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LG München I spricht Gastwirt 1.014.000 EURO Entschädigung durch eine Versicherung aufgrund von Corona-bedingter Schließung zu

Viele Gastwirte müssen aktuell um ihre Existenz während der Corona-Pandemie kämpfen. Große Teile ihrer Einnahmen sind insbesondere in den Monaten des deutschlandweiten Lockdows zwischen März und Mai 2020 entfallen. Allein durch den Außerhausverkauf und die staatlichen Hilfen konnten bei weitem nicht sämtliche Verluste kompensiert werden. Nun versuchen viele Gaststättenbetreiber sich an ihre Versicherungen zu halten, denn einige haben eine sog. Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen, nach der oftmals eine Entschädigung für einen gewissen Zeitraum an die Versicherten zu zahlen sein soll im Falle von Schließungen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Einige Versicherungen weigern sich jedoch beharrlich mit geradezu fadenscheinigen Argumenten die Entschädigungen zu zahlen. Nach ihrer Auffassung seien etwa die Schließungen nicht aufgrund des IfSG, sondern aufgrund einer Allgemeinverfügung erfolgt. Auch falle das neue Coronavirus SARS-CoV-2 nicht unter die meldepflichtigen Krankheiten der Betriebsschließungsversicherung.

Allein am LG München waren Anfang Oktober deswegen bereits 86 Klagen im Verfahrenskomplex Betriebsschließungsversicherung anhängig. Die 12. Zivilkammer des LG München I sprach nun in einem wegweisenden Urteil vom 01. Oktober 2020, Az. 12 O 5895/20 dem Münchener Traditionshaus „Augustiner-Keller“ 1.014.000 Euro für 30 Tage Betriebsschließung gegen den Bayerischen Versicherungsverband/Versicherungskammer Bayern (VKB) zu.

Die Kammer urteilte, dass es weder auf die Rechtsform noch die Rechtmäßigkeit der Anordnungen des Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege ankomme. Auch ein Vorgehen gegen die Anordnungen durch den Kläger sei nicht erforderlich gewesen. Entscheidend sei allein, dass die Allgemeinverfügung des Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 21. März 2020 und die nachfolgende Verordnung vom 24. März 2020 aufgrund des IfSG erfolgt sein, was hier durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die §§ 28 – 32 IfSG der Fall gewesen sei. Nach Auffassung der Kammer habe sich der Kläger auch nicht auf einen Außerhausverkauf verweisen lassen müssen, da dies lediglich ein völlig untergeordnetes Mitnahmegeschäft und damit keine unternehmerische Alternative sei.

Auch stehe im vorliegenden Fall fest, dass das Coronavirus von den Versicherungsbedingungen mitumfasst sei, da keine Einschränkung durch die in Teil B § 1 Ziffer 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) aufgezählten Krankheiten und den Verweis in das IfSG gegeben sei. Besonderheit des Sachverhalts war es, dass die Versicherung am 04. März 2020 abgeschlossen worden war. Insofern erschien es unzweifelhaft, dass die Versicherung sogar gerade wegen der Corona-Pandemie abgeschlossen worden war.

Der Verweis der AVB auf das IfSG sei wegen seiner Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Der Versicherungsnehmer gehe in der Regel davon, dass der Verweis auf das IfSG mit den in den AVB aufgezählten Krankheiten umfassend sei und insoweit keine negativen Abweichungen zu den vom IfSG umfassten Krankheiten bestünden. Eine davon abweichende Erwartung werde insbesondere nicht durch die lange Auflistung von Krankheiten begründet, da gerade diese Vollständigkeit suggeriere. Es könne nicht erwartet werden, dass der Versicherungsnehmer Spezialkenntnisse über das IfSG habe. Maßgeblich seien die typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Verständnismöglichkeiten eines Durchschnittskunden. Im Rahmen einer gewerblichen Versicherung sei daher auf den geschäftserfahrenen und gewerblich tätigen Unternehmer abzustellen.

Zuletzt stellte die Kammer auch klar, dass weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen vom Anspruch des Klägers abzuziehen seien. Dabei handele es sich nämlich nicht um Schadensersatzzahlungen gerade wegen Betriebsschließungen.

Die beklagte Versicherung hat bereits angekündigt in Berufung zu gehen. Angesichts der Vielzahl von laufenden Verfahren wird wohl auch der Bundesgerichtshof irgendwann über diesen oder einen ähnlichen Sachverhalt entscheiden.