügung (www.min-d.de, Anlage 15, Bl. 66 f. GA).

(4)

Der „Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V.“ stellt unterschiedliche Software für Autofahrer, die sich inhaltlich mit dem Angebot und Service von Kfz-Meisterbetrieben oder speziellen Fachbetrieben für den Gebrauchtwagenkauf befassen, in Form von Apps für Smartphones bereit (www.kfzgewerbe.de, Anlage 11, Bl. 61 -63 GA). Zentralverbände treten nach dem Ergebnis der Recherche zwar üblicherweise nicht als unmittelbare Anbieter von Hardware auf, wohl aber werden sie als Vermittler für spezielle, auf die Bedürfnisse bestimmter Gewerbezweige zugeschnittener Hardware tätig. So weist der „Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks“ in einer Pressemitteilung im Zusammenhang mit der o. g. Kassensoftware auf die Kooperation mit einem führenden Anbieter von Systemlösungen der Wäge-, Informations-und Food-Servicetechnik im Lebensmittelverkauf hin und zeigt Bäckereibetrieben ferner die Möglichkeit auf, den Informationsservice im Verkauf durch den Betrieb eines speziellen Computer-Info-Terminals im Verkaufsraum, der durch einen Touch-Screen von den Kunden bedient werden kann, weiter auszubauen; bezüglich weiterer Informationen hierzu wird dort u. a. auf die Internetseite des Zentralverbandes verwiesen (Pressemitteilung vom 30. Januar 2007, Anlage 9, Bl. 58 GA).

 

Die beanspruchten Waren der Klasse 9 „Programme für die Datenverarbeitung (Software) einschließlich der dazugehörigen Benutzerdokumentationen im elektronischen Format“ können somit von einer „Gewerbezentrale“ im Sinne eines Zentralverbandes im Internet angeboten oder bereitgestellt werden und sich an Gewerbetreibende richten. Soweit das Anmeldezeichen für „Hardware“ aufgrund der insoweit bloß feststellbaren Vermittlungstätigkeit von Zentralverbänden für Gewerbetreibende nicht als unmittelbare Sachangabe angesehen werden kann, weist es jedenfalls einen engen sachlichen Bezug zu diesen beanspruchten Waren auf und wird somit vom angesprochenen Verkehr ebenfalls nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden (BGH a. a. O. 419 -BerlinCard; a. a. O. 855 Rdnr. 28 f.-FUSSBALL WM 2006).

 

ddd) Die angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 42 „Erstellen, Installation und Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); technische Beratung für den Einsatz, die Anwendung und die Pflege (Wartung) von Programmen für die Datenverarbeitung (Software); Erstellen von technologischen Lösungen im Bereich der Informationstechnologie; Entwickeln von System-Integrationslösungen“ stehen zu den o. g. beanspruchten Waren der Klasse 9 in einem engen funktionalen Zusammenhang, da die für Gewerbetreibende angebotene spezialisierte Software auch erstellt, installiert und gewartet werden muss, begleitet von einer entsprechenden Beratung für den Anwender; auch können verschiedene Hard-und/oder Softwarekomponenten im Rahmen von technologischen Lösungen bzw. SystemIntegrationslösungen miteinander verknüpft bzw. aufeinander abgestimmt werden, so dass auch insoweit ein enger funktionaler Zusammenhang gegeben ist. Die Bezeichnung „gewerbezentrale“ wird daher auch insoweit vom Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden (BGH a. a. O. -TOOOR!).

Das Anmeldezeichen vermittelt daher den angesprochenen Verkehrskreisen entweder einen (unmittelbaren) Sachhinweis auf den Erbringer/Anbieter oder Adressaten der beanspruchten Waren und Dienstleistungen oder weist zu diesen einen engen beschreibenden Bezug bzw. engen funktionalen Zusammenhang auf. Damit eignet sich das Gesamtzeichen für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.

 

cc)

Der Umstand, dass die Wortkombination „gewerbezentrale“ lexikalisch nicht nachweisbar ist, ändert nichts an ihrer Schutzunfähigkeit für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Denn auch wenn ein Wortzeichen bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde – wie hier – oder es sich um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, reicht es aus, dass es in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21 -Companyline; GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 -DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 97 -Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 38 -BIOMILD); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung -etwa syntaktischer oder semantischer Art -hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung seiner schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 -Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. -BIOMILD; a. a. O.

Rdnr. 29 -BioID; MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. -CELLTECH). So liegt der Fall auch bei der hier angemeldeten, nicht besonders ungewöhnlich gebildeten Wortkombination.

Aus o. g. Gründen ist es entgegen der Ansicht der Anmelderin auch unerheblich, dass der Begriff „gewerbezentrale“ mehrere mögliche Bedeutungen hat im Sinne einer zentralen Stelle des Gewerbes (Dach-oder Zentralverband) oder einer zentralen Stelle für das Gewerbe (Anbieter von entsprechenden Waren/Dienstleistungen für das Gewerbe), zumal sich diese Bedeutungen hier -wie oben dargestellt -nicht widersprechen, sondern sinnvoll ergänzen. Gleiches gilt für die weitere mögliche Bedeutung des Begriffs „gewerbezentrale“ im Sinne einer zentralen Stelle über das Gewerbe (Bereitstellen von entsprechenden Informationen).

Im Übrigen stellt die Wortkombination „gewerbezentrale“ keine sprachliche Neuschöpfung dar, vielmehr lässt sich aufgrund der Internetrecherche folgende -zum Teil beschreibende -Verwendung des Begriffes ohne Hinweis auf die Anmelderin belegen:

aaa) Die Stadt Schwabach informiert ihre Bürger in einer Broschüre über diverse städtische Dienstleistungen, unter denen sie u. a. eine „Auskunft a. d. Gewerbezentrale/Gewerberegister“ anbietet („BürgerBroschüre“ der Stadt Schwabach, Anlage 4, Bl. 50 -52 GA).

 

bbb) In einer Informationszeitschrift des Landtags Nordrhein-Westfalen wird von einer „Arbeitskraft-und Gewerbezentrale“ gesprochen („Landtag intern 12“, Ausgabe vom 9. September 1997, Anlage 5, Bl. 53 f. GA).

ccc) In einer Pressemitteilung des „Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V.“ vom 29. Dezember 2004 ist von der „Frankfurter Gewerbezentrale des BGL“ die Rede (Anlage 6, Bl. 55 GA).

 

ddd) Darüber hinaus wird der Begriff „Gewerbezentrale“ nachweislich zur Bezeichnung von Immobilienobjekten (http://immobilien-karlsruhe.de, Anlage 7, Bl. 56 GA) und

 

eee) in der Kombination „BauGewerbe-Zentrale“ (www.bau-gewerbe.de, Anlage 8, Bl. 57 GA) verwendet.

 

2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann aus der Sicht des Senats dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus für die fraglichen Waren und Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

3.  Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG kommt aufgrund der hier dargelegten Unbegründetheit der Beschwerde nicht in Betracht.

(Unterschriften)